Grundlagen des wissenschaftlichen Schreibens/Stil

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1.5 Stilistische Fragen und Wortwahl

Verfasst von Peter H. Karall und Aurelia Weikert

Die Sprache in ihrer verschriftlichten Form ist für unsere wissenschaftlichen Zwecke das hauptsächliche Kommunikationsmittel. Es ist deshalb auch wichtig, sich mit ihr bewusst auseinander zu setzen.

Es ist die Sprache, die den Inhalt, den Sie vermitteln wollen, den RezipientInnen zugänglich macht. In der Sprache unterscheidet sich auch wesentlich ein wissenschaftlicher Text[1] von einem Text, der sich an ein nicht spezifisches und breites Publikum richtet.

Die Wissenschaftssprache unterscheidet sich von der gängigen Alltagssprache im Besonderen dadurch, dass sie möglichst sachlich, neutral und eindeutig gehalten ist.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.1

Inhalt

1.5.1 Fachterminologie

Um im Bereich der Wissenschaft einen möglichst hohen Grad an Eindeutigkeit zu erreichen und die Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen zu minimieren, wird häufig eine Fachsprache verwendet, die sich vor allem durch ihre spezielle Fachterminologie von der Alltagssprache unterscheidet. Solche Fachtermini sind Begriffe, deren Bedeutungen durch möglichst exakte Definitionen festgelegt werden, die die möglichst eindeutige Verständigung innerhalb einer wissenschaftlichen Disziplin ermöglichen.

Viele Fachtermini mit ihrer Geschichte und den Bedeutungen, auf die man sich innerhalb der Scientific Community geeinigt hat, lernen Sie im Laufe des Studiums kennen. Daneben gibt es eine große Zahl von Fachbegriffen, die aus der eigenen Disziplin hervorgegangen sind und dort im Besonderen Verwendung finden (Affinalverwandtschaft, Ethnizität, Endogamie etc.). Auch bei der Verwendung dieser Begriffe sollten Sie aber die Gefahr des Missverstehens bedenken und versuchen, diese evtl. durch entsprechende Definitionen und zusätzliche Informationen abzusichern.

Wenn Sie wissenschaftlich arbeiten, müssen Sie sich angewöhnen, Termini in ihrer fachlichen Bedeutung exakt zu gebrauchen. Wenn Ihre Definition eines Begriffes von der üblicherweise im Fachbereich (oder allgemein in der wissenschaftlichen Gemeinde) gebräuchlichen abweicht, müssen Sie dies kenntlich machen und die Definition hinzufügen, nach der Sie den Begriff verwenden.

Beispiel: Ich verwende in meiner Arbeit „Entelechie“ nicht in der von Aristoteles vertretenen Auffassung als ..., sondern in Anlehnung an Werner Markus Entenmeier, der darunter ... versteht und damit die Auffassung evolutionistischer Denktraditionen kritisiert (vgl. Entenmeier 2006: 199).

Da es eine Menge Termini gibt, die in mehreren Disziplinen gebraucht werden, die sich in ihrer Definition aber von Fach zu Fach stark unterscheiden, ist es besonders im Rahmen interdisziplinärer Projekte häufig nötig, Definitionen hinzuzufügen, damit eindeutig ist, in welcher Weise ein Begriff gebraucht wird.

Beispiel: Die Begriffe „Medium“ und „Populärkultur“ werden in der Theaterwissenschaft anders verstanden, als in den Literaturwissenschaften und in der Publizistik anders als in den Cultural Studies etc.

Es ist außerdem zu berücksichtigen, dass Begriffe oft einem Wandel unterliegen. Sie verlieren entweder mit der wissenschaftlichen Richtung, in der sie entstanden sind, an Popularität oder bekommen durch eine neue Strömung oder durch eine wichtige Publikation eine neue Bedeutungsnuance. Ein Text, der für heutige Maßstäbe veraltete oder sogar diskriminierende Begriffe verwendet, muss nicht als solcher obsolet sein.

Sie werden möglicherweise in klassischen „Stammesmonographien[1]“ unter dem Vorbehalt wissenschaftlicher Kritik[2] dennoch wertvolles historisches Material finden. Verwendet man solche Texte in einer eigenen Arbeit, muss man jedoch auch Abweichung in der Begrifflichkeit thematisieren, um damit darzulegen, dass man sich selbst von der Terminologie (z.B. „Naturvolk“, „primitive Kunst“, etc.) distanziert.

Eine der wichtigsten sprachlichen Aufgaben, die hinsichtlich des „Schreibens“ ganz allgemein auf Sie wartet, ist die Arbeit an Ihrem Wortschatz - und zwar nicht nur im Bereich der Fachterminologie: Ihr Wortschatz ist Ihr Werkzeugkasten. Je variantenreicher und erweiterunsfähiger er ist, je mehr feine Klingen und Spezialaufsätze für besondere Konstellationen sich darin finden, je größer Ihre Erfahrung bei der Wahl der jeweiligen Mittel ist und je besser Sie es verstehen, Funktionalität und Ästhetik miteinander zu verbinden, desto mehr Möglichkeiten stehen Ihnen für Ihre „Werkstücke“ und Arbeiten zur Verfügung, desto mehr können Sie selber gestalten und desto mehr Einfluss haben Sie darauf, welche LeserInnen[3] wie auf Ihre Arbeiten reagieren werden.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.7
[2] Siehe Kapitel 1.2.3.2
[3] Siehe Kapitel 2.1

1.5.2 Fremdworte/Satzbau/Struktur

Zwei wichtige Details, in denen sich die wissenschaftliche Publikation von einer journalistischen oder allgemein an ein breites Publikum[1] gerichteten unterscheidet, sind der gezielte Einsatz von Fremdwörtern und die Komplexität des Satzbaues.

In modernen wissenschaftlichen Fachtexten[2] gilt es zwar, Sätze grundsätzlich so kurz als möglich zu halten und diese nicht unnötig zu verkomplizieren, dies ist aber häufig auf Grund des komplexen Inhaltes nicht einzuhalten. Vermeiden Sie jedenfalls halbseitige Schachtelsätze, diese sind auch in der modernen Wissenschaft nicht mehr en vogue.

In Arbeiten, die Sie für ein breite LeserInnenschaft schreiben, sollten Sie aber in jedem Fall darauf Acht geben, kurz und angenehm lesbar zu formulieren. Auch innerhalb der Wissenschaften ist es heute angebracht, verständlich und gut lesbar zu schreiben. Galt es vor gar nicht allzu langer Zeit noch als ein Zeichen von Belesenheit, wenn man sich möglichst kompliziert und in schwer lesbaren Sätzen ausdrückte, ist heute eher das Gegenteil der Fall. Es steht immer die Klarheit und Logik des Inhaltes[3] im Vordergrund.

Stilistisch hochwertige, markante oder sogar extravagante Arbeiten sind durchaus zulässig, wenn sie wissenschaftlichen Kriterien entsprechen und inhaltlich einwandfrei sind. Auf der anderen Seite sind stilistisch schwache oder - wie oben erwähnt - verkomplizierte Arbeiten nicht gleich unwissenschaftlich, wenn auch selten exzellent.

Falls es, bedingt durch die Materie, mit der man sich beschäftigt, unbedingt nötig ist, neue Termini zu generieren, weil das gängige Vokabular nicht mehr ausreicht und daher zu Missverständnissen führen würde, so sollten möglichst auch Neologismen unterlassen werden.

In so mancher wissenschaftlichen Arbeit wurde durch terminologische Eigenkreationen, die sich bei näherer Betrachtung oftmals als mindersinnvolle griechisch-lateinische Wortmutationen herausgestellt haben, und lange Schachtelsätze die fehlende Genialität des Inhaltes überdeckt.

Dass es aber den technischen und gesellschaftlichen Veränderungen entsprechend selbstverständlich immer wieder Neuschöpfungen gibt, die sinnvoll eingesetzt auch Karriere machen können, zeigt beispielsweise das Wort „Cyberspace“ das sich aus „Cybernetics“ und „Space“ zusammensetzt. Interessant ist hierbei, dass dieser Begriff, der auch in den Wissenschaften (allerdings mit einem klar abgegrenzten Definitionsrahmen) seine Anwendung findet, ursprünglich aus der Belletristik stammt, nämlich aus dem Science-Fiction Roman „Neuomancer“ von William Gibson.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.1
[2] Siehe Kapitel 1.1
[3] Siehe Kapitel 1.2.4

1.5.3 Unbeabsichtigte Konnotationen

Fragen, die Sie sich besonders hinsichtlich der Wortwahl in Ihren Texten immer wieder stellen sollten, sind: Welche Bedeutungszuschreibungen und Konnotationen haben die verwendeten Begriffe? Sind sie im eingesetzten Kontext eindeutig oder missverständlich? Können sie möglicherweise abwertend verstanden werden? Werden unabsichtlich Stereotype und Klischees verwendet?

Viele ursprünglich aus der Wissenschaft kommenden Bezeichnungen sind zudem mit neuen Konnotationen belegt in die Alltagssprache übernommen worden.

Nehmen wir als Beispiel einen in der Wissenschaft so zentralen und etablierten Begriff wie „Philosophie“. Außerhalb der Scientific Community hat jede/r bestimmte Vorstellungen von diesem Begriff. Wir sprechen heute etwa von einer Firmenphilosophie und meinen damit die bestimmte Art eines wirtschaftlichen Unternehmens, mit seinen Angestellten, den Konkurrenten, den Kunden etc. umzugehen. Jede/r Einzelne hat eine eigene Philosophie, wenn es darum geht, an verschiedene Dinge heranzugehen und Überlegungen anzustellen.

Der alltagssprachliche Gebrauch dieses Wortes unterscheidet sich damit aber ganz massiv vom exakt wissenschaftlichen. Hier bedeutet Philosophie eine Denktradition, die etwa 800 v.Chr. im antiken Griechenland einsetzt, mit Parmenides ihre erste Ausformung erlangt hat und von hier bis in die Gegenwart reicht. Mit dem Gebrauch des wissenschaftlichen Begriffes „Philosophie“ in der Fachsprache wird ein ganzes Spektrum an Inhalten und Wissen über den „Sachverhalt“ Philosophie übermittelt, das die KommunikationspartnerInnen, wenn es Fachleute sind, größtenteils teilen. Damit steht für die entsprechenden KommunikationsteilnehmerInnen[1] auch fest, dass beispielsweise die eben erwähnte Firmenphilosophie nichts mit Philosophie zu tun hat und daher auch nicht Philosophie ist, sondern eher als eine Art Grundhaltung oder Einstellung, möglicherweise sogar Taktik bezeichnet werden müsste.

Wir können damit festhalten, dass ein Teil des wissenschaftlichen Fachvokabulars in die Alltagssprache Einzug gehalten hat, dass aber die damit transportierten Bedeutungen oftmals von der wissenschaftlichen Bedeutung weit entfernt sind.

Wichtig, wenn Sie Texte verfassen:

  1. Geben Sie auf Ihre Sprache und Wortwahl Acht! Viele Begriffe haben neben dem von Ihnen intendierten Sinn noch andere Bedeutungen, die sie mittragen.
  2. Werden Sie nicht (unabsichtlich) selbst TrägerIn von Klischees und Stereotypen!

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.1


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