Die Diskurstheorie von Juergen Habermas/Orientierungslosigkeit und Demokratie

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3.1 Moderne Orientierungslosigkeit und radikale Demokratie

verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest

Mit seiner Ideologiekritik am bürgerlichen Rechtsstaat hat Marx das Naturrecht so nachhaltig diskreditiert, dass sich die Klammer um Naturrecht und Revolution gelöst hat. Der Nachlass wurde von den Parteien eines internationalisierten Bürgerkrieges aufgeteilt: die Ideologie des Naturrechts für die eine Seite, die Revolution für die andere. Nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus zeigt sich der theoretische Fehler; dieser besteht in der Verwechslung des sozialistischen Projektes mit dem Entwurf und der gewaltsamen Durchsetzung einer Lebensform. "Wenn man jedoch ‚Sozialismus‘ als Inbegriff notwendiger Bedingungen für emanzipierte Lebensformen begreift, über die sich die Beteiligten selbst erst verständigen müssen, erkennt man, dass die demokratische Selbstorganisation einer Rechtsgemeinschaft den normativen Kern auch dieses Projekts bildet" (Habermas 1992: 12).

Die andere (bürgerliche) Partei versagt aber im Moment ihres scheinbaren Triumphes an der sozialstaatlichen und ökologischen Zähmung des Kapitalismus im Kontext der Weltgesellschaft. Daher kann auch sie nicht das ungeteilte Erbe des moralisch- praktischen Selbstverständnisses der Moderne antreten. Es mangelt ihr an Sensibilität für die gefährdete Ressource der in rechtlichen Strukturen aufbewahrten und regenerationsbedürftigen gesellschaftlichen Solidarität. Schlagworte der Orientierungslosigkeit sind: Ökologische Begrenzung des ökonomischen Wachstums, Disparität der Lebensverhältnisse im Norden und im Süden, Umbau staatssozialistischer Systeme, Migrationsströme, ethnische, religiöse und nationale Kriege, atomare Erpressungen und internationale Verteilungskämpfe. Vor diesem politischen Hintergrund will die Diskurstheorie nachweisen, dass der Rechtsstaat im Zeichen einer vollständig säkularisierten Politik ohne radikale Demokratie nicht zu haben und nicht zu erhalten ist. Jene radikalen Gehalte des demokratischen Rechtsstaates sind nicht in defätistischer Wendung aufzugeben, sondern in einer neuen, den komplexen gesellschaftlichen Verhältnissen entsprechend, zur Durchsetzung zu bringen (ebd.: 13).


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