Forschungsablauf
4 Forschungsablauf
Innerhalb der empirischen Sozialforschung können idealtypisch zwei Formen des Ablaufs von Forschungsprojekten unterschieden werden. Einerseits die lineare, primär quantitative Vorgehensweise, andererseits die zirkuläre, hauptsächlich innerhalb der qualitativen Sozialforschung zum Einsatz kommende Strategie. Diese beiden Strategien wurden von Witt wie folgt veranschaulicht:
Abbildung: Linearer und zirkulärer Forschungsablauf
Diese beiden Forschungsabläufe unterscheiden sich in vielfacher Hinsicht.
Bereits Ausgangspunkt und Zielsetzung stellen sich unterschiedlich dar. In der linearen Vorgangsweise geht man von existierenden Theorien aus, formuliert vor deren Hintergrund explizite Hypothesen, welche im Zuge der Forschung getestet werden. Ziel ist also das Prüfen bzw. Testen von Theorien. Empirische Ergebnisse, die den zugrunde gelegten Theorien und Hypothesen widersprechen, werden zum Anlass genommen, diese zu adaptieren und weiter zu entwickeln.
Bei der zirkulären Vorgangsweise steht hingegen ein vergleichsweise vages Vorverständnis des Feldes bzw. des Phänomens am Beginn der Forschung, welches im Zuge des Forschungsprozesses systematisch verfeinert und vertieft wird und schließlich zur Formulierung von allgemeineren Aussagen in Form von Theorien und Hypothesen führt. Primäres Ziel dieser Forschungsstrategie ist also die Theorieentwicklung und nicht die systematische Überprüfung existierender Theorien oder im Vorfeld formulierter Hypothesen.
In der Methodenliteratur wird zumeist qualitative Forschung mit Theorieentwicklung und quantitative mit Theorieprüfung in Zusammenhang gebracht. Tatsächlich ist es aber so, dass durchaus auch qualitative ethnographische Forschung dazu eingesetzt werden kann, existierende Theorien zu kritisieren, zu verwerfen oder gegebenen Falls zu erweitern. So kann etwa aus einer im Zuge eines Forschungsprojektes entwickelten Theorie auf Mängel, Unzulänglichkeiten oder falsche Annahmen bereits existierender Theorien geschlossen werden.
Ebenso wird in der quantitativen Sozialforschung nicht immer von explizit im Vorfeld formulierten Theorien und Hypothesen ausgegangen. Vielmehr werden in der Forschungspraxis erhobene Datensätze oft auf signifikante Zusammenhänge hin untersucht und erst nachträglich Hypothesen und Theorien formuliert, die statistische Zusammenhänge erklären.
Dies zeigt, dass die beiden skizzierten Forschungsabläufe nur bedingt einzelnen
Formen des Schlussfolgerns[1] zugeordnet werden können. Auch wenn eine lineare theorieprüfende Vorgangsweise vom Ansatz her deduktiv[2] vorgeht, gibt es in diesen Projekten induktive[3] Formen des Schlussfolgerns, wo aus den Daten auf neue bzw. alternative Hypothesen und Theorien geschlossen wird. Im Gegensatz dazu geht die zirkuläre Vorgangsweise von ihrem Ansatz her induktiv vor und versucht Theorien und Hypothesen aus dem empirischen Material zu entwickeln. Dies tut sie in der Forschungspraxis aber im Rahmen eines zirkulären bzw. iterativen Prozesses, der permanent aus dem empirischen Material Annahmen und Hypothesen generiert, die im Zuge der weiteren Forschung überprüft und weiterentwickelt werden. Es handelt sich also in der Praxis um eine Pendelbewegung zwischen induktivem Schließen, deduktivem Ableiten und einer empirischen Überprüfung der dabei entwickelten Annahmen.
In diesen beiden Arten des Forschungsablaufs kommen tendenziell auch unterschiedliche Arten von Daten (qualitative vs. quantitative[4]), verschiedene Samplingstrategien[5], unterschiedlich standardisierte
Erhebungsmethoden[6] und Qualitätskriterien zum Einsatz.
Verweise in diesem Kapitel:
[1] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-4.html
[2] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-6.html
[3] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-5.html
[4] Siehe Kapitel
[5] Siehe Kapitel
[6] Siehe Kapitel