Einige wissenschaftstheoretische Grundlagen der empirischen Sozialforschung/Empirismus
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2.5 Empiristen versus Rationalisten
Verfasst von Ernst Halbmayer
Eine weitere Unterscheidung, die auf die Wissenschaftsentwicklung des 19. Jahrhunderts zurückgeht, ist jene zwischen Rationalismus und Empirismus. Der Rationalismus (lateinisch ratio "Vernunft") geht von der Möglichkeit einer vernunftgeleiteten Erkenntnis der Wirklichkeit aus, während der Empirismus (griechisch εμπειρισμός "von der Empirie", lateinisch experientia "Erfahrung") die Erfahrung bzw. die sinnliche Wahrnehmung als zentrales Strategie der Erkenntnis betont.
Diese unterschiedlichen Herangehensweisen haben auch nationale Wissenschaftstraditionen geprägt. So steht der Rationalismus insbesondere mit der französischen Tradition in Zusammenhang (z.B. René Descartes). Innerhalb der Kultur- und Sozialanthropologie findet diese Position auch in den von einer deduktivistischen[1] Grundhaltung geprägten Arbeiten von Emile Durkheim, Claude Lévi-Strauss aber auch marxistisch orientierten Autoren, wie Maurice Godelier ihren Niederschlag. Ihnen ist eine skeptische Haltung gegenüber dem Empirismus zumindest insofern gemeinsam, als sie die Aussagen der Informanten nicht als mehr oder weniger direkte und letztendliche Darstellung der Realität betrachten.
Im Gegensatz dazu steht der Empirismus mit der anglosächsischen Wissenschaftstradition und Autoren, wie John Locke und David Hume in engem Zusammenhang. Typische Schlussweisen des Empirismus sind die Induktion[2] und die Abduktion[3]. Nicht zufällig spielte in der britischen, aber auch in der US-amerikanischen Sozialanthropologie die empirische Feldforschung (Bronislaw Malinowski [4], Franz Boas[5]) früher eine wichtige Rolle für die anthropologische Theorieentwicklung als in der französischen Tradition.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.2
[2] Siehe Kapitel 2.1
[3] Siehe Kapitel 2.3
[4] Siehe Kapitel 1.4
[5] Siehe Kapitel 5.2.1.1.1 der Lernunterlage Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie
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