Ausgewähltes aus anderen Disziplinen und der Praxis/Kulturvergleich

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Vorheriges Kapitel: 3.2 Organisationskultur: Managementtrend der 1980er Jahre

3.3 Kulturvergleichende Managementforschung

Verfasst von Gerlinde Schein und Gertraud Seiser

Die Anfänge der kulturvergleichenden Managementforschung (auch: interkulturelle Managementforschung) werden mit den 1950er/1960er Jahren, von manchen AutorInnen mit den 1970er Jahren datiert. Der politische und ökonomische Kontext dieser Jahrzehnte prägte dieses damals neu entstehende interdisziplinäre Forschungsfeld.

Die Internationalisierung vieler us-amerikanischer Konzerne brachte mit sich, dass diese Unternehmen in verschiedenen Nationen operierten. ForscherInnen wie PraktikerInnen versuchten die Auswirkungen zu verstehen, die dies auf das Management der Unternehmen hatte. Die Einsicht in kulturelle Unterschiede im Arbeits- und Führungsverhalten sollte erfolgreiches Managementhandeln erleichtern. Der Kalte Krieg stellte den politischen Kontext dar. Aus der Sicht der USA sollten wirtschaftliche Entwicklungsprogramme den kommunistischen Einfluss in verschiedenen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas verringern. Vergleichende Managementforschung sollte einen Beitrag auch dazu leisten (Sackmann et al. 1997; Schlamelcher 2003).

Eine Schlüsselperson im Feld der kulturvergleichenden Managementforschung ist Geert Hofstede[1]. Hofstede entwickelte fünf Dimensionen, anhand derer Kulturvergleiche vorgenommen werden können, wobei er Nation und Kultur gleichsetzt.

Kultur definiert Hofstede als "kollektive Programmierung des Geistes", als "mentale Software". Er bezieht sich dabei auf ein Kulturkonzept der us-amerikanischen Anthropologie der 1930er/1940er Jahre (Culture and Personality School; Ruth Benedict, Margret Mead), ohne sich jedoch mit der Kritik daran auseinander zu setzen. Zu einer Darstellung dieser und anderer Kritikpunkte an Hofstede vgl. z.B. McSweeney (2002); Hofstedes Replik erschien kurz darauf (Hofstede 2002).

Auch Fons Trompenaars und Alexander Thomas werden häufig wegen ihrer Beiträge zur kulturvergleichenen bzw. interkulturellen Managementforschung - positiv wie kritisch - gewürdigt. Trompenaars (1993a; 1993b) entwickelte ein Modell aus sieben Werte-Kontinuen. Thomas (1991; 1996) ist für sein Konzept der sog. Kulturstandards bekannt.

Wie Hofstede werden Trompenaars und Thomas nicht nur im wissenschaftlichen Kontext rezipiert, sondern auch für interkulturelle Beratung und interkulturelles Training herangezogen. Breidenbach und Nyiri (2001), Dahlén (1997) und Wiedermann (2004) bieten eine Diskussion dieser Thematik aus anthropologischer Perspektive (vgl. auch Forum 2002).

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 3.3.1


Inhalt


3.3.1 Geert Hofstede: fünf Kulturdimensionen

In seiner Studie "Culture’s Consequences" (1980) stellt der niederländische Sozialpsychologe Geert Hofstede die Ergebnisse seiner Forschung im internationalen Unternehmen IBM vor.

Seine Daten hatte er durch eine schriftliche Befragung gewonnen. Mittels Fragebogen gaben die befragten IBM- MitarbeiterInnen detailliert an, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten, wie sie ihren eigenen Arbeitsstil einschätzten und was sie von einer Führungskraft erwarten. Hofstedes Untersuchung war demnach auf die Erhebung arbeitsbezogener Werte ausgerichtet.

Nach zwei Erhebungsrunden (1967 und 1973) standen Hofstede mehr als 116.000 Fragebögen (mit jeweils mehr als 100 Fragen) aus den IBM-Niederlassungen in 72 Ländern zur Analyse zur Verfügung. Hofstede gilt als der erste kulturvergleichende Forscher, dem eine derart groß angelegte empirische Untersuchung gelang.

Auf der Basis dieser Daten entwickelte Hofstede vier grundlegende Dimensionen, anhand derer Nationalkulturen verglichen werden können. Die Dimensionen nannte er "Machtdistanz", "Unsicherheitsvermeidung", "Individualismus / Kollektivismus" und "Maskulinität / Feminität". Nach weiteren Studien kam mit "kurzfristige / langfristige Orientierung" eine fünfte Dimension hinzu.

Beschreibung der Dimensionen:

  • hohe / niedrige Machtdistanz: das Ausmaß, in dem die Mitglieder der Gesellschaft Hierarchien und ungleiche Machtverteilung akzeptieren
  • hohe / niedrige Unsicherheitsvermeidung: das Ausmaß, in dem die Mitglieder der Gesellschaft sich durch Unsicherheit bedroht fühlen und Risiken vermeiden
  • Individualismus / Kollektivismus: das Verhältnis zwischen dem Individuum und der kollektiven Gruppe
  • Maskulinität / Feminität: das Ausmaß, in dem die Mitglieder der Gesellschaft materialistisch und wettbewerbsorientiert (Maskulinität) oder fürsorglich, serviceorientiert und um Lebensqualität bemüht sind (Feminität)
  • kurzfristige / langfristige Orientierung: das Ausmaß, in dem die Mitglieder der Gesellschaft, pragmatisch- zukunftsorientiert oder dogmatisch-gegenwartsbezogen ausgerichtet sind

Website: Geert Hofstede[1]

Verweise:
[1] http://www.geert-hofstede.com/

3.3.2 Verwendete und weiterführende Literatur

Breidenbach, J., and P. Nyiri

2001 Interkulturelle Kompetenz als Business. Organisationsentwicklung 4: 70-75.

Dahlén, Tommy

1997 Among the Interculturalists. An Emerging Profession and its Packaging of Knowledge. Stockholm (Stockholm Studies in Social Anthopology, 38)

Forum

2002 Interkulturelle Kompetenz als Business. Organisationsentwicklung 3: 81-93.

Hofstede, Geert

1980 Culture’s Consequences. International Differences in Work- Related Values. Sage

1994 Uncommon Sense About Organizations. Cases, Studies and Field Observations. Sage

2001 Lokales Denken, globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management. München: DTV-Verlag

2002 Dimensions Do Not Exist. A Reply to Brendan McSweeney. Human Relations 55(11).

2006 What Did GLOBE Really Measure? Respondents’ Minds Versus Researchers’ Minds. Journal of International Business Studies 37: 882-896.

McSweeney, Brendan

2002 Hofstede’s Model of National Cultural Differences and their Consequences. A Triumph of Faith – or a Failure of Analysis. Human Relations 55(1).

Sackmann, Sonja A. et al.

1997 Single and Multiple Cultures in International Cross-Cultural Management Research. In: Sonja A. Sackmann (ed.), Cultural Complexity in Organizations. Inherent Contrasts and Contradictions.; pp. 1-13: Sage

Schlamelcher, Ulrike

2003 Kultur und Management. Theorie und Praxis der Interkulturellen Managementforschung: Rainer Hampp Verlag

Thomas, Alexander (ed.)

1991 Kulturstandards in der internationalen Begegnung. Saarbrücken (u.a.)

1996 Analyse der Handlungswirksamkeit von Kulturstandards. In: Alexander Thomas (ed.), Psychologie interkulturellen Handelns.; pp. 107-136. Göttingen

Trompenaars, Fons

1993a Handbuch globales Managen. Wie man kulturelle Unterschiede im Wirtschaftsleben versteht. Düsseldorf

1993b Riding the Waves of Culture. Understanding Cultural Diversity in Business. London: Brealey

Wiedermann, Maria

2004 Kultur x Globalisierung = Interkulturelle Kompetenz (?). Ein Vergleich dieser drei Begrifflichkeiten zwischen dem Institut für Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien und der Wirtschaftsuniversität Wien. [Unpubl. Diplomarbeit, Universität Wien]

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