Difference between revisions of "Sozialwissenschaftliche Terminologie - Exempla/Macht und Herrschaft"

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Revision as of 11:11, 18 August 2020

Vorheriges Kapitel: 3.3 Struktur und Funktion

3.4 Macht und Herrschaft

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

File:Denkensoz-26 1.jpg "Schachfiguren"
Foto: Schachfiguren. Josep Altarriba, [www.sxc.hu](http://www.sxc.hu), 2009

Nicht nur umgangssprachlich, auch in den Sozialwissenschaften ist die Tendenz zu beobachten, die Ausdrücke Macht[1] und Herrschaft[2] mehr oder weniger durcheinander zu verwenden.

Zur Einführung in die "Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen" eignet sich die Auslegung der beiden Termini, wie sie von Max Weber[3] in seinem Epochenwerk "Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der Verstehenden Soziologie" (WuG), Tübingen 1980[4], analytisch gezeichnet hat.

Es ist von Nutzen, mit Blick auf die terminologischen Distinktionen von Macht[1] und Herrschaft[2] sich den Terminus Struktur[5] zu vergegenwärtigen, besonders den Aspekt des Ordo, der sich auf die vertikale Dimension von Sozialstrukturen bezieht.


Verweise:

[1] Siehe Kapitel 3.4.1
[2] Siehe Kapitel 3.4.2
[3] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm
[4] Siehe Kapitel 4.2
[5] Siehe Kapitel 3.3.1

Inhalt

3.4.1 Macht

In § 16. der Soziologischen Grundbegriffe[1] (WuG) definiert Max Weber[2] :

"MACHT bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht."

Weber zufolge wohnt allen sozialen Beziehungen und Konstellationen die Potenzialität von Machtausübung ein. Der Macht-Begriff ist amorph (formlos) und äußerst schwierig bis gar nicht zu präzisieren. Das liegt nicht zuletzt an dem darin eingelagerten Problem des "Willens", und der Problematik der Willensfreiheitder Menschen. Die Sozialpsychologie befasst sich mit Machtbeziehungen im sozialen Zusammenhang, allerdings unterschlagen deren Definitionen häufig den von Max Weber stark betonten Aspekt des Gegenwillens. Macht wird bei Weber konzipiert im Lichte des potentiellen Gegeneinanders mindestens zweier Willen, nämlich "innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen."

Festzuhalten ist nach Weber:

1. Macht bezeichnet den Regelfall und nicht einen Ausnahmefall sozialer Beziehungen: die Tendenz zur Selbsterhaltung, Selbstbehauptung, Selbsterweiterung wohnt allen sozialen Beziehungen ein. 2. Der Begriff Macht kann sich auf die unterschiedlichsten sozialen Beziehungen (struktureller Aspekt) und die unterschiedlichsten sozialen Konstellationen (situativer Aspekt) beziehen.

Sozialwissenschaftliche Analyse von Machtphänomenen bedürfen daher konkreter empirischer Erforschung der Umstände der Machtausübung sowie deren diverseste Gestalten.

Sozialwissenschaftliche Machtanalysen sollten sich auf die Untersuchung der sozialen Beziehungsstrukturen bzw. der sozialen (und mithin geschichtlichen) Konstellationen, worin Machdynamik statthat, konzentrieren.

Der sozialwissenschaftliche Machtbegriff ist deutlich an die faktische Ausübung von Macht zu binden, d.h. Macht und Praxis bilden einen inneren Nexus.

Moralische Ansichten und ethische Urteile sind kein Ersatz für sozialwissenschaftliche Machtanalyse.


Verweise:

[1] Siehe Kapitel 4.1
[2] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm


3.4.2 Herrschaft

Das Wort Herrschaft verweist auf die Implikationen von Arbeitsteilung und Hierarchiebildung, auf strukturverfestigten Ordo[1]. Soziale Ordnung bietet sich dar als Ensemble von strukturierten (und legitimierten) Herrschaftsbeziehungen.

Vgl. Max Webers[2] § 16. der Soziologischen Grundbegriffe[3] (WuG):

zu beachten ist die Zweiteilung der Definition, worin sich eine hierarchisch gegliederte Doppelperspektivik äußert:

Die Perspektive "von oben":

"Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden;"

Als Merkmale von Herrschaft sind hervorzuheben: ein Imperativ, ein Befehlsinhalt, ein Adressat.

Die Perspektive "von unten":

"Disziplin soll heißen die Chance, kraft eingeübter Einstellung für einen Befehl prompten, automatischen und schematischen Gehorsam bei einer angebbaren Vielheit von Menschen zu finden."

Dazu noch Webers Erläuterung:

  • "Der soziologische Begriff der 'Herrschaft' muß präziser sein (als der der Macht) und kann nur die Chance bedeuten: für einen Befehl Fügsamkeit zu finden. (Perspektive "von oben")
  • "Der Begriff der 'Disziplin' schließt die 'Eingeübtheit' des kritik- und widerstandslosen Massen gehorsams ein." (Perspektive "von unten")

Herrschaft impliziert die (weitgehende) Abwesenheit von Widerstreben; angedeutet ist damit der Aspekt des wie auch immer bedingten Einverständnisses.

Festzuhalten ist nach Weber:

  • Herrschaft ist gebunden an hierarchische Struktur-Verhältnisse.
  • Herrschaft ist Ausdruck sozialer Ordnung, worin die Abhängigkeitsmechanismen funktionieren: Gehorsam.

Hier zeichnet sich eine interessante Markierung zur Differenzierung zwischen handlungstheoretischen und verhaltenstheoretischen Sozialwissenschaften[4] ab: als bloßer Vollzug nähert sich das Verhalten der instinktprogrammierten Steuerungsform an. Damit die Verschränkung von Imperativ und Gehorsam in Herrschaftsbeziehungen funktioniert, muss ein wesentliches Moment hinzutreten: die Legitimität der herrschaftlichen Ordnung (vgl. Gostmann / Merz-Benz (Hrsg.), 2007[5]).


Verweise:

[1] Siehe Kapitel 3.3.1
[2] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm
[3] Siehe Kapitel 4.1
[4] Siehe Kapitel 3.1
[5] Siehe Kapitel 4.2


Nächstes Kapitel: 3.5 Konflikt und Wandel


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