Difference between revisions of "Der Begriff Konsumption/Beduerfnisse"

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= Konsumption=
 
<sup>Verfasst von Maria Dabringer</sup>[[file:Konsum_logo.gif|right]]
 
 
'''OEKU-Online:''' Finanziert durch den Jubiläumsfonds der
 
Österreichischen Nationalbank (Projekt 10707, Jubiläumsfonds).
 
 
[[File:konsum-0_1.jpg|frame|left]]<blockquote>"To consume is to make more sense of the world where all that is solid melts into air" (García Canclini 2001:42)</blockquote>
 
 
Schlagwörter wie die "Konsumgesellschaft" oder "Konsumsucht"
 
dominieren die Analysen westlicher Lebenswelten. Sie drücken die
 
Allgegenwärtigkeit und Vielfältigkeit der Konsummöglichkeiten in
 
kapitalistisch organisierten Gesellschaftszusammenhängen aus.
 
 
Über Konsum in einem weltweit relevanten Rahmen nachzudenken bedeutet
 
jedoch mehr:
 
 
*  In den vielen verschiedenen, weltweit existierenden Gesellschaftsformen wird Konsum in sehr unterschiedlicher Weise praktiziert und definiert.
 
*  Deshalb ist es von Bedeutung, in einem ersten Schritt die sprachliche Definition des Wortes "Konsum" zu beleuchten.
 
*  Die Analyse derselben weist auf eine praxisbezogene, ökonomisch geleitete Kontextualisierung des Begriffs hin und gleichzeitig auf die Bedeutung von Bedürfnissen und Präferenzen für gesellschaftliche Konsumgewohnheiten.
 
*  Kultur- und sozialanthropologische Diskurse zu Konsum betonen verstärkt --- unter Bezugnahme auf die Unterschiedlichkeit kultureller Kontexte weltweit --- die soziale und kulturelle Dimension von Konsum. Sie beschreiben Konsum als "Ausdruck von Lebensgestaltung" (Spittler 2002) und als identitätsstiftend für die Ausbildung von Klassenbewusstsein innerhalb einer Gesellschaft.
 
*  Gleichzeitig fungieren der Konsum und mit ihm verbundene kulturelle Praktiken als Abgrenzungskriterien von Menschen untereinander ("markers of differences"). Als bedeutende Autoren sind hier u. a. Néstor García Canclini oder Arjun Appadurai zu nennen. Sie diskutieren in ihren Studien Fragen zur sozialen Bedeutung von Tauschbeziehungen, zu daraus resultierenden gesellschaftlichen Machtbeziehungen und die Bedeutung von Politik und Wissen in diesem Kontext.
 
*  Kulturwissenschaftliche Diskussionen beschäftigen sich seit den 1980er Jahren mit weltweiten Veränderungen und der Bedeutung von Konsum in Zeiten der Globalität. Die weltweit zu beobachtende Vereinheitlichung von Konsummöglichkeiten und gleichzeitig eine lokale Vielfältigkeit von Konsumgewohnheiten werden dabei ins Blickfeld gerückt. Die diesen aktuell stattfindenden Prozessen vorangegangenen historischen Entwicklungen  müssen dabei in eine Analyse von Konsum einbezogen werden.
 
*  Daraus entsteht ein breiterer Konsumbegriff, über den umfassendere Analysen gesellschaftlicher Zusammenhänge möglich werden.
 
 
 
==Kapitelübersicht==
 
 
<div class="eksa_toc">
 
[[Der_Begriff_Konsumption#1 Der Begriff "Konsum(ption)"|1 Der Begriff "Konsum(ption)"]]<br/>
 
:[[Der_Begriff_Konsumption/Beduerfnisse#1.1 Konsum und Bedürfnisse|1.1 Konsum und Bedürfnisse]]<br/>
 
:[[Der_Begriff_Konsumption/Praeferenzen#1.2 Kollektive und individuelle Präferenzen|1.2 Kollektive und individuelle Präferenzen]]<br/>
 
[[Ökonomisch_geleitete_Perspektiven_und_Konsum#2 Ökonomisch geleitete Perspektiven und Konsum|2 Ökonomisch geleitete Perspektiven und Konsum]]<br/>
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess#3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess|3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess]]<br/>
 
:[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Lebensgestaltung#3.1 Konsum als "Ausdruck von Lebensgestaltung"|3.1 Konsum als "Ausdruck von Lebensgestaltung"]]<br/>
 
:[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Klassenbewusstsein#3.2 Konsum und Klassenbewusstsein|3.2 Konsum und Klassenbewusstsein]]<br/>
 
:[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3 Konsum als "marker of difference"|3.3 Konsum als "marker of difference"]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.1 Néstor García Canclini|3.3.1 Néstor García Canclini]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.1.1 Néstor García Canclini und die Logik des Konsums|3.3.1.1 Néstor García Canclini und die Logik des Konsums]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2 Arjun Appadurai --- Waren, deren politische Bedeutung & Konsum|3.3.2 Arjun Appadurai --- Waren, deren politische Bedeutung & Konsum]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.1 "The Social Life of Things" --- Von Waren und den "Politics of value"|3.3.2.1 "The Social Life of Things" --- Von Waren und den "Politics of value"]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.2 Arjun Appadurai und Georg Simmel --- Der Wert von Waren|3.3.2.2 Arjun Appadurai und Georg Simmel --- Der Wert von Waren]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.3 Waren, Institutionen und Wissen|3.3.2.3 Waren, Institutionen und Wissen]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.4 Von Waren, Menschen und Ideen|3.3.2.4 Von Waren, Menschen und Ideen]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.5 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle I|3.3.2.5 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle I]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.6 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle II|3.3.2.6 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle II]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.7 Luxusgüter|3.3.2.7 Luxusgüter]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.8 "Politics of value" I --- die politische Relevanz von Austausch und Konsum|3.3.2.8 "Politics of value" I --- die politische Relevanz von Austausch und Konsum]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.9 "Politics of Value" II - Konsum & die Relevanz von Konkurrenz|3.3.2.9 "Politics of Value" II - Konsum & die Relevanz von Konkurrenz]]<br/>
 
[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet#4 Konsum in Zeiten der Globalität|4 Konsum in Zeiten der Globalität]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1 Globaler Konsum: Weltweite Einheitlichkeit versus lokale Differenzierung?|4.1 Globaler Konsum: Weltweite Einheitlichkeit versus lokale Differenzierung?]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.1 These der "Globalen Homogenisierung"|4.1.1 These der "Globalen Homogenisierung"]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.2 These der "Kreolisierung"|4.1.2 These der "Kreolisierung"]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.2.1 "Appropriation" oder Aneignung von Gütern|4.1.2.1 "Appropriation" oder Aneignung von Gütern]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.2.2 Hybridisierung|4.1.2.2 Hybridisierung]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.3 Globale Waren - lokale Aneignungen|4.1.3 Globale Waren - lokale Aneignungen]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.3.1 Das Verhältnis Produktion-Konsumption: Delokalisation des Nahrungssystems|4.1.3.1 Das Verhältnis Produktion-Konsumption: Delokalisation des Nahrungssystems]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.4 Die kulturelle Biographie der Dinge - Igor Kopytoff|4.1.4 Die kulturelle Biographie der Dinge - Igor Kopytoff]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.4.1 Der "Lebensweg" einer Ware|4.1.4.1 Der "Lebensweg" einer Ware]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.4.2 Ein Auto in Afrika|4.1.4.2 Ein Auto in Afrika]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.5 "Fremde" Waren und ihre Bewertungen: Zwischen Kuriositätenkabinett und göttlicher Macht|4.1.5 "Fremde" Waren und ihre Bewertungen: Zwischen Kuriositätenkabinett und göttlicher Macht]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2 Kosmopolitischer Konsum|4.2 Kosmopolitischer Konsum]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.1 Hamburger, Döner, Frühlingsrollen|4.2.1 Hamburger, Döner, Frühlingsrollen]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.1.1 "Ethno-Food": Migration, Tourismus und kosmopolitischer Konsum|4.2.1.1 "Ethno-Food": Migration, Tourismus und kosmopolitischer Konsum]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.1.2 Die Döner-Erfolgsgeschichte|4.2.1.2 Die Döner-Erfolgsgeschichte]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.1.3 "Tasting the World" - Auf Märkten in London|4.2.1.3 "Tasting the World" - Auf Märkten in London]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.2 Exotik, Migration und Konsum auf Londoner Märkten|4.2.2 Exotik, Migration und Konsum auf Londoner Märkten]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3 Globalisierter Konsum als Ergebnis historischer Prozesse|4.3 Globalisierter Konsum als Ergebnis historischer Prozesse]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.1 Nahrungskonsum in den Anden Lateinamerikas|4.3.1 Nahrungskonsum in den Anden Lateinamerikas]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.2 Präkolonialer Nahrungskonsum|4.3.2 Präkolonialer Nahrungskonsum]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.3 Konsum in Zeiten der Kolonialisierung|4.3.3 Konsum in Zeiten der Kolonialisierung]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.4 "Modernitätsbestrebungen" und Konsum im 19. Jahrhundert|4.3.4 "Modernitätsbestrebungen" und Konsum im 19. Jahrhundert]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.5 Konsumgüter und exportoriertierter liberaler Kapitalismus|4.3.5 Konsumgüter und exportoriertierter liberaler Kapitalismus]]<br/>
 
[[Bibliographie_Konsum#5 Bibliographie|5 Bibliographie]]<br/>
 
</div>
 
 
 
[[Main_Page|'''&crarr; Zurück zur Hauptseite''']]<br/>
 
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[[# Konsumption|&uarr; Nach oben]]<br/><!--
 
 
 
'''[[Konsumption|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
 
=1 Der Begriff "Konsum(ption)"=
 
<sup>Verfasst von Maria Dabringer</sup>[[File:konsum-1_1.jpg|frame|right]]
 
 
Das deutsche Wort "Konsum" oder "Konsumption" kommt aus dem
 
Lateinischen und leitet sich von den Worten consumere (von "cum
 
sumere", dt. "aufnehmen", "verbrauchen" oder "verzehren") und
 
consummare ("cum summa", dt. "zusammenrechnen", "vollenden") ab
 
(vgl. Drosdowski & Grebe 1963).
 
 
In diesen lateinischen Ausdrücken sind wichtige Aspekte enthalten, die
 
es im Zusammenhang mit Konsum zu beachten gilt (vgl. Falk 1994:93). Sie
 
beziehen sich vor allem auf den praktischen Gebrauch und die materielle
 
Nutzung von Gütern:
 
 
Zum einen beinhaltet die Ableitung vom Wort "consumere" den Aspekt des
 
"Zerstörens" bzw. der "Vernichtung" von Gütern durch (menschlichen)
 
Konsum.
 
 
Zum anderen zeigt sich durch die Herleitung über das lateinische
 
"consummare" der direkte Zusammenhang mit dem Prozesses des
 
wirtschaftlichen Handelns (link Gerti): Konsumieren bedeutet die
 
"Vollendung" bzw. die "Fertigstellung" dieses Vorgangs. Der Akt der
 
Konsumption wird damit in unmittelbare Beziehung gesetzt zur Produktion
 
und Distribution von Gütern.
 
 
==Inhaltsverzeichnis==
 
 
<div class="eksa_toc">
 
[[Der_Begriff_Konsumption#1 Der Begriff "Konsum(ption)"|1 Der Begriff "Konsum(ption)"]]<br/>
 
:[[Der_Begriff_Konsumption/Beduerfnisse#1.1 Konsum und Bedürfnisse|1.1 Konsum und Bedürfnisse]]<br/>
 
:[[Der_Begriff_Konsumption/Praeferenzen#1.2 Kollektive und individuelle Präferenzen|1.2 Kollektive und individuelle Präferenzen]]<br/>
 
</div>
 
 
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
 
 
[[Ökonomisch_geleitete_Perspektiven_und_Konsum#2 Ökonomisch geleitete Perspektiven und Konsum|2 Ökonomisch geleitete Perspektiven und Konsum]]<br/>
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess#3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess|3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess]]<br/>
 
[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet#4 Konsum in Zeiten der Globalität|4 Konsum in Zeiten der Globalität]]<br/>
 
[[Bibliographie_Konsum#5 Bibliographie|5 Bibliographie]]<br/>
 
 
 
'''[[Der_Begriff_Konsumption/Beduerfnisse#1.1 Konsum und Bedürfnisse| Nächstes Kapitel: 1.1 Konsum und Bedürfnisse]]<br/>'''
 
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[[#1 Der Begriff "Konsumption"|&uarr; Nach oben]]<br/>
 
 
 
 
'''[[Der_Begriff_Konsumption#1 Der Begriff "Konsumption"| Vorheriges Kapitel: 1 Der Begriff "Konsumption"]]'''<br/>
 
'''[[Der_Begriff_Konsumption#1 Der Begriff "Konsumption"| Vorheriges Kapitel: 1 Der Begriff "Konsumption"]]'''<br/>
 
=1.1 Konsum und Bedürfnisse=
 
=1.1 Konsum und Bedürfnisse=
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[[#1.1 Konsum und Bedürfnisse|&uarr; Nach oben]]<br/>
 
[[#1.1 Konsum und Bedürfnisse|&uarr; Nach oben]]<br/>
 
 
'''[[Der_Begriff_Konsumption/Beduerfnisse#1.1 Konsum und Bedürfnisse| Vorheriges Kapitel: 1.1 Konsum und Bedürfnisse]]'''<br/>
 
=1.2 Kollektive und individuelle Präferenzen=
 
<sup>Verfasst von Maria Dabringer</sup>[[File:konsum-5_1.jpg|frame|right]]
 
 
Als Präferenzen versteht man bevorzugte Konsumwünsche. Präferenzen
 
können einer ganzen Gesellschaft eigen sein. Als zwei Beispiele für
 
solche kollektive Abneigungen bzw. Vorlieben in puncto Ernährung sind
 
die Verweigerung des Konsums von Hundefleisch in Europa oder die
 
besondere Bedeutung des Konsums von Mehrschweinchen im andinen Raum zu
 
nennen. Kollektive Abneigungen haben nichts mit Nahrungstabus zu tun,
 
solange ihr keine gesellschaftliche Norm oder religiöse Vorschrift zu
 
Grunde liegt (Rössler 2003:111-112). Rössler bezeichnet sie auch als
 
"unreflektierte kulturelle Standards" (ebd.). Präferenzen wandeln sich
 
gemeinhin recht schnell, d. h. in Abhängigkeit von Moden und Trends
 
lassen sich Veränderungen von Konsumgewohnheiten bei Gruppen oder
 
Individuen sehr häufig feststellen (ebd.).
 
 
Präferenzen beim Konsum von Dingen können eine Gesellschaft jedoch auch
 
in verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Vorlieben aufspalten.
 
Innerhalb einer städtisch-pluralistischen Gesellschaft mit einem
 
vielfältigen Angebot an Produkten und Speiselokalen begeistern sich z.
 
B. Teile der Bevölkerung für vegetarische Naturkostküche, andere wieder
 
für asiatische oder türkische Speisen. Neben diesen Gruppenpräferenzen
 
wird der/die KonsumentIn gleichzeitig auch von individuellen Präferenzen
 
geleitet, die sich aus geschmacklichen Vorlieben ableiten lassen. Dabei
 
ist auch die individuelle geschmackliche Prägung der Menschen durch die
 
eigene Familie und deren Gewohnheiten bedeutend.
 
 
 
 
'''[[Konsumption|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>'''
 
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[[#1.2 Kollektive und individuelle Präferenzen|&uarr; Nach oben]]<br/>
 
 
 
'''[[Konsumption|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
 
=2 Ökonomisch geleitete Perspektiven und Konsum=
 
<sup>Verfasst von Maria Dabringer</sup>[[File:konsum-2_1.jpg|frame|right]]
 
[[File:konsum-2_2.jpg|frame|left]]
 
 
Der Alltag der Menschen und ihre gesellschaftlichen Normen und Werte
 
sind auf das Engste mit den materiellen Gütern und der natürlichen
 
Umwelt verwoben.
 
 
<blockquote>"Consumption is the ensemble of sociocultural processes in which the appropiation and use of products takes place" (García Canclini 2001:38).</blockquote>
 
 
Ökonomische Perspektiven auf Konsum konzentrieren sich auf den Gebrauch
 
und die Aneignung von Produkten. Sie betrachten Konsum unter dem Aspekt
 
ökonomischer Rationalität und als ein Moment im Kreislauf sozialer
 
Produktion und Reproduktion. Der Kapitalkreislauf innerhalb
 
kapitalistisch orientierter Marktwirtschaften findet im Konsum von
 
Gütern seinen unmittelbaren Ausdruck. Der Fokus solcher Studien liegt
 
auf dem angestrebten Profit durch den Absatz oder die Verteilung von
 
Gütern. Fragen des kollektiven Geschmacks oder der individuellen Auswahl
 
treten in den Hintergrund (García Canclini 2001).
 
 
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschäftigt sich der Soziologe Max Weber
 
(link) mit dem bedeutungsvollen Gebrauch von Dingen innerhalb von
 
Gesellschaften. Diese Betrachtungen werden jedoch von den Diskussionen
 
zu sozialen Organisationsformen und zum Produktionsprozess überdeckt und
 
vorerst nicht weitergeführt. Bis in die 1970er Jahre dominieren auch in
 
den Sozialwissenschaften ökonomische Zugänge zu Konsum (Carrier 2004
 
[1996]). Die materiellen Aspekte von Konsum stehen im Vordergrund.
 
Seit den 1980er Jahren haben sie sich jedoch umfassenderen Definitionen
 
zugewandt, die das Entstehen kultureller Kategorien über
 
Konsum(verhalten) im Auge haben.
 
 
<blockquote>"One of the most important ways in which cultural categories are substantiated is through the material objects of a culture [...]" (McCracken 1988:74).</blockquote>
 
 
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
 
 
[[Der_Begriff_Konsumption#1 Der Begriff "Konsum(ption)"|1 Der Begriff "Konsum(ption)"]]<br/>
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess#3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess|3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess]]<br/>
 
[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet#4 Konsum in Zeiten der Globalität|4 Konsum in Zeiten der Globalität]]<br/>
 
[[Bibliographie_Konsum#5 Bibliographie|5 Bibliographie]]<br/>
 
 
 
'''[[Konsumption|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>'''
 
----
 
[[#2 Ökonomisch geleitete Perspektiven und Konsum|&uarr; Nach oben]]<br/>
 
 
 
'''[[Konsumption|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
 
=3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess=
 
<sup>Verfasst von Maria Dabringer</sup>[[File:konsum-8_1.jpg|frame|right]]
 
 
Ende der 1970er Jahre bis in die 1980er Jahre wird der Forschungsbereich
 
Konsum in den Sozialwissenschaften neu aufgerollt. Besondere Bedeutung
 
erlangen Studien zum Konsum durch das auftretende Phänomen des
 
Massenkonsums. Durch kapitalistische Vermarktungsstrategien setzt sich
 
in westlichen Marktökonomien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
 
ein Massenangebot an Waren für die breite Bevölkerung als
 
Alltagsphänomen durch. Gleichzeitig etabliert sich der Begriff der
 
"Konsumgesellschaft".
 
 
Verschiedene Publikationen renommierter SozialwissenschaftlerInnen
 
(Douglas 1975, Sahlins 1976, Goody 1981, Appadurai 1986a, 1986b, Douglas
 
1987, Miller 1987, Mintz 1992 [1987], Douglas & Isherwood 1996
 
[1979]) haben eindrucksvoll gezeigt, dass Menschen sich im Prozess des
 
Konsums Güter aneignen, indem sie zu Dingen eine mentale Beziehung
 
aufbauen: Vorerst unpersönliche Objekte werden konkrete Dinge, die
 
kontextualisiert für den/die BenutzerIn oder KonsumentIn verschiedene
 
Bedeutungen bekommen.
 
 
<blockquote>"[...] the individual uses consumption to say something about himself, his family, his locality, whether in town or country, on vacation or at home. The kind of statement he makes are about the kind of universe he is in [...]" (Douglas & Isherwood 1996 [1979]:44).</blockquote>
 
 
Ein neuer Blick auf das Phänomen Konsum entsteht innerhalb der
 
Sozialwissenschaften und gleichzeitig eine neue Sensibilisierung für die
 
Thematik.
 
 
==Inhaltsverzeichnis==
 
 
<div class="eksa_toc">
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess#3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess|3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess]]<br/>
 
:[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Lebensgestaltung#3.1 Konsum als "Ausdruck von Lebensgestaltung"|3.1 Konsum als "Ausdruck von Lebensgestaltung"]]<br/>
 
:[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Klassenbewusstsein#3.2 Konsum und Klassenbewusstsein|3.2 Konsum und Klassenbewusstsein]]<br/>
 
:[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3 Konsum als "marker of difference"|3.3 Konsum als "marker of difference"]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.1 Néstor García Canclini|3.3.1 Néstor García Canclini]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.1.1 Néstor García Canclini und die Logik des Konsums|3.3.1.1 Néstor García Canclini und die Logik des Konsums]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2 Arjun Appadurai --- Waren, deren politische Bedeutung & Konsum|3.3.2 Arjun Appadurai --- Waren, deren politische Bedeutung & Konsum]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.1 "The Social Life of Things" --- Von Waren und den "Politics of value"|3.3.2.1 "The Social Life of Things" --- Von Waren und den "Politics of value"]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.2 Arjun Appadurai und Georg Simmel --- Der Wert von Waren|3.3.2.2 Arjun Appadurai und Georg Simmel --- Der Wert von Waren]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.3 Waren, Institutionen und Wissen|3.3.2.3 Waren, Institutionen und Wissen]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.4 Von Waren, Menschen und Ideen|3.3.2.4 Von Waren, Menschen und Ideen]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.5 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle I|3.3.2.5 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle I]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.6 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle II|3.3.2.6 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle II]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.7 Luxusgüter|3.3.2.7 Luxusgüter]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.8 "Politics of value" I --- die politische Relevanz von Austausch und Konsum|3.3.2.8 "Politics of value" I --- die politische Relevanz von Austausch und Konsum]]<br/>
 
:::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.9 "Politics of Value" II - Konsum & die Relevanz von Konkurrenz|3.3.2.9 "Politics of Value" II - Konsum & die Relevanz von Konkurrenz]]<br/>
 
</div>
 
 
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
 
 
[[Der_Begriff_Konsumption#1 Der Begriff "Konsum(ption)"|1 Der Begriff "Konsum(ption)"]]<br/>
 
[[Ökonomisch_geleitete_Perspektiven_und_Konsum#2 Ökonomisch geleitete Perspektiven und Konsum|2 Ökonomisch geleitete Perspektiven und Konsum]]<br/>
 
[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet#4 Konsum in Zeiten der Globalität|4 Konsum in Zeiten der Globalität]]<br/>
 
[[Bibliographie_Konsum#5 Bibliographie|5 Bibliographie]]<br/>
 
 
 
'''[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Lebensgestaltung#3.1 Konsum als "Ausdruck von Lebensgestaltung"| Nächstes Kapitel: 3.1 Konsum als "Ausdruck von Lebensgestaltung"]]<br/>'''
 
----
 
[[#3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess|&uarr; Nach oben]]<br/>
 
 
 
'''[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess#3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess| Vorheriges Kapitel: 3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess]]'''<br/>
 
=3.1 Konsum als "Ausdruck von Lebensgestaltung"=
 
<sup>Verfasst von Maria Dabringer</sup>[[File:konsum-13_1.jpg|frame|right]]
 
 
Als Kontrapunkt zu den konventionellen, ökonomischen und
 
materialistischen Definitionen wird Konsum in der Kultur- und
 
Sozialanthropologie sehr breit beschrieben und lässt so Spielraum für
 
viele Interpretationen. Die "Encyclopedia of Social and Cultural
 
Anthropology" vermerkt 2004:
 
 
<blockquote>"Consumption is the meaningfull use people make of the objects that are associated with them. The use can be mental or material; the objects can be things, ideas or relationsships; the association can range from ownership to contemplation" (Carrier 1996 [2004]:128).</blockquote>
 
 
Konsum ist der bedeutungsvolle Gebrauch von Objekten, der sich vom
 
materiellen Umgang bis zur Betrachtung von Objekten ziehen kann. Die
 
sozialwissenschaftliche Definition soll absichtlich umfassender
 
formuliert werden. Ökonomischen Definitionen wird der Kritikpunkt
 
entgegen gebracht, soziale und kulturelle Prozesse unbeachtet zu lassen
 
(Douglas & Isherwood 1996 [1979], Falk 1994). Die Art und Weise, wie
 
Güter gesellschaftlich eingefordert, gebraucht und verbraucht werden,
 
steht in direktem Zusammenhang zur Ausbildung sozialer Beziehungen und
 
Identitäten (Braidenbach & Zukrigl 2000:173-180).
 
 
Vice versa wird auch Konsumverhalten von sozialen Beziehungen bestimmt.
 
Ein bewusster oder unbewusster Umgang der Menschen mit bestimmten Gütern
 
und Waren kennzeichnet ihre Konsumkultur. Über das Konsumverhalten
 
lassen sich gesellschaftlich wichtige Merkmale erschließen.
 
 
<blockquote>"As the material part of culture, goods afford sets of markers which both structure perception and facilitate social interaction" (Howes 1996:2).</blockquote>
 
 
Konsum ist in diesem Sinne mehr als materieller Verbrauch. Er ist aus
 
kultur- und sozialanthropologischer Perspektive "Ausdruck von
 
Lebensgestaltung" (Spittler 2002:17).
 
 
 
 
'''[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Klassenbewusstsein#3.2 Konsum und Klassenbewusstsein| Nächstes Kapitel: 3.2 Konsum und Klassenbewusstsein]]<br/>'''
 
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[[#3.1 Konsum als "Ausdruck von Lebensgestaltung"|&uarr; Nach oben]]<br/>
 
 
 
'''[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Lebensgestaltung#3.1 Konsum als "Ausdruck von Lebensgestaltung"| Vorheriges Kapitel: 3.1 Konsum als "Ausdruck von Lebensgestaltung"]]'''<br/>
 
=3.2 Konsum und Klassenbewusstsein=
 
<sup>Verfasst von Maria Dabringer</sup>[[File:konsum-14_1.jpg|frame|right]]
 
 
In der Zeit von 1950 bis 1970 beschäftigen sich marxistische
 
Perspektiven mit der Bedeutung des Konsums für die sozialen Klassen
 
einer Gesellschaft. Sie unterstreichen die Macht der KonsumentInnen im
 
Rahmen ihres wirtschaftlichen Handelns (García Canclini 2001:39).
 
Konsumieren heißt, aktiv an der Gesellschaft teilzunehmen.
 
Klassenkonflikte werden in ungleichem Zugang und ungleicher Teilnahme am
 
Produktionsprozess offensichtlich und in der (ungleichen) Verteilung und
 
Aneignung von Gütern sichtbar.
 
 
<blockquote>"Consumption is the site where class conflict, rooted in unequal participation in production, continues in the distribution and appropriation of commodities" (Castells 1977: Appendix).</blockquote>
 
 
Hier zeigt sich die politische Komponente von Konsum und gewinnt an
 
Bedeutung. García Canclini leitet daraus die gesellschaftliche Bedeutung
 
der "Konsumenten als Staatsbürger" ("consumers as citizens") ab: Er
 
betont die aktive Rolle der KonsumentInnen als verantwortliche
 
BürgerInnen. Gleichzeitig relativiert er deren Mächtigkeit in Anbetracht
 
des manipulierenden Einflusses der Medien und Massenkommunikation
 
(Werbung).
 
 
<blockquote>"A more complex theory of the interaction of producers and consumers [...] as developed in certain currents of urban anthropology and sociology, shows, that consumption is also motivated by an interactive sociopolitical rationality" (Garcia Canclini 2001:39).</blockquote>
 
 
 
'''[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3 Konsum als "marker of difference"| Nächstes Kapitel: 3.3 Konsum als "marker of difference"]]<br/>'''
 
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[[#3.2 Konsum und Klassenbewusstsein|&uarr; Nach oben]]<br/>
 
 
 
'''[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Klassenbewusstsein#3.2 Konsum und Klassenbewusstsein| Vorheriges Kapitel: 3.2 Konsum und Klassenbewusstsein]]'''<br/>
 
=3.3 Konsum als "marker of difference"=
 
<sup>Verfasst von Maria Dabringer</sup>[[File:konsum-15_1.jpg|frame|right]]
 
 
Die Nutzung bestimmter Objekte zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten
 
kann zum Symbol für soziale Indikatoren (wie sozialen Status, ethnische
 
Zugehörigkeit, Geschlechtlichkeit oder individuelle Identität etc.)
 
werden. Diese Aspekte sind eng verknüpft mit Betrachtungen, die
 
Klassenunterschiede innerhalb einer Gesellschaft bestimmen.
 
Konsum(verhalten) wird als Zeichen von Unterschieden und Differenzen
 
zwischen Gruppen und Klassen erkannt. Der Blick wird auf die
 
symbolischen und ästhetischen Aspekte von Konsum gerichtet (vgl.
 
Bourdieu 1999 [1987], Appadurai 1986a).
 
 
Im Unterschied zu materialistischen Ansätzen tritt der Zugang zu Gütern
 
in den Hintergrund. Nach derzeitigen Auffassungen ist es die Aneignung
 
der Güter selbst, die eine Differenzierung zwischen Menschen bewirkt.
 
Die Entstehung von Gruppenidentitäten und die Abgrenzung von "anderen"
 
werden durch Konsumgewohnheiten möglich, sind jedoch nicht immer
 
zwingend damit verbunden. Vor allem für die Analyse der westlichen
 
(Massen-)Konsumgesellschaft gewinnt dieser Zugang zunehmend an Bedeutung
 
"[...] probably because mass consumption is so established in the
 
West" (Carrier 2004 [1996]: 128).
 
 
==Inhalt==
 
 
<div class="eksa_toc">
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3 Konsum als "marker of difference"|3.3 Konsum als "marker of difference"]]<br/>
 
:[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.1 Néstor García Canclini|3.3.1 Néstor García Canclini]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.1.1 Néstor García Canclini und die Logik des Konsums|3.3.1.1 Néstor García Canclini und die Logik des Konsums]]<br/>
 
:[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2 Arjun Appadurai --- Waren, deren politische Bedeutung & Konsum|3.3.2 Arjun Appadurai --- Waren, deren politische Bedeutung & Konsum]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.1 "The Social Life of Things" --- Von Waren und den "Politics of value"|3.3.2.1 "The Social Life of Things" --- Von Waren und den "Politics of value"]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.2 Arjun Appadurai und Georg Simmel --- Der Wert von Waren|3.3.2.2 Arjun Appadurai und Georg Simmel --- Der Wert von Waren]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.3 Waren, Institutionen und Wissen|3.3.2.3 Waren, Institutionen und Wissen]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.4 Von Waren, Menschen und Ideen|3.3.2.4 Von Waren, Menschen und Ideen]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.5 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle I|3.3.2.5 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle I]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.6 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle II|3.3.2.6 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle II]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.7 Luxusgüter|3.3.2.7 Luxusgüter]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.8 "Politics of value" I --- die politische Relevanz von Austausch und Konsum|3.3.2.8 "Politics of value" I --- die politische Relevanz von Austausch und Konsum]]<br/>
 
::[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.9 "Politics of Value" II - Konsum & die Relevanz von Konkurrenz|3.3.2.9 "Politics of Value" II - Konsum & die Relevanz von Konkurrenz]]<br/>
 
</div>
 
 
==3.3.1 Néstor García Canclini==
 
[[File:konsum-16_1.jpg|frame|right|Néstor García Canclini, Quelle: Notas de Hoy: '''https://web.archive.org/web/20040819210356/http://www.conaculta.gob.mx/saladeprensa/2003/16jun/principal.html[https://web.archive.org/web/20040819210356/http://www.conaculta.gob.mx/saladeprensa/2003/16jun/principal.html  &#91;1&#93;]''' [12.07.2005]]]
 
 
Néstor García Canclini wurde 1939 in Argentinien geboren, absolvierte
 
Studien der Soziologie in La Plata/Argentinien und Paris. Er lehrte in
 
der Folge an den Universitäten La Plata, Buenos Aires, Neapel, Austin,
 
Stanford, Barcelona und Sao Paulo. Derzeit ist er als Professor für
 
Soziologie an der Universidad Autónoma Metropolitana in Mexiko City
 
tätig und leitet dort das Studienprogramm für "Urban Culture".
 
 
Als seine wichtigsten Publikationen sind zu nennen:
 
 
1997: Hybrid Cultures. Stategies for Entering and Leaving Modernity, 4th
 
edition. Minneapolis & London, University of Minnesota Press
 
 
2001: Consumers and Citizens. Globalization and Multicultural Conflicts.
 
Minneapolis & London, University of Minnesota Press
 
 
2004: Diferentes, Desiguales Y Desconectados --- Mapas de la
 
Interculturalidad. Barcelona, Gedisa Editorial
 
 
'''Canclini im Internet:'''
 
 
Interview mit Néstor García Canclini 2002 in
 
Berlin:'''https://web.archive.org/web/20170529181341/http://www.mexartes-berlin.de/esp/02/canclini-print.html[https://web.archive.org/web/20170529181341/http://www.mexartes-berlin.de/esp/02/canclini-print.html  &#91;2&#93;]'''
 
[27.04.2005]
 
 
Biographisches Profil, Texte und Ressourcen im Netz
 
'''https://web.archive.org/web/20191115073800/http://www.infoamerica.org/teoria/garcia_canclini1.htm[https://web.archive.org/web/20191115073800/http://www.infoamerica.org/teoria/garcia_canclini1.htm  &#91;3&#93;]'''
 
[27.04.2005]
 
 
Néstor García Canclini (2001) beschäftigt sich u. a. mit Konsumverhalten
 
in Zeiten globalisierender Strömungen im Kontext Lateinamerikas und
 
plädiert in seinen Ausführungen für eine multidisziplinäre Theorie von
 
Konsum:
 
 
<blockquote>"[...] a global conceptualization of consumption that includes the communication and reception of symbolic commodities" (Garcia Canclini 2001:38)</blockquote>
 
 
Canclini führt verschiedene wichtige Aspekten von Konsum zusammen und
 
versucht sie gemeinsam zu betrachten:
 
 
*  Er integriert in seinen Analysen jene '''ökonomische Sichtweisen[[Ökonomisch_geleitete_Perspektiven_und_Konsum#2 Ökonomisch geleitete Perspektiven und Konsum|[4]]]''', die er derzeit für essentiell hält.
 
*  Er beachtet gleichzeitig '''klassen- und gruppenkonstituierende Konsumgewohnheiten[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3 Konsum als "marker of difference"|[5]]]''' ("consumption as marker of difference") in Gesellschaften.
 
*  Die individuellen, ästhetischen '''Präferenzen[[Der_Begriff_Konsumption/Praeferenzen#1.2 Kollektive und individuelle Präferenzen|[6]]]''' finden bei ihm ebenso Beachtung wie
 
*  psychologische Faktoren, die das Individuum beim selektiven Konsum von Gütern leiten.
 
 
García Canclini hebt hervor, dass die Rationalität, mit der Menschen
 
ihre sozialen Beziehungen schaffen, nicht vorwiegend auf dem
 
eigentlichen "Kampf um die Produktionsmittel" (García Canclini
 
2001:40) selbst oder auf der Befriedigung von materiellen Bedürfnissen
 
beruht. Vielmehr hebt García Canclini den Aneignungsprozess von Gütern
 
hervor, der eine symbolische Differenzierung zwischen Menschen (oder
 
Gruppen) ermöglicht. Daher betrachtet er Güterkonsum und wie dieser
 
gesellschaftlich kommuniziert wird als "status marker".
 
 
'''Verweise:'''
 
 
[https://web.archive.org/web/20040819210356/http://www.conaculta.gob.mx/saladeprensa/2003/16jun/principal.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20040819210356/http://www.conaculta.gob.mx/saladeprensa/2003/16jun/principal.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20170529181341/http://www.mexartes-berlin.de/esp/02/canclini-print.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20170529181341/http://www.mexartes-berlin.de/esp/02/canclini-print.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20191115073800/http://www.infoamerica.org/teoria/garcia_canclini1.htm  &#91;3&#93; https://web.archive.org/web/20191115073800/http://www.infoamerica.org/teoria/garcia_canclini1.htm]<br/>
 
[[Ökonomisch_geleitete_Perspektiven_und_Konsum#2 Ökonomisch geleitete Perspektiven und Konsum|[4] Siehe Kapitel 2]]<br/>
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3 Konsum als "marker of difference"|[5] Siehe Kapitel 3.3]]<br/>
 
[[Der_Begriff_Konsumption/Praeferenzen#1.2 Kollektive und individuelle Präferenzen|[6] Siehe Kapitel 1.2]]<br/>
 
 
 
 
===3.3.1.1 Néstor García Canclini und die Logik des Konsums===
 
----
 
[[File:konsum-17_1.jpg|frame|right]]
 
 
Für eine sozialanthropologische Untersuchung von Konsum hält García
 
Canclini die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Perspektiven
 
besonders wichtig:
 
 
Er unterscheidet dabei dezidiert zwischen Gütern und Waren, die als
 
"marker of difference" eingesetzt werden und jenen die zur
 
Bedürfnisbefriedigung konsumiert werden:
 
 
<blockquote>"The logic that drives the appropriation of commodities as objects of distinction is not the same as the logic involved in the satisfaction of needs. It is defined, rather, by the scarcity of those commodities and the impossibility that others should have them" (Gacía Canclini 2001:40).</blockquote>
 
 
Er erkennt in den Aktionsfeldern der Menschen --- in Bezug auf ihr
 
Konsumverhalten --- bestimmte Logiken.
 
 
Beispiele:
 
 
*  Technologische Produktentwicklungen erreichen im marktwirtschaftlichen Gefüge zu Beginn --- durch teure Preise --- nur wohlhabende Bevölkerungsgruppen, die sich Investitionen bzw. Anschaffungen dieser Art leisten können. Eliten und damit die Minorität der Bevölkerung setzt sich von den Nicht-Besitzenden ab, weil jene, die besitzen und diejenigen, die nicht besitzen die soziokulturelle Bedeutung der Güter akzeptieren und gemeinsam tragen. Ohne die Anerkennung dieser Umstände durch die Nicht-Besitzenden, erreicht der Besitz keine differenzierende Wirkung.
 
*  Kunsthandwerk oder religiöse Zeremonien, die zum geistigen und materiallen Besitz indigener Gruppen gehören, werden in unterschiedlichen Kontexten genutzt. Sie haben als materielle, kulturelle Repräsentation von Weltbildern besondere Bedeutung. Sie werden gleichzeitig als Symbole des Eigenen aber auch zur Abgrenzung ("marker of difference") von anderen Bevölkerungsgruppen verwendet. So kann das Wissen um die kulturelle Bedeutung materieller Güter als Mittel zur Diskriminierung bestimmter Gesellschaften missbraucht werden. Das geschieht durch Nutzung, Einordnung, Qualifizierung und Bewertung diese Güter und Symbole von außen.
 
 
<blockquote>"Consequently, we should acknowledge that consumption contributes to the integrative and communicative rationality of a society" (García Canclini 2001:40).</blockquote>
 
 
==3.3.2 Arjun Appadurai --- Waren, deren politische Bedeutung & Konsum==
 
[[File:konsum-24_1.jpg|frame|right|Arjun Appadurai, Quelle: New School University --- Alumni News: '''https://web.archive.org/web/20051027065412/http://www.newschool.edu/admin/alumninews/spring05/indiachina.html[https://web.archive.org/web/20051027065412/http://www.newschool.edu/admin/alumninews/spring05/indiachina.html  &#91;1&#93;]''' [12.07.2005]]]
 
 
Der Anthropologe Arjun Appadurai (*1949) wurde in Indien geboren. Er
 
studierte Anthropologie u. a. in Chicago, wo er in der Folge auch
 
unterrichtete. Er beschäftigt sich in seinen Studien intensiv mit
 
Historischer Anthropologie, Globalisierungsdebatten und
 
Medienanthropologie, ethnisch determinierten Gewaltkonzepten, mit
 
Konsumgewohnheiten, Raumvorstellungen, mit Diskursen zur internationalen
 
Zivilgesellschaft sowie mit Stadtforschungen in Südasien.
 
 
Als seine wichtigsten Publikationen sind zu nennen:
 
 
1986 (Hrsg.): The social life of things. Commodities in cultural
 
perspective. Cambridge, Cambridge University Press
 
 
1991 (Hrsg.): Gender, genre, and power in South Asian expressive
 
traditions. Philadelphia, Pennsylvania, University of Pennsylvania Press
 
 
1996: Modernity at large: cultural dimensions of globalization.
 
Minneapolis, Minn. Univ. of Minnesota Press
 
 
2000: (Hrsg.): Globalization. Durham, NC, Duke Univ. Press
 
 
'''Appadurai im Internet:'''
 
 
South Asia Network of Economic Research Institutes:
 
'''https://web.archive.org/web/20090503093835/http://www.saneinetwork.net/structure/rap/prof_arjun.asp[https://web.archive.org/web/20090503093835/http://www.saneinetwork.net/structure/rap/prof_arjun.asp  &#91;2&#93;]'''
 
[27.04.2005]
 
 
In der Publikation "The Social Life of Things" (1996) beschäftigt er
 
sich mit der Bedeutung von Waren, Dingen und deren soziokultureller
 
Kontextualisierung. Im Zuge seiner Analysen (Appadurai 1999
 
[1996]:3-63) erschließt Appadurai aus anthropologischer Perspektive
 
die '''Entstehung der Wertigkeit von Dingen und Waren[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.2 Arjun Appadurai und Georg Simmel --- Der Wert von Waren|[3]]]''' und
 
beschreibt die enge Verquickung der Tauschbeziehungen zwischen Menschen
 
oder Gruppen mit den Bereichen der Konsumption. Sowohl die '''politische
 
Relevanz des Tauschens von Waren[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.8 "Politics of value" I --- die politische Relevanz von Austausch und Konsum|[4]]]''' als auch die gezielte
 
'''Betrachtung der Dinge[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.1 "The Social Life of Things" --- Von Waren und den "Politics of value"|[5]]]''' selbst, die sich im Distributions- und
 
Konsumptionsprozess ständig in Bewegung befinden, stehen dabei im
 
Mittelpunkt.
 
 
'''Verweise:'''
 
 
[https://web.archive.org/web/20051027065412/http://www.newschool.edu/admin/alumninews/spring05/indiachina.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051027065412/http://www.newschool.edu/admin/alumninews/spring05/indiachina.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20090503093835/http://www.saneinetwork.net/structure/rap/prof_arjun.asp  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20090503093835/http://www.saneinetwork.net/structure/rap/prof_arjun.asp]<br/>
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.2 Arjun Appadurai und Georg Simmel --- Der Wert von Waren|[3] Siehe Kapitel 3.3.2.2]]<br/>
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.8 "Politics of value" I --- die politische Relevanz von Austausch und Konsum|[4] Siehe Kapitel 3.3.2.8]]<br/>
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.1 "The Social Life of Things" --- Von Waren und den "Politics of value"|[5] Siehe Kapitel 3.3.2.1]]<br/>
 
 
 
 
===3.3.2.1 "The Social Life of Things" --- Von Waren und den "Politics of value"===
 
----
 
[[File:konsum-26_1.jpg|frame|right]]
 
Arjun Appaduai geht bei seiner Auseinandersetzung mit Waren und deren
 
Gebrauch von zwei wichtigen Prämissen aus (Appadurai 1999 [1996]:3):
 
 
*  Ökonomischer Austausch erzeugt Wertigkeiten.
 
*  Der Wert wird durch die Waren ("commodities") verkörpert, die getauscht werden.
 
 
Für Appadurai ist wichtig, dass bei der wissenschaftlichen
 
Auseinandersetzung mit Dingen und Waren nicht nur die Formen und
 
Funktionen des Tauschens behandelt werden, sondern dass die Dinge
 
selbst, die getauscht werden, analysiert werden. Diese Perspektive
 
verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Tauschprozessen und der
 
Wertigkeit von Waren. Jene Elemente, die diese Bereiche miteinander
 
verbinden, bezeichnet Appadurai als Politik ("politics") (1999
 
[1996]:3). Politik versteht er dabei in einem sehr breiten Sinn: Er
 
bezeichnet Aneignungen von Gütern jeglicher Art, aber auch Formen von
 
Beziehungen, Streitigkeiten, Konkurrenzen und Allianzen (in Bezug auf
 
Machtverhältnisse) als politische Aktivitäten (Appadurai
 
1999[1996]:57).
 
 
<blockquote>"Politics [...] is what links value and exchange in the social life of commodities" (Appadurai 1999 [1996]:57).</blockquote>
 
 
In der Folge entwickelt er den Standpunkt, dass nicht nur Personen,
 
sondern auch Waren "soziales Leben" besitzen: "the social life of
 
things" (1999 [1996]:3).
 
 
===3.3.2.2 Arjun Appadurai und Georg Simmel --- Der Wert von Waren===
 
----
 
<blockquote>"Commodities can [...] be defined as objects of economic value" (Appadurai 1999 [1996]:3).</blockquote>
 
[[File:konsum-27_1.jpg|frame|left]]
 
Bei der Definition des Wortes Ware geht Appadurai auf Georg Simmel
 
(1907) zurück:
 
 
Wert ist den Dingen nicht grundsätzlich immanent, er wird ihnen durch
 
das Urteil von Subjekten zugeordnet. Ökonomische Objekte existieren für
 
Simmel im Raum zwischen Nachfrage bzw. dem Verlangen und dem
 
unmittelbarem Gebrauch derselben. Simmel definiert diesen Raum als
 
Distanz. Diese existiert auch zwischen den Objekten und den Personen,
 
die diese aneignen wollen. Sie wird in der Folge durch ökonomischen
 
Tausch überbrückt, wobei der Wert von Objekten von beiden Teilen der
 
Tauschbeziehung reziprok abhängig ist. (Appadurai 1999 [1996]:3).
 
 
Wünsche und das Begehren von Personen werden erfüllt, indem sie sich im
 
Tauschprozess von anderen Objekten trennen, d. h. auf diese verzichten.
 
Diese Objekte stellen für andere Personen gleichzeitig Wunschobjekte
 
dar. Diese Formen des Austauschs mittels Verzicht (des einen) machen für
 
Simmel gemeinsam mit dem entstehenden Gewinn (des anderen) das
 
ökonomische Leben aus (Appadurai 1999 [1996]:4). Somit ist die
 
Nachfrage nach Objekten die Basis für einen realen oder imaginierten
 
Tausch. Nachfrage stiftet Wert, der Tausch setzt Parameter in Form von
 
Nutzen und Knappheit. Darin sieht Simmel den Ursprung des Werts (ebd.).
 
 
Auf diesen Annahmen baut Appadurai auf. Für ihn ist davon ausgehend
 
bedeutsam, unter welchen Bedingungen ökonomische Objekte in
 
verschiedenen Wertekontexten, den sogenannten "regimes of value",
 
unter Berücksichtigung der räumlichen und zeitlichen Komponenten
 
zirkulieren. Wünsche, Begierden und die daraus resultierende Nachfrage
 
sind dafür die Grundlage. Reziproker Verzicht, der daraus entstehende
 
Gewinn sowie sich konstituierende Machtpositionen schaffen ökonomische
 
Werte in spezifischen sozialen Situationen (Appadurai 1999 [1996]:4).
 
 
===3.3.2.3 Waren, Institutionen und Wissen===
 
----
 
[[File:konsum-28_1.jpg|frame|right]]
 
Arjun Appadurai konzentriert sich auf folgende Schwerpunkte:
 
 
*  Das Wesen von Waren: Er argumentiert dabei, dass Waren nicht - wie gemeinhin verstanden - von der modernen, industriellen Ökonomie monopolisiert sind. Er dekonstruiert die Annahme, dass Waren als materielle Repräsentation der kapitalistischen Produktionsweise (im Sinne Marx´s) angesehen werden '''(link Gerti)'''. "Let us approach commodities as thing in a certain situation, a situation that characterize many different kinds of thing, at different points in their social lives" (Appadurai 1999 [1996]:13). In diesem Sinne plädiert Appadurai für eine Kontextualisierung von Waren nicht allein im Produktionsprozess, sondern für einen Fokus, der die Bereiche der Produktion, Distribution/Austausch und der Konsumption '''(Prozess wirtschaftlichen Handelns link Gerti)''' mit einschließt (ebd.).
 
*  Einen zweiten wichtigen Schwerpunkt bildet die Analyse von institutionellen und individuellen Strategien, die die wertschaffende Prozesse in Gesellschaften als politisch motiviert und instrumentalisiert aufzeigen. Werte werden geschaffen, um Institutionen, politische Motivationen oder Machtpositionen zu manifestieren (Appadurai 1999 [1996]:16ff).
 
*  Die Bedürfnisse nach und des Begehrens von Waren handelt Appadurai mittels Analyse von kurz- und langfristig existierenden Mustern bei der Warenzirkulation ab. Er zeigt damit, dass Konsumption ein entscheidendes Element für die Konstituierung '''sozialer Kontrolle und politischer Redefinitionsprozesse[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.5 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle I|[1]]]''' darstellt (1999 [1996]:29ff).
 
*  Mit dem Zusammenhang von '''Waren und Wissen[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.3 Waren, Institutionen und Wissen|[2]]]''' beschäftigt sich Appadurai in einem weiteren Kapitel (1999 [1996]:42ff). Er zeigt, dass die Bereiche der "politics of value" auf das Engste mit den Kontexten des Wissens, des Wissensbesitzes und der Akkumulation desselben verbunden sind.
 
 
'''Verweise:'''
 
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.5 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle I|[1] Siehe Kapitel 3.3.2.5]]<br/>
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2.3 Waren, Institutionen und Wissen|[2] Siehe Kapitel 3.3.2.3]]<br/>
 
 
===3.3.2.4 Von Waren, Menschen und Ideen===
 
----
 
[[File:konsum-29_1.jpg|frame|right]]
 
 
Appadurai entwickelt in Bezug auf die Analyse von Dingen und Objekten
 
wichtige theoretische und methodologische Standpunkte:
 
 
*  Dinge haben ohne den direkten Bezug zu menschlichen Tätigkeiten, ohne menschliche Attribute keine Bedeutung. Folge dieser "formal truth" (Appadurai 1999 [1996]:5) ist es, dass die konkreten historischen Weiterentwicklungen von Dingen nur sehr begrenzt beschrieben bzw. beleuchtet werden können.
 
*  Appadurai entwickelt gleichzeitig die Position, dass Dinge für sich selbst stehen und Bedeutungen in ihre Form, ihren Gebrauch und ihre Weiterentwicklung eingeschrieben werden. Durch die Analyse dieser Weiterentwicklungen können Interpretationen des menschlichen Umgangs mit und Bewertungen von Dingen vorgenommen werden.
 
*  Methodologisch gesehen erzählen und beschreiben die "things-in-motion" (Appadurai 1999 [1996]:5) ihren eigenen sozialen und menschlichen Kontext. Über deren Analyse können daher die verschiedenen Gesellschaften erschlossen werden. Es ergibt sich also für eine theoretische Perspektive die Ansicht, dass Dinge von Menschen mit Bedeutungen versehen und damit sozialisiert werden.
 
 
<blockquote>"No social analysis of things (whether the analyst is an economist, an art historian, or an anthropologist) can avoid a minimum level of what might be called methodological fetishism. This methodological fetishism, returning our attention to the things themselves, is in part a corrective to the tendency to excessively sociologize transactions in things, a tendency we owe to Mauss [...]" (Appadurai 1999 [1996]:5).</blockquote>
 
 
===3.3.2.5 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle I===
 
----
 
[[File:konsum-30_1.jpg|frame|left]]
 
 
Menschliche Bedürfnisse spielen für die Auseinandersetzung mit Konsum
 
eine wichtige Rolle. In den Sozialwissenschaften wird die
 
Auseinandersetzung mit selbigen oft als "mystery" (Appadurai 1999
 
[1996]:29f) bezeichnet. Das hat damit zu tun, dass im Begriff der
 
"Bedürfnisse" mentale Aspekte (z. B. menschliches Begehren) und
 
biologische Notwendigkeit aufeinandertreffen.
 
 
Der Konsumbegriff der westlichen Ökonomien unterstellt die
 
Konsumbedürfnisse der Menschen generell als unendlich, als
 
kulturungebunden und transkulturell wirksam, notwendig und fixiert
 
(Appadurai 1999 [1996]:29f). Konsumverhalten wird deshalb oftmals
 
ausschließlich als Reaktion auf bestimmte Einflüsse verstanden und nicht
 
als aktives soziales Handeln.
 
 
Arjun Appadurai zeigt an Hand verschiedener regionaler Ethnien, bei
 
denen sich ein rapider kultureller Wandel festmachen lässt, die
 
kulturelle Komplexität von Konsum. Konsumgewohnheiten sind hierbei nicht
 
nur eine mechanische Antwort auf manipulative gesellschaftliche Kräfte
 
(z.B. die Werbung in westlichen Ökonomien), sondern für Appadurai sind
 
diese kulturgebundene Phänomene, haben Funktionen für soziale Praktiken
 
und Klassifikationen (Appadurai 1999 [1996]:29f).
 
Gruppenzugehörigkeit, egalitäre ökonomische Strukturen und
 
Machtbeziehungen bilden einen Rahmen von Werten, der die Adaptierung von
 
"neuen" Kulturgütern reguliert und steuert. So zeigt sich die
 
Regulierung von Bedürfnissen durch die Gesellschaft als Teil einer
 
Strategie, die gesellschaftliche Normen --- auch unter Einfluss neuer
 
Kulturgüterangebote --- erhalten kann und will (vgl. Gell 1999
 
[1996]:110ff). Bedürfnisse nach Güterkonsum sind somit nicht
 
"natürlich gegeben", sind keine natürlich-mechanische Antwort auf die
 
Erwerbbarkeit von Gütern und Beschaffung von Geldmitteln, sondern
 
gelebte soziale Praxis. Das Angebot "neuer" Waren, die von außen in
 
eine Gesellschaft hineingetragen werden, bedeutet nicht automatisch das
 
Bedürfnis, diese auch sofort erwerben zu wollen.
 
 
<blockquote>"Demand is thus the economic expression of the political logic of consumption [...] I suggest that consumption is eminently social, relational, and active rather than private, atomic or passive" (Appadurai 1999 [1996]:30).</blockquote>
 
 
===3.3.2.6 Konsum als Ausdruck politischer und sozialer Kontrolle II===
 
----
 
[[File:konsum-37_1.jpg|frame|right]]
 
 
In Anlehnung an Mary Douglas entwickelt Arjun Appadurai die Idee der
 
gesellschaftlichen Doppelfunktion von Konsum:
 
 
*  Konsum (und damit auch die vorangehenden Bedürfnisse der Menschen) ist die Möglichkeit in Interaktion mit anderen Menschen zu treten ("sending social messages") (Appadurai 1999 [1996]:31).
 
*  Konsumieren bedeutet jedoch auch gleichzeitig die Möglichkeit "social messages" zu erhalten ("receiving") (ebd.).
 
 
Appadurai leitet daraus zwei verschiedene Beziehungen ab, die ihm als
 
essentiell erscheinen und sich auf die Wechselwirkung von Konsum und
 
Produktion beziehen:
 
 
*  Bedürfnisse sind von sozialen und ökonomischen Kräften und Rahmenbedingungen abhängig.
 
*  Bedürfnisse haben --- in begrenztem Maße --- die Möglichkeit, diese sozialen und ökonomischen Kräfte zu beeinflussen.
 
 
Fallbeispiel: Die aristokratischen Bedürfnisse im premodernen Indien
 
bestimmten in ihrem Einflussbereich die Produktion von Gütern und
 
setzten Trends im Geschmack weiter Teile der Bevölkerung. Gleichzeitig
 
richteten sich diese von den Eliten gesetzten Parameter nach den von
 
Europa ausgehenden Trends und Moden. Somit bestimmt eine soziale Gruppe
 
in ihrem Einflussbereich mit ihren Konsumgewohnheiten die Strukturen der
 
Produktion und des Verbrauchs. Gleichzeitig wird die Gruppe selbst durch
 
externe Konsumstrukturen selbst bestimmt und beeinflusst. Der Geschmack
 
der Eliten hat somit strukturgebenden Charakter, der sich über
 
politische Macht und soziale Kontrolle ausdrückt.
 
 
<blockquote>"The demand for commodities is critically regulated by this variety of taste-making mechanisms, whose social origin is more clearly understood (both by consumers and by analysts) in our own society than those distant from us. [...] However, demand is a socially regulated and generated impulse, not an artifact of individual whims or needs" (Appadurai 1999 [1996]:32).</blockquote>
 
 
===3.3.2.7 Luxusgüter===
 
----
 
 
[[File:konsum-39_1.jpg|frame|right]]
 
 
Einhergehend mit dem Aufkommen des frühen Kapitalismus, der Ausdehnung
 
des europäischen Handels auf andere Kontinente, des
 
Industriekapitalismus als auch der Bedeutung von Finanzkapital bis Ende
 
des 19. Jahrhunderts wurden bestimmte Güter zu "Luxusgütern", die den
 
sogenannten "Neureichen" oder der Aristokratie vorbehalten waren.
 
 
Dieser "Luxus" ist in Arjun Appadurais Analysen Teil eines "special
 
'register' of consumption" (1986a:38). Er schlägt damit eine Erfassung
 
von Konsumgewohnheiten und Gütern durch bestimmte Attribute vor.
 
 
Für (Luxus-)Güter gestaltet sich der gesellschaftliche Zugang für die
 
verschiedenen Bevölkerungsgruppen sehr unterschiedlich. Die
 
Zugangmöglichkeiten zu Gütern stehen in unmittelbarem Zusammenhang zu
 
dem von Appadurai formulierten "register of consumption". Luxus wird
 
innerhalb dieses "Konsumverzeichnisses" durch folgende Attribute
 
bestimmt (Appadurai 1986a:38):
 
 
*  Die Restriktion: Güter sind durch hohe Preise oder gesetzliche Bestimmungen zu Gunsten der Eliten regelmentiert und nur für wenige zugäglich.
 
*  Die Komplexität des Gütererwerbs: der Erwerb von Waren gestaltet sich zu komplex, um für alle Bevölkerungsgruppen mit gleichem Aufwand möglich zu sein. Mangel (u. a. an materiellen Gütern, Transportmöglichkeiten etc.) wird zum limitierenden Faktor für den Erwerb dieser Güter.
 
*  Die soziale Signalwirkung bestimmter Güter: Der Besitz und die Verwendung bestimmter Güter bringen sozialen Status und/oder Prestige zum Ausdruck (z. B. Seidengewänder, Juwelen, besondere Nahrungsmittel etc.)
 
*  Das spezialisierte Wissen: Für den Konsum von Gütern ist oftmals das Wissen um deren Gebrauch von Nöten. Dieses ist innergesellschaftlich sehr selten flächendeckend für alle Bevölkerungsgruppen gegeben. "Neue" Güter werden durch ihren physischen Aufbau ("design") gewissen Bevölkerungsgruppen vorenthalten, weil deren Gebrauch ein "Spezialwissen" erforderlich macht. Appadurai nennt das "regulation by fashion".
 
*  Der Grad an Verbundenheit von Mensch und Konsumgewohnheit: Als letztes Attribut nennt Appadurai die Beziehungen von Personen, Persönlichkeiten und Körper mit den Konsumgewohnheiten, der für den Konsum der Güter nötig ist. Diese Beziehung bestimmt die Fortführung oder Ablehnung von Konsumgewohnheiten durch den Menschen.
 
 
 
 
===3.3.2.8 "Politics of value" I --- die politische Relevanz von Austausch und Konsum===
 
----
 
[[File:konsum-31_1.jpg|frame|right]]
 
 
Die politische Relevanz, die durch Austausch und Bewertung von Gütern in
 
Gesellschaften entsteht wird im alltäglichen Austausch von Gütern nicht
 
immer sofort offensichtlich. Routine und gesellschaftliche Gewohnheiten
 
lassen Austausch trivial und unspektakulär erscheinen.
 
 
Arjun Appadurai (1996) weist in seinen Ausführungen klar darauf hin,
 
dass Formen des alltäglichen Austausches über gesellschaftliche
 
Übereinkünfte geregelt werden. Somit wird bestimmt, was
 
innergesellschaftlich erwünscht sein darf, auf welche Weise welche Güter
 
"vernüftig" getauscht werden, auf welche Dinge für welchen
 
"Gegenwert" verzichtet werden kann und wem es erlaubt ist auf welche
 
Weise unter welchen Umständen möglichst effektiv und befriedigend zu
 
"tauschen" (Appadurai 1999 [1996]:57).
 
 
<blockquote>"What is political about this process is not just the fact that it signifies and constitutes relations of privilege and social control. What is political about it is the constant tension between the existing frameworks (of price, bargaining, and so forth) and the tendency of commodities to breach these frameworks" (Appadurai 1999 [1996]:57).</blockquote>
 
 
Für Appadurai ist entscheidend, dass nicht alle Teile einer Gesellschaft
 
in diesen Beziehungen --- innerhalb eines Wertsystems --- die gleichen
 
Interessen verfolgen. Auch innerhalb bilateraler Austauschbeziehungen
 
sind es die unterschiedlichen Interessen der Parteien, die diese
 
Austauschbeziehung bestimmen. Dadurch ergibt sich der von Appadurai
 
zitierte innergesellschaftliche Druck ("tension"), der permanent
 
Veränderungen bedingt (ebd.).
 
 
===3.3.2.9 "Politics of Value" II - Konsum & die Relevanz von Konkurrenz===
 
----
 
[[File:konsum-35_1.jpg|frame|left]]
 
Ein wichtiges soziales Element stellen stellen für Appadurai jene
 
Konkurrenzkämpfe dar, die über Wertigkeiten geführt werden
 
("tournaments of value"). Eliten konstituieren sich über eine
 
"politics of fashion", über Tabus und Luxusgüter ihre Stellung
 
innerhalb der Gesellschaft. Sie positionieren sich damit in Opposition
 
zu jenen, die diese Güter nicht im Austausch erwerben können. Diese Form
 
der "politics" im Sinne Appadurais reguliert die Nachfrage.
 
 
Güter haben jedoch die Eigenschaft, die Grenzen von Gesellschaften oder
 
kulturellen Gemeinschaften zu überschreiten, sie zu durchbrechen. Somit
 
droht die politische Kontrolle der Güterzirkulation und des
 
Gütergebrauchs unter ständigen Druck zu zerbrechen.
 
 
Appadurai entwickelt in seinen Analysen in der Folge die Position, dass
 
jene, die innergesellschaftlich Macht ausüben und kontrollieren, immer
 
auch die Stabilität von Wertigkeiten im Auge haben. Die "Mächtigen"
 
haben die Intention "creating a closed universe of commodities and a
 
rigid set of regulations about how they are to move" (Appadurai 1999
 
[1996]:57).
 
 
Innergesellschaftliche Veränderung bedeutet auch Veränderungen der
 
Machtverteilung. Veränderungen im System des Güteraustauschs, der
 
Nachfrage und der Verteilung tragen dazu bei. Gleichzeitig bedingen die
 
Konkurrenzkämpfe der Mächtigen untereinander jedoch eine Ausweitung der
 
verfügbaren Güterpalette und die Destabilisierung jener Muster, die ihre
 
Macht absichern.
 
 
<blockquote>"So far as commodities are concerned, the source of politics is the tension between these two tendencies" (Appadurai 1999 [1996]:57).</blockquote>
 
 
Politik im Sinne Appadurais kann also die verschiedensten Formen
 
annehmen: Sie dient der Unterscheidung von Menschen und Gruppen, von
 
Wissenden und Unwissenden sowie dem eigenen "Zur-Schau-Stellen"
 
derselben, dem Ausdruck von Authentizität und der Selbstidentifikation,
 
der Kontrolle von Luxus und Überfluss und der Machtverteilung.
 
 
In den vielen verschiedenen Ausformungen, den "ups and downs" (ebd:57)
 
der "politics of value" verortet Appadurai auch die Gründe für die
 
"Launen der Nachfrage" nach Gütern, Dingen und Waren.
 
 
<blockquote>"It is in this sense that politics is the link between regimes of value and specific flows of commodities" (Appadurai 1999 [1996]:57).</blockquote>
 
 
In der Anerkennung dieser Erkenntnisse verortet Appadurai die Chance,
 
die Beziehungen zwischen dem Produktionsprozess und dem Bereich der
 
Politik zu erhellen:
 
 
<blockquote>"We are now in a better position to demystify the demand side of economic life" (Appadurai 1999 [1996]:58).</blockquote>
 
 
 
 
'''[[Konsumption|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>'''
 
----
 
[[#3.3 Konsum als "marker of difference"|&uarr; Nach oben]]<br/>
 
 
 
'''[[Konsumption|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
 
=4 Konsum in Zeiten der Globalität=
 
<sup>Verfasst von Maria Dabringer</sup>[[File:konsum-18_1.jpg|frame|right]]
 
 
In Zeiten global wirkender Einflüsse, die sich über den gesamten Erdball
 
ausbreiten, sind Phänomene wie internationale Warenströme und der
 
Eingriff supranationaler Konzerne auf die Konsumgüterverteilung
 
selbstverständlich geworden. Eine verstärkte Reise- und
 
Migrationstätigkeit der Menschen aller Erdteile in alle Regionen der
 
Welt ist zu verzeichnen, und es ist nur selbstverständlich, dass sich
 
eine Auseinandersetzung mit materieller Kultur, mit Kulturgütern (z. B.
 
Nahrungsmitteln) nicht auf eine reine Analyse der Bedingungen in einer
 
speziellen Gesellschaft in ihrem eigenen Kontext beschränken lässt. Eine
 
sehr differenzierte Bestandsaufnahme von sozialen, politischen und
 
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Gesellschaften sowie historischen
 
Einflussfaktoren wird notwendig.
 
 
Mittlerweile sind die Warenströme weltweit so komplex vernetzt und
 
verwoben und die Konsumenten/innen-Gruppen so heterogen, dass eine
 
Analyse bestimmter Konsumgewohnheiten an einem bestimmten Ort die
 
Vielfalt an Interaktion(smöglichkeiten) für gesellschaftliche
 
Akteure/-innen offensichtlich macht.
 
 
<blockquote>"[...] demographic change, transportation and transaction costs, markets and merchants are all fundamental in determining what we eat, drink, and wear" (Bauer 2001:2).</blockquote>
 
 
Eine sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Konsumgewohnheiten
 
im Kontext von global wirkenden Prozessen widmet sich
 
 
*  einer differenzierten Sichtweise von globalen Einflüssen und lokaler Alltagsrealität,
 
*  den daraus resultierenden theroretischen Erklärungsmodellen, die eine weltweite Homogenisierung als auch eine verstärkte Lokalisierung in weltweiten Konsumgewohnheiten des beginnenden 21. Jahrhunderts verorten,
 
*  der Bedeutung der historischen Entwicklung der Konsumgewohnheiten in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten,
 
*  der Bedeutung der Mobilität einer Vielzahl von Menschen weltweit (z. B. Migration, Tourismus) für lokale Konsumgewohnheiten sowie
 
*  der Betrachtung konkret lokaler Konsumgewohnheiten.
 
 
==Inhaltsverzeichnis==
 
 
<div class="eksa_toc">
 
[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet#4 Konsum in Zeiten der Globalität|4 Konsum in Zeiten der Globalität]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1 Globaler Konsum: Weltweite Einheitlichkeit versus lokale Differenzierung?|4.1 Globaler Konsum: Weltweite Einheitlichkeit versus lokale Differenzierung?]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.1 These der "Globalen Homogenisierung"|4.1.1 These der "Globalen Homogenisierung"]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.2 These der "Kreolisierung"|4.1.2 These der "Kreolisierung"]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.2.1 "Appropriation" oder Aneignung von Gütern|4.1.2.1 "Appropriation" oder Aneignung von Gütern]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.2.2 Hybridisierung|4.1.2.2 Hybridisierung]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.3 Globale Waren - lokale Aneignungen|4.1.3 Globale Waren - lokale Aneignungen]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.3.1 Das Verhältnis Produktion-Konsumption: Delokalisation des Nahrungssystems|4.1.3.1 Das Verhältnis Produktion-Konsumption: Delokalisation des Nahrungssystems]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.4 Die kulturelle Biographie der Dinge - Igor Kopytoff|4.1.4 Die kulturelle Biographie der Dinge - Igor Kopytoff]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.4.1 Der "Lebensweg" einer Ware|4.1.4.1 Der "Lebensweg" einer Ware]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.4.2 Ein Auto in Afrika|4.1.4.2 Ein Auto in Afrika]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.5 "Fremde" Waren und ihre Bewertungen: Zwischen Kuriositätenkabinett und göttlicher Macht|4.1.5 "Fremde" Waren und ihre Bewertungen: Zwischen Kuriositätenkabinett und göttlicher Macht]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2 Kosmopolitischer Konsum|4.2 Kosmopolitischer Konsum]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.1 Hamburger, Döner, Frühlingsrollen|4.2.1 Hamburger, Döner, Frühlingsrollen]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.1.1 "Ethno-Food": Migration, Tourismus und kosmopolitischer Konsum|4.2.1.1 "Ethno-Food": Migration, Tourismus und kosmopolitischer Konsum]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.1.2 Die Döner-Erfolgsgeschichte|4.2.1.2 Die Döner-Erfolgsgeschichte]]<br/>
 
:::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.1.3 "Tasting the World" - Auf Märkten in London|4.2.1.3 "Tasting the World" - Auf Märkten in London]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.2 Exotik, Migration und Konsum auf Londoner Märkten|4.2.2 Exotik, Migration und Konsum auf Londoner Märkten]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3 Globalisierter Konsum als Ergebnis historischer Prozesse|4.3 Globalisierter Konsum als Ergebnis historischer Prozesse]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.1 Nahrungskonsum in den Anden Lateinamerikas|4.3.1 Nahrungskonsum in den Anden Lateinamerikas]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.2 Präkolonialer Nahrungskonsum|4.3.2 Präkolonialer Nahrungskonsum]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.3 Konsum in Zeiten der Kolonialisierung|4.3.3 Konsum in Zeiten der Kolonialisierung]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.4 "Modernitätsbestrebungen" und Konsum im 19. Jahrhundert|4.3.4 "Modernitätsbestrebungen" und Konsum im 19. Jahrhundert]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.5 Konsumgüter und exportoriertierter liberaler Kapitalismus|4.3.5 Konsumgüter und exportoriertierter liberaler Kapitalismus]]<br/>
 
</div>
 
 
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
 
 
[[Der_Begriff_Konsumption#1 Der Begriff "Konsum(ption)"|1 Der Begriff "Konsum(ption)"]]<br/>
 
[[Ökonomisch_geleitete_Perspektiven_und_Konsum#2 Ökonomisch geleitete Perspektiven und Konsum|2 Ökonomisch geleitete Perspektiven und Konsum]]<br/>
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess#3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess|3 Konsum als sozialer, kultureller und interaktiver Prozess]]<br/>
 
[[Bibliographie_Konsum#5 Bibliographie|5 Bibliographie]]<br/>
 
 
 
'''[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1 Globaler Konsum: Weltweite Einheitlichkeit versus lokale Differenzierung?| Nächstes Kapitel: 4.1 Globaler Konsum: Weltweite Einheitlichkeit versus lokale Differenzierung?]]<br/>'''
 
----
 
[[#4 Konsum in Zeiten der Globalität|&uarr; Nach oben]]<br/>
 
 
 
'''[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet#4 Konsum in Zeiten der Globalität| Vorheriges Kapitel: 4 Konsum in Zeiten der Globalität]]'''<br/>
 
=4.1 Globaler Konsum: Weltweite Einheitlichkeit versus lokale Differenzierung?=
 
<sup>Verfasst von Maria Dabringer</sup>[[File:konsum-41_1.jpg|frame|right]]
 
 
Konsumgewohnheiten sind weltweit nicht einheitlich, sie sind
 
differenziert ausgeprägt und den lokalen Bedürfnissen und Geschmäckern
 
angepasst. Weltweit werden Konsumgewohnheiten durch Medien und
 
Kommunikationsmittel ähnlich dargestellt und transportiert.
 
Nichtsdestotrotz entsteht eine Vielfalt an kulturellen Ausformungen, die
 
alles andere als homogen zu bezeichnen sind (Braidenbach & Zukrigl
 
2000:46ff).
 
 
Es wird sichtbar, dass Waren und Güter, die über staatliche Grenzen
 
hinweg weltweit Verbreitung finden, von Gesellschaften in das eigene
 
Weltbild integriert werden. Fremdes wird "domestiziert", angepasst und
 
adaptiert. Neue kultur- und sozialanthropologische Konsumforschung
 
wendet sich eben diesen Strategien zu und betrachtet sie für
 
Gesellschaften als Mittel zur "[...] Selbstdefinition und
 
Selbsterhaltung [...] und nicht als oberflächliche, hedonistische
 
Gleichmacherdroge" (Breidenbach & Zukrigl 2000:58).
 
 
Die globale Ausbreitung einheitlicher Konsummuster und gleichzeitig
 
auftretender lokaler Adaptionsleistungen in verschiedenen Gesellschaften
 
beschreiben das "'''Homogenization Paradigm[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.1 These der "Globalen Homogenisierung"|[1]]]'''"und das
 
"'''Creolization Pardigm[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.2 These der "Kreolisierung"|[2]]]'''", die innerhalb der Kultur- und
 
Sozialanthropologie thematisch eingebracht und diskutiert werden. Sie
 
beschäftigen sich damit, welche neuen Konsumkulturen dabei im "Süden"
 
entstehen, ob westliches Konsumverhalten schlichtweg kopiert wird und ob
 
durch diese "kulturelle Globalisierung" eine Homogenisierung der
 
Verhaltensweisen weltweit vorangetrieben wird.
 
 
Hinzu kommt, dass seit dem Jahre 2002 eine Milliarde hungerleidender
 
Menschen ein Hinweis darauf sind, dass Konsumverhalten und die
 
grundsätzliche Möglichkeit, Güter oder Nahrungsmittel überhaupt
 
konsumieren zu können, von der Selbstverständlichkeit der menschlichen
 
Bedürfnisbefriedigung zu einem Privileg geworden sind. Die Analyse des
 
vergesellschafteten Konsums macht Differenzen in vielerlei Hinsicht
 
sichtbar.
 
 
'''Verweise:'''
 
 
[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.1 These der "Globalen Homogenisierung"|[1] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.2 These der "Kreolisierung"|[2] Siehe Kapitel 4.1.2]]<br/>
 
 
==Inhalt==
 
 
<div class="eksa_toc">
 
[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1 Globaler Konsum: Weltweite Einheitlichkeit versus lokale Differenzierung?|4.1 Globaler Konsum: Weltweite Einheitlichkeit versus lokale Differenzierung?]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.1 These der "Globalen Homogenisierung"|4.1.1 These der "Globalen Homogenisierung"]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.2 These der "Kreolisierung"|4.1.2 These der "Kreolisierung"]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.2.1 "Appropriation" oder Aneignung von Gütern|4.1.2.1 "Appropriation" oder Aneignung von Gütern]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.2.2 Hybridisierung|4.1.2.2 Hybridisierung]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.3 Globale Waren - lokale Aneignungen|4.1.3 Globale Waren - lokale Aneignungen]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.3.1 Das Verhältnis Produktion-Konsumption: Delokalisation des Nahrungssystems|4.1.3.1 Das Verhältnis Produktion-Konsumption: Delokalisation des Nahrungssystems]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.4 Die kulturelle Biographie der Dinge - Igor Kopytoff|4.1.4 Die kulturelle Biographie der Dinge - Igor Kopytoff]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.4.1 Der "Lebensweg" einer Ware|4.1.4.1 Der "Lebensweg" einer Ware]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.4.2 Ein Auto in Afrika|4.1.4.2 Ein Auto in Afrika]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.5 "Fremde" Waren und ihre Bewertungen: Zwischen Kuriositätenkabinett und göttlicher Macht|4.1.5 "Fremde" Waren und ihre Bewertungen: Zwischen Kuriositätenkabinett und göttlicher Macht]]<br/>
 
</div>
 
 
==4.1.1 These der "Globalen Homogenisierung"==
 
[[File:konsum-42_1.jpg|frame|right]]
 
Die Sozial- und Kulturanthropologie der 1990er Jahre versuchte zu
 
erkunden, welche neuen gesellschaftlichen Strukturen in Ländern des
 
"Südens" entstehen, wenn sich bestimmte, meist westliche Strukturen
 
und Gewohnheiten global ausbreiten. Es stellt sich die Frage, ob
 
westliches Verhalten schlichtweg kopiert wird und ob durch diese
 
kulturelle Globalisierung eine Homogenisierung der Verhaltensweisen
 
weltweit vorangetrieben wird. Besonderes Augenmerk wird dabei den
 
Konsumgewohnheiten geschenkt.
 
 
Ausgehend von diesen Fragestellungen entstand das "Global
 
Homogenization Paradigm". Sie bezeichnet einen Effekt, der durch die
 
Verteilung von bestimmten "globalen Gütern" in alle Teile der Welt
 
entsteht: Demnach werden kulturelle Differenzen zunehmend geringer, wenn
 
lokal verwendete Produkte durch global vermarktete ersetzt werden, die
 
meist aus dem Westen stammen. Somit kommt es zu einem weiteren Prozess
 
der Kolonialisierung (oder Re-Kolonialisierung) der nicht-westlichen
 
Welt durch jene Institutionen, die eine weltweite Vermarktung erst
 
möglich machen. Durch diese "Globalisierung von Konsum" ergibt sich u.
 
a. eine Vereinheitlichung von Männer- und Frauenbildern, die mit der
 
Angleichung von Geschmack, Verhalten und Wertorientierungen gekoppelt
 
ist (Wichterich 1998:198).
 
 
Ulf Hannerz (1992:217) bezeichnet dies als "cocacolonization of the
 
world". Die Entstehung dieses Begriffes lässt sich auf die weltweite
 
Verbreitung des "softdrinks" Coca Cola zurückführen. Seit Beginn des
 
20. Jahrhunderts steht der Werdegang dieses Getränkes repräsentativ für
 
eine solche Entwicklung und kann, "as a central symbol of 'cultural
 
imperialism'" (Hannerz 1992:217) angesehen werden.
 
 
Der Lebensstil der USA und Wohlstand wurden über seinen Konsum ebenso
 
suggeriert wie das Image eines weltoffenen, universellen und
 
transkulturellen Produktes. Der "american dream" ist im Konsum von
 
Coca Cola ebenso enthalten wie die damit verknüpfte Ideologie der
 
"Freien Welt" und eines uneingeschränkten, selbstbestimmten Konsum
 
("consumer democracy"). Mit dem Slogan "Coke offers a taste of
 
Freedom" transportiert diese Form des Kulturtransfers auch oft genug
 
seine politische Bedeutung (Howes 1996:3ff, Bauer 2001:207ff, Beck
 
1997:80ff).
 
 
Die kultur- und sozialanthropologische Konsumforschung ist bestrebt,
 
diese Homogenisierungs- oder McDonaldisierungsthese durch Fallstudien zu
 
widerlegen und die Besonderheiten der Adaptierungen "neuer"
 
Konsumgüter hervorzuheben (vgl. Spittler 2002:17ff). In der
 
kulturwissenschaftlichen Forschung geht man mittlerweile davon aus, dass
 
Globalisierung und Massenproduktion kultureller Symbole keine kulturelle
 
Vereinheitlichung herbeizwingt, eine absolute globale Kultur nicht im
 
Entstehen begriffen ist (Beck 1997:100).
 
 
==4.1.2 These der "Kreolisierung"==
 
[[File:konsum-43_1.jpg|frame|left]]
 
Eine Auseinandersetzung mit den lokalen Strukturen von Konsum im
 
"Süden" zeigte, dass "neue" Produkte innerhalb einer Gesellschaft
 
angepasst werden, dass sie anders als "ursprünglich" gedacht verwendet
 
und angewandt werden, "a new cultrual setting or 'local reality' "
 
(Howes 1996:5) entsteht. Denn bei jeder Form der Globalisierung geht es
 
vor allem auch um Lokalisierung: aus der "Dialektik kultureller
 
Globalisierung" (Beck 1997:85) entwickeln sich hybride Formen der
 
Konsumkultur, die sich durch die spezielle Adaptierung der
 
"annehmenden" Bevölkerung kennzeichnen. Neue Güter oder Medien
 
 
<blockquote>"[...] do not have the power to drive members of the group to abandon themselves to the novelties. The desire to posses 'the new' does not operate as something irrational or independent of the collective culture to which these people belong" (García Canclini 2001:43).</blockquote>
 
 
Bestehende Formen von Konsum werden dabei verändert, umgeformt und je
 
nach Brauchbarkeit und Kontextualisierung in das soziale Leben
 
integriert. Diese Veränderungen werden unter dem Begriff "Creolization
 
Paradigm" zusammengefasst. Der Terminus "Kreolisierung" stammt aus
 
der Linguistik. Als Kreolisch (Mischformen aus Kolonialsprache und
 
afrikanischen Sprachen) wurden ursprünglich die im Zuge der
 
Kolonialisierung neu entstandenen Sprachen in der Karibik und Westafrika
 
bezeichnet (Breidenbach & Zukrigl 2000:85). Der Begriff der
 
Kreolisierung versucht, "Vermischungen, Widersprüchen und durchlässigen
 
Grenzen von Bedeutungssystemen gerecht zu werden" (Breidenbach &
 
Zukrigl 2000:85).
 
 
Im Kontext von Konsumgewohnheiten beizeichnet der Begriff den Prozess,
 
bei dem es zu einer Rekontextualisierung von Gütern kommt, die
 
eigentlich aus anderen kulturellen Kontexten stammen.
 
 
<blockquote>"[...] Untersuchungen zur Aneignung importierter Güter belegen, dass die Übernahme fremder Güter nicht als Überwältigtwerden oder als passive Hinnahme angesehen werden kann, sondern dass diesem Prozess ein aktives Handeln entspricht" (Spittler 2002:18).</blockquote>
 
 
Dieser Prozess wird auch Hybridisierung (link) genannt (Howes 1996:5ff,
 
García Canclini 1997, Spittler 2002). Dabei werden die mit den Produkten
 
verknüpften ursprünglichen Ideologien nicht unbedingt mitgenommen: Es
 
entstehen neue Identitäten für ein Produkt und es kommt zu einer
 
Rekontextualisierung desselben.
 
 
Die Marke Inka Kola formierte sich beispielsweise als
 
peruanisch-nationalistische Alternative zu den importierten
 
"softdrinks" wie Coca Cola. Inka-Kola wurde zu einem Symbol nationalen
 
Stolzes. Die Idee des "softdrinks" wurde aufgenommen, angepasst und
 
mit anderen Ideologien versehen. Es kann als Beispiel für den Prozess
 
der Kreolisierung oder "'''appropriation[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.2.1 "Appropriation" oder Aneignung von Gütern|[1]]]'''" gelten.
 
 
'''Verweise:'''
 
 
[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.2.1 "Appropriation" oder Aneignung von Gütern|[1] Siehe Kapitel 4.1.2.1]]<br/>
 
 
 
 
===4.1.2.1 "Appropriation" oder Aneignung von Gütern===
 
----
 
[[File:konsum-45_1.jpg|frame|right]]
 
 
Unter "appropriation" oder Aneignung verstehen Kultur- und
 
Sozialanthropologen/-innen (unter ihnen Gerd Spittler) "vor allem den
 
Akt der kulturellen Interpretation und Umdeutung" (2002:16). Spittler
 
plädiert für eine zusätzliche, für ihn wichtige Untersuchung des
 
Prozesses der "in Besitznahme" von Gütern durch Menschen und die damit
 
verbundene Interaktion der Menschen miteinander, die der
 
Rekontextualisierung vorausgeht. Diese Prozesse werden manchmal als eine
 
Art "zweite Produktion" verstanden, bei der Bedeutungen
 
"umgearbeitet" werden (Hess & Lenz 2001b:24).
 
 
So entstehen neue, Gruppen (oder auch Nationen) symbolisierende
 
Konsummuster, die oftmals jenseits der Klassen ideologische
 
Zugehörigkeiten repräsentieren. Viele der heute international vom Norden
 
in den Süden (und umgekehrt) transferierten Produkte beinhalten eine
 
Vielzahl von ideologischen Kontexten, die mit diesen Gütern von den
 
Menschen mitkonsumiert werden (Carrier 2004 [1996]:129).
 
 
Eng mit diesem Konzept verknüpft ist das von Roland Robertson
 
formulierte Phänomen der "Glokalisierung". Er versteht das Lokale als
 
einen Aspekt des Globalen. Ein "clash of localities" bedingt, dass
 
lokale Kulturen unter globalen Einflüssen neu bestimmt werden müssen.
 
Widersprüchliche Elemente werden dabei in ihrer Einheit begriffen (Beck
 
1997:90ff, Robertson 1998). Christa Wichterich argumentiert ebenso in
 
dieser Linie: Sie verweist darauf, dass der globalisierte Markt lokale
 
Elemente aufsaugt und daraus "Gewinne" abschöpft. In diesem
 
Wechselspiel von Massenangeboten und Freizeitkonsum finden
 
Retraditionalisierungstendenzen und Nationalstolz als "Gegenmodelle"
 
ihren Raum (Wichterich 1998:201-205).
 
 
Diese Sichtweisen haben der Konsumforschung Aufschwung verliehen. Das
 
drückt für Spittler (2002) nicht nur das Interesse an fremden Einflüssen
 
in den verschiedenen kulturellen Kontexten aus, sondern führt zu einer
 
Neubewertung von Konsum, jenseits kritischer Stellungnahmen zu
 
Schlagwörtern wie "Konsumrausch" oder "Konsumabhängigkeit".
 
 
===4.1.2.2 Hybridisierung===
 
----
 
[[File:konsum-48_1.jpg|frame|left]]
 
Als hybrid verstandene kulturelle Konzepte werden in der
 
kulturwissenschaftlichen Forschung vor allem für die Analyse von
 
Bereichen "in der Schwebe zwischen verschiedenen Positionen", von
 
Vermischungen und Kreuzungen mehrerer Kontexte verwendet (z. B.
 
Lebenswelten von Migranten/-innen) (Hess & Lenz 2001b:27).
 
 
Das Phänomen der "Hybridisierung" wird oftmals auch mit den Begriffen
 
Kreolisierung (link), Synkretismus oder im Kontext der Forschungen zu
 
Lateinamerika mit "mestizaje" gleichgesetzt. García Canclini verweist
 
darauf, dass Synkretismus meist Verbindungen unterschiedlicher
 
religiöser Tendenzen ausdrückt und das Phänomen der "mestizaje" (link
 
Glossar) auf kulturelle "Mischformen" hinweist und der Kategorie
 
"race" einen besonderen Stellenwert einräumt. Er verwendet deshalb für
 
seine Auseinandersetzung mit Konsumgewohnheiten den Begriff der
 
Hybridisierung (García Canclini 1997:11, Note 1).
 
 
Problematisch ist der Begriff "hybrid" insofern, als er die Gefahr in
 
sich birgt, spezifische Lebenswelten als "außerhalb" einer bestimmten
 
kulturell dominanten Wir-Gruppe aufzufassen und damit (im Fall von
 
Migranten/-innen) einmal mehr rassistische Ausgrenzung zu betreiben
 
(Hess & Lenz 2001b:27). Feministische lateinamerikanische Literatur
 
setzt sich kritisch mit dieser Verquickung des Themas "Migration" und
 
Hybridität als Konzept für neue (multiple) Identitätskonstruktionen
 
auseinander (Gutiérrez Rodriguez 2001).
 
 
Für den lateinamerika-studinischen Kontext von Konsumgewohnheiten behandelt
 
der Soziologe Néstor García Canclini (1997) das Thema hybrider Formen
 
soziokulturellen Zusammenlebens und sieht in ihnen "Modernes" und
 
"Traditionelles" vermischt. Die Opposition dieser Begriffe lehnt er
 
ab. Die im Zuge von Kategorisierungen stattfindende Reduktion
 
menschlicher Gesellschaften weist García Canclini ebenfalls zurück, auch
 
wenn er die Dreiteilung von Gesellschaften in die Bereiche "cultured",
 
"popular" und "mass-based" als Ausgangsbasis für seine Analysen
 
akzeptiert (vgl. García Canclini 1997:3ff):
 
 
<blockquote>"It is necessary to deconstruct that division into three levels [...] and verify if its 'hybridization' can be understood using the tools of disciplines [Kunst, Geschichte, Volkskunde, Soziologie und Anthropologie, Kommunikation, etc. Anm. d. Verfasserin] that are studied separately" (García Canclini 1997:2).</blockquote>
 
 
Er sieht in der multidisziplinären Analyse der Modernisierung
 
Lateinamerikas eine Chance, weniger das Substituierende,
 
Homogenisierende von Modernisierung hervorzuheben, sondern die
 
"renovation whereby diverse sectors take responsability for the
 
'multitemporal heterogeneity' of each nation" (García Canclini 1997:3).
 
 
Städte fungieren dabei als Schnittpunkte unterschiedlicher kultureller
 
Tendenzen. Traditionelles Kunsthandwerk und seine Bedeutung für den
 
nationalstaatlichen Markt stehen im Mittelpunkt seiner Analysen. In
 
seinen Studien hybrider Kontexte
 
 
Interessieren ihn auch jene "oblique powers", die zwischen
 
Institutionen innerhalb der Nationalstaaten wirken, besonders jene
 
Beziehungen zwischen beispielsweise demokratischen Bewegungen und
 
paternalistischen Regimen.
 
 
==4.1.3 Globale Waren - lokale Aneignungen==
 
[[File:konsum-52_1.jpg|frame|right]]
 
 
Für den Umgang mit Gütern oder Waren sind nicht nur deren Produktion und
 
Distribution von vorrangiger Bedeutung, sondern auch andere Faktoren.
 
Gerd Spittler (2002) erarbeitet für den Umgang mit Waren relevante
 
Punkte:
 
 
*  Die Analyse von materiellem Gebrauch und gesellschaftlicher Deutung von Dingen sind wichtige Komponenten sozialanthropologischer Forschung. Spittler betont, dass die Interaktionen von Menschen bei der Verwendung von Dingen und des Konsums (in all seinen Facetten) von Gütern besondere Beachtung erlangen sollte.
 
*  Vor allem jene KundInnen, die Waren tauschen oder kaufen, haben bedeutenden Einfluss auf die zu untersuchenden Prozesse des Konsums.
 
*  Spittler (2002:25) versteht unter globalen Waren "Waren, die nicht für einen regional begrenzten Kundenkreis produziert werden, sondern tendenziell für die ganze Welt". Deshalb wird die Warenzirkulation "globaler Waren" nicht durch den Herkunftsort bestimmt, sondern durch die Fokusierung auf die (eigentlich unbekannten) potentiellen KundInnen, die damit erreicht werden möchten. Globaler Warenvertrieb bringt gleichzeitig eine Anhängigkeit der KonsumentInnen von global agierenden ProduzentInnen mit sich. Diese Situation bedingt, dass sich die ProduzentInnen nicht an konkreten lokalen Begebenheiten orientieren, was eine zunehmende Distanz des Produktionsbereichs vom Konsumptionsbereich mit sich. (link Delokalisation des Nahrungssystems). Lokale Trends und Moden können bei der Produktion nicht berücksichtigt werden. (Spittler 2002 26ff) Vielmehr werden Trends und Moden durch globale Waren mitbestimmt.
 
*  Globale Waren können in lokalen Kontexten Interesse für andere kulturelle Gegebenheiten erzeugen. Bilder, Ideen und auch Klischees werden über die global vermarkteten Waren erzeugt und implementiert.
 
*  Globale Waren sind nicht allein ein Phänomen des vorherrschenden globalen Kapitalismus. Weltweit gibt es Waren, die seit Jahrhunderten über weite Strecken gehandelt und getauscht werden (z.B. Tee, Stoffe, Edelsteine, Salz, etc.). Bei der Analyse lokaler Konsumgewohnheiten ist die historische Dimension immer miteinzubeziehen, denn auch Phänomene wie die "Globalisierung" sind Produkt historischer Entwicklungen, die es zu beachten gilt. (link Wolf Elke)
 
*  Sozial- und kulturanthropologische Studien zu Konsum widmen sich seit einigen Jahren den lokalen Strukturen von Konsumverhalten, wobei sie sich zunehmend globalen Fragestellungen und ihrer Bedeutung für den lokalen Kontext öffnen. Spittler plädiert für eine weitere Öffnung der disziplinären Diskussion. Er meint, dass es notwenig ist "diese lokale Perspektive zu verlassen und die Interaktionen als Verflechtungen zu untersuchen" (Spittler 2002:28).
 
 
 
 
===4.1.3.1 Das Verhältnis Produktion-Konsumption: Delokalisation des Nahrungssystems===
 
----
 
[[File:konsum-66_1.jpg|frame|left]]
 
Bei der Betrachtung von Konsum ergibt sich in Analysen oft eine
 
(ungewollte) Verquickung mit dem lokalen Kontext der Stadt. Städtisches
 
Leben steht in engem Zusammenhang zur "Konsumgesellschaft", weil sich
 
die Möglichkeiten zu konsumieren und einen Ausdruck für Lebensgestaltung
 
mittels Konsumgewohnheiten zu finden, in der Stadt verdichten. Diese
 
städtische Konsumlastigkeit ist eng verknüpft mit Entwicklungen, die
 
sich gleichzeitig im ländlichen Bereich ergeben.
 
 
[[File:konsum-66_2.jpg|frame|right]]
 
 
Der ländliche Sektor vieler Nationalstaaten wird zunehmend
 
marginalisiert. Ländliche Produktionsstrukturen zerfallen weltweit.
 
Staatliche Investitionen betreffen Infrastrukturen, städtisches
 
Siedlungsgebiet und Industrien. Menschen migrieren vom Land in die
 
Stadt, suchen bessere Ausbildungs- und Gesundheitsversorgung fern
 
ländlicher Gebiete. Gleichzeitig übernehmen immer größere, global
 
vernetzte Agrarunternehmen die produktiven Aufgaben einer zuvor
 
bäuerlichen Ökonomie. Die Nahrungsmittelversorgung vieler Staaten liegt
 
in der Folge nicht mehr in Händen der bäuerlichen Bevölkerung, sondern
 
in jenen der Nahrungsmittelimporteure. Dieses als "Delokalisation des
 
Nahrungssystems" (Pelto & Pelto 1985 zit. nach Montanari 2003:335)
 
bezeichnete Phänomen spielt für die Essens- und Konsumkultur der
 
Gegenwart eine bedeutende Rolle. Revolutionäre technische Entwicklungen
 
und ein zunehmender Verstädterungsprozess haben seit Ende des 19.
 
Jahrhunderts die Bindung zwischen Nahrung, der Nahrungsherstellung oder
 
--produktion und dem Wohnort der Menschen zusätzlich schwächer werden
 
lassen. Der direkte Bezug zu den Produktionsbedingungen geht dabei
 
verloren. Technisierung sowie das Delegieren des Produktionsprozesses an
 
die verarbeitende Nahrungsmittelindustrie schafft Distanz zu demselben.
 
Die Beziehung zwischen Produzent/-in und Konsument/-in ist "[...]
 
accentuated nowadays by the spatial and technological distance between
 
producers and consumers" (García Canclini 2001:46). Verstärkt wird im
 
Prozess kapitalistischer Warenproduktion (link) die Abhängigkeit von
 
eben diesem. Neokoloniale Beziehungen von "Mutter"-Ländern zu
 
ehemaligen Kolonien werden über wirtschaftliche Beziehungen aufrecht
 
erhalten und die Verwandlung der Nahrungssysteme in Ländern des Südens
 
unter diesem Einfluss vorangetrieben. (Montanari 2003:335f).
 
Gleichzeitig kommt es zu einer Integration von kulturellen Konzepten und
 
Waren --- die Herkunft von Gütern spielt dabei keine Rolle mehr --- und
 
der selbstverständliche Gebrauch und das "Zuweisen" eines Platzes im
 
kulturellen Kontext sorgen dafür, dass nach Herkunft und
 
"Ursprünglichkeit" nicht mehr gefragt wird (Breidenbach und Zukrigl
 
2000:138).
 
 
Der neoliberale Trend hat nicht nur der US-amerikanischen und
 
europäischen Warenproduktion ein Hoch beschert, sondern auch erreicht,
 
dass gewisse "traditionelle" Produkte (beispielsweise indigenes
 
Kunsthandwerk in Mexiko) eine nie da gewesene Produktionshochblüte
 
erleben. Auf der Suche nach Einkommensmöglichkeiten arbeiten viele
 
Frauen und Männer im Kunsthandwerkssektor und schaffen somit einen
 
weiteren importsubstituierenden Sektor. In lateinamerikanischen Staaten
 
wie Mexiko sollte damit auch der rurale Sektor gestützt werden, um das
 
Phänomen der Landflucht und den Verstädterungsprozess einzudämmen.
 
Gleichzeitig stärkte diese Entwicklung nationales Bewusstsein und fügte
 
sich somit perfekt in das hegemoniale System des Kapitalismus'
 
"[...] because they contribute to social cohesion and the ability of
 
the society to reproduce itself" (Bauer 2001:216).
 
 
Abhängig sind diese speziellen Produktionszweige vor allem vom
 
internationalen Tourismus für den sie letztlich produzieren.
 
 
Generell betrachtet: Je weiter der Produktionssektor (auch im
 
Lebensmittelbereich) vom Konsumsekt
 
 
==4.1.4 Die kulturelle Biographie der Dinge - Igor Kopytoff==
 
 
Igor Kpytoff wurde 1930 in Mukden/ China geboren und studierte
 
Anthropologie in den USA mit anschließenden Feldstudien u. a. bei den
 
Suku im nordwestlichen Kongo, den Mbato der Elfenbeinküste und den Aghem
 
in Kamerun. Derzeit lehrt er als Professor für Anthropologie an der
 
University of Pennsylvania. Seine anthropologischen Schwerpunkte liegen
 
im Speziellen bei den Themen Sozialstruktur und politische Organisation
 
von Gesellschaften, Religionen und Transformationsprozesse derselben,
 
Sklaverei als gesellschaftliches Phänomen mit speziellem Fokus auf die
 
Sklaverei in Afrika als kulturell-historisches Phänomen.
 
 
Literaturliste und detaillierte Daten: University of Pennsylvania:
 
'''https://web.archive.org/web/20170601211048/http://www.sas.upenn.edu/~kopytoff/[https://web.archive.org/web/20170601211048/http://www.sas.upenn.edu/~kopytoff/  &#91;1&#93;]''' [27.08.2005]
 
 
<blockquote>"For the economist, commodities simply are. That is, certain things and rights to things are produced, exist and can be seen to circulate through the economic system as they are being exchanged for money. This view, of course, frames the commonsensical definition of a commodity: an item with use value that also has exchange value. [...] From a cultural perspective, the production of commodities is also a cultural and cognitive process: commodities must be not only produced materially as things, but also culturally marked as being a certain kind of thing. Out of the total range of things available in a society, only some of them are considered appropriate for marking as commodities." (Kopytoff 1986:64)</blockquote>
 
 
'''Verweise:'''
 
 
[https://web.archive.org/web/20170601211048/http://www.sas.upenn.edu/~kopytoff/  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20170601211048/http://www.sas.upenn.edu/~kopytoff/]<br/>
 
 
 
 
===4.1.4.1 Der "Lebensweg" einer Ware===
 
----
 
[[File:konsum-100_1.jpg|frame|right|Menschen vor Hütte (Quelle: Schulpartnerschaft mit Nicaragua '''https://web.archive.org/web/20050506212247/http://www.petrinum.ac.at/history/20002001/20001005/default.htm[https://web.archive.org/web/20050506212247/http://www.petrinum.ac.at/history/20002001/20001005/default.htm  &#91;2&#93;]''' [27.08.2005])]]
 
 
Die biographische Forschung in der Kultur- und Sozialanthropologie gibt
 
wichtige Aufschlüsse über Individuum und Gesellschaft: Sie zeigt nicht
 
nur individuelle Lebenswege, sondern gibt auch Einblick in das
 
Verhältnis einzelner Personen mit ihrem sozialen Umfeld und zeigt
 
erwünschte und unerwünschte, als Erfolg oder als Versagen bewertete
 
Biographien. Die Biographien von Personen und ihre Bewertungen sind
 
stark vom kulturellen Bedeutungsgefüge abhängig, in dem eine Person
 
lebt. Eine erfolgreiche gesellschaftliche Karriere sieht in Indien
 
anders aus als bei den Inuit/Eskimo oder in Mitteleuropa. Darüber hinaus
 
werden andere '''Gruppenzugehörigkeiten[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3 Konsum als "marker of difference"|[1]]]''' (z.B. soziale Schicht,
 
Geschlecht) wirksam.
 
 
Kopytoff schlägt vor, Biographien von Dingen zu erstellen, die ihren
 
"Lebensweg" verfolgen und verschiedenen Stadien, Kontexte und
 
Bedeutungen eines Dings untersuchen. Als ein Beispiel führt er die
 
Biographie einer Hütte bei den Suku in Zaire an: Die Lebenspanne einer
 
Hütte beträgt dort ca. 10 Jahre, ihre typische Biographie beginnt damit,
 
dass sie von einem Paar bewohnt wird, oder - in einem polygynen Haushalt
 
* von einer Frau mit ihren Kindern. Wenn die Hütte älter wird, so
 
verändert sich ihre Funktion: Sie wird zu einem Gästehaus oder dem Haus
 
für eine Witwe, zu einem Aufenthaltsraum für Jugendliche, zu einer Küche
 
und schließlich - falls sie nicht schon vollständig von Termiten
 
zerfressen ist - zu einem Stall für Ziegen oder Hühner.
 
 
Biographien von Dingen geben nicht nur Aufschluss über diverse
 
Möglichkeiten ihrer Verwendung in verschiedenen Stadien ihrer Existenz,
 
sie zeigen auch Prozesse der "commodification" (der Entstehung von
 
Warencharakter) in bestimmten sozialen und ökonomischen Zusammenhängen.
 
Dabei zeigt sich, dass in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Dinge
 
als Ware betrachtet werden (vgl. Tauschsphären - link). Dies betrifft in
 
besonderem Maße den Menschen: Welche Teile oder Aspekte eines Menschen
 
als "verkäuflich" gelten - die ganze Person (Sklavenhandel - link),
 
Arbeitskraft, Organe, Sexualität, besondere physische oder künstlerische
 
Fähigkeiten (z.B. SportlerInnen oder SchauspielerInnen unter Vertrag) -
 
ist von verschiedenen kulturellen und historischen Kontexten abhängig
 
und wird immer wieder anders bewertet.
 
 
'''Verweise:'''
 
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3 Konsum als "marker of difference"|[1] Siehe Kapitel 3.3]]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050506212247/http://www.petrinum.ac.at/history/20002001/20001005/default.htm  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20050506212247/http://www.petrinum.ac.at/history/20002001/20001005/default.htm]<br/>
 
 
===4.1.4.2 Ein Auto in Afrika===
 
----
 
[[File:konsum-101_1.jpg|frame|right|Autowrack (Quelle: Roy Prince Photography '''https://web.archive.org/web/*/http://royprince.com/photo/images/car-in-weldt_lg.jpg[https://web.archive.org/web/*/http://royprince.com/photo/images/car-in-weldt_lg.jpg  &#91;1&#93;]''' [27.8.2005])]]
 
Biographien von Dingen auch geben auch Einblick in die Veränderungen,
 
die ihre Funktion und Bedeutung im Zuge von "Reisen" durch
 
verschiedene Kulturen erfahren (Kopytoff 1986).
 
 
<blockquote>"Biographies of things can make salient what might otherwise remain obscure. For example, in situations of culture contact, they can show what anthropologists have so often stressed: that what is significant about the adoption of alien objects - as of alien ideas - is not the fact that they are adopted, but the way they are culturally redefined and put to use. The biography of a car in Africa would reveal a wealth of cultural data:</blockquote>
 
 
the way it was acquired, how and from whom the money was assembled to
 
pay for it, the relationship of the seller and the buyer, the uses to
 
which the car is regularily put,the identity of is most frequent
 
passengers and of those who borrow it,the frequency of borrowing,the
 
garages to which it is taken and the owner's relation to the
 
mechanics,the movement of the car from hand to hand over the years,and
 
in the end, when the car collapses, the final dispositions of its
 
remains.
 
 
All these details would reveal an entirely different biography from that
 
of a middle-class American, Navajo, or French peasant car." (Kopytoff
 
1986:67)
 
 
'''Verweise:'''
 
 
[https://web.archive.org/web/*/http://royprince.com/photo/images/car-in-weldt_lg.jpg  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/*/http://royprince.com/photo/images/car-in-weldt_lg.jpg]<br/>
 
 
==4.1.5 "Fremde" Waren und ihre Bewertungen: Zwischen Kuriositätenkabinett und göttlicher Macht==
 
 
Die Zirkulation von Waren, ihre Rezeption und Verwendung hängt sowohl
 
von internationalen Kreisläufen als auch von lokalen kulturellen und
 
ökonomischen Gefügen ab (vgl. auch Wolf 1986, Mintz 1987 - '''links''').
 
 
Marshall Sahlins (1988) zeigt in einer historischen Untersuchung wie im
 
späten 18. und 19 Jahrhundert vier verschiedene Gesellschaften (China,
 
Hawaii, die Kwakuitl (link), und Großbritannien) auf den Kontakt mit dem
 
Kapitalismus und seiner Warenwelt reagierten. Sahlins zeigt dabei am
 
Beispiel Chinas, dass keineswegs alle nicht-westliche Kulturen vom
 
Westen und seinen Gütern überwältig waren und diese Güter für äußerst
 
begehrenswert und nützlich hielten. China zeigte sich bis zum 19.
 
Jahrhundert, als der Widerstandswille durch den Opiumkrieg (link)
 
gebrochen wurde, gänzlich unbeeindruckt von westlichen Waren. In einem
 
Memorandum des chinesischen Kaisers an den englischen Gesandten aus dem
 
Jahr 1793 heißt es dementsprechend: "Wir haben Raffinessen noch nie
 
besonders geschätzt, und wir haben auch nicht den geringsten Bedarf an
 
den Waren ihres Landes."
 
 
Sahlins erklärt diese Reaktion vor dem Hintergrund der chinesischen
 
Machtstrukturen und Zivilisationstheorien. Fremde Objekte wurden dabei
 
als Kuriositäten betrachtet und als eine Art Tribut, nicht als
 
Handelsgut interpretiert (also aus dem Warenkreislauf ausgeschlossen -
 
vgl. Kopytoff 1986 - link). Das mit westlichen Objekten bestückte
 
kaiserliche Kuriositätenkabinett war bereits voll.
 
 
Eine andere Form des Umgangs mit und der Bewertung von fremden Gütern
 
zeigt das Beispiel Hawaii: Hier eigneten sich die herrschenden
 
Häuptlinge westliche Waren als Ausdruck göttlicher Macht an und sie
 
wurden in Machtkämpfen der Häuptlinge untereinander als Prestigeobjekt
 
eingesetzt. Das ständige Streben nach neuen fremden Objekten, um die
 
lokalen Hierarchien aufrechtzuerhalten, führte letzendlich zu
 
Verschuldung und wirtschaftlichem Niedergang. (Sahlins 1988, vgl.
 
Breidenbach und Zukrigl 1998: 48-49)
 
 
In China und Hawaii unterschied sich demnach das soziale Leben der
 
(fremden) Dinge wesentlich voneinander und von ihrem Herkunftsland:
 
 
*  Zum einen kommt eine unterschiedliche Politik des Wertes im Sinne von '''Appadurai[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2 Arjun Appadurai --- Waren, deren politische Bedeutung & Konsum|[1]]]''' (1986) zum Tragen.
 
*  Zum anderen erfahren die Waren verschiedene Formen der kulturellen Kontextualisierung und der Zuschreibung von Bedeutungen im Sinne einer '''Biographie der Dinge[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.4 Die kulturelle Biographie der Dinge - Igor Kopytoff|[2]]]''' und der Prozesshaftigkeit ihres Warencharakters (Kopytoff 1986).
 
 
'''Verweise:'''
 
 
[[Konsum_als_sozialer_kultureller_und_interaktiver_Prozess/Difference#3.3.2 Arjun Appadurai --- Waren, deren politische Bedeutung & Konsum|[1] Siehe Kapitel 3.3.2]]<br/>
 
[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1.4 Die kulturelle Biographie der Dinge - Igor Kopytoff|[2] Siehe Kapitel 4.1.4]]<br/>
 
 
 
 
'''[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2 Kosmopolitischer Konsum| Nächstes Kapitel: 4.2 Kosmopolitischer Konsum]]<br/>'''
 
----
 
[[#4.1 Globaler Konsum: Weltweite Einheitlichkeit versus lokale Differenzierung?|&uarr; Nach oben]]<br/>
 
 
 
'''[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Homogen-Heterogen#4.1 Globaler Konsum: Weltweite Einheitlichkeit versus lokale Differenzierung?| Vorheriges Kapitel: 4.1 Globaler Konsum: Weltweite Einheitlichkeit versus lokale Differenzierung?]]'''<br/>
 
=4.2 Kosmopolitischer Konsum=
 
<sup>Verfasst von Maria Dabringer</sup>[[File:konsum-113_1.jpg|frame|right|Japanische Speisemodelle in der Auslage eines Restaurants. Foto Elke Mader]][[File:konsum-113_2.jpg|frame|right|Asiatisches Gedeck im Möbelhaus Interior. Foto Elke Mader]]
 
 
'"The perspective of the cosmopolitan must entail relationships to a
 
plurality of cultures understood as distinctive entities. ... But
 
furthermore, cosmopolitanism in a stricter senses includes a stance
 
towards diversitiy itself, towards the coexistence of cultures in the
 
invidual experience. A more genuine cosmopolitanism is first of all an
 
orientation, a willingness to engage with the Other. It is an
 
intellectual and aestetic stance of openness towards divergent cultural
 
experiences, a search for contrast rather than uniformity."' (Hannerz
 
1990: 239)
 
 
'''Beziehungen zwischen dem Eigenen und dem Fremden werden häufig durch
 
Konsum vermittelt''': Konsum kann spezifische Identitäten konstruieren
 
und/oder verfestigen, Konsumgewohnheiten sind aber auch Ausdruck
 
multipler kultureller Verflechtungen. Die beiden Ebenen sind oft eng
 
miteinander verbunden: So können z.B. an einem Ort bestimmte Waren oder
 
Speisen für einige Menschen einen wichtigen Aspekt
 
ihrer ''ethnoscapes''(Appadurai 1996) '''bzw. ihrer (trans)nationalen
 
Identität''' darstellen. Für andere Menschen am selben Ort bedeuten
 
dieselben Speisen eine (exotische) '''Erweiterung ihrer Konsum- und
 
Erlebniswelt im Sinne einer kosmopolitischen Weltsicht''', also eine Form
 
der Hinwendung zum Anderen.
 
 
'''Ulf Hannerz''' (1990: 241) stellt den KosmopolitInnen die
 
Anti-KosmopolitInnen gegenüber. Letztere sind Menschen, die zwar häufig
 
ihren Aufenthaltsort verändern, jedoch wenig Interesse am Anderen
 
zeigen. Während also der "kosmopolitische Konsum" auf dem Wunsch nach
 
Fremdem beruht, steht der "anti-kosmopolitische Konsum" in Verbindung
 
mit einer starken Präferenz für Waren bzw. Serviceleistungen aus der
 
eigenen, vertrauten Umgebung. Dazu zählen etwa touristische
 
Einrichtungen, welche den heimischen Lebenstil der TouristInnen plus
 
lokalem Dekor reproduzieren. Die beiden Konsumformen überschneiden sich
 
in der Lebenswelt einzelner Menschen: Niemand konsumiert ausschließlich
 
Eigenes oder ausschließlich Fremdes.
 
 
'''Kosmopolitischer Konsum''' beruht auf der '''Zirkulation des
 
Partikulären''' und der '''Hinwendung zum Anderen'''. Er findet an
 
verschiedenen Orten und in diversen sozialen, ökonomischen und
 
kulturellen Kontexten und Konditionen statt. Er bringt die Wertschätzung
 
des Anderen zum Ausdruck, hat jedoch auch Berührungspunkte mit
 
'''Kolonialismus, Orientalismus und Exotismus'''. So konzentriert sich
 
kosmopolitischer Konsum oft auf Waren oder Serviceleistungen, die
 
privilegierte KonsumentInnen aus einem plurikulturellen, globalem
 
Warenkorb auswählen und in die eigene Lebenswelt inkorporieren.
 
 
==Inhalt==
 
 
<div class="eksa_toc">
 
[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2 Kosmopolitischer Konsum|4.2 Kosmopolitischer Konsum]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.1 Hamburger, Döner, Frühlingsrollen|4.2.1 Hamburger, Döner, Frühlingsrollen]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.1.1 "Ethno-Food": Migration, Tourismus und kosmopolitischer Konsum|4.2.1.1 "Ethno-Food": Migration, Tourismus und kosmopolitischer Konsum]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.1.2 Die Döner-Erfolgsgeschichte|4.2.1.2 Die Döner-Erfolgsgeschichte]]<br/>
 
::[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.1.3 "Tasting the World" - Auf Märkten in London|4.2.1.3 "Tasting the World" - Auf Märkten in London]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2.2 Exotik, Migration und Konsum auf Londoner Märkten|4.2.2 Exotik, Migration und Konsum auf Londoner Märkten]]<br/>
 
</div>
 
 
==4.2.1 Hamburger, Döner, Frühlingsrollen==
 
[[File:konsum-115_1.jpg|frame|left|Zutaten für thailändische und indische Gerichte in einem Wiener Supermarkt. Foto Elke Mader]][[File:konsum-115_2.jpg|frame|right|Tex-Mex Zutaten in einem Wiener Supermarkt. Foto Elke Mader]]
 
Die Debatte um die '''Homogenisierung''' von Waren und ihrem Konsum wird
 
häufig mit Beispielen "globaler Nahrung" US-amerikanischer Herkunft
 
(Coca Cola und Hamburger) illustriert (vgl. u.a. Beck 1997, Howes 1996)
 
Demgegenüber steht ein breites Angebot von '''"fremdem Essen"''' aus
 
verschiedenen Weltgegenden, dass oft mehr konsumiert wird, als
 
US-amerikanisches Fast-Food.
 
 
Die Wanderungen, der Konsum und die Bedeutung verschiedener Speisen
 
umfassen auch unterschiedliche "Biographien" und diverse "soziale
 
Leben" der einzelnen Gerichte (vgl. Appadurai 1986, Hauser-Schäublin
 
2002, Kopytoff 1986). Ferner stellt sich die Frage, ob der vermehrte
 
Hang zu fremden Speisen als '''"kosmopolitischer Konsum"''' in Sinne des
 
Konzepts des Kosmopolitanismus von Ulf Hannerz (1990) zu betrachten ist.
 
 
 
===4.2.1.1 "Ethno-Food": Migration, Tourismus und kosmopolitischer Konsum===
 
----
 
[[File:konsum-116_1.jpg|frame|left|Reistafel im indonesischen Restaurant Puri Mas in Amsterdam ('''https://web.archive.org/web/20051018024834/http://www.purimas.nl/[https://web.archive.org/web/20051018024834/http://www.purimas.nl/  &#91;1&#93;]''' [22.09.2005])]]
 
Die Speisekultur im urbanen West-Europa ist vielfältig. Sie ist nicht
 
nur durch regionale Küchen, sondern auch durch die Präsenz von
 
'''zahlreichen MigrantInnen''' aus verschiedenen Regionen geprägt (etwa
 
TürkInnen in Deutschland, InderInnen und AfrikanerInnen in
 
Großbritannien, AlgerierInnen und VietnamesInnen in Frankreich oder
 
IndonesierInnen in Holland).
 
 
Die '''transnationalen Gemeinschaften''' (oft aus ehemaligen Kolonien)
 
tragen mit ihrer Küche wesentlich zur spezifischen '''Gestaltung der
 
Vielfalt der lokalen Speisekultur''' und des entsprechenden Warenangebots
 
bei (etwa in London, Amsterdam oder Paris) Sogenanntes "ethno-food"
 
bildet in diesem Zusammenhang für viele Menschen einen Teil ihrer
 
entsprechenden 'ethnoscapes' in einer deterritorialisierten Welt
 
(Appadurai 1996), für andere Personen(gruppen) stellt der Konsum dieser
 
Gerichte eine (kosmopolitische oder auch exotistische) Erweiterung ihrer
 
Speisekarte dar.
 
 
[[File:konsum-116_2.jpg|frame|right|Frühlingsrollen (Quelle: Bangkok House '''https://web.archive.org/web/20050123153921/http://bangkok-house.de/[https://web.archive.org/web/20050123153921/http://bangkok-house.de/  &#91;3&#93;]''' [22.09.2005])]]
 
 
Die zunehmende Integration fremder Speisen in die Konsumgewohnheiten in
 
Westeuropa steht auch in Zusammenhang mit dem '''Tourismus:''' Gerichte,
 
die man aus dem Urlaub kennt, werden - gemeinsam mir ein bisschen
 
Urlaubsgefühl - gerne auch im Alltag konsumiert. Restaurants sind oft
 
als '''kultur- bzw. regionsspezifische Themen-Räume''' ('themed
 
environments)' gestaltet',' d.h. mit Objekten und Symbolen aus ihren
 
Herkunftsland dekoriert. Ihre Motive und Themen gehen oft Hand in Hand
 
mit der Gestaltung kommerzieller '''touristischer Räume''' in den
 
entsprechenden Ländern (Italien, Spanien, Griechenland etc.). Ein gutes
 
Beispiel ist die Taverna Mykonos, die sich als "kulinarisch -
 
griechische Insel mitten in Villach" vermarket
 
('''https://web.archive.org/web/20050324020641/http://mykonos.at/[https://web.archive.org/web/20050324020641/http://mykonos.at/  &#91;2&#93;]''' [22.09.2005]).
 
 
Darüber hinaus entstand in den vergangenen Jahrzehnten ein breites
 
Standardangebot an verschiedenen Küchen: Asiatische und/oder
 
italienische Restaurants sind in den meisten west-europäischen Städten
 
zu finden.
 
 
Die besondere Beliebtheit und weltweite Verbreitung bestimmter Speisen
 
(z.B. Pizza, Frühlingsrollen) steht nicht unbedingt in Zusammenhang
 
besonders umfangreichen transnationalen Gemeinschaften aus dem
 
Herkunftsland der Speisen. Auch haben die wenigsten westlichen KundInnen
 
der unzähligen chinesischen Restaurants in Europa China bereist. Es
 
handelt sich also generell um kosmopolitisches Konsumverhalten, das auch
 
unabhängig von Transnationalismus und Tourismus exisitert: Das führt zu
 
einer sukzessive '''Standardisierung einer pluri-kulturellen
 
Speisenvielfalt''', die von vielen Personen der urbanen Mittelschicht
 
einer mono-regionalen Küche vorgezogen wird.
 
 
'''Verweise:'''
 
 
[https://web.archive.org/web/20051018024834/http://www.purimas.nl/  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051018024834/http://www.purimas.nl/]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050324020641/http://mykonos.at/  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20050324020641/http://mykonos.at/]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050123153921/http://bangkok-house.de/  &#91;3&#93; https://web.archive.org/web/20050123153921/http://bangkok-house.de/]<br/>
 
 
===4.2.1.2 Die Döner-Erfolgsgeschichte===
 
----
 
[[File:konsum-117_1.jpg|frame|left|Döner Kebab (Quelle: Planet Wissen: Rita Gudermann Portrait --- Döner Kebab: '''https://web.archive.org/web/20051025043903/http://www.planet-wissen.de/[https://web.archive.org/web/20051025043903/http://www.planet-wissen.de/  &#91;1&#93;]''' [22.09.2005])]]
 
Ein Beispiel für '''spezifische "Nahrungsströme"''' in direktem
 
Zusammenhang mit '''Migration und Transnationalismus''' bildet die
 
Verbreitung des '''Döner-Kebabs in Deutschland'''. In den 1970er Jahren
 
eröffneten türkische MigrantInnen die ersten Döner-Imbisse, heute gehört
 
der Döner zum beliebtesten Fast-Food in Deutschland.
 
 
In Berlin gibt es mehr Verkaufsstände für diesen Imbiss als in Istanbul,
 
deutschlandweit wurden im Jahr 1995 3,6 Milliarden DM im Dönergeschäft
 
umgesetzt, während der Umsatz von McDonald Hamburgern 2,6 Milliarden DM
 
betrug (Breidenbach und Zukrigl 1998:105, Seidel-Pielen 1996).
 
 
'''Döner-Kebab im WWW:'''
 
 
Alpan-Web: '''https://web.archive.org/web/20051029235617/http://www.alpan.de/Tuerkei/Kueche/DonerKebab.html[https://web.archive.org/web/20051029235617/http://www.alpan.de/Tuerkei/Kueche/DonerKebab.html  &#91;2&#93;]''' [22.09.2005]
 
 
Döner Kebab - Völkerverständigung, die durch den Magen geht:
 
'''http://www.inform24.de/kebab.htm[https://web.archive.org/web/20191231215053/http://www.inform24.de/kebab.html  &#91;3&#93;]''' [22.09.2005]
 
 
'''Verweise:'''
 
 
[https://web.archive.org/web/20051025043903/http://www.planet-wissen.de/  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051025043903/http://www.planet-wissen.de/]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051029235617/http://www.alpan.de/Tuerkei/Kueche/DonerKebab.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20051029235617/http://www.alpan.de/Tuerkei/Kueche/DonerKebab.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20191231215053/http://www.inform24.de/kebab.html  &#91;3&#93; https://web.archive.org/web/20191231215053/http://www.inform24.de/kebab.html]<br/>
 
 
===4.2.1.3 "Tasting the World" - Auf Märkten in London===
 
----
 
[[File:konsum-118_1.jpg|frame|right|Chinesischer Imbiss auf dem Camden Market. Foto Elke Mader]]
 
 
Ein außerordentlich '''kosmopolitisches Angebot an Speisen''' kennzeichnet
 
einige europäische Metropolen, insbesondere '''London'''. Das British
 
Empire und der Kolonialismus, die Migration aus den ehemaligen Kolonien
 
sowie aus anderen Ländern nach Großbritannien, insbesondere in die
 
Hauptstadt, bilden die Basis für das "multi-kulturelle" London (vgl.
 
z.B. Baumann 1996, 1999).
 
 
Eine Facette dieser Prozesse manifestiert sich heute in der
 
Konsumkultur, u.a. in Bezug auf Speisen. Neben Restaurants bieten auch
 
die Londoner Märkte einen guten Einblick in diese Dimension von
 
kosmoplitischem Konsum, der auch eine toursitische Attraktion der
 
Metropole darstellt.
 
 
Das folgende '''Fotoessay zeigt Impressionen von '"tasting the world"'
 
im Herbst 2004 auf mehreren Märkten in London''' (Portobello Road, Camden
 
Lock, Petticoat Lane, Spitalsfield --- Street Sensation:
 
'''https://web.archive.org/web/20050924192621/http://www.streetsensation.co.uk/markets.htm[https://web.archive.org/web/20050924192621/http://www.streetsensation.co.uk/markets.htm  &#91;1&#93;]''' [22.09.2005]).
 
 
'''Verweise:'''
 
 
[https://web.archive.org/web/20050924192621/http://www.streetsensation.co.uk/markets.htm  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050924192621/http://www.streetsensation.co.uk/markets.htm]<br/>
 
 
==4.2.2 Exotik, Migration und Konsum auf Londoner Märkten==
 
[[File:konsum-129_1.jpg|frame|left|Afrikanische Textilien (Petticoat Lane Market). Foto Elke Mader]]
 
<blockquote>"Das Wesen eines exotischen Stils ist seine Fremdheit, die einen Ausweg aus dem Altbekannten bietet, eine Abkürzung in die Traumwelten des Ästheten, den das Vertraute langweilt."(Morley 2001: 308)</blockquote>
 
 
Neben einem '''kosmopolitischen Angebot''' an Nahrungsmittel und Speisen
 
werden auf '''Londoner Märkten''' auch andere "exotische Waren"
 
angeboten. Diese stehen - ähnlich wie die Speisen - '''in verschiedenen
 
Kontexten und weisen unterschiedliche transkulturelle Biographien und
 
Bedeutungen auf''' (vgl. Kopytoff 1986, Spittler 2002):
 
 
'''Migration und transnationale Gemeinschaften:''' Einige Märkte in London
 
(z.B. Bricks Lane und Petticaot Lane) bieten viele Waren aus Afrika und
 
Asien feil, die sowohl von MigrantInnen aus den entsprechenden Regionen,
 
als auch (teilweise) von anderen Personen erworben werden. Der
 
'''Fotoessay "Transnationale Waren"''' zeigt Impressionen vom Petticoat
 
Lane Market.
 
 
'''Tourismus und exotisches Dekor:''' Kleidung, Schmuck und
 
Dekorationsgegenstände aus aller Welt, verbunden mit lokalem
 
Kunsthandwerk, ausgefallener Mode oder Antiquitäten finden sich auf
 
verschiedenen Londoner Märkten. Das Angebot reflektiert teilweise den
 
Lebensstil der 1960er und 1970er Jahre, als z.B. exotischer
 
Kleidungsstil als Ausdruck einer '''kosmopolitischen Einstellung'''
 
besonders beliebt war. Camden Market, der größte Straßenmarkt Europas,
 
ist mehrfach mit '''Tourismus''' verbunden: Die BesucherInnen
 
(KonsumentInnen) finden hier teilweise dieselben Produkte und
 
Präsentationsformen vor; wie etwa in Indien oder Nepal. Sie können also
 
vor Ort die Touristenmärkte verschiedener Weltgegenden bzw.die Welt
 
bestimmter exotischer Konsumgüter bereisen.
 
 
[[File:konsum-129_2.jpg|frame|right|Indische Tischtücher/Bettüberwürfe werden in derselben Weise wie in Kathmandu zum Verkauf angeboten (Camden Market). Foto Elke Mader]]
 
 
Das gesamte Marktgebiet von Camden Lock, das neben den verschiedenen
 
Verkaufsarealen auch ein breites Angebot von Restaurants und
 
Unterhaltungslokalen aufweist, stellt eine wichtige touristische
 
Attraktion Londons (vor allem für jüngere BesucherInnen) dar.
 
 
Der '''Fotoessay "Shopping for Lifestyle. Lokale Waren - globales
 
Dekor'''" zeigt Impressionen vom Camden Market.
 
 
'''Londoner Märkte im WWW:'''
 
 
The London Guide/ Markets:
 
'''https://web.archive.org/web/20050924205155/http://www.londontourist.org/markets.html[https://web.archive.org/web/20050924205155/http://www.londontourist.org/markets.html  &#91;1&#93;]''' [22.09.2005]
 
 
Street Sensation: '''https://web.archive.org/web/20050924192621/http://www.streetsensation.co.uk/markets.htm[https://web.archive.org/web/20050924192621/http://www.streetsensation.co.uk/markets.htm  &#91;2&#93;]'''
 
[22.09.2005]
 
 
Visit London/Shopping:
 
'''https://web.archive.org/web/20050414211006/http://eu.visitlondon.com/fl/de/shopping/markets.html[https://web.archive.org/web/20050414211006/http://eu.visitlondon.com/fl/de/shopping/markets.html  &#91;3&#93;]'''
 
[22.09.2005]
 
 
Camden Market: '''https://web.archive.org/web/20050924133326/http://www.camdenlock.net/markets.html[https://web.archive.org/web/20050924133326/http://www.camdenlock.net/markets.html  &#91;4&#93;]'''
 
[22.09.2005]
 
 
Camden Lock/Fotoshow:
 
'''https://web.archive.org/web/20050906051237/http://www.camdenlockmarket.com/flash_main.htm[https://web.archive.org/web/20050906051237/http://www.camdenlockmarket.com/flash_main.htm  &#91;5&#93;]'''
 
 
'''Verweise:'''
 
 
[https://web.archive.org/web/20050924205155/http://www.londontourist.org/markets.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050924205155/http://www.londontourist.org/markets.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050924192621/http://www.streetsensation.co.uk/markets.htm  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20050924192621/http://www.streetsensation.co.uk/markets.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050414211006/http://eu.visitlondon.com/fl/de/shopping/markets.html  &#91;3&#93; https://web.archive.org/web/20050414211006/http://eu.visitlondon.com/fl/de/shopping/markets.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050924133326/http://www.camdenlock.net/markets.html  &#91;4&#93; https://web.archive.org/web/20050924133326/http://www.camdenlock.net/markets.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050906051237/http://www.camdenlockmarket.com/flash_main.htm  &#91;5&#93; https://web.archive.org/web/20050906051237/http://www.camdenlockmarket.com/flash_main.htm]<br/>
 
 
 
 
'''[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3 Globalisierter Konsum als Ergebnis historischer Prozesse| Nächstes Kapitel: 4.3 Globalisierter Konsum als Ergebnis historischer Prozesse]]<br/> '''
 
----
 
[[#4.2 Kosmopolitischer Konsum|&uarr; Nach oben]]<br/>
 
 
 
'''[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Kosmopolitisch#4.2 Kosmopolitischer Konsum| Vorheriges Kapitel: 4.2 Kosmopolitischer Konsum]]'''<br/>
 
=4.3 Globalisierter Konsum als Ergebnis historischer Prozesse=
 
<sup>Verfasst von Maria Dabringer</sup>
 
 
Beschäftigt man/frau sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit
 
globalisierter Warenproduktion, -verteilung und -konsum ist es
 
unerlässlich, sich nicht nur den derzeitigen globalen Vernetzungen von
 
Konsumkultur zu widmen. Die lokal-historischen Entwicklungen und
 
Rahmenbedingungen müssen selbstverständlich in die Analyse von aktuell
 
praktiziertem Konsum einfließen.
 
 
Zu beachten ist dabei, dass in verschiedenen Gesellschaften immer viele
 
differenzierte Formen von Güterkonsum existieren, abhängig von den
 
jeweilig vorhandenen Ressourcen, gesellschaftlichen Verhaltensmustern,
 
Sozialorganisation, Produktionsbedingungen, Gruppenzugehörigkeit,
 
individueller Auswahl, Klassenbewußtsein oder ethnischer Zugehörigkeit
 
etc.
 
 
Diese Differenzen sind Produkte historischer Entwicklungen, die es bei
 
der Analyse von Konsum ebenfalls zu beachten gilt.
 
 
 
==Inhalt==
 
 
<div class="eksa_toc">
 
[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3 Globalisierter Konsum als Ergebnis historischer Prozesse|4.3 Globalisierter Konsum als Ergebnis historischer Prozesse]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.1 Nahrungskonsum in den Anden Lateinamerikas|4.3.1 Nahrungskonsum in den Anden Lateinamerikas]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.2 Präkolonialer Nahrungskonsum|4.3.2 Präkolonialer Nahrungskonsum]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.3 Konsum in Zeiten der Kolonialisierung|4.3.3 Konsum in Zeiten der Kolonialisierung]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.4 "Modernitätsbestrebungen" und Konsum im 19. Jahrhundert|4.3.4 "Modernitätsbestrebungen" und Konsum im 19. Jahrhundert]]<br/>
 
:[[Konsum_in_Zeiten_der_Globalitaet/Historisch#4.3.5 Konsumgüter und exportoriertierter liberaler Kapitalismus|4.3.5 Konsumgüter und exportoriertierter liberaler Kapitalismus]]<br/>
 
</div>
 
 
==4.3.1 Nahrungskonsum in den Anden Lateinamerikas==
 
 
Die unterschiedlichsten Faktoren beeinflussen heute den
 
Nahrungsmittelkonsum im andinen Raum. Als Parameter dafür können erwähnt
 
werden:
 
 
*  Ethnische Vielfalt innerhalb der Andenstaaten,
 
*  ökologisch vielfältige Rahmenbedingungen,
 
*  differenzierter Zugang zu Nahrungsmitteln durch soziale Schichtung (Polarisierung von Arm und Reich),
 
*  unterschiedliche Technologien, um Nahrungsmittel zu verarbeiten,
 
*  spezialisiertes Wissen über den Gebrauch von Nahrungsmitteln,
 
*  die Marginalisierung des ländlichen Produktionssektors
 
*  mangelnde Ausbildungsstrukturen sowie
 
*  die gleichzeitige Dominanz von Nahrungsmittelkonzernen bei der Gestaltung des "food systems".
 
 
All diese Aspekte der andinen Lebenswelt bedingen und beieinflussen eine
 
Vielfalt von unterschiedlichen Konsumgewohnheiten innerhalb der
 
Andenstaaten. Diese konkret-lokalen Bedingungen sind Ergebnis
 
historischer Entwicklungen im andinen Raum.
 
 
 
 
==4.3.2 Präkolonialer Nahrungskonsum==
 
 
Das präkoloniale Amerika war geprägt von ruralem Leben der
 
Bewohner/-innen : 90% der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft.
 
Nahrungsmittel wurden gehandelt, und zwar indem im andinen Bereich Güter
 
des Amazonas-Tieflandes und der Küste mit jenen des Hochlandes und den
 
verschiedenen vertikal genutzten Höhenstufen getauscht wurden.
 
 
Das wirtschaftliche Leben war dynamisch organisiert und die einzelnen
 
Ethnien und Gruppen lebten im ständigen Austausch miteinander.
 
Archäologische Funde zeigen Veränderungen der materiellen Kultur durch
 
Eroberungen, Zerstörung und immer wieder neue Kontakte zwischen
 
verschiedenen ethnischen Gruppen. Viele gesellschaftliche Veränderungen
 
beruhten auf Tribut- und Markttauschsystemen. "Gift giving" war ein
 
bedeutender gesellschaftlicher Aspekt amerikanischer Kulturen (Bauer
 
2001:10f). Der Konsum von Gütern und Nahrungsmitteln wurde auch durch
 
religiöse Riten unterstützt, eingeschränkt, sanktioniert und reguliert.
 
Bestimmte Nahrungsmittel hatten auf Grund ihrer
 
ernährungsphysiologischen Zusammensetzung besonderen Stellenwert und der
 
Umgang mit selbigen war innerhalb des Jahreskreislaufs reguliert bzw.
 
eingebunden in spezielle landwirtschaftliche Riten. (vgl. Sauer 1950,
 
Lathrap 1975, Horkheimer 1960, Bollinger 1986, Dabringer 1996, Haller
 
2003).
 
 
Wichtige präkoloniale Nahrungsmittel im andinen Raum waren u. a. Mais
 
(Zea mays), die Pseudocerealie "quínua" (Chenopodium quinoa), Amaranth
 
(u.a. Amaranthus caudatus), verschiedene Bohnenarten, "chocho"
 
(Lupinus mutabilis) oder "maní" (Erdnüsse, Arachis hypogaea).
 
Knollenfrüchte wie "oca" (Oxalis tuberosa), "mashua" (Tropaeolum
 
tuberosum), "yucca" (Manihot utilissima), die Kartoffel (Solanum
 
tuberosum), Süßkartoffel (Ipomoea batatas) oder "ulluco" (Ullucus
 
tuberosus). Sie bildeten in ihrer ernährungsphysiologischen
 
Komplementarität "[...] the fundamental staple of ordinary people"
 
(Bauer 2001:22). Kürbisarten und Obstsorten wie "chirimoya" (Annona
 
cherimolia) oder "guanábana" (Annona muricata) wurden ebenfalls
 
konsumiert. Als Gewürze verwendeten die Menschen unter anderen "paico"
 
(Chenopodium ambrosioides) oder "ají" (Capsicum annuum). Kokablätter
 
(Erythroxylon coca) waren fixer und integraler Bestandteil der
 
Alltagskultur der Eliten im Inkareich, u. a. ermöglichte dieses
 
Nahrungsmittel das Erbringen körperlicher Leistungen in den Höhenlagen
 
der Anden (vgl. Bollinger 1986, Morales 1989). Das gesellschaftliche
 
System zur Versorgung der Bevölkerung funktionierte insofern, als die
 
Menschen von den produzierten Gütern ausreichend versorgt leben konnten
 
und Überschüsse zu Zeiten der Inkaherrschaft für die Aufrechterhaltung
 
von Tauschbeziehungen und damit für die Festigung sozialer und
 
politischer Beziehungen verwendet wurden (Bauer 2001:44).
 
 
 
 
==4.3.3 Konsum in Zeiten der Kolonialisierung==
 
 
Seit der Invasion der Europäer/-innen im andinen Lateinamerika ab dem
 
16. Jahrhundert ist die materieller Kultur dieser Region geprägt durch
 
den Import europäischer Güter (euroasiatische Getreidesorten,
 
europäische Tierarten, etc.). Die europäische Kultur sollte damit
 
implementiert werden.
 
 
Von den Städten ausgehend, überschwemmte eine neue Lebensweise nach und
 
nach unterstützt durch die Missionierung Dörfer und die ländlichen
 
Gebiete. Konsumgüter fanden Eingang in die lateinamerikanischen
 
Gesellschaften, neue Unterschiede in Form von Klassen und Identitäten
 
wurden mittels Zugang oder Nicht-Zugang zu Nahrungsmitteln erkannt und
 
gelebt. Viele kulturelle Eigenheiten der präkolumbischen Bevölkerung
 
wurden zerstört, der Konsum gewisser Nahrungsmittel systematisch
 
verboten: Religiöser Fanatismus', koloniales Machtstreben, rassistische
 
Vorurteile und teils "geschmackliche" Ressentiments förderten diese
 
Entwicklung (vgl. Dabringer 2001). Gleichzeitig wurden Nahrungsmittel
 
wie Kartoffeln, Tomaten, Mais u. a. Nahrungsmittel als Exotica nach
 
Europa importiert (vgl. Warman 1995). Ein reger Warenaustausch mit
 
"civilizing goods" (Bauer 2001:85ff) zwischen den Kontinenten hatte
 
begonnen (vgl. Wolf 1986).(link) Betroffen waren meist nur die Eliten,
 
die Nahrungsversorgung der "gemeinen" Bevölkerung "[...] continued
 
[...] to depend primarily upon the ancestral diet of native foods"
 
(Bauer 2001:12).
 
 
 
 
==4.3.4 "Modernitätsbestrebungen" und Konsum im 19. Jahrhundert==
 
 
Mit der Unabhängigkeit der lateinamerikanischen Staaten vom
 
"Mutterland" Spanien im 19. Jahrhundert wurde "Modernität" zu einem
 
der wichtigsten Schlagworte für die elitären Gesellschaftsschichten.
 
Abgrenzung sowohl zu den indigenen Bevölkerungsgruppen als auch zu den
 
sozial Benachteiligten, definiert über den Begiff "extranjerisación",
 
(Bauer 2001:150) erfolgte über Güter und Nahrungsmittel aus Europa,
 
Bauer nennt sie auch "modernizing goods".
 
 
<blockquote>"[...] it was to place one´s self at the peak of the historical moment, it was to be 'modern' " (Bauer 2001:12).</blockquote>
 
 
Die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts waren geprägt von einer Debatte um
 
diese in Lateinamerika allseits gewünschte und ersehnte "Modernität".
 
Die Rückbesinnung auf mestizische Identitätenbildung, auf "mestizo
 
politics" und nationalistische Strömungen prägte das ablehnende Denken
 
über die Nutzung materieller Güter aus Europa und dem Westen.
 
Grundsätzlich abgelehnt, wurden die Güter jedoch weiterhin genutzt. Der
 
in den 1920er Jahren aufkommende "indigenismo", der indigene
 
Bevölkerung "entwickeln" und "modernisieren" wollte, unterstützte
 
importsubstituierende Industriezweige westlichen Zuschnitts (diese
 
produzierten "developing goods") und die Stärkung einer
 
"national-mestizischen" Kultur "[...] to bring people perceived as
 
Indian into a national political and material culture" (Bauer 2001:13).
 
 
 
 
==4.3.5 Konsumgüter und exportoriertierter liberaler Kapitalismus==
 
 
Seit den 1970er Jahre herrschte ein exportorientierter liberaler
 
Kapitalismus vor, der mit seinen Konsumgewohnheiten und seinen weltweit
 
sich verbreitenden Ideenwelten die Gesellschaft der lateinamerikanischen
 
Großstadt Quito erreichte, seit Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem die
 
Eliten. Erleichterte Handelsbedingungen und die Ansiedelung diverser
 
US-amerikanischer und europäischer Nahrungsmittelkonzerne in,
 
beispielsweise, Ecuador vergrößerten das Spektrum an Nahrungsmittel, die
 
heute zum Verkauf stehen. "Global goods" überschwemm(t)en seit den
 
1970er Jahren den Markt. Die populäre materielle Kultur Lateinamerikas
 
ist heute für Konsumenten/-innen besonders wichtig geworden.
 
 
<blockquote>"Today the pole of attraction is mainly the popular material culture of the United States, and the appeal of these goods reaches much deeper into Latin American society than before" (Bauer 2001:202).</blockquote>
 
 
Zugänglich ist die Massenware mittlerweile nicht mehr nur für die
 
Eliten, wie das in den Jahrhunderten seit der Eroberung Amerikas der
 
Fall war. Auch in den "barrios populares" (ärmere Siedlungsgebiete
 
lateinamerikansicher Städte) sind gewisse "global goods" mittlerweile
 
(meist in minderer, billigerer Qualität) erhältlich und somit allen
 
Bevölkerungsschichten zugänglich. Doch nur theoretisch können sich alle
 
KonsumentInnen diese "global goods" leisten, denn die sozialen
 
Unterschiede und der effektive Zugang (= Erwerb) ist letztlich nur mit
 
entsprechenden finanziellen Mitteln möglich.
 
 
Im Jahr 2001 verfügte die ecuadorianische Hauptstadt Quito über acht
 
"shopping-centers", die größten davon hatten ca. 400 Einzelgeschäfte.
 
Der Anglizismus "shopping" ist eines der frequentiertesten Wörter des
 
städtisch-lateinamerikanischen Spanisch. Beonders interessant erweist
 
sich die Auseinandersetzung mit Nahrungsmitteln als Konsumgüter, da sich
 
hier die existentielle Notwendigkeit zu essen mit den globalen
 
Strömungen, Trends und Moden vermischt.
 
 
Es wird deutlich, dass Güter und damit verbundene Ideologien und Moden,
 
auch in den ärmsten Bevölkerungsgruppen, meist als wertvoller angesehen
 
werden als die Qualität der Nahrungsmittel selbst (Bauer 2001:207).
 
 
Diese Entwicklungen paaren sich mit "the persuasive power of today´s
 
media" (Bauer 2001:204) zu einem Ganzen. Der Einfluss der Medien
 
erreicht heute in Ecuador fast alle Bevölkerunggruppen und tut das
 
Seine, um die Konsumorientierung der Gesellschaft zu konsolidieren und
 
den Erwerb der beworbenen Produkte für alle erstrebenswert zu machen.
 
 
 
 
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Latest revision as of 11:32, 26 September 2020

Vorheriges Kapitel: 1 Der Begriff "Konsumption"

1.1 Konsum und Bedürfnisse

Verfasst von Maria Dabringer
Konsum-3 1.jpg

Der praktische Aspekt von Konsum sowie die materielle Nutzung von Gütern umfassen

  • Nahrung,
  • Kleidung und
  • Unterkunft

Diese werden als die drei wichtigsten Grundbedürfnisse (oder physischen Bedürfnisse) des Menschen angesehen, die durch materielle Güter abgedeckt werden (vgl. Bauer 2001, Rössler 2003).

Die Auseinandersetzung mit Konsum beschränkt sich aber nicht auf den praktischen Gebrauch von Gütern, sondern Konsum wird auch als Mittel zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung des Menschen angesehen. Bedürfnisse wie der Zugang zu sozialem oder religiösem Wissen und Bildung oder auch politische Sicherheit und Freiheit des Individuums etc. werden v. a. im Diskurs internationaler

(Hilfs-)Organisationen als "höhere Bedürfnisse" (oder soziale Bedürfnisse) definiert. Soziale Bedürfnisse entstehen aus dem gesellschaftlichen Zusammenleben von Menschen miteinander. Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive wird die strikte Unterscheidung von physischen und sozialen Bedürfnissen kritisiert. Sie vernachlässigt und disqualifiziert die kulturellen Kontexte (Mies & Shiva 1995:22). Bedürfnisse werden nicht nur mit den natürlich vorhandenen Ressourcen befriedigt. Menschen selektieren aus ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln je nach gesellschaftlich festgesetzten Mustern, Normen und Ideen (Rössler 2003:111ff), d. h. Menschen wählen individuell oder als Gruppe Dinge und Güter aus, mit denen sie ihre Bedürfnisse befriedigen.

Als ein Phänomen unter vielen sind hier die Nahrungstabus (link Elke) zu nennen, die zeigen, wie eng physische und soziale Bedürfnisse ineinander verwoben existieren und sich gegenseitig bedingen. Das Weltbild der jeweiligen Gesellschaft spielt dabei eine bedeutende Rolle.


Nächstes Kapitel: 1.2 Kollektive und individuelle Präferenzen


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