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Quantitative Forschungsmethoden folgen oft qualitativen. Qualitative Untersuchungen liefern hochinteressante Informationen über Menschen, die zu einer bestimmten Berufsgruppe, Region oder Kultur gehören. In von Oralliteratur geprägten Regionen werden z.B. viele Bereiche einer häufigeren Neuinterpretation unterliegen, da mit der schriftlichen Fixierung oft auch eine erhöhte Stabilisierung eines Sachverhalts einhergeht. Zu Randbereichen mag es daher eine Fülle von Interpretationen geben. So mag ein Informant Gedanken äußern, welche erstaunliche Ähnlichkeit mit Reinkarnationsphilosophien anderer Weltgegenden aufweisen. Nun wird es - falls es ums Weltbild der betreffenden Kultur geht - wichtig sein, zu klären, ob nur diese Person oder die ganze Gesellschaft an das Phänomen der Reinkarnation glaubt. Nun könnte man mit einer kleinen quantitativen Erhebung, bei der die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft befragt werden, schnell herausfinden, ob für diese Vorstellung die Biographie des Individuums (wie z.B. auf Reisen durch Kontakt mit anderen Völkern erworben), die Prägung einer Kaste innerhalb des Volkes oder die Prägung der ganzen Bevölkerung verantwortlich ist. Und dann könnte man eine allgemeinere Aussage über diesen Sachverhalt machen: "In diesem Volk glauben nur die Älteren an die Reinkarnation, die Jüngeren haben vorwiegend das christliche oder islamische Modell übernommen etc.".
 
Quantitative Forschungsmethoden folgen oft qualitativen. Qualitative Untersuchungen liefern hochinteressante Informationen über Menschen, die zu einer bestimmten Berufsgruppe, Region oder Kultur gehören. In von Oralliteratur geprägten Regionen werden z.B. viele Bereiche einer häufigeren Neuinterpretation unterliegen, da mit der schriftlichen Fixierung oft auch eine erhöhte Stabilisierung eines Sachverhalts einhergeht. Zu Randbereichen mag es daher eine Fülle von Interpretationen geben. So mag ein Informant Gedanken äußern, welche erstaunliche Ähnlichkeit mit Reinkarnationsphilosophien anderer Weltgegenden aufweisen. Nun wird es - falls es ums Weltbild der betreffenden Kultur geht - wichtig sein, zu klären, ob nur diese Person oder die ganze Gesellschaft an das Phänomen der Reinkarnation glaubt. Nun könnte man mit einer kleinen quantitativen Erhebung, bei der die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft befragt werden, schnell herausfinden, ob für diese Vorstellung die Biographie des Individuums (wie z.B. auf Reisen durch Kontakt mit anderen Völkern erworben), die Prägung einer Kaste innerhalb des Volkes oder die Prägung der ganzen Bevölkerung verantwortlich ist. Und dann könnte man eine allgemeinere Aussage über diesen Sachverhalt machen: "In diesem Volk glauben nur die Älteren an die Reinkarnation, die Jüngeren haben vorwiegend das christliche oder islamische Modell übernommen etc.".
 
 
 
  
  

Latest revision as of 14:31, 24 September 2020

Vorheriges Kapitel: 1. Funktion und Sinn von Statistik

1.1 Qualitative und Quantitative Forschungsmethoden - Gegensatz oder Ergänzung?

verfasst von Erwin Ebermann

Quantitative und qualitative Forschungsmethoden haben unterschiedliche Potentiale und Möglichkeiten und sind dementsprechend kein Gegensatz, sondern ergänzen sich gegenseitig.

Häufig Misstrauen gegenüber Statistik in Geistes- und Kulturwissenschaften

In den Wissenschaften vom Menschen, wie z.B. der Sozial- und Kulturanthropologie, sind qualitative Forschungsmethoden[1] meist deutlich populärer als quantitative. Es mutet zu nüchtern an, zu festschreibend, zu klischeehaft, Menschen durch eine Reihe von meist kurzen Indikatoren beschreiben[2] zu wollen. GestaltpsychologInnen würden formulieren: "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile."

Zur Tiefe benötigt man qualitative Ansätze

Und sie haben in Vielem zweifellos recht. Wir benötigen in der Regel qualitative Methoden, um feingewobene Motivforschung zu betreiben, um versteckte Aspirationen, Einstellungen, Eigenheiten zum Vorschein zu bringen. Wie könnte ein kurzer Fragebogen von einer halben Stunde Dauer das gleiche Wissen über die gleiche Person zum Vorschein bringen wie eine Befragung über mehrere Tage, die noch dazu weitgehend dem Rythmus des/der Befragten folgt? Das geht nicht. Und ginge es nur um die Befragung und Eigenheiten einzelner Individuen, etwa um eine Biographie, benötigen wir die Quantitativen Forschungsmethoden eigentlich gar nicht.

Von der Tiefe zur Breite

Nehmen wir nun aber an, jemand hätte mit großer Sensiblität und Mühe aus zehn Personen sehr viel zum Vorschein gebracht, an Ängsten, Erwarungshaltungen, biographischen Daten, an Erfahrungen, Einstellungen usw. Nehmen wir an, alle zehn Befragten wären AfrikanerInnen gewesen. Könnten wir ihm/ihr nun die Frage stellen, uns zu sagen, wo AfrikanerInnen Elemente des Lebens anders wahrnehmen, anders reagieren, anders geprägt sind? Er/Sie könnte mit einem rein qualitativen Ansatz darauf keine Antwort geben. Er/Sie könnte nur antworten: "Die meisten der befragten zehn Personen sind wegen der Suche nach Arbeit nach Österreich gekommen. Die Hälfte von ihnen empfindet ein größeres Maß von Einsamkeit etc." Jede Aussage über Tendenzen der größeren Gruppe, zu der die Befragten gehören, wäre vermessen. Wie soll man wissen, ob die zehn Befragten nicht vielleicht die einzigen in der afrikanischen Community sind, die bestimmte Eigenschaften aufweisen, vielleicht auch die einzigen, welche überhaupt bereit sind, mit den weißen ForscherInnen darüber zu sprechen?

Qualitative und quantitative Methoden ergänzen und erfordern einander

An dieser Stelle werden quantitative Forschungsmethoden als Ergänzung[3] zu den qualitativen unverzichtbar. Beim quantitativen Untersuchungsansatz würde man mit geeigneten Methoden versuchen, die Befragten[4] bereits so auszuwählen, dass sie in den wesentlichen Bereichen ein realistisches Abbild der hier lebenden afrikanischen Community bilden.

Tiefe durch qualitative, Breite durch quantitative Methoden

Quantitative Forschungsmethoden folgen oft qualitativen. Qualitative Untersuchungen liefern hochinteressante Informationen über Menschen, die zu einer bestimmten Berufsgruppe, Region oder Kultur gehören. In von Oralliteratur geprägten Regionen werden z.B. viele Bereiche einer häufigeren Neuinterpretation unterliegen, da mit der schriftlichen Fixierung oft auch eine erhöhte Stabilisierung eines Sachverhalts einhergeht. Zu Randbereichen mag es daher eine Fülle von Interpretationen geben. So mag ein Informant Gedanken äußern, welche erstaunliche Ähnlichkeit mit Reinkarnationsphilosophien anderer Weltgegenden aufweisen. Nun wird es - falls es ums Weltbild der betreffenden Kultur geht - wichtig sein, zu klären, ob nur diese Person oder die ganze Gesellschaft an das Phänomen der Reinkarnation glaubt. Nun könnte man mit einer kleinen quantitativen Erhebung, bei der die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft befragt werden, schnell herausfinden, ob für diese Vorstellung die Biographie des Individuums (wie z.B. auf Reisen durch Kontakt mit anderen Völkern erworben), die Prägung einer Kaste innerhalb des Volkes oder die Prägung der ganzen Bevölkerung verantwortlich ist. Und dann könnte man eine allgemeinere Aussage über diesen Sachverhalt machen: "In diesem Volk glauben nur die Älteren an die Reinkarnation, die Jüngeren haben vorwiegend das christliche oder islamische Modell übernommen etc.".


Verweise:
[1] Siehe die Lernunterlage Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie
[2] Siehe Kapitel 1.1 der Lernunterlage Das Verfassen Wissenschaftlicher Arbeiten
[3] Siehe Kapitel 5.1.3 der Lernunterlage Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie
[4] Siehe Kapitel 2.1


Nächstes Kapitel: 1.2 Formen der Statistik


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