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Im Zentrum des qualitativen inhaltsanalytischen Vorgehens steht also die '''Entwicklung eines Kategoriensystems''', welches in einem '''Wechselverhältnis zwischen Theorie (der Fragestellung) und dem konkreten Material''' entwickelt wird. Die Kategorisierungsdimensionen und das Abstraktionsniveau werden jedoch vorab festgelegt und mit theoretischen Erwägungen und dem Ziel der Analyse begründet (Mayring 2002: 115f). Innerhalb dieser Festlegungen wird das konkrete Kategoriensystem an Hand des vorliegenden Materials entwickelt. | Im Zentrum des qualitativen inhaltsanalytischen Vorgehens steht also die '''Entwicklung eines Kategoriensystems''', welches in einem '''Wechselverhältnis zwischen Theorie (der Fragestellung) und dem konkreten Material''' entwickelt wird. Die Kategorisierungsdimensionen und das Abstraktionsniveau werden jedoch vorab festgelegt und mit theoretischen Erwägungen und dem Ziel der Analyse begründet (Mayring 2002: 115f). Innerhalb dieser Festlegungen wird das konkrete Kategoriensystem an Hand des vorliegenden Materials entwickelt. |
Revision as of 20:24, 7 November 2019
Vorheriges Kapitel: 6.1 Analyse der Fieldnotes
Contents
6.2 Inhaltsanalyse
Verfasst von Ernst Halbmayer
Bei der Inhaltsanalyse handelt es sich um eine Textanalysemethode, die ursprünglich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in den USA zur Analyse von Massenmedien entwickelt wurde. Diese hat sich primär auf quantifizierbare Aspekte von Textinhalten (quantitative Inhaltsanalyse) bezogen, erst später wurden auch Verfahren zur Durchführung qualitativer Inhaltsanalysen entwickelt. Insgesamt fokussiert die Inhaltsanalyse auf manifeste Kommunikationsinhalte, mit dem Ziel von den Textmerkmalen auf den Kontext (auf den Autor, die Situation bzw. die Rezipienten) zu schließen.
Inhalt
6.2.1 quantitative Inhaltsanalyse
Die Entwicklung der quantitativen Inhaltsanalyse steht wesentlich im Zusammenhang mit der Entwicklung der modernen Massenkommunikationsmedien wie Zeitung und Fernsehen. Die forschungsleitende Frage ist dabei "Wer sagt was zu wem mit welcher Wirkung?". Ziel ist es dabei, Aussagen über die Verfasser der Nachricht, die Empfänger derselben, sowie die Wirkung bzw. Rezeption der Kommunikation zu erforschen. "Am Beginn inhaltsanalytischer Forschung stand zweifelsohne ein einfaches, behavioristisch orientiertes Reiz- Reaktions-Modell der Kommunikation, welches eine asymmetrische Beziehung zwischen Sender, Stimulus und Rezipient konstruiert." (Titscher et al. 1998: 76) Um diese kausal konzipierten Zusammenhänge der Beeinflussung der Rezipienten mittels Nachrichten zu erforschen, werden innerhalb der quantitativen Inhaltsanalyse die Kommunikationsinhalte möglichst präzise gemessen. Diese Messung bezieht sich zum Beispiel auf die Häufigkeit von Wörtern pro Text oder die Größe von Texten in Zeitschriften. Dieses Auszählen, Bewerten und In-Beziehung-Setzen von Textelementen spielte insbesondere auch eine zentrale Rolle in der politischen Propagandaforschung.
Ein zentrales Moment jeder Inhaltsanalyse ist ihr Kategoriensystem, mit dessen Hilfe jede Analyseeinheit kodiert werden muss. Diese Kategorien werden mit Hilfe operationaler Definitionen [1] von Variablen, also a priori auf deduktivistische Weise[2] festgelegt. Das heißt, das Kategoriensystem wird im Unterschied zur Ethnographie, zur Grounded Theory, aber auch zur qualitativen Inhaltsanalyse bereits im Vorfeld der Untersuchung ausgearbeitet. Nach dem Kodieren werden mittels quantitativer Verfahren Häufigkeiten und Zusammenhänge zwischen einzelnen Variablen berechnet. Lamnek (2005: 505) nennt unterschiedliche Formen der quantitativen Inhaltsanalyse, wie zum Beispiel die Frequenzanalyse, die Dokumentenanalyse, die Valenzanalyse, die Intensitätsanalyse, die Kontingenzanalyse und die Bedeutungsfeldanalyse. Für eine Darstellung der unterschiedlichen inhaltsanalytischen Verfahren und Analyseebenen (syntaktisch, semantisch, pragmatisch) siehe Merten (1983).
Die quantitative Inhaltsanalyse wurde dahingehend kritisiert, dass sie folgende vier Dimensionen zu wenig berücksichtige:
- "den Kontext von Textbestandteilen
- latente Sinnstrukturen
- markante Einzelfälle
- das, was im Text nicht vorkommt" (Mayring 2002: 114).
Aus dieser Kritik entwickelte sich die qualitative Inhaltsanalyse.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.7.1.1
[2] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-6.html
6.2.2 qualitative Inhaltsanalyse
Die qualitative Inhaltsanalyse wurde in kritischer Abgrenzung zur quantitativen Inhaltsanalyse entwickelt. Innerhalb des deutschsprachigen Raums steht die qualitative Inhaltsanalyse insbesondere mit dem von Philipp Mayring entwickelten Verfahren in Zusammenhang. Mayring zu Folge ist der Anspruch der qualitativen Inhaltsanalyse folgender: Sie "will Texte systematisch analysieren, indem sie das Material schrittweise mit theoriegeleitet am Material entwickelten Kategoriesystemen bearbeitet" (Mayring 2002: 114). Mayring konzipiert ein allgemeines Ablaufmodell der qualitativen Inhaltsanalyse, welches er wie folgt veranschaulicht:
Im Zentrum des qualitativen inhaltsanalytischen Vorgehens steht also die Entwicklung eines Kategoriensystems, welches in einem Wechselverhältnis zwischen Theorie (der Fragestellung) und dem konkreten Material entwickelt wird. Die Kategorisierungsdimensionen und das Abstraktionsniveau werden jedoch vorab festgelegt und mit theoretischen Erwägungen und dem Ziel der Analyse begründet (Mayring 2002: 115f). Innerhalb dieser Festlegungen wird das konkrete Kategoriensystem an Hand des vorliegenden Materials entwickelt.
Im Weiteren unterscheidet Mayring drei verschiedene inhaltsanalytische Analyseverfahren: die Zusammenfassung, die Explikation und die Strukturierung.
6.2.2.1 Zusammenfassende Inhaltsanalyse
Ziel der zusammenfassenden Inhaltsanalyse ist es, "das Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben [und] durch Abstraktion ein überschaubares Corpus zu schaffen, das immer noch ein Abbild des Grundmaterials ist" (Mayring 1988: 53; 2002: 115).
Die inhaltsanalytische Zusammenfassung spielt auch eine wichtige Rolle bei der induktiven[1] Kategorienbildung. Dabei werden nicht nur wie beim offenen Codieren[2] abstrakte Konzepte mit Textstellen verbunden, sondern Kategorien mittels Paraphrasen, Generalisierungen und Reduktionen erarbeitet, wie es auch im folgenden Ablaufmodell der zusammenfassenden Inhaltsanalyse zum Ausdruck kommt.
Folgende tabellarische Aufstellung veranschaulicht das Verhältnis von Paraphrase, Generalisierung und den mittels Reduktion (Streichungen) gewonnenen Kategorien, die Teil des zu entwickelnden Kategoriensystems sind und für die weiteren Formen der Inhaltsanalyse genutzt werden.
Im Rahmen des folgenden Beispiels wurde das Abstraktionsniveau des Reduktionsdurchganges wie folgt festgelegt: "Es sollten möglichst allgemeine aber fallspezifische (pro Lehrer) Äußerungen über die Referendarzeit sein." (Mayring 1988: 58) In der mittleren Hauptspalte werden die einzelnen Paraphrasen auf dieses Abstraktionsniveau hin generalisiert. Doppelte oder unwichtige Äußerungen werden gestrichen und in der letzen Spalte werden Kategorien genannt, die aus den übrig gebliebenen Äußerungen "durch Bündelung, Integration und Konstruktion zu neuen Äußerungen fallspezifisch zusammengestellt" (ebd.) wurden.
Die Reduktionsschritte im Rahmen der zusammenfassenden Inhaltsanalyse lassen sich wie folgt veranschaulichen:
Verweise:
[1] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-5.html
[2] http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-119.html
6.2.2.2 Explikative Inhaltsanalyse
Abbildung: explizierende Inhaltsanalyse
Ziel der explikativen Inhaltsanalyse "ist es, zu einzelnen fraglichen Textteilen (Begriffen, Sätzen, ...) zusätzliches Material heranzutragen, das das Verständnis erweitert, das die Textstelle erläutert, erklärt, ausdeutet" (Mayring 1988: 53; 2002: 115). Dafür muss festgelegt werden, wo nach zusätzlichem Material gesucht wird, um fragliche Textstellen zu explizieren.
Mayring unterscheidet hier eine "engen" Textkontext und versteht darunter das direkte Textumfeld der interpretationsbedürftigen Textstelle und einen "weiten" Textkontext, welcher über den Text hinausgehende Informationen über den Autor, Adressaten, Interpreten, kulturelles Umfeld, etc. umfassen können (Mayring 2002: 117f). Mayring versteht die Explikation auch als Kontextanalyse der fraglichen Textteile.
Ziel dieser Analyse ist die Formulierung so genannter explifizierender Paraphrasen, welche Formulierungen beinhalten, die die fragliche Textstelle erklären. Diese entstehen "im Allgemeinen dadurch, dass das gesammelte Material zusammengefasst wird (...). Wenn jedoch Widersprüche im Material auftauchen, müssen alternative Paraphrasen formuliert werden" Mayring 1988: 71).
Im letzten Schritt der explikativen Inhaltsanalyse muss im Gesamtzusammenhang überprüft werden, ob eine sinnvolle Explikation erreicht wurde, falls dies nicht der Fall ist, muss neues und zusätzliches Material herangezogen werden. Insgesamt ergibt sich daraus folgendes Ablaufmodell der explizierenden Inhaltsanalyse.
6.2.2.3 Strukturierende Inhaltsanalyse
Ziel der strukturierenden Inhaltsanalyse ist es, "eine bestimmte Struktur aus dem Material herauszufiltern. Das können formale Aspekte, inhaltliche Aspekte oder bestimmte Typen sein; es kann aber auch eine Skalierung, eine Einschätzung auf bestimmten Dimensionen angestrebt werden (Mayring 2002: 118). Diese Form der Analyse geht vom erstellten Kategoriensystem aus und legt in einem ersten Schritt der Definition der Kategorien fest, welche Textbestandteile unter eine Kategorie fallen. In einem zweiten Schritt identifiziert es an Hand konkreter Textstellen Ankerbeispiele für die jeweilige Kategorie und drittens werden Codierregeln formuliert, welche eindeutige Zuordnungen zwischen den einzelnen Kategorien ermöglichen.
Abbildung: strukturierte Inhaltsanalyse
Mayring betrachtet dieses Modell allerdings als zu allgemein und unterscheidet verschiedene Formen der Strukturierung, die unterschiedlichen Zielen folgen.
- Die formale Strukturierung will die innere Struktur des Materials nach formalen Strukturierungsgesichtspunkten herausfiltern. Dabei ist es notwendig das Kriterium der Strukturierung, nach dem der Text analysiert werden soll, im Vorfeld genau zu bestimmen. Mayring (1988: 78f) unterscheidet folgende vier Arten von Kriterien:
- syntaktische Kriterien, die die Struktur der sprachlichen Formulierungen, z.B. Besonderheiten im Satzbau, Abweichungen, Brücken etc. aufdecken wollen,
- thematische Kriterien, welche die inhaltliche Struktur, die thematische Abfolge und inhaltliche Gliederung sichtbar machen,
- semantische Kriterien, die die Beziehung zwischen einzelnen Bedeutungseinheiten, etwa im Sinn eines semantischen Netzwerkes, rekonstruieren
- und dialogische Kriterien, welche die Abfolge einzelner Gesprächsbeiträge und Gesprächsschritte analysieren.
- Die inhaltliche Strukturierung will Material zu bestimmten Themen und Inhaltsbereichen extrahieren und zusammenfassen.
- Die typisierende Strukturierung will auf einer Typisierungsdimension einzelne markante Ausprägungen im Material finden und diese genauer beschreiben.
- Die skalierende Strukturierung will zu einzelnen Dimensionen Ausprägungen in Form von Skalenpunkten definieren.
Insgesamt beruht die strukturierende Inhaltsanalyse auf drei zentralen Schritten:
1) Die Definition der Kategorien, wobei explizit definiert wird, welche Textbestandteile unter eine Kategorie fallen.
2) Die Identifikation von Ankerbeispielen für die jeweilige Kategorie.
3) Die Festlegung von Kodierregeln, um eindeutige Zuordnungen bei Abgrenzungsproblemen zwischen Kategorien zu ermöglichen. (Mayring 2002: 118f)
Diese Regeln werden in einem Kodierleitfaden zusammengefasst.
Die strukturierende Inhaltsanalyse eignet sich insbesondere für die theoriegeleitete Analyse von Textmaterial.
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