Ethnographisches Fallbeispiel - Das Spektrum religiöser Kultur in St Lucia - Karibik/Landwirtschaftliche Arbeit und Mondmythen

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1.7 Landwirtschaftliche Arbeit und Mondmythen

verfasst von Manfred Kremser und Veronica Futterknecht
Foto: Organischer Landbau als Projekt der Zimbabwe Roots Farm (Manfred Kremser © 1985)
Foto: Organischer Landbau wird von Rastafari bevorzugt (Manfred Kremser © 1986)

Die landwirtschaftlichen Tätigkeiten des ländlichen Volkes sind heute noch von vielen Mythen und populären Glaubenskonzepten gekennzeichnet, die diese Praktiken beeinflussen. Dabei könne drei Hauptkategorien solcher Glaubensvorstellungen identifiziert werden:

• Diejenigen, bei denen der Mond eine Rolle spielt. Dabei scheinen die Mondphasen sehr wichtig zu sein, um Entscheidungen bezüglich des Auspflanzens und der allgemeinen Handhabung von Pflanzen und Tieren zu machen. Die Größe des Mondes, seine Position, und selbst seine Bewegung können entscheidende Faktoren in der landwirtschaftlichen Arbeit sein. Der Umstand, daß die Dinge während der richtigen Mondphase gemacht werden, mag die Größe des Ernteertrages des Farmers bestimmen, das Ausmaß des Erfolges bei der Unkrautbekämpfung, die Größe der Bäume und selbst das Geschlecht eines Baumes oder eines Tieres.

• Glaubensvorstellungen, die mit bösen Geistern assoziiert werden. In den ländlichen Bereichen St. Lucias existieren noch viele abergläubische Vorstellungen, die landwirtschaftlichen Praktiken beeinflussen können. Die Leute glauben an die Existenz des Bösen und an die Fähigkeit bestimmter Menschen, es zu bändigen und für destruktive Zwecke gegen Andere einzusetzen. Daher enthält die Arbeit der Farmer Maßnahmen, die auf den Schutz vor dem Bösen abzielen, oder auch darauf, die Wirkungen des wahrgenommenen Bösen zu heilen. Viele von ihnen mögen unter den Instruktionen eines "gadè" oder Buschdoktors handeln und bestimmte Gegenstände an spezifischen Stellen im Garten anbringen, oder ein bestimmtes Ritual als Teil der Arbeit durchführen. Es gibt sogar verschiedenartige Pflanzen, die — wenn man sie entsprechend dem Volksglauben an strategischen Stellen im Garten pflanzt — böse Geister fernhalten können. Tatsächlich glauben die Menschen auch an die Existenz von guten Geistern, die zum Schutz und für Glück nutzbar gemacht werden können.

• Es gibt auch allgemeine Mythen, die in keine der obigen Kategorien fallen. So glauben Farmer, daß bestimmte seltsame Verhaltensweisen die Produktion beeinflussen können. So z.B. kann ein bestimmtes Zurückschneiden eines männlichen Obstbaums ihn zum Tragen veranlassen, das Fingerzeigen auf eine Kürbisblüte kann diese abfallen lassen, und das Anbrennen von Baumstämmen kann die Produktion erneuern. Es gibt Dutzende solcher bislang wissenschaftlich unbestätigter Theorien in ganz St. Lucia, an die die Farmer glauben und die sie bei ihren täglichen landwirtschaftlichen Arbeiten befolgen, trotz der häufig vorgebrachten Skepsis junger Landwirte, die vom formalen Erziehungssystem her kommen.

Die moderne Erforschung traditioneller Mythen, die in der landwirtschaftlichen Arbeit im Überfluß vorhanden sind, wächst ständig. Tatsächlich wird durch diese Forschungen mehr und mehr die wissenschaftliche Basis für viele dieser Glaubensvorstellungen enthüllt. Trotz der Tatsache, daß viele von ihnen unbewiesen und durch keinerlei Indizien erhärtet sind, herrscht heute dennoch die öffentliche Meinung vor, daß die moderne landwirtschaftliche Planung diese tief verwurzelten kulturellen Überzeugungen von St. Lucianischen Farmern nicht ignorieren darf, da in ihnen Generationen von wissenschaftlich fundiertem Wissen über die Umwelt begründet liegen mögen.


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