Methodologische Gegensatzpaare/Ideographisch-Nomothetisch

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Vorheriges Kapitel: 1.1 verstehen vs. erklären

1.2 idiographisch vs. nomothetisch

Verfasst von Marie-France Chevron et al.

Ursprünglich diente der Begriff idiographisch[1] zusammen mit dem Begriff nomothetisch[2] dazu, zwei Typen von Wissenschaften und damit einhergehend zwei methodologisch anders begründete Zugänge zur Wirklichkeit zu bezeichnen. Dieses Begriffspaar wurde 1894 zum ersten Mal von Wilhelm Windelband[3], einem süddeutschen Neukantianer, zur Charakterisierung des Unterschieds zwischen dem Vorgehen der Geschichtswissenschaft und dem der Naturwissenschaften eingeführt. Aufgrund dieser Unterscheidung erfolgte die damals im deutschsprachigen Raum vorgenommene Trennung zwischen Geisteswissenschaften (verstehen[4]) und Naturwissenschaften (erklären[5]).

Abbildung: Zwei Bäume, Quelle: K. Mocharitsch


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.2.1
[2] Siehe Kapitel 1.2.2
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Windelband
[4] Siehe Kapitel 1.1.4
[5] Siehe Kapitel 1.1.3

Inhalt

1.2.1 idiographisch

Verfasst von Marie-France Chevron et al.

Idiographisch stammt aus dem griechischen ίdios (ïδιος): eigentümlich und grάphein (γράφειυ): schreiben.

Idiographisch vorgehende Wissenschaften werden auch Ereigniswissenschaften genannt, weil sie die Phänomene in ihrer Besonderheit und Einmaligkeit verstehen[1] wollen. Erkenntnisziel ist es dabei, das historisch Gegebene, wie es in der Erfahrung wahrgenommen wird, zu beschreiben.

Abbildung: Dieser Apfelbaum in seiner Einmaligkeit, Quelle: K. Mocharitsch

Beispiel aus der idiographischen Vorgangsweise in der Geschichtswissenschaft:

Will man den zweiten Weltkrieg als einmaliges Phänomen verstehen lernen, so sammelt man Daten, die für dieses Phänomen einzigartig sind und nur dieses Ereignis betreffen. Weiterhin versucht man die ganz spezifische Ereignisabfolge und ihre einmalige Bedeutung zu dokumentieren.

Ein Diskussionspunkt in der heutigen Wissenschaftstheorie beschäftigt sich damit, inwieweit auch vorwiegend idiographisch vorgehende Wissenschaften nach Erklärungen suchen sollen. Denn man kann wohl davon ausgehen, dass in jeder Wissenschaft sowohl idiographische wie auch nomothetische Erkenntnisinteressen vorhanden sind.

(siehe auch verstehen[2], induktiv[3], qualitativ[4])


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.1.4
[2] Siehe Kapitel 1.1.4
[3] Siehe Kapitel 1.3.1
[4] Siehe Kapitel 1.4.1


1.2.2 nomothetisch

Verfasst von Marie-France Chevron et al.

Nomothetisch stammt aus dem griechischen nόmos (υόμος): Gesetz und thetiké (τιισέυαι): aufstellen.

Nomothetisch vorgehende Wissenschaften zielen darauf ab, das Gesetzmäßige und Regelmäßige zu erforschen. Erkenntnisziel ist es dabei, das Allgemeine und Wiederkehrende zu erkennen und zu beschreiben.

Abbildung: Ein Apfel fällt vom Baum, Fallgesetz, Quelle: K. Mocharitsch

Beispiel aus der nomothetischen Vorgangsweise in der Geschichtswissenschaft:

Betrachtet man den zweiten Weltkrieg als Phänomen, das einer Gesetzmäßigkeit entspricht und gewisse für ähnliche Phänomene charakteristische und wiederkehrende Eigenschaften aufweist, so wird man sich mit den Aspekten des Phänomens auseinandersetzen, welche auf dessen Grundstruktur hinweisen, also z.B. mit der Grundstruktur von Kriegen oder mit dem menschlichen Verhalten in Kriegszeiten.

(siehe auch erklären[1], deduktiv[2], quantitativ[3])


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.1.3
[2] Siehe Kapitel 1.3.2
[3] Siehe Kapitel 1.4.2


Nächstes Kapitel: 1.3 induktiv vs. deduktiv


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