Vorlaeufer/Merkantilismus
Vorheriges Kapitel: 1 Vorläufer
1.1 Merkantilismus
Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader
Der Begriff Merkantilismus stammt von Adam Smith. Er bezeichnete damit eine wirtschaftpolitische Ideenrichtung, die von Fürsten und leitenden Staatsbeamten vertreten wurde und vom 16. bis Endes des 18. Jahrhunderts wirksam war. Unter Merkantilismus wird kein geschlossenes theoretisches System verstanden, sondern ein Bündel von wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Dabei entwickelten die einzelnen europäischen Länder sehr unterschiedliche Spielarten des Merkantilismus, z.B. in Deutschland den Kameralismus. Gemeinsam ist ihnen der massive Staatsinterventionismus (Einfuhrverbote und Schutzzolle, Privilegien und Subventionen).
Historische Hintergründe:
- Ungeheure Ausweitung des Welthandels in dieser Zeit (Entdeckung Amerikas, Seeweg nach Indien): große Mengen Gold und Silber strömen nach Europa
- Kampf der europäischen Staaten untereinander um Kolonien; Staaten brauchen Geld für Streitkräfte
- Zeit der Herausbildung der ersten Nationalstaaten Frankreich und England.
Hauptlehren:
- Geld steht im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik und nur der Staat ist mächtig, der über Gold und Geld verfügen kann.
- Ziel des staatlichen Handelns: aktive Handelsbilanz, die einerseits über die Hebung der Bodenschätze im eigenen Land, andererseits über die Einfuhr von Edelmetallen aus den Kolonien erreicht werden kann.
Trotz aller Unterschiede teilen die merkantilistischen Wirtschaftspolitiken ihre staatswirtschaftliche Ausrichtung mit dem Versuch gesamtwirtschaftlich zu bilanzieren. Man orientierte sich an den Nachbarstaaten und grenzte sich gleichzeitig von diesen ab. Die praktische Ausgestaltung der Außenwirtschaftspolitik konzentrierte sich auf:
- Minimierung der Einfuhr von Fertigwaren
- Förderung der Einfuhr von Rohstoffen
- Minimierung der Ausfuhr von Rohstoffen
- Förderung der Ausfuhr von Fertigwaren
- Bevorzugung inländischer Unternehmer
Eine starke Abgrenzung der Staaten untereinander wird gefordert. Dies geht Hand in Hand mit der Vorstellung von der Begrenztheit der Reichtümer der Welt; deren Absolutmenge wurde für konstant und Handelskriege daher für legitim gehalten (Walter 2003: 23-34).
Ein anschauliches Beispiel für obige Strategien ist die Entwicklung der englischen Textilindustrie auf dem Rücken und unter Vernichtung des indischen Textilgewerbes (vgl.: Wolf 1991: 336ff).
Im Merkantilismus versuchten die Staaten auch eine aktive Bevölkerungspolitik zu betreiben. Man erkannte, dass ein hohes Angebot an Arbeitskräften Druck auf die Löhne ausübt und die Nachfrage von Bevölkerungszahl und -dichte abhängt. Daher wurden Strategien zur Ankurbelung des Bevölkerungswachstums entwickelt. Allerdings bestand zum damaligen Zeitpunkt noch ein sehr enger Zusammenhang zwischen Agrarkonjunktur und der demografischen Entwicklung. Getreideknappheit führte zu hohen Brotpreisen und in unmittelbarer Folge zu einer erhöhten Mortalitätsrate und verringerter Fertilität (Walter 2003: 30f).
Der Merkantilismus ist einerseits vom kolonialen System und andererseits von der Herausbildung der Nationalstaaten geprägt. Dabei zeigt sich deutlich, dass eine Wirtschaftslehre mit dem Umfeld -- den ökonomischen und politischen Interessen -- verbunden ist.
Nächstes Kapitel: 1.2 Physiokratie