Migrationsforschung in der Ethnologie bzw Kultur- und Sozialanthropologie/Aufgabenfelder

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Vorheriges Kapitel: 2.3 Ethnohistorie und historische Migrationssforschung

2.4 Aufgabenfelder

verfasst von Hermann Mückler
Begrenztheit, H. Mückler

Grundsätzlich muss man betonen, dass man sich dem Thema Migration in all seinen Ausformungen nur sinnvoll nähern kann, wenn man sie als die Folge komplexer politischer, ideologischer, sozialer und ökonomischer Prozesse begreift, deren Auslöser und Konsequenzen immer aus einer Vielzahl von Faktoren bestehen, was notwendigerweise in der Auseinandersetzung mit diesem Thema entsprechende Berücksichtigung finden muss und dem heute von der Ethnologie in Form inter- und transdisziplinär angelegter Forschungen Rechnung getragen wird. Die Aufmerksamkeit der Ethnologie wendet sich dabei zwei, respektive vier großen Aufgabenfeldern[1] im Bereich Migration zu.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.5

Inhalt

2.4.1 Rahmenbedingungen, Arten, Ursachen und Auswirkungen von Migration

Eine genauere theoriegeleitete Definition des Begriffs Migration lässt eine Vielzahl von Erklärungsansätzen zu. Er wird sowohl im nichtwissenschaftlichen Gebrauch als auch in der wissenschaftlichen Literatur uneinheitlich verwendet, sodass sich zahlreiche Definitionen gegenüberstehen. Gerade im Fall von Migrationstheorien kann von einer vergleichsweise größeren Quantität definitorischer Zugriffe gesprochen (Santel 1995; vgl. Treibel 1999; Treibel listet insgesamt zehn verschiedene Definitionsansätze auf) und bei der Beschreibung von Wanderungsbewegungen verschiedene Kriterien angelegt werden, wie etwa Dauer, Periodizität, Distanz, Geschwindigkeit, räumlicher Verlauf, strukturelle Merkmale der MigrantInnen, strukturelle Ursachen, persönliche Motive und Auswirkungen im Herkunfts- und Zielgebiet. Sowohl die kognitive Anthropologie als auch die Ethnohistorie nehmen sich, aus durchaus unterschiedlichen Blickwinkeln, dieser Fragestellungen an (vgl. Mückler 1998). Zu Begrifflichkeiten für eine Einteilung unterschiedlicher Formen von Migration bzw. Mobilität von Menschen im Raum siehe Mückler (2004)[1].

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.7

2.4.2 Konkreten Einzelstudien

Zu migrierenden Individuen und Gruppen und den Konsequenzen für die Betroffenen[1] werden konkrete Einzelstudien angefertigt. Fragen zu Ethnizität und Identität stehen dabei im Vordergrund. Zwei Arbeitsbereiche seien hier erwähnt: einerseits die sogenannte Diaspora-Forschung und andererseits (und vielfach überlappend) die ethnologische Stadtforschung bzw. Urban Anthropology. Geographisch lassen sich dabei zwei weitere große Arbeitsgebiete unterscheiden, und zwar:

  • Migrationsstudien in Österreich und Europa
  • Migrationsstudien außerhalb Europas

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.2


2.4.2.1 Migrationsstudien in Österreich und in Europa

Bei diesen Studien liegt das Hauptaugenmerk auf der Untersuchung von ethnischen und kulturellen Gruppen aus dem außereuropäischen Raum, die sich in Österreich niedergelassen haben. Fragen der Integration sowie Integrationskonzepte[1]; deren Anwendbarkeit und Realisierung und die Entfaltungsbereiche der Hinzugekommenen und das Verhältnis im Zusammenleben mit den Einheimischen sind hier Punkte von Projekten und Analysen. Ein gutes Beispiel für Untersuchungen in diese Richtung bildete das Symposium "Wir und die Anderen"[2], welches zum Verhältnis von Islam, Literatur und Migration in Wien abgehalten wurde und von den institutionellen Voraussetzungen des Miteinanderlebens und beiderseitigen Feindbildern bis zu Sozialisation, Identität und "Lebenswelt Schule" von Kindern aus Migrationsverhältnissen reichte.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1 der Lernunterlage Sozialwissenschaften und gesellschaftlicher Wandel – aktuelle Debatten: Migration in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
[2] https://ubdata.univie.ac.at/AC02529580


2.4.2.2 Migrationsstudien außerhalb Europas

Dies ist ein traditionelles Arbeitsfeld von EthnologInnen. Als Beispiel sei hier nur eine Weltregion, der pazifische Inselraum (Ozeanien) erwähnt, dessen Inseln der drei Großregionen Melanesien, Mikronesien und Polynesien durch kleine Landflächen mit geringen Ressourcen und dazwischen liegenden großen Entfernungen gekennzeichnet sind und die seit der Zeit der maritimen Besiedlung aufgrund dieser sehr spezifischen äußeren Rahmenbedingungen als "Kulturen der Distanz" bezeichnet werden können. Als solche besitzen diese ein außerordentlich 'komplexes System von Migrationsdynamiken[1]' und damit verbundenen kulturspezifischen Handlungsabläufen, Ritualen sowie technologischen und navigatorischen Fähigkeiten, um die räumlichen Entfernungen überwinden und nutzen zu können.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.6


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