Soziale Rolle/Interaktionistisch

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Vorheriges Kapitel: 6.2 Intra- und Interrollenkonflikte

6.3 Soziale Rolle: Interaktionistische Begriffsbestimmung

verfasst von Theresa Fibich und Rudolf Richter

„Unter sozialer Rolle ist eine situationsübergreifende in relevanten Situationen aktualisierte, erlernte Verhaltensfigur zu verstehen, die in der Gesellschaft bekannt und anerkannt ist“ (Bahrdt 2003: 73). Dabei reicht es allerdings nicht nur erlernte Rollen internalisiert zu haben. Die InteraktionspartnerInnen haben zwar auf Grund von Typisierungen Vorstellungen, wie die Situation ablaufen wird (und welche Rollen damit verbunden sind), konkret wissen tun sie das aber im Vorfeld nicht. Bahrdt (2003: 74) bringt folgendes Beispiel: Ein Mann, der einkaufen geht, kann erwarten, dass eine Einkaufssituation dadurch entsteht, dass er sich als Kunde verhält, die Verkäuferin hinter der Theke steht und die Rolle der Verkäuferin übernimmt. Beginnt er mit ihr zu flirten, verändert sich die Situation und damit auch die Rollen, die nun modifiziert werden müssen, selbst wenn die Verkäuferin nicht ihre Rolle der Verkäuferin verlassen möchte (Bahrdt 2003: 74). Rollenerwartungen sind also nicht vollständig, sondern müssen in der konkreten Situation ausverhandelt und womöglich auch modifiziert werden, um weiterhin Sinn zu machen. Es ist daher Interpretationsarbeit notwendig, um ein gelungenes Rollenspiel zu erreichen. Die normative Kraft, wie sie auch im strukturfunktionalistischen Rollenbegriff[1] zu finden ist, geht dabei zwar nicht verloren, rückt aber in den Hintergrund und stellt den dynamischen Charakter des Rollenspiels in den Vordergrund (Bahrdt 2003: 73).

Es könnte der Eindruck entstehen, der Mensch sei ein persönlichkeitsloses Wesen, das nur aus sozialer Rollenübernahme besteht. Dem ist nicht so: Der Mensch begegnet im sozialen Agieren seinem Selbst (Bahrdt 2003: 78), das Produkt sozialer Prozesse ist. Laut George Herbert Mead[2] (1973 [1934]) steht das „Me“ (das ist bei Mead das vergesellschaftlichte Selbst einer Person, also die Summe der gesellschaftlichen Erwartungen, die es erlernt hat) im Balanceakt mit einer individuellen Spontaneität - dem „I“ einer Person. Durch die Veräußerlichung der eigenen Person wird eine Ich- Identität möglich, da sich die Person selbst durch die Außenwelt sieht bzw. von sich selbst distanzieren kann. Das „Me“ konkretisiert sich in Rollenübernahme und ermöglicht so eine Identität abseits davon (Bahrdt 2003: 78f).

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 6.1
[2] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/mead/32bio.htm


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