Grundlagen des wissenschaftlichen Schreibens/Schreibstrategie

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1.6 Schreibstrategien und -probleme

Verfasst von Peter H. Karall und Aurelia Weikert

Sie wollen heute mit Ihrer wissenschaftlichen Arbeit[1] beginnen und setzen sich an den Schreibtisch. Da fällt Ihnen ein, dass die Wäsche eigentlich schon fertig sein müsste. Kennen Sie das??

Sie sitzen beim Computer, haben die Datei Ihrer Seminararbeit geöffnet, plötzlich fällt Ihr Blick auf die Zeitung vom Vortag. Kennen Sie das??

Sie wollen endlich mit dem Schreiben beginnen, da überkommt Sie ein riesiges Hungergefühl! Kennen Sie das??

Sie haben viele Ideen und Gedanken, aber können sie nicht niederschreiben! Kennen Sie das??

Sie sind weder allein noch hoffnungslos verloren. SchreibforscherInnen[2] (z.B. Otto Kruse, Brigitte Schulte, Barbara Schulte-Steinicke, Lutz von Werder[3]) bieten gute Anleitungen zum wissenschaftlichen Schreiben. Es handelt sich dabei um Ansätze des kreativen Schreibens, die als Mittel zur Förderung des literarischen Schreibens seit den letzten 50 Jahren im englischen Sprachraum entwickelt werden und seit einiger Zeit auch in den wissenschaftlichen Betrieb Einzug gehalten haben.

Da Schreibprobleme im Alltags- wie im Berufsleben, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Universität gleichermaßen vertreten sind, existieren in vielen Ländern eigene Studiengänge für berufliches und kreatives Schreiben. So hat z.B. in den USA jede Universität ein Schreibberatungs- und Trainingszentrum, genauso alle großen US-Betriebe.

Beim schreibenden Erforschen Ihres wissenschaftlichen Gegenstandes sollen Emotion und Ratio gleichermaßen zum Zuge kommen.Um eventuelle Schreibprobleme anzugehen, überlegen Sie sich, was Sie zum Schreiben brauchen und was Sie auf keinen Fall brauchen oder wollen. Neben äußeren Bedingungen (a) spielen auch innere Faktoren (b) eine Rolle:

(a) So wie Sie Ihre Lebensumstände und Wohnumgebung angenehm gestalten wollen, sollten Sie auch Ihre Arbeitsumgebung gestalten. Achten Sie auf ausreichendes Licht, gute Luft, eine bequeme Sitzgelegenheit, einen Platz für die Kaffeetasse oder den Aschenbecher, für Ihre Schreibutensilien und für sich selbst! Wollen Sie absolute Ruhe oder eher Hintergrundgeräusche? Schreiben Sie lieber bei Tag oder bei Nacht? ...

(b) Werder hat ein Schreibprogramm „40 Tage für Erstsemester“ entwickelt. In diesem Programm werden Anleitungen zum Erlernen von Grundtechniken für wissenschaftliches Schreiben vermittelt; weiters macht Sie dieses Programm mit verschiedenen Textsorten, wie Interview[4], Dialog, Gedicht, sowie Textrevision, Textanfängen und -schlüssen vetraut.

Einige Anleitungen und Übungen daraus sind:

  • Schreiben Sie drei Minuten, was Ihnen gerade in den Sinn kommt, ohne auf Logik und Sinn zu achten;
  • Schreiben Sie spontan drei Minuten lang über eine Person, die Ihnen gefällt, alles auf;
  • Schreiben Sie drei Minuten über eine Situation, über die Sie sehr gelacht haben;
  • Schreiben Sie drei Minuten, worüber Sie sich sehr geärgert haben;
  • Schreiben Sie aus der Perspektive eines Kindes,
  • Schreiben Sie aus der Perspektive einer gegengeschlechtlichen Person, die 30 Jahre älter ist als Sie;
  • Schreiben Sie einen Text zum Thema Liebe;
  • Schreiben Sie über Ihr Gefühl, wenn Sie über heißen Sand laufen;

Sie können schreiben und Sie sollen auch Lust aufs Schreiben bekommen!


Eine weitere Methode ist jene des „Freewriting“. Hierbei wird zehn Minuten lang geschrieben, ohne zu stoppen, ohne zu hetzen, ohne zurückzuschauen, ohne durchzustreichen, ohne sich zu wundern, ohne nachzudenken, d.h. vor allem, ohne Zensur.

Eine Übung von Werder dazu ist:

  1. Fünf Minuten Freewriting zu schreiben;
  2. Stellen Sie fest, welches Thema im Text steht;
  3. Schreiben Sie zum gefundenen Thema weitere fünf Minuten Freewriting;
  4. Identifizieren Sie Ihre Hauptthesen zum Thema des zweiten Freewriting-Textes;

Freewriting hilft Ihnen herauszufinden, über welche Themen[5] Sie arbeiten wollen; Freewriting hilft Ihnen, gelesene Texte in eigenen Worten wiederzugeben.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.1
[2] Siehe Kapitel 5
[3] http://www.lutz-von-werder.de/
[4] 5.2.2 Die praktische Umsetzung einer ethnographischen Feldforschung
[5] Siehe Kapitel 1.2.1


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