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* Zunahme von Systembildung durch fortschreitende Differenzierung; d.h. Zunahme der wechselseitigen Abhängigkeit der Einzelelemente. | * Zunahme von Systembildung durch fortschreitende Differenzierung; d.h. Zunahme der wechselseitigen Abhängigkeit der Einzelelemente. | ||
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Vorheriges Kapitel: 1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien
1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Mitte des 19. Jahrhunderts, im Zeichen des Aufstiegs der Naturwissenschaften und der Entdeckungen des britischen Naturforschers Charles Darwin (1809-1882)[1], erlebt das evolutionistische Denken eine Renaissance. Mit Darwins Paradigma der Bildung der Arten durch Auslese und der Idee der Selektionsvorteile als Bedingung aller Evolution, setzt sich schließlich eine neue Erkenntnisstrategie durch, die bis heute (vgl. die moderne Systemtheorie) in Kraft ist.
Am Wissenschaftsprogramm Herbert Spencers (1820-1903)[2] wird nicht nur die triumphalische Renaissance des Evolutionismus sichtbar, sondern auch dessen zentrale Kennzeichen sinnfällig. Spencer hat ein umgreifendes System der Entwicklungsgesetze visiert: Entwicklungsgesetze des anorganischen, des organischen und schließlich des "über-organischen" Lebens. Menschliche Gesellschaften werden zum "über-organischen" Leben gezählt. Spencers Entwurf operiert mit der Analogiebildung zwischen Organismus und Gesellschaft. Derzufolge gelte für Organismen wie für Gesellschaften:
- Gemeinsamkeit des Wachstums;
- Zunahme von Differenzierung und Komplexität;
- fortschreitende Differenzierung der Strukturen[3] im Zuge einer fortschreitenden Auffächerung der Funktionen[4];
- Zunahme von Systembildung durch fortschreitende Differenzierung; d.h. Zunahme der wechselseitigen Abhängigkeit der Einzelelemente.
Spencer konstatiert eine zentrale Differenz zwischen Organismus und Gesellschaft: während auf der Ebene der organischen Systeme das differnziell- funktionale Zusammenwirken der Einzelteile den Bestand und die Erhöhung des Wohls des Ganzen befördere, diene die zunehmende Differenzierung, Systembildung und Komplexitätssteigerung auf der Ebene der "über-organischen" Systeme, also bei der menschlichen Vergesellschaftung, der Steigerung des Wohls des Einzelnen:
"The society exists for the benefit of its members; not its members for the benefit of the society".
Spencer konzeptualisiert ein Paradigma der Individualisierung und dessen Implikat: Soziale Evolution ist gesteuert von Selektions- und Ausleseprozessen. Die Spencersche Version des Evolutionismus hat dazu geführt, den okzidental-imperialen Blick auf die außerokzidentalen Kulturen[5] und Formen der Vergesellschaftung weiter auszuprägen; sinnfällig an Formeln wie "primitive Gesellschaften bzw. Kulturen" oder gar "Naturvölker".
Evolutionistische Konzeptbildungen tendieren zu:
- objektivistischer Sichtweise auf den gesellschaftlichen Lebensprozess. Modell: Beobachtung von außen;
- Linearisierung der Evolution von der anorganischen über die organische bis zur sozialen Evolution;
- Naturalisierung menschlicher Vergesellschaftungsprozesse;
- Paradigmenbildung mit dem Ziel, allgemeine Gesetze zu finden;
- spürbaren deterministischen Denken, das für die Figuration des menschlichen Subjekts und seiner verändernden Praxis kaum Spielraum lässt.
Verweise:
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Darwin
[2] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/spencer/44bio.htm
[3] Siehe Kapitel 3.3.1
[4] Siehe Kapitel 3.3.2
[5] Siehe Kapitel 3.2.2
Nächstes Kapitel: 1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien