Methodologische Gegensatzpaare/Induktiv-Deduktiv

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Vorheriges Kapitel: 1.2 idiographisch vs. nomothetisch

1.3 induktiv vs. deduktiv

Verfasst von Andrea Payrhuber und Christoph Reinprecht et al.

In den Sozialwissenschaften gibt es unterschiedliche methodische Wege, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen, wobei, in Anknüpfung an die Theorie des logischen Schließens, meist zwischen induktiven und deduktiven Verfahren unterschieden wird.

Abbildung: Schematische Darstellung unterschiedlicher Schlüsse, Quelle: K. Mocharitsch

Inhalt

1.3.1 induktiv

Verfasst von Andrea Payrhuber und Christoph Reinprecht et al.

Abbildung: Ein Pfeil zeigt von mehreren kleinen Kreisen auf einen großen Kreis, Quelle: K. Mocharitsch

Bei induktiven Verfahren wird von empirischen Einzelbeobachtungen auf das Allgemeine geschlossen. Induktive Formen der Erkenntnisgewinnung zeichnen sich dadurch aus, dass im Forschungsprozess gesammelte Datenmaterialien dazu verwendet werden, um tiefer liegende Strukturen, Zusammenhänge, Gesetzmäßigkeiten bzw. Mechanismen zu beschreiben bzw. sichtbar zu machen. Induktiv gewonnene Einsichten können als Richtlinien für die Begründung von Hypothesen[1] verwendet werden, insofern tragen induktive Verfahren zur Theoriebildung[2] bei.

Als Induktionsproblem wird seit David Hume[3] ("Traktat über die menschliche Natur", 1740) der Umstand benannt, dass von Einzelfällen keine logisch zwingenden Schlüsse auf Verallgemeinerungen (Gesetze) zulässig sind, da nicht alle Fälle der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft bekannt sein können. Auf induktiven Verfahren beruhende allgemeine Aussagen sind deshalb stets nur vorläufig; es muss jederzeit damit gerechnet werden, dass neue Fälle gefunden werden, die der Erkenntnis widersprechen.


Literatur:

Hume, David. 1973. Ein Traktat über die menschliche Natur. Buch I-III, Unveränd. Nachdr. der 2., durchges. Aufl. von 1904 (Buch I) bzw. der 1. Aufl. von 1906 (Buch II und III). Hamburg: Meiner.


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.7
[2] Siehe Kapitel 2.22
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/David_Hume


1.3.2 deduktiv

Verfasst von Andrea Payrhuber und Christoph Reinprecht et al.

Abbildung: Ein Pfeil zeigt von einem großen Kreis auf mehrere kleine Kreise, Quelle: K. Mocharitsch

Im Unterschied zu induktiven Verfahren operieren deduktive Verfahren mit präzisen theoretischen Vorannahmen. Bei deduktivem Schließen wird logisch vom Allgemeinen auf das Besondere schlussgefolgert. Das Allgemeine wird in Form von Prämissen formuliert. Dabei handelt es sich um

(a) "bewährte" Hypothesen[1] (= Annahmen über Zusammenhänge) oder

(b) Axiome (= nicht abgeleiteter, selbstevidenter, nicht beweisbarer Aussagesatz).

Überprüft wird die Übereinstimmung zwischen theoretischen Annahmen[2] und empirisch aufgefundenem Datenmaterial[3]. Streng genommen unterstellt das deduktive Verfahren der Hypothesentestung einen zwingenden, d.h. deterministischen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung (Wenn- Dann-Beziehung), wie er in den Naturwissenschaften üblich ist. Im Unterschied dazu gehen die Sozialwissenschaften von einem wahrscheinlichen Eintreten der zu erwartenden Konsequenzen aus (ausgedrückt in Prozent aller Fälle); es wird in diesem Zusammenhang von "probabilistischer Erklärung" gesprochen.


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.7
[2] Siehe Kapitel 2.22
[3] Siehe Kapitel 2.1


1.3.3 induktive und deduktive Verfahren in der Praxis der Sozialwissenschaften

Verfasst von Andrea Payrhuber und Christoph Reinprecht et al.

In der Praxis der Sozialwissenschaften werden induktive und deduktive Verfahren häufig kombiniert. So beruht die Generierung von Hypothesen auf induktiven Verfahren[1], während die empirische Überprüfung von Theorien und Hypothesen der deduktiven Logik[2] folgt (deduktiv-nomologische Erklärungsmodell[3]).

Die mit diesem Theorie-Empirie-Zirkel verbundenen wissenschaftstheoretischen Frage- und Problemstellungen sind freilich komplexer Natur. Diskutiert wird, inwiefern die empirischen Sozialwissenschaften streng genommen nicht stets induktiv verfahren, da alle Erkenntnis aus einer Auswahl der beobachteten Fälle entsteht und es in den Sozialwissenschaften keine Gesetze ohne Raum-Zeitbezug gibt. Zudem schränken induktive Schlüsse die Aussagekraft der Erkenntnisse erheblich ein, da die aus Beobachteten schlussgefolgerten Gesetzesmäßigkeiten und Regeln nicht notwendig sind (siehe Induktionsproblem[4]). Auf Karl Popper[5] geht die Ansicht zurück, dass es reine Induktion nicht geben kann, da Aussagen niemals nur auf empirischer Beobachtung beruhen, sondern stets gewisse theoretische Vorannahmen enthalten.


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.3.1
[2] Siehe Kapitel 1.3.2
[3] Siehe Kapitel 1.3.2
[4] Siehe Kapitel 1.3.1
[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Popper


Nächstes Kapitel: 1.4 qualitativ vs. quantitativ


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