Erkenntnisstrategien/Kommunikationstheoretische

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1.7 Kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategien

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Im Ausgang der 1960er Jahre wächst aus der Kritischen Theorie ("Frankfurter Schule") jene Erkenntnisstrategie hervor, die inzwischen als "Theorie kommunikativen Handelns" Teil der Diskussion über Probleme und Perspektiven moderner Sozialtheorie geworden ist. Die Rekonstruktion von Gesellschaftstheorie aus dem Geiste der Kommunikationstheorie ist mit dem Namen Jürgen Habermas[1] verbunden.

Habermas entwirft seine Kommunikationstheorie als Gesellschaftstheorie in Anknüpfung, aber auch in kritischer Abgrenzung zur Kritischen Theorie, die vor allem mit den Namen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno[2] verbunden ist. Es sind im wesentlichen zwei Abgrenzungspunkte:

  • Habermas hält eine Einfassung der Sozialwissenschaften in Geschichtsphilosophie nicht länger für haltbar;
  • er sieht die Kritische Theorie als gefangen in der alteuropäischen verfassten und vom einzelmenschlichen Bewusstsein ausgehenden Bewusstseinsphilosophie.
Foto: Notizzettel mit Sprechblase. Toddy Kelsch, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2009

Wegen dieser Gefangenschaft setzt Habermas seine kommunikatonstheoretische Grundlegung der Sozialwissenschaften im Bereich der sozialen Interaktion, beim Sprechen in der Perspektive des Social Act an. Beobachtung geschieht in der Individualperspektive. Dagegen konstituiert Sprechen die Interaktionsperspektive. In den Sprechakten öffnet sich nicht nur buchstäblich die Perspektive zur Öffentlichkeit; aus den Sprechakten geht zugleich der Aufbau der inneren, der subjektiven Welt hervor. Sprechen auf dem Weg zum Social Act ist demnach Quellbereich sowohl der Konstitution von Sozialität wie von Subjektivität, Innenwelt.

Zentral für die "Theorie des kommunikativen Handelns"[3] sind:

  • der Zusammenhang zwischen Handeln und Rationalität;
  • das Spannungsverhältnis zwischen Systemrationalität und kommunikativer Rationalität, d.h. zwischen systemischer Welt und Lebenswelt.

Habermas' "Theorie des kommunikativen Handelns" ist sowohl handlungs- wie systemtheoretisch angesetzt. Dies in gesellschaftskritischer Absicht, insofern Habermas seine Sozialtheorie an die Aufklärungsidee des verantwortlich handelnden Subjekts anschließt. Vor diesem Hintergrund entwickelt Habermas seine Konzeption des "praktischen" und "theoretischen Diskurses". Mit einer der Philosophischen Anthropologie[4] entlehnten Grundfigur zur Unterscheidung von Verhalten[5] und Handeln[6] pointiert Habermas seine Denkfigur des zurechnungsfähigen Subjekts:

"Ein tierischer Organismus kann nicht in demselben Sinn für sein Verhalten verantwortlich gemacht werden wie ein sprach- und erkenntnisfähiges Subjekt für seine Handlungen."

Um die Eigenart des Sozialen[7] zu präzisieren, ist in der "Theorie des kommunikativen Handelns" ausführlich eine Typologie des menschlichen Handelns dargelegt, die drei Grundtypen von menschlichem Handeln bezeichnet: Instrumentelles Handeln, Strategisches Handeln, Kommunikatives Handeln. In der gesellschaftlichen Wirklichkeit können die Handlungstypen sowohl zusammen auftreten als auch nacheinander.

Die "Theorie kommunikativen Handelns" ist fokussiert auf die Sphäre der Interaktion, d.h. auf die sozialkulturelle Reproduktion der Gesellschaft. Die kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategie in den Sozialwissenschaften legt, wie Habermas es formuliert, den "vernünftigen Gehalt anthropologisch tiefsitzender Strukturen" frei und zerreißt nicht die Verschränkung von Natur und Kultur.


Verweise:

[1] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/habermas/21bio.htm
[2] Siehe Kapitel 4.2
[3] Siehe Kapitel 4.2
[4] Siehe Kapitel 3.1.2
[5] Siehe Kapitel 3.1.1
[6] Siehe Kapitel 3.1.2
[7] Siehe Kapitel 2.3


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