Methodologische Gegensatzpaare/Qualitativ-Quantitativ

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Vorheriges Kapitel: 1.3 induktiv vs. deduktiv

1.4 qualitativ vs. quantitativ

Verfasst von Regina Köpl et al.

Das Gegensatzpaar qualitativ[1] vs. quantitativ[2] gilt als Ergebnis der Auseinandersetzungen um unterschiedliche Formen der Erfahrungsgewinnung und Forschungsprogramme vor dem Hintergrund der Ausdifferenzierung der modernen (Sozial)Wissenschaften im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Im Mittelpunkt stand die Frage nach der Angemessenheit einer am naturwissenschaftlichen Erkenntnismodell orientierten Forschungslogik auf die soziale Welt als den Gegenstandsbereich der Kultur- und Sozialwissenschaften. Die Bezeichnung qualitativ/quantitativ bezieht sich auf unterschiedliche Logiken der Forschung.

Abbildung: Viele Blumen links, eine Blume rechts, Quelle: K. Mocharitsch


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.4.1
[2] Siehe Kapitel 1.4.2

Inhalt

1.4.1 qualitativ

Verfasst von Regina Köpl et al.

Die Qualitative Forschungslogik steht für den Versuch eines vorrangig deutenden und sinnverstehenden Zugangs zur sozialen Welt. Die soziale Wirklichkeit wird in dieser Grundposition als das Ergebnis menschlicher Interaktionen gedacht. Repräsentiert und vermittelt wird die soziale Wirklichkeit über sprachliche und nicht sprachliche Symbole.

Foto: Frauengruppe in Bamako (Mali), Quelle: M.-F. Chevron

Strategische Bedeutung

Beitrag zur "dichten Beschreibung"[1] sozialer Milieus und zur Entdeckung gegenstandsbezogener Theorien vor allem dann, wenn es sich um einen neuen Forschungsgegenstand oder um die Vertiefung bereits vorhandenen Wissens handelt. Verallgemeinerungen sind in der Regel auf Grund der geringen Anzahl von Untersuchungsfällen und einer Stichprobenziehung, die nicht den Postulaten statistischer Repräsentativität folgt, nur begrenzt möglich.


Verweise:
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Dichte_Beschreibung


1.4.1.1 Kennzeichen qualitativer Forschungslogik


Verfasst von Regina Köpl et al.

  • Offenheit im Umgang mit Vorwissen und Theorie: vorhandene Erwartungen und theoretische Vorannahmen sollen offenen Charakter haben und in ständiger Auseinandersetzung mit den gewonnenen Daten revidiert, ergänzt, erweitert oder auch fallen gelassen werden können.
  • Im Vordergrund steht nicht die Überprüfung von Hypothesen durch statistische Verfahren sondern die Entwicklung von Hypothesen und Theorien. Diese erfolgt induktiv[1] und ist das Ergebnis des Forschungsprozesses.
  • Stärkere Verflechtung von Datensammlung und Analyse, da neue und zusätzliche Aspekte, die im Vorfeld nicht erkannt worden waren, erst im Forschungshandeln sichtbar werden, wobei sich erst in der Phase des Datensammelns die Komplexität des Forschungsfeldes erschließt.
  • weitgehender Verzicht auf Standardisierung von Erhebungsinstrumenten und Erhebungssituationen.
  • bewusste Einbeziehung subjektiver Faktoren wie die Person des Forscher/der Forscherin sowie deren Kommunikation mit den ForschungsteilnehmerInnen. Daten werden als Ergebnis der Interaktionsprozesse von ForscherInnen und ForschungsteilnehmerInnen betrachtet.
  • Die Interpretation von Daten zielt auf das verstehende Nachvollziehen von Erfahrungen und Deutungsmustern (siehe auch verstehen[2]) der Beforschten und die Rekonstruktion besonderer sozialer Welten in ihren Sinnstrukturen.


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.3.1
[2] Siehe Kapitel 1.1.4


1.4.2 quantitativ

Verfasst von Regina Köpl et al.

Foto: Menschenmassen am Times Square, Quelle: http://hdl.loc.gov, 2010

Quantitative Forschung orientiert sich an einer an den Naturwissenschaften orientierten "einheitswissenschaftlichen" Forschungslogik, wo auch soziale Phänomene auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten und das Vorliegen von Randbedingungen zurückgeführt werden sollen. Formalisierung und Mathematisierung der Ergebnisdarstellung gelten als Ziel dieser an Ausschaltung subjektiver Faktoren und Umformung von Erfahrung in Messdaten orientierten Forschungslogik. Quantitative Forschung zielt auf systematische Messung und Auswertung von beobachtbaren und zählbaren sozialen Fakten und Phänomenen. Alles was nicht beobachtet und gemessen werden kann, darf streng genommen nicht Gegenstand quantitativer sozialwissenschaftlicher Forschung sein.

Strategische Bedeutung

Durch vorgegebene Skalen und Indizes zur Messung von Einstellungen, Verhalten und Strukturmerkmalen von Individuen und Gruppen sowie Bemühen um weitgendene Formalisierung sollen präzise Aussagen möglich werden. Je nach Größe und Art der Stichprobenziehung (statistische Repräsentativität) können Ergebnisse verallgemeinert bzw. auf die Grundgesamtheit geschlossen werden.


1.4.2.1 Kennzeichen quantitativer Forschungslogik


Verfasst von Regina Köpl et al.

  • Die meisten quantitativen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen sind hypothesenprüfende Studien, d.h. empirisch überprüfbare Hypothesen werden vor der Phase der Datenerhebung aus der Theorie abgeleitet (siehe auch deduktiv[1]).
  • Starre Trennung des Forschungsprozesses in einzelne Arbeitsschritte Theoriebildung - Operationalisierung - Datenerhebung - Datenanalyse.
  • durch Überführung der für die Untersuchung relevanten theoretischen Begriffe und Konstrukte in beobachtbare Sachverhalte sollen Messungen möglich werden. Messen gilt als Prozess, wo Objekten und Ereignissen auf einer vorgegebenen Skala entlang bestimmter Abbildungsvorschriften Zahlenwerte zugeordnet werden.
  • Arbeit mit standardisierten Erhebungsinstrumenten, wo z.B. Inhalt, Formulierung und Reihenfolge der Fragen bis hin zu Antwortmöglichkeiten vorgegeben sind. Vor der Datenanalyse müssen die erhoben Daten so aufbereitet werden, dass den Angaben aus dem Fragebogen nach in einem Codebuch festgelegten Regeln ein Zahlenwert zugeordnet wird.
  • Die Datenauswertung erfolgt unter Verwendung spezieller Computerprogramme.
  • Durch statistische Tests kann z.B. überprüft werden, ob eine (theoretisch vorhergesagte) Beziehung zwischen zwei Variablen nachweisbar ist oder sich neue Zusammenhänge finden lassen (explorativ).


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.3.2


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