Funktion und Sinn von Statistik

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1. Funktion und Sinn von Statistik

verfasst von Erwin Ebermann

Weitverbreitete Scheu vor statistischen Methoden

Was bringt Statistik, was bringen quantitative Forschungsmethoden? Viele Menschen stehen ihnen skeptisch gegenüber und dies teilweise leider zurecht. Allzuleicht kann mit Statistiken Unfug getrieben werden und nicht immer sind die BetrachterInnen statistisch aufbereiteter Daten genügend geschult, um bewusste Verzerrungen zu erkennen. Richtig verwendet jedoch, ist die Statistik ein unverzichtbares Hilfsmittel, um - losgelöst von der subjektiven Wahrnehmung - die Systematik von Tendenzen und Zusammenhängen in verschiedensten Lebensbereichen aufzeigen zu können.

Statistik in der Alltagserfahrung

Ob wir wollen oder nicht, auch wenn wir niemals etwas von Statistik gehört haben, so wenden wir dennoch meist unreflektiert und unsystematisch Methoden an, welche statistischen Verfahren ähneln. D.h. wir versuchen, von einem begrenzten Erfahrungsschatz auf allgemeine Sachverhalte zu schließen. Jede Erfahrung, die wir machen, beeinflusst mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit unsere zukünftigen Handlungs- und Denkweisen. Wir vermeiden vielleicht den Kontakt mit bestimmten Gruppen der Gesellschaft, weil sie uns wenig kooperativ erscheinen; wir fällen aufgrund einzelner Geschehnisse verallgemeinernde Urteile über Bekannte, dass sie diese oder jene Eigenschaft aufweisen, über Menschen, welche in der Öffentlichkeit stehen, über den öffentlichen Verkehr:

Ilse ist äußerst hilfsbereit!
Mit Georg kann man darüber nicht sprechen!
Die 5er-Linie kommt immer verspätet!
Immer wenn das Wochenende kommt, regnet es!

Alle diese Aussagen basieren auf dem in der Statistik gängigen Vorgang, von einer begrenzten Erfahrung bzw. von einem begrenzten Datenschatz auf alle möglichen Erfahrungen bzw. Daten hochzurechnen, wobei wir bei diesen Aussagen jedoch wichtige Grundprinzipien der Statistik nicht berücksichtigen. Diese ’unbewussten’ Anwendungen statistischer Prinzipien ähneln den Versuchen von Couchpotatoes, die Fussballkünste eines Ronaldinho in der Praxis nachzuvollziehen.

Häufige Fehler bei der ’unbewussten’ Verwendung statistischer Methoden

Wir möchten mit diesen Aussagen ausdrücken, dass bestimmte Grundtendenzen vorkommen, dass diese systematisch sind. Aber sind sie das? Haben wir die Rahmbendingungen genügend beachtet? Ist Georg vielleicht nur mir gegenüber nicht gesprächsbereit? Gilt Ilse vielleicht allen anderen gegenüber als schroff und unkooperativ? Kommt die 5er-Linie nur zu bestimmten Tageszeiten, an welchen gerade ich sie immer benutze, zu spät und zu anderen Zeitpunkten pünktlich? Nehme ich schlechtes Wetter unter der Woche gar nicht wahr, weil ich mich im Büro befinde? Stimmt mein eigener Eindruck oder beharre ich auf meinem allerersten und möchte neue Erfahrungen nicht wahrnehmen?

Statistik muss mit Sorgfalt eingesetzt werden

Die Statistik gibt uns Methoden in die Hand, Vorurteile kritischer zu beleuchten und die Wahrscheinlichkeit[1] scheinbaren Wissens zu beurteilen, falls sie mit Verantwortungsbewusstsein und Sorgfalt verwendet werden. Sie ist besonders dann von großer Bedeutung, wenn wir - losgelöst von singulären Ereignissen oder Elementen - allgemeine Aussagen machen möchten. Sie ist dementsprechend kein Gegensatz zu qualitativen Forschungsmethoden, sondern eine unverzichtbare Ergänzung[2] zu diesen.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.3
[2] Siehe Kapitel 5.1.3 der Lernunterlage Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie

Inhaltsverzeichnisübersicht

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

2. Von der Fragestellung zur statistischen Analyse
3. Ausgewählte statistische Grundlagen und Analysemethoden
4. Software für quantitative Forschungsprojekte
5. Lexikon statistischer Grundbegriffe
6. Literatur, Ressourcen und Links


Nächstes Kapitel: 1.1 Qualitative und Quantitative Forschungsmethoden - Gegensatz oder Ergänzung?


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