Theoriegeschichte der Kultur- und Sozialanthropologie/Strukturalismus
Vorheriges Kapitel: 2.4 Der britische Funktionalismus
2.5 Claude Lévi-Strauss und der französische Strukturalismus
verfasst von Wolfgang Kraus und Matthias Reitter
Nach dem 2. Weltkrieg entstand in Frankreich der (anthropologische) Strukturalismus, der auf strukturalistischen Ansätzen in der Sprachwissenschaft aufbaute. Er ist mehr als alle anderen Richtungen das Werk einer einzigen Person. Claude Lévi-Strauss[1] (1908-2009) entwickelte diesen Ansatz praktisch im Alleingang und prägte damit die französische Anthropologie auf Jahrzehnte. Der Strukturalismus wurde von seinen SchülerInnen vor allem in Frankreich weitergeführt und wird von manchen AnthropologInnen bis heute vertreten. Er hatte aber auch außerhalb Frankreichs eine große Wirkung.
Der Strukturalismus ist klar universalistisch ausgerichtet. Er fragt nach universalen Grundstrukturen des menschlichen Denkens, die eine strukturalistische Analyse hinter den empirischen Phänomenen erkennen kann. Als Material für eine solche Analyse dienten durchaus partikulare kulturelle Erscheinungsformen wie z.B. die Gesichts-Tattoos der Maori, die Lévi-Strauss (1978: 267ff.) mit Malereien von der amerikanischen Nordwestküste und Gesichtsbemalungen aus Brasilien verglich, um ihre gemeinsame formale Logik aufzudecken. Andere Themen, anhand derer Lévi-Strauss die Strukturen des ordnenden menschlichen Denkens verfolgte, waren etwa Verwandtschaft, Totemismus und das weite Feld der Mythologie[2].
Mit seiner anti-empiristischen Grundhaltung formulierte der Strukturalismus eine wichtige Gegenposition zum Funktionalismus[3]. Er wurde in den 1960er Jahren von einzelnen britischen AnthropologInnen wie Edmund Leach[4] rezipiert und gab einen wesentlichen kritischen Impuls in der Abwendung vom Funktionalismus.
Verweise:
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Claude_L%C3%A9vi-Strauss
[2] Siehe Kapitel 3.7
[3] Siehe Kapitel 2.4
[4] http://en.wikipedia.org/wiki/Edmund_Leach
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