Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit/Erleben

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2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen

verfasst von Susanne Jarausch
Foto: Die Schlangenpriesterin von Knossos/Kreta, eine Fayance-Figur aus ca. 1650 v.u.Z. – eine rituelle Haltung die einen weiblichen Kraftaspekt vermittelt (Biedermann 1978)

Das Geschehen, wenn Menschen in einer rituellen Haltung in Trance gehen, sieht von außen recht unspektakulär aus. Das eigentliche Erleben ist ein inneres.

Die extremen biologischen Veränderungen, die mit der Trance einhergehen, können auf körperlicher Ebene in sich ausbreitender Hitze bis starkem Schwitzen, einem Zucken kleiner Muskeln, ein Vibrieren, das den ganzen Körper erfasst, dem Anspannen von Muskeln, dem Vertiefen der Atmung spürbar sein. Manchmal ist die Erregung so intensiv, dass der Körper wie in eine Form gegossen erstarrt erlebt wird.

Gleichzeitig zu den körperlichen Phänomenen tritt das visionäre Erleben ein. Jede rituelle Körperhaltung öffnet in der Trance einen ihr spezifischen transpersonalen Erlebnisraum[1], wo das Bewusstsein oder die Wahrnehmung über die gewöhnlichen Ich-Grenzen hinaus erweitert ist und die Schranken von Raum und Zeit überschritten werden. Die rhythmische Anregung ist der auslösende Reiz, gleichsam das Fahrzeug hinüber in die Trance, die Haltung öffnet das Tor zu einem bestimmten Erlebnisraum wie z.B. der Verwandlung, des Reisens, des Heilens..., der je nach Fähigkeit, Verfassung, Übung usw. in einem breiteren oder schmäleren Spektrum erlebt wird.

Dieses Erleben wird wiederum von der persönlichen Ebene gefärbt, man kann auch sagen in sie hineinübersetzt. Die Botschaften und Antworten, die man bekommt, die Heilung, die man erfährt, die Fähigkeiten, welche man in der Verwandlung erlernt, stehen in Bezug zum persönlichen Leben.

Am Erleben selbst sind alle Sinne beteiligt. Wir sehen, hören, riechen, schmecken, empfinden in der Trancevision in einer ganzheitlichen Weise, unser ganzer Körper/Geist ist sozusagen als Auge, Ohr… in fühlender Wahrnehmung.

Die Ekstase, in die das visionäre Erleben eingebettet ist, lässt sich kaum in Worte kleiden, geschweige denn in einer wissenschaftlichen Kategorie erfassen. Ekstase als das Erleben der Seele von sich selbst ist ein ganzheitliches Aufgehen im eigenen Sein und dem Sein an sich. Ekstase ist das Heraustreten aus Zeit und Raum zu einem Erleben tiefster Verbundenheit, der Einheit des Ich und der Welt, zeitlos, grenzenlos.

Es braucht einerseits Hingabe, ein willentliches Hineinschmelzen in die Trance, gleichzeitig behält man in dieser Wachtrance die Kontrolle, d.h. die Möglichkeit in der Vision zu entscheiden und zu handeln aber auch jederzeit die Haltung zu lösen und aus der Trance auszusteigen.

Da die Haltungen aus den Kulturen der Jäger und Gartenbauer stammen, betreten auch wir die geistige Welt dieser frühen Gesellschaftsformen[2]. Es gelten die Prinzipien der Angemessenheit und Gegenseitigkeit, wir stehen auf Augenhöhe mit wohlwollenden Geistwesen der anderen Wirklichkeit und erleben ein verbindendes Wir.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.4
[2] Siehe Kapitel 2.2

Inhalt

2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt

In einer phänomenologischen Studie untersuchte M. Schirmbrand (1991) die Korrelation zwischen bestimmten Haltungen und den auftretenden Erlebnisinhalten. In vier Versuchsdurchgängen hat sie einen systematischen Vergleich der Reise in die Unterwelt, der Maisgöttin und des tätowierten Jaguars vorgenommen, wobei die Ähnlichkeit der beiden zuletzt genannten Haltungen keine großen Unterschiede im Erleben erwarten ließ.

Abbildung: Reisehaltung, Maisgöttin und tätowierter Jaguar (aus Goodman 1989)

  • Abb. li.: Südamerikanische Reisehaltung nach M. Harner (1973: 83) – Tonfigur von einer Schülerin von Felicitas Goodman gestaltet.
  • Abb. mi.: Maisgöttin; Zentralmexiko, aztekisch.
  • Abb. re.: Tätowierter Jaguar; La Venta, olmekisch.

Die VersuchsteilnehmerInnen wussten nichts von den möglichen Erlebnisinhalten und hatten keinerlei Vorerfahrung. Ihr Erleben, welches sie nach der Trance berichteten, wurde inhaltsanalytisch nach Befinden und Wahrnehmungen visueller, akkustischer und kinästhetischer Art differenziert.

In allen diesen vier Bereichen zeigten sich deutliche und charakteristische Unterschiede, genau jene Unterschiede, die auch aus Feldstudien bekannt sind. (vgl. Guttmann 2001)


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