Ethnographisches Fallbeispiel - Das Spektrum religiöser Kultur in St Lucia - Karibik/Christliche Konfessionen

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1.1 Christliche Konfessionen

verfasst von Manfred Kremser und Veronica Futterknecht
Foto: Das Altarbild von Dunstan St. Omer in der katholischen Kirche von Roseau / St. Lucia (Manfred Kremser © 1982)

Die weitaus überwiegende Mehrzahl der St. Lucianer gehört heute christlichen Konfessionen an, wobei seit der französischen Vorherrschaft im 18. Jahrhundert der Katholizismus bei weitem dominiert. Im Laufe der letzten dreißig Jahre hat jedoch die Anzahl der Katholiken abgenommen. War St. Lucia vor 30 Jahren noch zu 97 % römisch-katholisch, so belaufen sich heute vorsichtige Schätzungen auf maximal 80 Prozent. Dieser Trend ist im wesentlichen auf das Anwachsen protestantischer Kirchen aus den USA zurückzuführen. Protestanten waren seit langem durch die anglikanische (lt. Census von 1980 ca. 2,7%) und methodistische (0,8%) Kirche vertreten, wenn auch nur in vergleichsweise kleiner Anzahl. Trotzdem war ihr Einfluß vor allem auf dem Gebiet der Erziehung deutlich spürbar. Jedoch seit 1960 haben andere Konfessionen wie Sieben-Tage-Adventisten (4,3%), Baptisten (1,4%), Pentecostalisten (1,3%) und Zeugen Jehovahs ihre Mitgliederzahlen deutlich erhöht. Daneben werben u.a. Presbyterianer, Kongregationalisten, Bretheren, die Heilsarmee, Moravianer, Menoniten, A.M.E. (Zion) und die Church of God verstärkt um neue Mitglieder.

Ein anderer Trend war durch Veränderungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche selbst gekennzeichnet. Veränderungen, die dazu führten, die Messfeier in Englisch anstatt in Latein zu zelebrieren, mehr Rollen für Laien innerhalb der Kirche zu schaffen, die Entwicklung des lokalen Klerus zu fördern und das Engagement der Kirche in sozialen und weltlichen Angelegenheiten der Gesellschaft wahrzunehmen, sind alle als Teil dieses Trends anzusehen, die römisch-katholische Kirche für die St. Lucianische Bevölkerung relevanter zu machen. Die meisten dieser Veränderungen, die nach dem 2. Vatikanum (1962-1965) eingeführt wurden, sind als Antwort auf die stark anwachsende öffentliche Meinung zustande gekommen.

Foto: Beim Kreuz eines katholischen Friedhofs mit "afrikanischen" Trommeln (Manfred Kremser © 1985)

Eine andere interessante Entwicklung im religiösen Bild St. Lucias war die Zunahme der Anzahl von individuellen Straßenpredigern, die nicht unbedingt einer spezifischen Konfession zuzuordnen sind. Ausgerüstet mit der Bibel, ihrer Stimme und ihrem Charisma, verkünden diese Prediger das Wort Gottes zu jeder gegebenen Zeit und an jedem beliebigen Ort, wo immer gerade die Leute vorbeikommen. Einige von ihnen wurden aufgrund der Unterhaltung, die sie während des Predigens lieferten, überaus bekannt. Ihre Orientierung ist jedoch grundsätzlich christlich.

Es gab auch Bemühungen, die unterschiedlichen Kirchen zusammenzubringen, um in gemeinsamen Fragen zusammenzuarbeiten. Die ökumenische Bewegung ist nach einem Anwachsen in den letzten Jahren wieder versiegt. Aber im allgemeinen gibt es heute zwischen den Kirchen mehr offizielle Toleranz und Akzeptanz als in der Vergangenheit.


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