Difference between revisions of "Die Diskurstheorie von Juergen Habermas/Vernunft"
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Vorheriges Kapitel: 3.1 Moderne Orientierungslosigkeit und radikale Demokratie
3.2 Praktische und kommunikative Vernunft
verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest
In der modernen Prägung erscheint die praktische Vernunft als Ausdruck eines subjektiven Vermögens und nimmt damit eine zentrale Stellung in der Subjektphilosophie ein: Praktische Vernunft richtet sich auf das individualistische Glück und die moralisch vertretbare Autonomie der Einzelnen innerhalb der Rollen einer StaatsbürgerIn, Mitglieds der bürgerlichen Gesellschaft und WeltbürgerIn. In ihre Lebensgeschichte ist das einzelne Subjekt auf ähnliche Weise verstrickt wie die Staaten als Subjekte des Völkerrechts in die Geschichte der Nationen (Habermas 1992: 15).
Die systemtheoretische Perspektive verzichtet auf jeden Anschluss an normative Gehalte der praktischen Vernunft. Bei Luhmann folgt die Autopoiesis ("Sich-selbst-Herstellung") selbstbezüglich gesteuerter Systeme aus dieser Eliminierung der praktischen Vernunft. Damit ging der Zusammenhang von Ethik und Politik, von Vernunftrecht und Moraltheorie, von Geschichtsphilosophie und Gesellschaftstheorie verloren. Diesen Zusammenhalt können empiristische Ansätze und historische Rehabilitierungsversuche nicht wiederherstellen. Denn die geschichtlichen Prozesse lassen nur soviel Vernunft erkennen wie zuvor teleologisch vom Standpunkt eines geschichtsphilosophischen Paradigmas hineingelesen wurde. Weder aus der Geschichte noch aus der naturgeschichtlichen Konstitution des Menschen sind normativ gerichtete Imperative für eine vernünftige Lebensführung zu entnehmen. Das erklärt die Attraktivität des Dementis von Vernunft überhaupt in der Form einer fundamentalen Vernunftkritik oder in der Variante des sozialwissenschaftlichen Funktionalismus. Deshalb hat Habermas einen anderen Weg eingeschlagen und mit der Theorie des kommunikativen Handelns an die Stelle der praktischen Vernunft die kommunikative gesetzt. Zwischen praktischer Vernunft und gesellschaftlicher Praxis[1] besteht kein unmittelbarer Zusammenhang. Es gibt nicht die einzig richtige weil durch die praktische Vernunft normativ verbindliche politische und gesellschaftliche Ordnung. Wird die Vernunft aber konzeptuell in das sprachliche Medium verlegt, wie das die Theorie des kommunikativen Handelns unternimmt, wird sie von der ausschließlichen Bindung ans Moralische entlastet. Dieses Vernunftkonzept kann sowohl den deskriptiven Zwecken der Rekonstruktion vorgefundener Kompetenz- und Bewusstseinsstrukturen dienen als auch den Anschluss an funktionale Betrachtungsweisen und empirische Erklärungen finden. Denn es ist das sprachliche Medium, durch das sich Interaktionen vernetzen und Lebensformen strukturieren. Dadurch wird kommunikative Vernunft ermöglicht (ebd.: 15-18).
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.3
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