Erkenntnisstrategien/Sozialkonstruktivistische

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1.5 Sozialkonstruktivistische Erkenntnisstrategien

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Sozialkonstruktivistische Theorie- und Forschungsstrategien machen sich in den Sozial- und Kulturwissenschaften erst in den 1980er Jahren geltend: Karriere der Formel von der "sozialen Konstruktion der Wirklichkeit".

Sozialkonstruktivismus bezieht sich auf eine Veränderung der Betrachtungsweise. Es soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass das, was wir als natürlich- gegeben hinnehmen, das Produkt historisch-sozialer Formungen ist. Wir sehen Dinge und Sachverhalte im Lichte einer soziokulturell imprägnierten Sehweise. Wir sehen die Welt nicht nur durch die Brille sozialer Konstruktionen, sondern wir handeln und sprechen auch innerhalb sozialer Konstruktionen, also in sozialkulturellen Prägeformen und Perspektiven. Die Gegenstandsbereiche unserer Wahrnehmungen sind sprachlich vermittelt, und ganz wesentlich von kulturell und sozialen Bildvorstellungen vorstrukturiert. Sozialkonstruktivismus ist das Bestreben, die soziokulturellen Prägeformen unserer Ansicht von der Welt, der Natur und des Menschen freizulegen und bewusst zu machen (vgl. dazu z.B. den sich wandelnden Diskurs über Weiblichkeit bzw. deren Stereotypen).

Charakteristika:

  • Grundlegende Kritik aller essentialistischen Deutungen von Welt, Natur und Mensch, wonach Wort und Sache eins sind. Was als naturgegeben oder gar ewig erscheint, ist Produkt sozialer Prozesse.
  • Tendenz zur Universalisierung der These von der sozialen Konstruiertheit von allem und jedem: totaler Konstrukionsverdacht.
  • Mit dem "totalen Konstruktionsverdacht" ist ein auffälliger Sprachidealismus verknüpft: es existiert nur, worüber gesprochen oder geschrieben worden ist bzw. wird.
  • Die sozialkonstruktivistischen Erkenntnisstrategien rücken die innere Verschränkung von Prozess und Produkt deutlich ins Licht. Der Ausdruck Konstruktion weist sowohl auf den Herstellungsvorgang wie auf das fixierte Resultat hin.
  • Der Gesichtspunkt sozialer Konstruktion bzw. die Einsicht in die historisch- gesellschaftliche Entwicklung von Vorstellungen über die Wirklichkeit, kann ausgedehnt werden bis auf das Problem der Geltung von Tatsachen als Fakten. Folgerichtig sind im Sozialkonstruktivismus auch die wissenschaftlichen Fakten ins Licht sozialer Konstruiertheit gerückt worden.

Sinnfällig Eingang gefunden hat die sozialkonstruktivistische Sprechweise in die Sozialwissenschaften mit einer Publikation von P. Berger und Th. Luckmann: "The Social Construction of Reality"[1] von 1966. Jahre später erst hat diese grundlagentheoretische Studie, die wesentlich von der phänomenologischen Philosophie[2] inspiriert ist, eine breitere Rezeption im deutschsprachigen Raum erfahren.


Verweise:

[1] Siehe Kapitel 4.2
[2] Siehe Kapitel 1.6


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