Werte und Normen/Abweichung
Vorheriges Kapitel: 2.1 Was sind Normen? Was sind Werte?
2.2 Normkonformes und abweichendes Verhalten
verfasst von Theresa Fibich und Rudolf Richter
„Werte geben einen allgemeinen Orientierungsrahmen für Denken und Handeln ab, Normen schreiben mehr oder weniger streng vor, wie gehandelt werden soll“ (Abels 2009b: 15). Doch warum werden Normen von den Menschen befolgt? Durch die Sozialisation internalisieren wir die gültigen Werte und Normen, wir handeln automatisch und es erscheint uns normal bzw. selbstverständlich und vernünftig auf diese Art und Weise zu handeln. Positive und negative Sanktion (Lob, Bestätigung, Bestrafung etc.) sichern die geltenden Normen ab. Wer in Badebekleidung in die Arbeit geht oder seinen Vorgesetzten plötzlich duzt, wird zur Ordnung gerufen.
Normen bestimmen also sowohl konformes als auch abweichendes Verhalten (Peuckert 2006: 213). Normen, die vom Staat sanktioniert werden, sind im Gesetz verankert. In einer Gesellschaft, in der eine Wertepluralisierung stattfindet, verlieren Normen und Werte allerdings ihre Orientierungsfunktion (Abels 2009b: 52).
Was passiert nun, wenn sich Personen nicht an diese gegebenen Vorschriften halten? Je nach Strenge der Norm werden sie sanktioniert, bis hin (falls diese Norm gesetzlich verankert ist) zur Sanktionierung durch die Justiz. Wäre nun eine Gesellschaft, in der es keine Normverstöße gäbe, eine Gesellschaft, die keine Sanktionen benötigt? Nach Durkheim[1] fördert ein seltener Verstoß die Verankerung der Norm im kollektiven Bewusstsein. Oder wie Abels (2009b: 54) sagt: „Normen, über die nicht geredet wird, verlieren ihre Wirkung.“ Strafen haben daher eine „nützliche Funktion“ (Durkheim 1976 [1895]: 181), auch für die Personen, die nicht bestraft werden: einerseits als Abschreckung und andererseits quasi als Erinnerung an die Existenz dieser Norm. Wo allerdings „zu häufig bekannt wird, dass Normen übertreten werden, verlieren sie ebenfalls ihre Wirkung“ (Abels 2009b: 54). Wenn die meisten Personen die rote Ampel missachten, verliert diese ihre bindende Wirkung. Popitz (1968: 17) spricht daher vom „Nutzen der Dunkelziffer“. Der Staat habe kein Interesse daran jede Normübertretung zu sanktionieren, da das Wissen um die ständige Übertretung die Norm schwächen würde. Wenn öffentlich bekannt wird, dass jede zweite Person Steuern hinterzieht, sinke die öffentliche Steuermoral (Abels 2009b: 56).
Verweise:
[1] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/durkheim/12bio.htm
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