Strategien der Datenanalyse

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6. Strategien der Datenanalyse

Verfasst von Ernst Halbmayer

Grundsätzlich sind die Entscheidungen, die in Bezug auf die Datenanalyse zu treffen sind, von mehreren Faktoren abhängig. Dazu gehören

  • die theoretische Ausrichtung des Projekts und die verfolgten Forschungsfragen,
  • die Art der im Projekt erhobenen bzw. zu analysierenden Daten,
  • daraus resultierende mögliche Analyseebenen,

die mit spezifischen methodischen Verfahren weiter verfolgt werden können.

Bei der Auswahl geeigneter Datenanalysemethoden ist also darauf zu achten, dass diese der theoretischen Ausrichtung des Projekts und den vorhandenen Daten entsprechen und dazu beitragen, die verfolgten Fragestellungen auf ausgewählten Analyseebenen systematisch und gewinnbringend bearbeiten zu können.

Es sollte beachtet werden, dass spezifische Datenanalyseverfahren nicht nur mit Datenerhebungsstrategien in Zusammenhang stehen, sondern auch mit (erkenntnis)theoretischen Positionen. Wenn man z.B. unterschiedliche Textanalysestrategien (siehe z.B. Titscher et al 1998) betrachtet, wir deutlich, dass diese mit unterschiedlichen theoretischen Grundkonzeptionen in Zusammenhang stehen - so etwa die Grounded Theory mit dem Pragmatismus, die Tiefenhermeneutik mit der Psychoanalyse, die Semiotik mit dem Strukturalismus oder die kritische Diskursanalyse mit der kritischen Theorie.

Eine weitere zentrale Frage ist natürlich, welche Arten von Daten analysiert werden sollen. Handelt es sich um numerisch quantitative Daten, für deren Analyse statistische Verfahren eingesetzt[1] werden, um Daten, die mittels spezifischer Interviewtechniken[2] (z.B. Analyse von Leitfadeninterviews [Schmidt 2000] oder narrativ- biographischer Interviews [Rosenthal et al 2000]) erhoben wurden, um visuelle Daten für die Methoden der Bild- und Filmanalyse eingesetzt werden müssen, um Dokumente (Wolff 2000) oder um Daten die im Rahmen einer längeren Feldforschung erhoben wurden und unterschiedliche Datanarten und Textsorten[3] umfassen.

Im Bereich der qualitativen Daten gibt es einerseits weit entwickelte und spezialisierte Auswertungsverfahren für bestimmte Datenerhebungsmethoden (z.B. Bildanalyseverfahren, Analyseverfahren für Leitfadeninterviews oder narrativ- biographische Interviews, etc.), andererseits existieren integrativere Datenanalysestrategien, die es erlauben, unterschiedliche Datenarten zu inkludieren und etwa im Rahmen der Analyse von Feldnotizen [4] oder der Grounded Theory zum Einsatz kommen. Insbesondere für die allgemeine Analyse von Feldforschungsdaten, welche ja immer unterschiedliche Datenarten umfasst sind integrative Datenanalysestrategien von Vorteil. Nicht nur für quantitative statistische Auswertungen sondern auch für qualitative Auswertungsstrategien stehen heute eine Reihe von Qualitativen Datenanalyseprogrammen (QDA) (z.B. Atlas.ti[5], MAXQDA[6], NVIVO[7] ) zur Verfügung (Kelle 2000).

Wenn nun in einem qualitativen Forschungsprojekt die Daten z.B. in verschriftlichter Form vorliegen (transkribierte Interviews, Feldnotizen, zu analysierende Dokumente oder Zeitungsausschnitte), so bieten sich immer noch zahlreiche Möglichkeiten, wie diese Texte analysiert werden können und vor allem 'auf welche der möglichen Ebenen die Analyse' abzielen soll. Diese Analysemöglichkeiten können z.B. anhand der Unterscheidung von Syntaktik, Semantik und Pragmatik veranschaulicht werden:

  • Auf der syntaktischen Ebene geht es um die Beziehung zwischen den Zeichen. D.h. es handelt sich um eine formale Textanalyse, die einerseits im Sinne der Ethnolinguistik auf die grammatikalischen Strukturen (Phonetik, Lehre vom Satzbau etc.) und die Mittel der Zeichendarstellung abstellt, aber auch im Sinne einer AutorInnenanalyse den spezifischen Stil von KommunikatorInnen untersuchen kann.
  • Auf der semantischen Ebene geht es um die Beziehung zwischen den Zeichen und dem Bezeichneten. Es steht also die Frage nach der Assoziation der Zeichen zu bestimmten Objekten, Ideen und Begriffen und ihrer Bedeutung im Zentrum. Unter diesem Aspekt würde man einen Text z.B. auf die in ihm vorkommenden Themen und ihre Bedeutung hin analysieren, wie es z.B. auch im Rahmen der interpretativen Anthropologie [8] der Fall ist.
  • Auf der pragmatischen Ebene steht die Frage nach der Beziehung von Zeichen und ihren Benutzern sowie der Situation im Vordergrund. Es geht also um die Wirkung der Zeichen bzw. der Kommunikation in der sozialen Praxis. Hier können einerseits Bewertungsanalysen der Folgen und Wirkungen von Kommunikation durchgeführt werden, andererseits aber auch der Frage nach gegangen werden, wie mit Kommunikation Macht-, Ungleichheits- und Herrschaftsverhältnisse verschleiert, legitimiert und aufrecht erhalten werden können (z.B. kritische Diskursanalyse). Es geht also in diesen Ansätzen, die oft ein Naheverhältnis zur Soziolinguistik und zur linguistischen Anthropologie aufweisen, um Sprache als eine Form sozialer Praxis, oder - mit John Austin (1967) formuliert - um die Frage "how to do things with words".

Die konkreten methodischen Anweisungen, wie eine Analyse durchzuführen ist, unterscheiden sich je nach gewählter Strategie. Bisher liegen keine überzeugenden Systematisierungen der jeweiligen methodischen Anweisungen vor.

Viele Analysemethoden arbeiten mit einem Kode- Indikator-Modell. In dieser Logik werden einzelnen Datenausschnitten abstraktere Begrifflichkeiten (Kodes) zugeordnet und in weiterer Folge Beziehungen zwischen den Kodes entwickelt. Dies ist etwa im Rahmen der Grounded Theory, der qualitativen Inhaltsanalyse oder häufig bei der ethnographischen Analyse von Feldnotizen der Fall. Eine solche Analyse bricht die zeitliche Struktur der Ereignisse auf und verbindet entlang allgemeinerer Konzepte Daten miteinander, die von unterschiedlichen Beobachtungen und aus unterschiedlichen Kontexten stammen können.

Dem stehen Verfahren gegenüber, die sich am Ablauf bzw. der Abfolge von Ereignissen orientieren und davon ausgehen, dass ein adäquates Verständnis nur entlang der sequentiellen Abfolge der Ereignisse erreicht werden kann. Dazu gehört etwa das sequenzanalytische Vorgehen im Rahmen der objektiven Hermeneutik (Reichertz 2000), die Konversationsanalyse, welche unter anderem danach fragt, in wie weit in einem Dialog kommunikative Äußerungen sinnhafte soziale Ordnungen hervorbringen, absichern und die Handelnden sich wechselseitig aneinander orientieren. Innerhalb der Mythenanalyse sind hier syntagmatische[9], an der Ereignisstruktur des Mythos orientierte Analysestrategien (z.B. Propp), im Gegensatz zur paradigmatisch-strukturalistischen[10] Mythenanalyse von Claude Lévi-Strauss zu nennen. Die Unterscheidung zwischen am zeitlichen Ablauf orientierten Analysen und solchen, die primär synchron vorgehen reproduziert sich aber auch in unterschiedlichen Formen der Diskursanalyse [11].

Eine grundlegende Unterscheidung der Analyseverfahren besteht also darin, ob sie die Bedeutung sequentiell, aus dem was vorausgeht und dem was folgt ableiten bzw. rekonstruieren, oder aber nicht- sequentiell, ein Ereignis mit anderen Ereignissen bzw. Kontexten in Beziehung setzten und daraus allgemeine Aussagen zu gewinnen trachten.

Im Folgenden werden kurze Einführungen in die Möglichkeiten der Analyse von Feldnotizen und der qualitativen Inhaltsanalyse gegeben, sowie einige weitere ausgewählte Verfahren der Textanalyse kurz skizziert.


Verweise:
[1] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/quantitative/quantitative-titel.html
[2] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-38.html
[3] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-95.html
[4] Siehe Kapitel 6.1
[5] http://www.atlasti.com/
[6] http://www.maxqda.de/index.php
[7] http://www.qsrinternational.com//products_nvivo.aspx
[8] Siehe Kapitel 5.3
[9] http://www.lateinamerika-studien.at/content/kultur/mythen/mythen-411.html
[10] http://www.lateinamerika-studien.at/content/kultur/mythen/mythen-423.html
[11] Siehe Kapitel 6.3.3


Inhaltsverzeichnis


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