Difference between revisions of "Der Prozess der Datenerhebung"

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==5.1 Strategien der Datenerhebung==
 
 
<p>Die <b>Strategien der Datenerhebung</b> in der qualitativen Sozialforschung beruhen im Normalfall auf  <b>spezifischen und gezielten Anwendungen von Verfahren</b>, die wir tagt&auml;glich einsetzen, um  uns in unserer sozialen Umwelt zu orientieren und zurechtzufinden sowie Informationen &uuml;ber sie in  Erfahrung zu bringen. Solche Strategien sind zum Beispiel Beobachten, Befragen, Diskutieren,  gezieltes Lesen und Experimentieren.</p>
 
<p>Im Gegensatz zum Alltag werden in der empirischen Sozialforschung solche Verfahren einerseits  bewusst und gezielt eingesetzt, andererseits wurden innerhalb der Bereiche von Beobachtung, Befragung, <b>Gruppendiskussion[1]</b>,  Experiment und Textanalyse unterschiedliche methodische  Strategien entwickelt und normiert.</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.2 Einzel- vs. Gruppeninterviews/Diskussionen|[1] Siehe Kapitel 5.1.2.1.2]]<br />
 
 
==Inhalt==
 
<div class="eksa_toc">
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung#5. Der Prozess der Datenerhebung|5. Der Prozess der Datenerhebung]]<br/>
 
:[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1 Strategien der Datenerhebung|5.1 Strategien der Datenerhebung]]<br/>
 
::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.1 Formen der Beobachtung|5.1.1 Formen der Beobachtung]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.1.1 Standardisierte Formen der Beobachtung|5.1.1.1 Standardisierte Formen der Beobachtung]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.1.1.1 Nicht standardisierte Formen der Beobachtung|5.1.1.1.1 Nicht standardisierte Formen der Beobachtung]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.1.2 Teilnehmende und nicht teilnehmende Beobachtung|5.1.1.2 Teilnehmende und nicht teilnehmende Beobachtung]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.1.2.1 Beobachtungsrollen|5.1.1.2.1 Beobachtungsrollen]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.1.3 Direkte und indirekte Beobachtung|5.1.1.3 Direkte und indirekte Beobachtung]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.1.4 Offene und verdeckte Beobachtung|5.1.1.4 Offene und verdeckte Beobachtung]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.1.5 Literatur|5.1.1.5 Literatur]]<br/>
 
::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2 Formen von Befragungen|5.1.2 Formen von Befragungen]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1 Unterscheidungskriterien qualitativer Interviews|5.1.2.1 Unterscheidungskriterien qualitativer Interviews]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.1 Strukturierung|5.1.2.1.1 Strukturierung]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.2 Einzel- vs. Gruppeninterviews/Diskussionen|5.1.2.1.2 Einzel- vs. Gruppeninterviews/Diskussionen]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.3 Form und Medium der Befragung|5.1.2.1.3 Form und Medium der Befragung]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.4 Stil der Kommunikation|5.1.2.1.4 Stil der Kommunikation]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.5 Frageformen|5.1.2.1.5 Frageformen]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.6 Zielsetzung|5.1.2.1.6 Zielsetzung]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2 Beispiele für qualitative Interviewverfahren<5.1.2.2 Beispiele für qualitative Interviewverfahren]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.1 Biographische Interviews|5.1.2.2.1 Biographische Interviews]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.2 Formen informeller Gespräche|5.1.2.2.2 Formen informeller Gespräche]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.2.1 Das rezeptive Interview|5.1.2.2.2.1 Das rezeptive Interview]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.2.2 Das ero-epische Gespräch|5.1.2.2.2.2 Das ero-epische Gespräch]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.3 Formen formeller Interviews|5.1.2.2.3 Formen formeller Interviews]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.3.1 Das ExpertInneninterview|5.1.2.2.3.1 Das ExpertInneninterview]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.3.2 Das problemzentrierte Interview|5.1.2.2.3.2 Das problemzentrierte Interview]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.3.3 Das narrative Interview|5.1.2.2.3.3 Das narrative Interview]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.4 Das ethnographische Interview|5.1.2.2.4 Das ethnographische Interview]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.3 Formen der Transkription von qualitativen Interviews|5.1.2.3 Formen der Transkription von qualitativen Interviews]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.4 Literatur zum Thema Befragungen|5.1.2.4 Literatur zum Thema Befragungen]]<br/>
 
::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.3 Methodentriangulation|5.1.3 Methodentriangulation]]<br/>
 
</div>
 
 
==5.1.1 Formen der Beobachtung==
 
 
<p>Die Beobachtung ist ein Akt der <b>Kenntnisnahme eines Ph&auml;nomens </b>und des Sicherns von  Eindr&uuml;cken und Kenntnissen f&uuml;r wissenschaftliche oder andere Zwecke. Diese Kenntnisnahme  kann auf Basis aller <b>menschlichen Sinne</b> (Sehen, H&ouml;ren, Riechen, Tasten, Schmecken) erfolgen,  aber auch mittels <b>technischer Hilfsmittel</b> wie Photographie, Audio- und Videoaufzeichnungen.</p>
 
<p>Es k&ouml;nnen <b>unterschiedliche Formen der Beobachtung</b> unterschieden werden:</p>
 
<ul>
 
    <li>standardisierte vs. nicht standardisierte Beobachtung</li>
 
    <li>offene vs. verdeckte Beobachtung</li>
 
    <li>teilnehmende vs. nicht teilnehmende Beobachtung</li>
 
    <li>direkte vs. indirekte Beobachtung</li>
 
</ul>
 
<p> </p>
 
===5.1.1.1 Standardisierte Formen der Beobachtung===
 
 
<p>Wie auch bei anderen Datenerhebungsverfahren (z.B. <b>Befragung[1]</b>) kann Beobachtung sowohl  standardisiert, wie nicht standardisiert durchgef&uuml;hrt werden.</p>
 
<p>Bei einer <b>standardisierten Beobachtung</b> werden im Vorfeld der Beobachtung die <b>relevanten  Indikatoren und Kriterien festgelegt</b> und diese in Form von Beobachtungsb&ouml;gen (z.B. Beobachtungsbogen zur Erstellung eines <b>Entwicklungsprofils von Kindern[2]</b>), die bei der  Datenerhebung zum Einsatz kommen, verschriftlicht. Standardisierte Beobachtung kommt vor  allem im Rahmen der quantitativen Forschung zum Einsatz.</p>
 
<p>Innerhalb der ethnographischen Methoden kommen hingegen zumeist nicht standardisierte Formen  der Beobachtung zum Einsatz.</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2 Formen von Befragungen|[1] Siehe Kapitel 5.1.2]]<br />
 
[2] https://www.datenschutzzentrum.de/uploads/kita/beobachtungsbogen.pdf<br />
 
 
----
 
====5.1.1.1.1 Nicht standardisierte Formen der Beobachtung====
 
 
<p>Nicht standardisierte Formen der Beobachtung finden im <b>nat&uuml;rlichen Kontext </b>der  alltagsweltlichen Ereignisse <b>ohne Einschr&auml;nkung </b>durch vorgefertigte Kategorien, Indikatoren oder  spezifisch inszenierte Beobachtungsarrangements wie bei standardisierter Beobachtung,  Experimenten oder Labor-Studien statt.</p>
 
<p>Im Rahmen der <b>ethnographischen Feldforschung[1]</b>  werden nicht standardisierte Formen der  Beobachtung dazu eingesetzt, um die lebensweltlichen Konzepte, Erfahrungen und Strategien von  AkteurInnen im Feld kennen und nachvollziehen zu lernen und <b>deskriptiv dokumentieren[2]</b>  zu k&ouml;nnen.</p>
 
<p>Obwohl diese Form der Beobachtung offen und nicht standardisiert ist, so &auml;ndert sich im Laufe der  Feldforschung das Ausma&szlig; der <b>Fokussierung der Beobachtung</b>. </p>
 
<p>So unterscheiden etwa Adler und Adler (1998: 87)</p>
 
<ul>
 
    <li>Anfangsbeobachtungen</li>
 
    <li>fokussierte Beobachtungen</li>
 
    <li>und selektive Beobachtungen.</li>
 
</ul>
 
<p>Die <b>Anfangsbeobachtung</b> ist prim&auml;r <b>deskriptiv, unfokussiert und generell</b> orientiert. Sie  orientiert sich an allgemeinen Fragestellungen und der/die ForscherIn versucht sich in dieser Phase  eine erste <b>Grundorientierung im Feld </b>zu verschaffen.</p>
 
<p>Wenn man mit dem Feld vertrauter ist und zentrale soziale Gruppen und/oder Personen identifiziert  hat, geht man im Normalfall zu einer <b>fokussierten Beobachtung</b> &uuml;ber. Das hei&szlig;t, um bestimmte  Ph&auml;nomene besser zu verstehen richtet man die Aufmerksamkeit auf einen <b>begrenzteren  Ausschnitt des Feldes</b> um ein tieferes Verst&auml;ndnis von diesem zu erlangen. Im Bezug auf eine  bestimmte Gruppe von Personen kann dies bedeuten, dass man im Detail verstehen und  beschreiben will, wie sie sich verhalten, R&auml;umlichkeiten n&uuml;tzen, Gef&uuml;hle ausdr&uuml;cken, welche  Strukturen sie im Umgang miteinander ausbilden, wie sie die Welt wahrnehmen und ihr gegen&uuml;ber  handeln etc.</p>
 
<p>Auf Basis solcher Beobachtungen werden sich Grundannahmen des/der ForscherIn ver&auml;ndern,  er/sie wird <b>neue Hypothesen</b> f&uuml;r das Verst&auml;ndnis des Feldes generieren, welche schlie&szlig;lich in  <b>selektiven Beobachtungen </b>genauer &uuml;berpr&uuml;ft und verfeinert werden. Die Selektivit&auml;t dieser  Beobachtung besteht also in ihrem Bezug auf expliziten Annahmen und <b>Hypothesen[3]</b> und nicht  unbedingt in einer noch engeren Fokussierung auf begrenzte Teilausschnitte des Feldes.</p>
 
<p>In dieser Phase kann es vielmehr auch darum gehen, Annahmen &uuml;ber Beziehungen zwischen  einzelnen Teilbereichen des Feldes ethnographisch zu &uuml;berpr&uuml;fen und dokumentieren.</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2 Ethnographie als Prozess der Datenerhebung|[1] Siehe Kapitel 5.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3 Wie schreibt man Feldnotizen?|[2] Siehe Kapitel 5.2.3]]<br />
 
[http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/ksamethoden/ksamethoden-49.html &#91;3&#93; http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/ksamethoden/ksamethoden-49.html]<br />
 
 
===5.1.1.2 Teilnehmende und nicht teilnehmende Beobachtung===
 
 
<p>Die Unterscheidung zwischen teilnehmender und nicht teilnehmender Beobachtung bezieht sich  auf die <b>Rolle des/der ForscherIn</b> im Feld und das <b>Ausma&szlig; seiner/ihrer Involviertheit</b> in die  dort stattfindenden Aktivit&auml;ten. Diese Unterscheidung ist nicht als dichotome Differenz zu  verstehen, vielmehr handelt es sich um ein Kontinuum, dessen Endpunkte einerseits die reine  Beobachtung und andererseits die v&ouml;llige Teilnahme darstellen.</p>
 
<p>Als ForscherIn kann man also unterschiedliche Beobachtungsrollen einnehmen und diese im Laufe  der Feldforschung auch ver&auml;ndern. &Uuml;blicherweise wechseln sich im Verlauf einer Feldforschung  Phasen der intensiven Teilnahme mit solchen der distanzierteren Beobachtung der Vorkommnisse  im Feld ab.</p>
 
----
 
====5.1.1.2.1 Beobachtungsrollen====
 
 
<p>&Uuml;blicherweise nimmt man im Laufe einer Feldforschung<b> zu unterschiedlichen Zeitpunkten  unterschiedliche Rollen</b> ein:</p>
 
<ul>
 
    <li>v&ouml;llige Teilnahme</li>
 
    <li>teilnehmende Beobachtung</li>
 
    <li>beobachtende Teilnahme</li>
 
    <li>nicht teilnehmende Beobachtung</li>
 
</ul>
 
<p>Gerade aus diesem Rollenwechsel zwischen distanzierter Betrachtung und Reflexion und dem  Aufgehen im Feld als lokale/r AkteurIn (going native) entsteht ein umfassendes und vielschichtiges  Bild des untersuchten Feldes.</p>
 
<p>Aus der Sicht ethnographischer Feldforschung sind Beobachtungen, die <b>ausschlie&szlig;lich auf nicht  teilnehmender Beobachtung</b> oder auf <b>v&ouml;lliger Teilnahme</b> beruhen, <b>problematisch</b>.</p>
 
<p>Ausschlie&szlig;lich nicht teilnehmende Beobachtung bedeutet keinerlei direkten Kontakt, emotionale  Beziehungen und pers&ouml;nliche Auseinandersetzungen mit den Personen im Feld einzugehen. Dies  hat im Normalfall ein <b>Festhalten an eigenen Beobachtungskategorien</b> zur Folge, wobei  Chancen f&uuml;r deren interaktive &Uuml;berpr&uuml;fung und Revidierung in direkter Auseinandersetzung mit den  Personen im Feld ungenutzt bleiben.</p>
 
<p>Im Gegensatz dazu birgt die <b>v&ouml;llige Teilnahme</b> ohne Wechsel in andere Rollen die Gefahr in  sich, dass es zwar zu intensivem direktem Kontakt, emotionalen Beziehungen und pers&ouml;nlichen  Auseinadersetzungen kommt, diese aber &uuml;ber die Ebene oft nicht weiter reflektierter, pers&ouml;nlicher  Erfahrungen nicht hinaus gehen. Eine dauerhafte v&ouml;llige Teilnahme ohne <b>systematische (Selbst-)Beobachtung</b> schlie&szlig;t auch aus, dass es zu einer Transformation von gemachten Erfahrungen in  analysierbare Daten kommt. Damit w&auml;re eine zentrale Grundlage der ethnographischen  Feldforschung als Datenerhebungsstrategie nicht gew&auml;hrleistet.  </p>
 
===5.1.1.3 Direkte und indirekte Beobachtung===
 
 
<p>W&auml;hrend sich die Unterscheidung von <b>teilnehmender und nicht teilnehmender Beobachtung[1]</b>  auf das  Ausma&szlig; der Involviertheit des/der ForscherIn im Feld bezieht, geht es bei der Unterscheidung  zwischen direkter und indirekter Beobachtung um die Frage, ob der/die ForscherIn w&auml;hrend der  Beobachtung auch f&uuml;r die Beobachteten wahrnehmbar und pr&auml;sent ist. Bei <b>indirekter  Beobachtung</b> ist eine solche <b>wahrnehmbare Pr&auml;senz nicht gegeben</b>. Dies ist z.B. in  Laborversuchen der Fall oder aber bei Beobachtungen via Audio- bzw. Video&uuml;bertragungen bzw.  von - Aufzeichnungen. Im Normalfall ist eine<b> indirekte</b> also eine <b>nicht teilnehmende</b>  Beobachtung.</p>
 
<p>Im Rahmen ethnographischer Feldforschung haben wir es im Normalfall mit <b>direkten  Beobachtungen</b> zu tun.</p>
 
<p>Unter Bedingungen neuer technischer M&ouml;glichkeiten und Kommunikationsmedien besteht die  M&ouml;glichkeit, dass sich dieses Verh&auml;ltnis im Rahmen der Cyber- und Media Anthropology auch  anders gestaltet.</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.1.2 Teilnehmende und nicht teilnehmende Beobachtung|[1] Siehe Kapitel 5.1.1.2]]<br />
 
 
===5.1.1.4 Offene und verdeckte Beobachtung===
 
 
<p>Die Unterscheidung zwischen offener und verdeckter Beobachtung bezieht sich auf die  <b>Offenlegung der Rolle des/der ForscherIn</b>. Bei verdeckter Beobachtung sind die Beobachteten  nicht &uuml;ber die Forschungst&auml;tigkeit aufgekl&auml;rt. In wieweit verdeckte Beobachtung legitim ist, ist eine  forschungsethische Frage und h&auml;ngt vom Untersuchungsgegenstand ab. Wenn man sich z.B. der  ethnographischen Erforschung &ouml;ffentlicher Pl&auml;tze widmet, wird und kann die Beobachtung nicht  durchgehend offen erfolgen. Als sensible/r ForscherIn sollte man sich aber bewusst sein, dass die  Grenze zwischen &ouml;ffentlich und privat kulturell unterschiedlich gezogen wird und innerhalb  &ouml;ffentlicher R&auml;ume auch private bzw. intime &quot;Bereichsblasen&quot; (Lofland 1994) geschaffen werden.</p>
 
<p>Jenseits der Unterscheidung von offener und verdeckter Beobachtung stellt sich insbesondere im  Rahmen der ethnographischen Feldforschung die Frage der Informationspolitik gegen&uuml;ber den  Beforschten, deren Zustimmung und M&ouml;glichkeiten zur Mitbestimmung, das hei&szlig;t zur Partizipation  und aktiven Mitgestaltung des Forschungsprozesses.</p>
 
===5.1.1.5 Literatur===
 
 
<p>Lofland, L. (1994) Observations and observers conflict: Field research in the public realm. In S.  Cahill &amp; l. Lofland (Hg.), <i>The community of the streets</i>. Greenwich, CT: JAI.</p>
 
<p>Adler, Patricia A. und Peter Adler (1998) Observational Techniques. In: Denzin, Norman K. &amp;  Yvonna S. Lincoln (Hg.): <i>Handbook of Qualitative Research</i>. Sage: London, S. 377-392.</p>
 
==5.1.2 Formen von Befragungen==
 
 
<p>Grundlage einer Befragung ist mittels <b>sprachlicher</b> <b>Interventionen</b> (m&uuml;ndlich bzw. schriftlich)  <b>Reaktionen bei den Interviewten</b> auszul&ouml;sen, mit dem Ziel, bestimmte <b>inhaltlich thematische  Angaben und Informationen</b> zu gewinnen.</p>
 
<p>In der sozialwissenschaftlichen Methodenliteratur wird eine enorme Vielfalt unterschiedlicher  <b>Befragungstechniken bzw. Interviewarten[1]</b>  unterschieden. Zentrale Dimensionen, die diesen  verschiedenen Befragungsarten zu Grunde liegen, sind:</p>
 
<ul>
 
    <li>Art und Ausma&szlig; der <b>Standardisierung[2]</b></li>
 
    <li><b>Stil der Kommunikation [3]</b></li>
 
    <li><b>Einzel- vs. Gruppeninterview[4]</b></li>
 
    <li><b>Form und Medium[5]</b>  der Kommunikation</li>
 
    <li><b>Zielsetzung[6]</b>  des Interviews</li>
 
</ul>
 
 
<p>Die meisten der in der Literatur unterschiedenen Interviewarten beziehen sich zumindest auf eine  der genannten Dimensionen. So verweisen Begriffe wie <b>offenes, teilstandardisiertes </b>oder<b>  standardisiertes Interview</b> auf die erste der oben genannten Dimensionen. Die Unterscheidung  von <b>harten, neutralen und weichen Interviews</b> bezieht sich auf den Stil der Kommunikation,  w&auml;hrend sich z.B. <b>m&uuml;ndliche, schriftliche, postalische, telefonische </b>und<b>  face-to-face  Interviews</b> auf die Form und das verwendete Medium der Kommunikation beziehen. Die  Zielsetzungen von Befragungen k&ouml;nnen sich auf die quantitative Feststellung <b>empirischer Varianz</b>  oder das verstehende <b>Nachvollziehen lebensweltlicher Zusammenh&auml;nge</b> beziehen. Etliche  Interviewarten definieren sich nicht nur in Bezug auf eine dieser Dimensionen, sondern kombinieren  spezifische Auspr&auml;gungen dieser Dimensionen.</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2 Beispiele für qualitative Interviewverfahren|[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.1 Strukturierung|[2] Siehe Kapitel 5.1.2.1.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.4 Stil der Kommunikation|[3] Siehe Kapitel 5.1.2.1.4]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.2 Einzel- vs. Gruppeninterviews/Diskussionen|[4] Siehe Kapitel 5.1.2.1.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.3 Form und Medium der Befragung|[5] Siehe Kapitel 5.1.2.1.3]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.6 Zielsetzung|[6] Siehe Kapitel 5.1.2.1.6]]<br />
 
 
===5.1.2.1 Unterscheidungskriterien qualitativer Interviews===
 
 
<p>Qualitative Interviews k&ouml;nnen nach <b>verschiedenen Kriterien </b>unterschieden werden. Dazu z&auml;hlen  insbesondere:</p>
 
<ul>
 
    <li>das <strong>Ausma&szlig; der Standardisierung</strong> (Strukturierung),</li>
 
    <li>die Frage ob eine oder mehrere Personen gleichzeitig interviewt werden (<strong>Einzel- vs.  Gruppeninterview</strong>),</li>
 
    <li>ob die Befragung <strong>m&uuml;ndlich </strong>und<strong> face-to-face</strong> oder <strong>technisch vermittelt</strong> und <strong>schriftlich</strong>  durchgef&uuml;hrt wird (<strong>Form und Medium der Kommunikation</strong>),</li>
 
    <li><strong>Stil der Kommunikation</strong>,</li>
 
    <li>die <strong>Frageform</strong> und</li>
 
    <li>die<strong> Zielsetzung des Interviews</strong>.</li>
 
</ul>
 
----
 
====5.1.2.1.1 Strukturierung====
 
 
<p>Befragungen k&ouml;nnen in unterschiedlichem Ausma&szlig; strukturiert sein. So kann man aus der Sicht  des/der InterviewerIn</p>
 
<ul>
 
    <li><b>informelle Gespr&auml;che</b></li>
 
    <li><b>nichtstrukturierte</b></li>
 
    <li><b>teilsturkturierte</b></li>
 
    <li>und<b> vollstrukturierte Interviews</b> unterscheiden.</li>
 
</ul>
 
<p>Je weniger eine Befragung von dem/der InterviewerIn vorstrukturiert ist, desto mehr  Strukturierungsm&ouml;glichkeiten werden im Zuge der Befragung dem/der Interviewten einger&auml;umt.</p>
 
<p>An einem Ende des Kontinuums befinden sich<b> vollstrukturierte schriftliche Frageb&ouml;gen mit  geschlossenen Fragen</b>, das hei&szlig;t vorgegebenen Antwortkategorien. Der Freiheit des/der  Interviewten eigene Ideen, Themen oder Ansichten einzubringen und &uuml;ber diese in eigenen  Kategorien zu berichten wird hier kein Platz einger&auml;umt. Diese Art der vollstandardisierten  Befragung kommt in gro&szlig; angelegten Untersuchungen im Rahmen der quantitativen  Sozialforschung zum Einsatz.</p>
 
<p>Am anderen Ende des Kontinuums befinden sich <b>informelle Interviews bzw. Gespr&auml;che[1]</b>,  die sich  v&ouml;llig <b>unstrukturiert und zuf&auml;llig</b> in unterschiedlichen sozialen Feldern ergeben. Daf&uuml;r werden in  der Literatur unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet. Bernard (2002: 204) spricht vom  informellen Interviewen, Lamnek (2005) vom <b>rezeptiven Interview[2]</b>  und Girtler (2001) vom <b>ero-epischen Gespr&auml;ch[3]</b>. Da diese Gespr&auml;che in keinem speziell vereinbarten Rahmen (Zeitpunkt, Ort des Interviews) stattfinden und die Gespr&auml;chspartnerInnen die Situation nicht immer als  Forschungssituation wahrnehmen, handelt es sich um ungeplant stattfindende Gespr&auml;che im Zuge  der ethnographischen Feldforschung. Eine Strategie, informelle freundschaftliche Gespr&auml;che in  formelle Interviews zu transformieren, stellt das <b>ethnographische Interview[4]</b>  nach Spradley (1979) dar.</p>
 
<p>Im Gegensatz zu diesen ungeplanten Befragungen, empfiehlt es sich, bei <b>geplanten und  vereinbarten Befragungen</b> von Interviews zu sprechen. Diese k&ouml;nnen in unterschiedlichem  Ausma&szlig; und nach unterschiedlichen Kriterien strukturiert sein. Das betrifft das Ausma&szlig; der  Fokussierung auf einen bestimmten Themenbereich, die Anzahl im Vorfeld explizierter Fragen, die  Abfolge dieser Fragen und die Offenheit bzw. Geschlossenheit der Antwortm&ouml;glichkeiten. Bei  unstrukturierten offenen und/oder <b>narrativen Interviews[5]</b>  beschr&auml;nkt sich die Standardisierung auf die<b>  Festlegung eines Themas</b> und die <b>Formulierung eines Eingangsstatements</b>, welches den/die  Interviewte/n auffordert zu erz&auml;hlen. Im weiteren Interviewverlauf werden von dem/der InterviewerIn  Interventionen gesetzt, die den Fortgang des Erz&auml;hlflusses unterst&uuml;tzen, zu weiteren  Spezifizierungen auffordern, etc. Es ist aber der/die Interviewte, welcheR die Strukturierung der  Erz&auml;hlung vornimmt. </p>
 
<p>Bei <strong>teilstrukturierten Interviews</strong> bedient man sich eines Interviewleitfadens, der die Fragen, nicht  aber die Antwortm&ouml;glichkeiten vorgibt. Auch beim Einsatz eines Interviewleitfadens kann in  unterschiedlichem Ausma&szlig; strukturiert bzw. unstrukturiert erfolgen. In seiner unstrukturiertesten  Anwendungsweise stellt der Leitfaden nur einen Pool von Fragen zur Verf&uuml;gung, die nach  M&ouml;glichkeit gestellt werden sollen. In einer strukturierteren Form m&uuml;ssen zumindest alle Fragen  des Leitfadens gestellt werden und in der strukturiertesten Form m&uuml;ssen nicht nur alle Fragen des  Leitfadens gestellt werden, sondern auch eine vom Leitfaden vorgegebene Abfolge der Fragen muss  eingehalten werden.</p>
 
<p>In der qualitativen Sozialforschung kommen Fragen mit bereits im Vorfeld definierten  Antwortkategorien kaum zum Einsatz.</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.2 Formen informeller Gespräche|[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.2.1 Das rezeptive Interview|[2] Siehe Kapitel 5.1.2.2.2.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.2.2 Das ero-epische Gespräch|[3] Siehe Kapitel 5.1.2.2.2.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.4 Das ethnographische Interview|[4] Siehe Kapitel 5.1.2.2.4]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.3.3 Das narrative Interview|[5] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.3]]<br />
 
 
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====5.1.2.1.2 Einzel- vs. Gruppeninterviews/Diskussionen====
 
 
<p>Mittels qualitativer Befragungen k&ouml;nnen sowohl Einzelpersonen wie auch Gruppen untersucht  werden. In Feldforschungssituationen ist diese Trennung nicht immer leicht herzustellen. Wenn  man ganz gezielt <b>Einzelinterviews</b> f&uuml;hren will, sollte man gew&auml;hrleisten, dass diese <b>au&szlig;erhalb  des &uuml;blichen sozialen Umfeldes</b> (Familie, Freunde, etc.) stattfinden. Gr&uuml;nde, die f&uuml;r ein solches  Vorgehen sprechen, k&ouml;nnen sein:</p>
 
<ul>
 
    <li>dass man die <b>pers&ouml;nliche Meinung</b> eines/r Befragten jenseits eines sozialen Gruppendrucks  erkunden will.</li>
 
    <li>Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn man bestimmte Personengruppen (Frauen,  Jugendliche, Kinder,...) befragen will, denen auf Grund existierender<b> soziokultureller  Hierarchien</b> die Kompetenz abgesprochen wird, zu einem bestimmten Thema ihre Meinung  zu &auml;u&szlig;ern.</li>
 
</ul>
 
<p> </p>
 
<p>Gegen eine streng individualisierte Befragung spricht jedoch, dass der nat&uuml;rliche lebensweltliche  soziale Kontext, der selbst eine reichhaltige Informationsquelle darstellt, verloren geht. Bei  <b>Gruppenbefragungen</b> werden immer auch die <b>soziale Dynamik </b>und die<b> sozialen  Beziehungen innerhalb der Gruppe </b>unabh&auml;ngig vom spezifischen Thema der Befragung  sichtbar. Es ist auch zu beachten, dass sich Meinungen, Einstellungen und Orientierungen oft erst  situativ innerhalb des von dem/der ForscherIn initiierten Gruppendiskussionskontextes  herausbilden. Die Kultur- und Sozialanthropologie versucht Gruppeninterviews und  Gruppendiskussionen zumeist <b>innerhalb nat&uuml;rlich vorkommender sozialer Gebilde</b> (Vereine,  Kooperativen, Familien, Freundeskreisen, etc.) durchzuf&uuml;hren und damit die kollektiv verankerten  Orientierungen dieser Gruppe zu ergr&uuml;nden. Im Gegensatz dazu stehen Verfahren, die solche  Gruppen nach bestimmten vorher festgelegten Kriterien zusammensetzen, wie dies etwa bei  <b>Fokusgruppen[1]</b>  der Fall ist.</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[1] http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/591<br />
 
 
----
 
====5.1.2.1.3 Form und Medium der Befragung====
 
 
<p>Die Form der Befragung kann <b>schriftlich </b>oder <b>m&uuml;ndlich</b> erfolgen und sich dabei  <b>unterschiedlicher Medien</b> bedienen.</p>
 
<p>M&uuml;ndliche Befragungen k&ouml;nnen in <b>face-to-face Interaktionen</b> durchgef&uuml;hrt werden, es kann sich  aber auch um <b>technisch vermittelte Befragungen </b>wie Telefoninterviews oder Interviews via  Internet und Webcams handeln. Das hei&szlig;t, qualitative m&uuml;ndliche Befragungen beruhen auf  r&auml;umlicher oder virtueller Kopr&auml;senz, die eine <b>unmittelbare gegenseitige Wahrnehmbarkeit</b>  des/der Interviewten und des/der InterviewerIn erm&ouml;glichen.</p>
 
<p>Nicht- oder teilstrukturierte <b>schriftliche Befragungen</b> k&ouml;nnen innerhalb der qualitativen  Sozialforschung sowohl <b>asynchron</b> z.B. in Form von Briefen, e-Mails, oder Diskussionsforen, wie  auch <b>synchron </b>in Form von Chats zum Einsatz kommen.</p>
 
----
 
====5.1.2.1.4 Stil der Kommunikation====
 
 
<p>Man kann Interviews auch nach dem Stil der Kommunikation, also nach dem Interviewerverhalten  unterscheiden.</p>
 
<p>Lamnek (2005: 343f) unterscheidet etwa</p>
 
<ul>
 
    <li><b>weiche</b>,</li>
 
    <li><b>harte</b></li>
 
    <li>und <b>neutrale Interviews</b></li>
 
</ul>
 
<p>und stellt gleichzeitig fest, dass die in der qualitativen Sozialforschung anwendbare Methode &bdquo;nur  die weichen bis neutralen Interviews&ldquo; umfasst. W&auml;hrend das <b>neutrale Interview </b>&bdquo;den  unpers&ouml;nlich-sachlichen Charakter der Befragung, die Einmaligkeit der Kommunikation und die<b>  soziale Distanz zwischen den Befragungspartnern</b> betont&ldquo; (Koolwijk 1994: 17 zit. nach  Lamnek 2005: 344), versucht das <b>weiche Interview </b>&bdquo;das sympathisierende Verst&auml;ndnis f&uuml;r die  spezielle Situation des Befragten zum Ausdruck zu bringen&ldquo; (ebd.: 343) und ein  <b>Vertrauensverh&auml;ltnis zum/zur Befragten </b>zu entwickeln (siehe auch Bernard 1998: 346). </p>
 
----
 
====5.1.2.1.5 Frageformen====
 
 
<p>W&auml;hrend in der <b>quantitativen Sozialforschung</b> vorwiegend <b>geschlossene Fragen</b> mit  <b>vorgegebenen Antwortkategorien</b> Verwendung finden, ist der Interviewverlauf innerhalb der  <b>qualitativen Sozialforschung</b> durch die Verwendung <b>offener Fragen</b> charakterisiert. Offene  Fragen geben <b>keine Antwortm&ouml;glichkeiten</b> vor und lassen dem/der Befragten gr&ouml;&szlig;eren  Spielraum mittels eigener Formulierungen, Fakten und  illustrativen Beispielen die f&uuml;r ihn/sie  relevanten Bedeutungszusammenh&auml;nge darzustellen. Bei offenen, unstrukturierten Befragungen,  die wie z.B. das <b>narrative Interview[1]</b> darauf abzielen, Erz&auml;hlungen zu generieren, beschr&auml;nken sich  die Interventionen des/der InterviewerIn auf so genannte erz&auml;hlungsgenerierende Einstiegsfragen  und auf Interesse und Aufmerksamkeit signalisierende &Auml;u&szlig;erungen, die den <b>Erz&auml;hlfluss  stimulieren</b> und aufrechterhalten, aber auch weitere Explikationen anregen sollen.</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.3.3 Das narrative Interview|[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.3]]<br />
 
 
----
 
====5.1.2.1.6 Zielsetzung====
 
 
<p>W&auml;hrend in der <b>quantitativen Sozialforschung</b> das Ziel der Befragung die <b>Feststellung der  H&auml;ufigkeit</b> empirischer Auspr&auml;gungen an Hand vordefinierter Indikatoren und Fragestellungen ist,  wird in der <b>qualitativen Forschung</b> das Ziel verfolgt, die <b>Lebenswelten, Sichtweisen und die  emischen Kategorien</b> der Interviewten verstehend zu erschlie&szlig;en.</p>
 
===5.1.2.2 Beispiele für qualitative Interviewverfahren===
 
 
<p>In der sozialwissenschaftlichen und insbesondere soziologischen Methodenliteratur findet sich ein  Wildwuchs unterschiedlicher Interviewarten, von denen hier ohne Anspruch auf Vollst&auml;ndigkeit  exemplarisch einige genannt werden sollen:</p>
 
<ul>
 
    <li><b>ExpertInneninterview[1]</b></li>
 
    <li>ethnographisches Interview</li>
 
    <li>diskursives Interview</li>
 
    <li>episodisches Interview</li>
 
    <li>evaluatives Interview</li>
 
    <li>fokussiertes Interview</li>
 
    <li><b>problemzentriertes Interview[2]</b></li>
 
    <li><b>narratives Interview[3]</b></li>
 
    <li>biografisches Interview</li>
 
    <li>informatorisches Interview</li>
 
    <li>analytisches Interview</li>
 
    <li>diagnostisches Interview</li>
 
    <li>klinisches Interview</li>
 
    <li>Struktur- oder Dilemmainterview</li>
 
    <li><b>rezeptives Interview[4]</b></li>
 
    <li>assoziatives Interview</li>
 
    <li><b>ero-episches Gespr&auml;ch[5]</b></li>
 
    <li>Tiefeninterview</li>
 
    <li>ermittelndes Interview</li>
 
    <li>freies Interview</li>
 
    <li>gelenktes Interview</li>
 
    <li><b>halbstandardisiertes Interview[6]</b></li>
 
    <li><b>hartes Interview[7]</b></li>
 
    <li>individuelles Interview</li>
 
    <li><b>neutrales Interview[8]</b></li>
 
    <li><b>offenes Interview[9]</b></li>
 
    <li>pers&ouml;nliches Interview</li>
 
    <li>postalisches Interview</li>
 
    <li><b>schriftliches Interview[10]</b></li>
 
    <li><b>standardisiertes Interview[11]</b></li>
 
    <li><b>strukturiertes Interview[12]</b></li>
 
    <li><b>unstrukturiertes Interview[13]</b></li>
 
    <li><b>telefonisches Interview[14]</b></li>
 
    <li><b>weiches Interview[15]</b></li>
 
    <li>zentriertes Interview</li>
 
</ul>
 
<p> </p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.3.1 Das ExpertInneninterview|[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.3.2 Das problemzentrierte Interview|[2] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.3.3 Das narrative Interview|[3] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.3]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.2.1 Das rezeptive Interview|[4] Siehe Kapitel 5.1.2.2.2.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.2.2 Das ero-epische Gespräch|[5] Siehe Kapitel 5.1.2.2.2.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.5 Frageformen|[6] Siehe Kapitel 5.1.2.1.5]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.4 Stil der Kommunikation|[7] Siehe Kapitel 5.1.2.1.4]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.4 Stil der Kommunikation|[8] Siehe Kapitel 5.1.2.1.4]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.5 Frageformen|[9] Siehe Kapitel 5.1.2.1.5]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.3 Form und Medium der Befragung|[10] Siehe Kapitel 5.1.2.1.3]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.5 Frageformen|[11] Siehe Kapitel 5.1.2.1.5]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.1 Strukturierung|[12] Siehe Kapitel 5.1.2.1.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.1 Strukturierung|[13] Siehe Kapitel 5.1.2.1.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.3 Form und Medium der Befragung|[14] Siehe Kapitel 5.1.2.1.3]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.4 Stil der Kommunikation|[15] Siehe Kapitel 5.1.2.1.4]]<br />
 
 
----
 
====5.1.2.2.1 Biographische Interviews====
 
 
<p><b>Literaturhinweise:</b></p>
 
<p>Fischer-Rosenthal, Wolfram und Gabriele Rosenthal (1997) Narrationsanalyse biographischer  Selbstpr&auml;sentation. In: Hitzler, R.; Honer, A. (Hg.) <i>Sozialwissenschaftliche Hermeneutik. Eine  Einf&uuml;hrung</i>. Opladen, S. 133-165.</p>
 
<p>Fischer-Rosenthal, Wolfram und Gabriele Rosenthal (1997) Warum Biographieforschung und  wie man sie macht. In: <i>Zeitschrift f&uuml;r Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie</i>17, S.  405-427.</p>
 
<p>Sch&uuml;tze, Fritz (1983) Biographieforschung und narratives Interview. In: <i>Neue Praxis</i> 3, S. 283-293.</p>
 
----
 
====5.1.2.2.2 Formen informeller Gespräche====
 
 
<p>Hauptkriterium informeller Interviews bzw. Gespr&auml;che ist, dass sie sich <b>zuf&auml;llig in  unterschiedlichen sozialen Feldern </b>ergeben. Sie zeichnen sich durch eine weitgehende  <b>Unstrukturiertheit</b> von Seiten des/der InterviewerIn aus. Es sind vielmehr die <b>Befragten, die den  zentralen Beitrag zur Strukturierung</b> des Gespr&auml;chs leisten.</p>
 
<p>Formen informeller Interviews unterscheiden sich insbesondere durch das <b>Ausma&szlig; der  Beteiligung</b> und des aktiven Beitrags <b>des/der Forschers/in am Gespr&auml;ch</b>. W&auml;hrend sich beim <strong>rezeptiven Interview</strong> der/die InterviewerIn als SprecherIn weitgehend zur&uuml;cknimmt und zuh&ouml;rt, hat  er/sie beim <strong>ero-epischen Gespr&auml;ch</strong> eine aktive Rolle inne und bringt seine/ihre eigene Geschichte  und Meinung ins Gespr&auml;ch mit ein. Das Konzept des ero-epischen Gespr&auml;chs geht davon aus,  dass man seine <b>Rolle als FeldforscherIn[1]</b>  im Feld bereits definiert und explizit gemacht hat, weshalb  diese im Rahmen des Gespr&auml;chs thematisiert werden kann, aber nicht zum Thema werden muss.  Das rezeptive Interview kann hingegen auch verdeckt eingesetzt werden.</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.1.2.1 Beobachtungsrollen|[1] Siehe Kapitel 5.1.1.2.1]]<br />
 
 
----
 
=====5.1.2.2.2.1 Das rezeptive Interview=====
 
 
<p>
 
Das rezeptive Interview (nach Kleining 1988) zeichnet sich, wie der Name bereits impliziert,
 
dadurch aus, dass die <b>interviewende Person vornehmlich als ZuhörerIn auftritt</b> und sich <b>als
 
FragestellerIn vollkommen zurück nimmt</b>. Somit kann es in seiner <b>einseitigen
 
Kommunikationsbeziehung als eine Extremform der qualitativen Befragung</b> betrachtet
 
werden, da es durch seine Befragtenzentriertheit neben den Antwortmöglichkeiten sogar die
 
Themenwahl den befragten Personen überlässt und somit vollkommen von deren Lebenswelt
 
determiniert ist.
 
</p>
 
<p>
 
Voraussetzung für diese Form des einseitigen Gesprächs ist ein lockeres und nicht autoritäres
 
Klima zwischen ForscherIn und befragter Person, da ohne diese eine <b>asymmetrische
 
Kommunikation</b>, in der &quot;der/die Interviewte&quot; einfach erzählt und der/die InterviewerIn nur zuhört,
 
unwahrscheinlich ist.
 
</p>
 
<p>
 
Der Intervieweinstieg kann von der Auskunftsperson selbst übernommen werden, in dem sie von
 
sich aus ein Gespräch beginnt oder aber die/der ForscherIn leitet durch eine sehr allgemeine, aber
 
gleichzeitig gegenstandsorientierte Frage ein Gespräch ein, das sich in Folge in ein rezeptives
 
Interview transformiert. Für beides gilt, dass sich die ForscherInnen zurücknehmen, verbal
 
möglichst wenig eingreifen und den Erzählfluss durch aktives Zuhören (eine positiv bestärkende
 
Mimik und Gestik) stimulieren. Vor allem sollte der Eindruck vermieden werden, dass die befragte
 
Person &#8222;ausgehorcht&#8220; (Lamnek 2005: 379) wird.
 
</p>
 
<p>
 
In seiner an Alltagskommunikation orientierter Form eignet sich das rezeptive Interview besonders
 
für<b> schwer zugängliche und tabuisierte Untersuchungsgegenstände</b> und besitzt
 
<b>exploratives Potential</b>.
 
</p>
 
<p>
 
Im Unterschied zu den meisten anderen Interviewtechniken werden die Personen im rezeptiven
 
Interview nicht über Inhalt, Gegenstand und Form der Befragung aufgeklärt, was laut Kleining den
 
Vorteil bringt, dass die Natürlichkeit des sozialen Feldes nicht verändert wird und somit die sonst
 
gegebene Reaktivität und den Einfluss des/der Befragenden minimal gehalten werden können.
 
Insofern wird es auch im Rahmen <b>verdeckter Forschung [1]</b> eingesetzt, die besondere ethische
 
Probleme aufwirft.
 
</p>
 
<p>
 
</p>
 
<p>
 
Lamnek, Siegfried (2005) <i>Qualitative Sozialforschung</i>. Beltz PVU: Weinheim, Basel. S. 373-382.
 
</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.1.4 Offene und verdeckte Beobachtung|[1] Siehe Kapitel 5.1.1.4]]<br />
 
 
----
 
=====5.1.2.2.2.2 Das ero-epische Gespräch=====
 
 
<p>
 
Der Begriff des <b>ero-epischen Gesprächs</b> (nach Girtler) setzt sich aus den zwei altgriechischen
 
Wörtern Erotema (Frage) bzw. erotemai (fragen, befragen, nachforschen) und Epos (Erzählung,
 
Nachricht, Kunde, aber auch Götterspruch) zusammen.
 
</p>
 
<p>
 
Grundlegend für diese Art des Forschungsgesprächs ist, dass sich sowohl der/die Befragte als
 
auch der/die ForscherIn öffnen und ins Gespräch einbringen. Dadurch, dass der/die ForscherIn
 
auch von sich erzählt (z.B. über die Arbeitsweise, das Forschungsinteresse oder von eigenen
 
Erlebnissen das Thema betreffend) wird einerseits eine <b>lockere, vertraute und persönliche
 
Gesprächsebene</b> geschaffen und gleichzeitig der/die GesprächspartnerIn angeregt, von sich
 
selbst zu erzählen. Die Fragen ergeben sich aus der Situation und werden nie im Vorhinein
 
festgelegt. Zudem bringt der/die Fragende das Gegenüber nie in Zugzwang und unter Antwortdruck
 
(wie es bei anderen Interviewarten wie z.B. dem <b>narrativen Interview[1]</b> der Fall ist), die Personen sollen von selbst zu erzählen beginnen, wobei sich der/die ForscherIn von dem/der
 
GesprächspartnerIn leiten lässt. Problematisch ist, dass laut Girtler auch die Anwendung von
 
<b>Suggestivfragen </b>erlaubt ist, was zu tendenziösen Forschungsergebnissen führen kann. Girtler
 
hingegen betrachtet Suggestivfragen als oftmals sehr aufschlussreich, da sie zu weiteren bisher
 
noch nicht gegebenen Informationen ermuntern können (&quot;Suggestivfragen bzw. ähnliche das
 
Gespräch diktierende Fragen sind auch dann zu empfehlen, wenn der Interviewer durch eine
 
bewusst falsche Unterstellung den Interviewten zu weiteren Informationen anregen will.&quot; [Girtler
 
2001: 160]). Bedeutend ist jedoch, den/die Befragte/n als <b>gleichwertige/n GesprächspartnerIn
 
und ExpertenIn des Feldes</b> anzusehen.
 
</p>
 
<p>
 
</p>
 
<p>
 
Girtler, Roland (2001) <i>Methoden der Feldforschung</i>. Böhlau: Wien, S. 147-168.
 
   
 
 
</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.3.3 Das narrative Interview|[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.3]]<br />
 
 
----
 
====5.1.2.2.3 Formen formeller Interviews====
 
 
<p>
 
Im Gegensatz zur Unstrukturierteheit und dem zufälligen Zustandekommen der informellen
 
Gespräche zeichnen sich <b>formelle Interviews</b> durch eine <b>bewusste Planung</b> aus. Diese beginnt
 
mit der Vereinbarung eines Interviewtermins bzw. der gemeinsamen Definition einer
 
Interviewsituation. Sowohl InterviewerIn wie Interviewte/r sind sich also darüber im Klaren, dass es
 
sich um ein Interview, das heißt eine Befragungssituation handelt, die sich von üblichen
 
alltagsweltlichen Kommunikationsformen unterscheidet. Die Gestaltung dieser
 
Befragungssituationen kann deutliche Unterschiede aufweisen, in Bezug auf
 
<ul>
 
<li>die <b>Strukturierung [1]</b> des Interviews,</li>
 
<li>die <b>Anzahl der interviewten Personen[2]</b>,</li>
 
<li>die eingesetzten <b>Medien und die Form der Befragung[3]</b>,</li>
 
<li>den <b>Stil der Kommunikation[4]</b>,</li>
 
<li>die <b>Frageformen[5]</b>,</li>
 
<li>und die <b>Zielsetzungen[6]</b>.</li>
 
</ul>
 
</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.1 Strukturierung|[1] Siehe Kapitel 5.1.2.1.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.2 Einzel- vs. Gruppeninterviews/Diskussionen|[2] Siehe Kapitel 5.1.2.1.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.3 Form und Medium der Befragung|[3] Siehe Kapitel 5.1.2.1.3]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.4 Stil der Kommunikation|[4] Siehe Kapitel 5.1.2.1.4]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.5 Frageformen|[5] Siehe Kapitel 5.1.2.1.5]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.6 Zielsetzung|[6] Siehe Kapitel 5.1.2.1.6]]<br />
 
 
----
 
=====5.1.2.2.3.1 Das ExpertInneninterview=====
 
 
<p>Bei ExpertInneninterviews handelt es sich im Normalfall um <b>Leitfaden gest&uuml;tzte, offene  Interviews</b>, das hei&szlig;t, man versucht im Vorfeld eine Vorstrukturierung zentraler Fragestellungen  und Themen vorzunehmen, um gegen&uuml;ber den ExpertenInnen auch als kompetente/r  Gespr&auml;chspartnerIn auftreten zu k&ouml;nnen. Der Leitfaden wird in der Regel flexibel und nicht als  standardisiertes Frageschema eingesetzt. Als InterviewerIn ist man offen f&uuml;r neue Themen und  Inhalte, die durch den/die Interviewte/n eingebracht werden.</p>
 
<p>Die Unterscheidung zwischen ExpertInnen und Laien ist nicht immer eindeutig und einfach zu  treffen, im Normalfall geht man davon aus, dass<b> ExpertInnen </b>&uuml;ber eine besondere Expertise und  damit verbundenes <b>Sonderwissen</b> verf&uuml;gen, welches oft an bestimmte <b>sozial institutionalisierte  Rollen</b> (Berufe, DorfvorsteherIn, HeilerInnen etc.) gebunden ist. Zudem wird der/die ExpertIn nicht  als Einzelfall, sondern als <b>Repr&auml;sentantIn einer Gruppe</b> bestimmter ExpertInnen betrachtet.</p>
 
<p>Eine kritische Auseinandersetzung mit dem ExpertInneninterview als eigenst&auml;ndige Interviewform  findet sich unter <br />
 
<b>http://www.qualitative-research.net/organizations/or-exp-d.htm[1]</b>.</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[http://217.160.35.246/organizations/ &#91;1&#93; http://217.160.35.246/organizations/]<br />
 
 
----
 
=====5.1.2.2.3.2 Das problemzentrierte Interview=====
 
 
<p>Im Gegensatz zum <b>narrativen Interview[1]</b>,  bei dem methodologisch streng induktiv vorgegangen wird  (d.h. eine anf&auml;ngliche konzeptuelle Festlegung durch den/die ForscherIn vermieden wird), zeichnet  sich das problemzentrierte Interview durch einen Mittelweg aus. Das problemzentrierte Interview  kombiniert <b>induktives[2]</b>  und <b>deduktives[3]</b>  Vorgehen, indem die ForscherInnen zwar mit einem  <b>theoretisch wissenschaftlichen Vorverst&auml;ndnis</b> in die Befragung gehen, die &Auml;u&szlig;erungen der  Befragten jedoch von grundlegender Bedeutung f&uuml;r die weitere <b>Modifikation der Konzepte</b> sind.  Die ForscherInnen bleiben offen f&uuml;r die Bedeutungsstrukturierung des Problembereichs/der sozialen  Lebenswelt durch die befragte Person und teilen ihr theoretisches Konzept im Interview nicht mit,  da es nur vorl&auml;ufig ist und die Interviewten nicht suggestiv beeinflussen soll.</p>
 
<p>Nach der einleitenden Eingrenzung des Problembereiches regen die InterviewerInnen durch ein  Erz&auml;hlbeispiel oder eine offene Frage die narrative Phase des Interviews an. Zentral f&uuml;r die  ForscherInnen ist es, die Erz&auml;hlsequenzen und Darstellungen der Befragten nachzuvollziehen und  zu verstehen. Dies k&ouml;nnen sie auf drei verschiedene Arten tun:</p>
 
<ul>
 
    <li>In Form einer <b>Zur&uuml;ckspiegelung </b>teilen die InterviewerInnen in eigenen Worten eine  Interpretation der Ausf&uuml;hrungen mit und bieten so den Befragten die M&ouml;glichkeit, die  Interpretationen der ForscherInnen zu korrigieren und zu modifizieren</li>
 
    <li>die ForscherInnen k&ouml;nnen aber auch mittels <b>Verst&auml;ndnisfragen </b>Widerspr&uuml;che oder  ausweichende Aussagen thematisieren, oder aber</li>
 
    <li>die Befragten direkt mit den aufgetretenen Ungereimtheiten <b>konfrontieren</b><i>.</i></li>
 
</ul>
 
<p> </p>
 
<p>Abschlie&szlig;end kann der/die InterviewerIn mittels <b>Ad-hoc-Fragen</b> von den Befragten bisher noch  nicht angesprochene Themenbereiche behandeln. Hierf&uuml;r kann ein im Vorhinein festgelegter  Leitfaden als Ged&auml;chtnisst&uuml;tze und Orientierungsrahmen fungieren.</p>
 
<p>Am Beginn des problemzentrierten Interviews kann den zu befragenden Personen auch ein  standardisierter Kurzfragebogen vorgelegt werden, um eine erste inhaltliche Auseinandersetzung  mit den in der Befragung geplanten Problembereichen anzuregen und um den Einstieg in das  Gespr&auml;ch zu vereinfachen.</p>
 
<p> </p>
 
<p>Literatur:</p>
 
<p>Lamnek, Siegfried (2005) <i>Qualitative Sozialforschung</i>. Beltz PVU: Weinheim, Basel, S. 363-368.</p>
 
<p>Witzel, Andreas (2000) Das problemzentrierte Interview. In: <i>Forum: Qualitative Sozialforschung</i>  1(1). <br />
 
<b>http://www.qualitative- research.net/fqs-texte/1-00/1-00witzel-d.htm[4]</b></p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.3.3 Das narrative Interview|[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2.3.3]]<br />
 
[[Arten_des_Schlussfolgerns#2.1 Induktives Schlussfolgern|[2] Siehe Kapitel 2.1]]<br />
 
[[Arten_des_Schlussfolgerns#2.2 Deduktives Schlussfolgern|[3] Siehe Kapitel 2.2]]<br />
 
[http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/1132 &#91;4&#93; http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/1132]<br />
 
 
----
 
=====5.1.2.2.3.3 Das narrative Interview=====
 
 
<p>Im narrativen Interview wird von den Befragten eine Erz&auml;hlung erwartet, in welcher einerseits die  Orientierungsmuster ihres Handelns deutlich werden und zugleich r&uuml;ckblickend Interpretationen  dieses Handelns erzeugt werden.</p>
 
<p>In vertrauter kollegial freundschaftlicher Atmosph&auml;re und mit einem <b>weichen bis neutralen[1]</b>  Interviewstil wird versucht, <b>biographische Erz&auml;hlungen</b> der Befragten anzuregen, wobei der  Detaillierungsgrad der Ausf&uuml;hrungen vollkommen den interviewten Personen &uuml;berlassen bleibt. Im  Idealfall beginnen die ForscherInnen die Datenerhebung ohne ein im Vorhinein festgelegtes  wissenschaftliches Konzept und entwickeln dieses <b>induktiv[2]</b>  aus den &Auml;u&szlig;erungen der Befragten.</p>
 
<p>Nach einer <b>Erkl&auml;rungs- und Einleitungsphase</b>, in der die Interviewten &uuml;ber Erwartungen der  ForscherInnen in punkto Erz&auml;hlrahmen, wichtige Dimensionen und Aspekte in der Geschichte  aufgekl&auml;rt werden, soll eine <b>m&ouml;glichst offen formulierte Einstiegsfrage</b> die befragten Personen  zum zwanglosen Erz&auml;hlen bewegen und ihnen gen&uuml;gend Raum f&uuml;r ihre Beschreibungen und  Begr&uuml;ndungen geben. Die <b>Erz&auml;hlphase </b>kann durchaus von Pausen und Schweigen durchdrungen  sein, den InterviewerInnen kommt die Rolle der aufmerksamen Zuh&ouml;renden zu, die versuchen den  Erz&auml;hlfluss durch Aufmerksamkeit bezeugende &Auml;u&szlig;erungen (&bdquo;hm, hm&ldquo;) oder Gesten (Kopfnicken)  zu unterst&uuml;tzen. Die Erz&auml;hlphase gilt erst dann als beendet, wenn der/die Befragte selbst darauf  hinweist. Falls erforderlich, k&ouml;nnen in einer <b>Nachfragephase</b> noch unklar gebliebene Fragen oder  Widerspr&uuml;chlichkeiten der Erz&auml;hlung klargestellt werden und abschlie&szlig;end in einer  <b>Bilanzierungsphase</b> direkt die Motivation und Intention der interviewten Personen angesprochen  werden und der Sinn der Erz&auml;hlung mit den Personen gemeinsam beleuchtet und diskutiert  werden.</p>
 
<p> </p>
 
<p>Literatur:</p>
 
<p>Lamnek, Siegfried (2005) <i>Qualitative Sozialforschung</i>. Beltz PVU: Weinheim, Basel S. 357-361.</p>
 
<p>Zu den Narrativen Methoden im Allgemeinen, ihren theoretischen Perspektiven, methodischen  Verfahren, der Oral history und zur Performanz von Narrationen siehe:</p>
 
<p>Atkinson, Paul  und Sara Delamont (Hg.) (2005) <i>Narrative methods</i>. SAGE: London.</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.1.4 Stil der Kommunikation|[1] Siehe Kapitel 5.1.2.1.4]]<br />
 
[[Arten_des_Schlussfolgerns#2.1 Induktives Schlussfolgern|[2] Siehe Kapitel 2.1]]<br />
 
 
----
 
====5.1.2.2.4 Das ethnographische Interview====
 
 
<p>
 
Das ethnographische Interview ist an die Feldforschungssituation angepasst und gibt methodische
 
Anweisungen, wie freundliche Unterhaltungen und sich ergebende Gespräche im Feld zu Interviews
 
gestaltet werden können. Ausgehend von einer <b>informellen Gesprächssituation</b> versucht man
 
sowohl einen expliziten Zweck des Gespräches einzuführen, wie die GesprächspartnerInnen über
 
das Ziel des Projektes zu informieren. Dazu gehören auch Informationen warum man welche
 
Informationen aufzeichnet und wie man das Interview führt. Man macht im Zuge eines solchen
 
Gesprächs auch die eigene Rolle als ForscherIn transparent. Im Gegensatz zu einer freundlichen
 
Unterhaltung oder einem <b>rezeptiven Interview[1]</b>  übernimmt im ethnographischen Interview allerdings
 
der/die <b>ForscherIn die Strukturierung des Gesprächs </b>und stellt fast alle Fragen.
 
</p>
 
<p>
 
Ein Ziel des ethnographischen Interviews ist das sich im Zuge eines Gesprächs oft einstellende
 
Gefühl eines (scheinbaren) gegenseitigen Verständnisses, durch den Einsatz von Wiederholungen
 
und verschiedenen Fragearten, zu unterlaufen.
 
</p>
 
<p>
 
Durch den bewussten <b>Einsatz von Wiederholungen</b> (von Fragen und Aussagen des/der
 
InformantIn), statt deren im normalen Gespräch üblichen Vermeidung. Ziel dieser Wiederholungen
 
ist es, weitere Ausführungen und Explikationen anzuregen. Anstatt sich kurz zu halten, regt der/die
 
EthnographIn die InformantInnen dazu an, möglichst ausführlich und detailreich zu erzählen. Die
 
Interpretation des Gesagten wird somit nicht zu einem anderen Zeitpunkt und wie manche
 
Interpretationsstrategien vorschlagen, von anderen Personen vorgenommen. Vielmehr wird diese in
 
Auseinandersetzung mit den InformantInnen im Zuge des ethnographischen Interviews von diesen
 
selbst vorgenommen. 
 
</p>
 
<p>
 
Spradley unterscheidet drei zentrale <b>Arten von Fragen</b>:
 
<ul>
 
<li>deskriptive Fragen </li>
 
<li>strukturelle Fragen und</li>
 
<li>Kontrastfragen.</li>
 
</ul>
 
</p>
 
<p>
 
Bei den <b>deskriptiven Fragen </b>ist es notwendig zumindest einen Bereich zu kennen, in dem
 
der/die InformantIn <b>routinemäßige Handlungen</b> ausführt und sich diese <b>beschreiben</b> zu lassen.
 
</p>
 
<p>
 
Ziel von <b>strukturellen Fragen</b> ist es herauszufinden, wie der/die InformantIn sein/ihr <b>Wissen</b> in
 
bestimmten kulturellen Bereichen (domains) <b>organisiert</b>.
 
</p>
 
<p>
 
Bei den <b>Kontrastfragen</b> geht es darum herauszufinden, was der/die InformantIn mit den
 
verschiedenen <b>Begrifflichkeiten</b> meint, die er/sie in seiner/ihrer Sprache verwendet und wie sich
 
diese von einander unterscheiden.
 
</p>
 
<p>
 
</p>
 
<p>
 
Literatur:
 
</p>
 
<p>
 
Spradley J. P. (1979) <i>The ethnographic interview</i>. Holt, Rinehart &amp; Winston:New York.
 
</p>
 
<p>
 
Flick, Uwe (2002) <i>Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung</i>. Rowohlt: Reinbeck bei Hamburg.
 
   
 
 
</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2.2.1 Das rezeptive Interview|[1] Siehe Kapitel 5.1.2.2.2.1]]<br />
 
 
===5.1.2.3 Formen der Transkription von qualitativen Interviews===
 
 
<p>Um qualitative Interviews <b>analysieren </b>zu k&ouml;nnen ist es notwendig, eine <b>schriftliche  Transkription der Interviews</b> anzufertigen. Hierf&uuml;r existieren unterschiedlich genaue  <b>Transkriptionssysteme</b> (siehe dazu Dittmar 2004; Kowal u. O&acute;Connell 2003), ohne dass sich ein  verbindlicher Standard durchgesetzt h&auml;tte. Dies liegt vor allem auch daran, dass unterschiedliche  textanalytische Verfahren verschiedene Transkriptionsstandards erfordern. Somit ist vor dem  Hintergrund der <b>jeweiligen Analysemethode </b>zu entscheiden, welche <b>Form der Transkription  </b>gew&auml;hlt werden sollte. Insgesamt ist ein pragmatisches Vorgehen ratsam und sollte der  Genauigkeitsgrad der Transkription (L&auml;nge der Pausen, Tonfall, Tonst&auml;rke, nonverbale Aspekte der  Kommunikation, Interaktion zwischen InterviewerIn und interviewter Person etc.) &uuml;ber das  notwendige Ma&szlig; des Forschungsinteresses und der Analysemethode nicht hinausgehen.  Froschauer &amp; Lueger (2003: 223) f&uuml;hren einige einfache und pragmatische Richtlinien f&uuml;r die  Gespr&auml;chstranskription an. Dazu geh&ouml;ren:</p>
 
<ul>
 
    <li>die Zeilennummerierung</li>
 
    <li>die Kodierung der Gespr&auml;chsteilnehmerInnen z.B. f&uuml;r InterviewerInnen I1, I2...; f&uuml;r Befragte B1,  B2,...)</li>
 
    <li>Pausen (pro Sekunde ein Punkt) = . .. . (oder Zeitangabe)</li>
 
    <li>Nichtverbale &Auml;u&szlig;erungen wie Lachen oder Husten in runder Klammer angeben = (B1 lacht)</li>
 
    <li>situationsspezifische Ger&auml;usche in spitzer Klammer angeben = &gt;Telefon l&auml;utet&lt;</li>
 
    <li>H&ouml;rersignale bzw. gespr&auml;chsgenerierende Beitr&auml;ge als normalen Text angeben = mhm, &auml;h</li>
 
    <li>Auff&auml;llige Betonung unterstreichen = <u>etwa so</u></li>
 
    <li>Unverst&auml;ndliches als Punkte in Klammer, wobei jeder Punkt eine Sekunde markiert = (.. .)</li>
 
    <li>Vermuteter Wortlaut bei schlechtverst&auml;ndlichen Stellen in Klammer schreiben = (etwa so)</li>
 
    <li>sehr gedehnte Sprechweise mit Leerzeichen zwischen den Buchstaben = e t w a  s o</li>
 
</ul>
 
<p> </p>
 
<p>Ein weiterer Hinweis dieser AutorInnen, die Interviews m&ouml;glichst exakt unter Beibehaltung sprachlicher  Besonderheiten <b>ohne Ann&auml;herung an die Schriftsprache</b> vorzunehmen, macht auf die  besondere Situation und Problematik von Transkriptionen innerhalb der Kultur- und  Sozialanthropologie aufmerksam. Denn in der Kultur- und Sozialanthropologie &quot;A transcription  always raises questions about <b><i>translation</i></b>.&quot; (Clifford 1990: 58). Sehr oft werden Interviews in einer  Sprache durchgef&uuml;hrt, die nicht die Muttersprache des/r InterviewerIn ist und in der zumeist auch  die Forschungsergebnisse nicht publiziert werden. Die F&auml;higkeit, Interviews zu f&uuml;hren und vor allem  auch die kulturspezifischen Nuancen von Aussagen der InterviewpartnerInnen zu verstehen, h&auml;ngt  also von der Sprachkompetenz des/der ForscherIn ab. Oft wird insbesondere in der Anfangsphase  der Feldforschung auch mit ausgew&auml;hlten mehrsprachigen InformantInnen und &Uuml;bersetzerInnen  gearbeitet. Bei der Transkription stellt sich die Frage, ob die Interviews in der Sprache, in der sie  gef&uuml;hrt wurden, transkribiert werden, oder ob &Uuml;bersetzungen angefertigt werden.</p>
 
<p>Bei ausreichenden <b>Sprachkenntnissen[1]</b>,  deren Erwerb oft eine zentrale Aufgabe zu Beginn der  Feldforschung ist, sollten - insofern es sich um eine Schriftsprache handelt - die Transkriptionen in  der Originalsprache vorgenommen werden. Schwieriger gestaltet sich die Transkription von  Befragungen und Erz&auml;hlungen in Sprachen, die keine Schriftsprachen sind. Hier gilt es, in einem  ersten Schritt ausfindig zu machen, ob lokale Notationssysteme entwickelt wurden, auf die man  zur&uuml;ckgreifen kann oder ob man eine <b>phonetische Transkription[2]</b>  der Texte vornimmt, was aber nur  im Bereich der linguistischen Anthropologie und ethnolinguistischer Arbeiten absolut notwendig  ist. </p>
 
<p>Mittlerweile stehen auch unterschiedliche <b>Softwareprogramme zur Transkription</b> von  Sprachaufnahmen zur Verf&uuml;gung. Eine hilfreiche Freeware zur Segmentierung und Transkription  von aufgenommenen Interviews ist z.B. der <b>Transcriber[3]</b>.</p>
 
<p> </p>
 
<p>Literatur:</p>
 
<p>Dittmar, Norbert (2004) <i>Transkription. Ein Leitfaden mit Aufgaben f&uuml;r Studenten, Forscher und  Laien</i>. VS Verlag f&uuml;r Sozialwissenschaften: Wiesbaden.</p>
 
<p> </p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.1.5 Sprachliche Vorkenntnisse|[1] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5]]<br />
 
[http://www.langsci.ucl.ac.uk/ipa/ &#91;2&#93; http://www.langsci.ucl.ac.uk/ipa/]<br />
 
[http://trans.sourceforge.net/en/presentation.php &#91;3&#93; http://trans.sourceforge.net/en/presentation.php]<br />
 
 
===5.1.2.4 Literatur zum Thema Befragungen===
 
 
<p><b> http://www.qualitative-research.net/organizations/or-exp-d.htm[1]</b>.</p>
 
<p>Bernard, H. Russell (2002) Interviewing: Unstructured and Semistructured In: ders. <i>Research  Methods in Anthropology</i>. Altamira Press: Walnut Creek, CA, S. 210-250.</p>
 
<p>Bogner, Alexander (Hg.) (2005) <i>Das Experteninterview</i>. Verlag f&uuml;r Sozialwissenschaften:  Wiesbaden.</p>
 
<p>Fontana, Andrea und James H. Frey (1994) Interviewing. In: Denzin, Norman K. &amp; Yvonna S. Lincoln  (Hg.) <i>Handbook of Qualitative Research</i>. Sage: London, S. 361-376.</p>
 
<p>Froschauer, Ulrike und Manfred Lueger (2003) <i>Das qualitative Interview</i>. WUV UTB: Wien.</p>
 
<p>Flick, Uwe (2002) <i>Qualitative Sozialforschung. Eine Einf&uuml;hrung</i>. Rowohlt: Reinbeck bei Hamburg.</p>
 
<p>Girtler, Roland (2001) <i>Methoden der Feldforschung</i>. B&ouml;hlau: Wien, S. 147-211; 168.</p>
 
<p>Lamnek, Siegfried (2005) Qualitatives Interview. In: ders.<i>Qualitative Sozialforschung</i>. Beltz PVU:  Weinheim, Basel, S. 329-402.</p>
 
<p>Levy, Robert I. und Douglas W. Hollan (1998) Person-centered Interviewing and Observation. In:  Bernard, H. Russell (Hg.) <i>Handbook of Methods in Cultural Anthropology</i>. Altamira Press: Walnut  Creek, CA, S.333-364.</p>
 
<p>Spradley J. P. (1979) <i>The ethnographic interview</i>. Holt, Rinehart &amp; Winston: New York .</p>
 
<p>Witzel, Andreas (2000) Das problemzentrierte Interview. In: <i>Forum: Qualitative Sozialforschung</i>  1(1). <br />
 
<b>http://www.qualitative- research.net/fqs- texte/1-00/1-00witzel-d.htm[2]</b></p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[http://217.160.35.246/organizations/ &#91;1&#93; http://217.160.35.246/organizations/]<br />
 
[http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/1132 &#91;2&#93; http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/1132]<br />
 
 
==5.1.3 Methodentriangulation==
 
 
<p>Unter Methodentriangulation versteht man den bewussten <b>Einsatz unterschiedlicher  Erhebungsverfahren[1]</b> (<b>Beobachtung[2]</b>,  <b>Befragung[3]</b>,  Experiment, etc.) im Rahmen eines  Forschungsprojektes, was in der englischsprachigen Literatur auch als <b>mixed methods  approach</b> bezeichnet wird. </p>
 
<p> </p>
 
<p>Literatur:</p>
 
<p>Flick, Uwe (2004) <i>Triangulation. Eine Einf&uuml;hrung</i>. Verlag f&uuml;r Sozialwissenschaft: Opladen. </p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/quantitative/quantitative-2.html &#91;1&#93; http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/quantitative/quantitative-2.html]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.1 Formen der Beobachtung|[2] Siehe Kapitel 5.1.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2 Formen von Befragungen|[3] Siehe Kapitel 5.1.2]]<br />
 
 
==5.2 Ethnographie als Prozess der Datenerhebung==
 
 
<p>Eine ethnographische Untersuchung zielt in der Regel darauf ab, Menschen &uuml;ber einen l&auml;ngeren  Zeitraum in ihrem allt&auml;glichen Leben zu beforschen. Das hei&szlig;t, der/die EthnographIn bzw.  FeldforscherIn nimmt physisch mit der Gesamtheit seiner/ihrer Person &uuml;ber einen <b>l&auml;ngeren  Zeitraum an ausgew&auml;hlten Lebenswelten</b> teil, mit dem Ziel, <b>Daten zu erheben </b>und  <b>Beschreibungen</b> anzufertigen, die als Grundlage f&uuml;r sp&auml;tere <b>Analysen</b> dienen.</p>
 
<p>Ethnographische Feldforschung ist, wie andere sozialwissenschaftliche Verfahren (z.B.  Fragenbogenerhebung, teilstrukturierte Interviews,...), eine Methode der Datenerhebung, die sich  aber in zumindest zwei Bereichen grundlegend von anderen Verfahren unterscheidet. Diese  ergeben sich daraus, dass Methoden nicht nur <b>Verfahren der Datenerhebung </b>sind, sondern  auch <b>Verfahren der In-Beziehung-Setzung</b> zum Feld. Das hei&szlig;t, Methoden legen bestimmte  Formen der Interaktion mit dem Untersuchungsfeld nahe. Ethnographische Feldforschung zeichnet  sich durch eine besonders intensive und langfristige, &uuml;ber die reine Datenerhebung hinausgehende  In-Beziehung-Setzung zum Untersuchungsfeld aus. Dies ist ein zentrales Qualit&auml;tskriterium  ethnographischer Forschung. Ethnographische Feldforschung ist somit nicht nur ein Verfahren der  Datenerhebung, sondern vor allem auch ein <b>Verfahren zur Generierung von Erfahrungen und  Erlebnissen</b>, welche den/die FeldforscherIn zunehmend zu einem Teil des Feldes machen.</p>
 
<p>Ein zentrales Moment des Feldforschungsprozesses besteht darin, diese Erfahrungen und  Erlebnisse durch das systematische <b>Anlegen und Ausarbeiten von Feldnotizen[1]</b>  in Daten zu  transformieren. Im Gegensatz zu anderen Methoden determiniert bei der ethnographischen  Feldforschung das Feld selbst in einem viel gr&ouml;&szlig;eren Ausma&szlig; den Einsatz und die Anwendbarkeit  von Forschungsstrategien und Methoden.  </p>
 
<p>Insgesamt bedarf ethnographische Feldforschung einer gezielten <b>Vorbereitung[2]</b>,  welche unter  anderem den Erwerb von <b>sachlichem[3]</b>  und <b>regionalem Know-How[4]</b>  und <b>sprachlich-kommunikativen  Kompetenzen[5]</b> umfasst. Am Beginn der Feldforschung steht die Herausforderung, einen Zugang  zum Feld zu finden, die <b>Definition der eigenen Rolle[6]</b> in Auseinandersetzung mit dem Feld vorzunehmen und die Zusammenarbeit mit InformantInnen auf eine tragf&auml;hige Basis zu stellen.</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3 Wie schreibt man Feldnotizen?|[1] Siehe Kapitel 5.2.3]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1 Worin besteht die richtige Vorbereitung für eine Feldforschung?|[2] Siehe Kapitel 5.2.2.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.1.4 Erwerb von Sachkenntnissen|[3] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.4]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.1.3 Erwerb von Regionalkenntnissen|[4] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.3]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.1.5 Sprachliche Vorkenntnisse|[5] Siehe Kapitel 5.2.2.1.1.5]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.1.2.1 Beobachtungsrollen|[6] Siehe Kapitel 5.1.1.2.1]]<br />
 
 
==Inhalt==
 
<div class="eksa_toc">
 
:[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2 Ethnographie als Prozess der Datenerhebung|5.2 Ethnographie als Prozess der Datenerhebung]]<br/>
 
::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1 Forschungsdesign klassischer Ethnographien|5.2.1 Forschungsdesign klassischer Ethnographien]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1 Historischer Partikularismus - Franz Boas|5.2.1.1 Historischer Partikularismus - Franz Boas]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.1 Franz Boas|5.2.1.1.1 Franz Boas]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.2 Theoretische Grundannahmen des historischen Partikularismus|5.2.1.1.2 Theoretische Grundannahmen des historischen Partikularismus]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.3 Methoden und Techniken des historischen Partikularismus|5.2.1.1.3 Methoden und Techniken des historischen Partikularismus]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.2 Funktionalismus - Bronislaw Malinowski|5.2.1.2 Funktionalismus - Bronislaw Malinowski]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.2.1 Bronislaw Malinowski|5.2.1.2.1 Bronislaw Malinowski]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.2.2 Theoretische Grundannahmen des Funktionalismus|5.2.1.2.2 Theoretische Grundannahmen des Funktionalismus]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.2.3 Methoden und Techniken des Funktionalismus|5.2.1.2.3 Methoden und Techniken des Funktionalismus]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.3 Human Relations Area Files (HRAF) - George P. Murdock|5.2.1.3 Human Relations Area Files (HRAF) - George P. Murdock]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.3.1 George P. Murdock|5.2.1.3.1 George P. Murdock]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.3.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der HRAF|5.2.1.3.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der HRAF]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.4 Interpretative Anthropologie - Clifford Geertz|5.2.1.4 Interpretative Anthropologie - Clifford Geertz]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.4.1 Clifford Geertz|5.2.1.4.1 Clifford Geertz]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.4.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie|5.2.1.4.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.4.2.1 Beispiel für eine dichte Beschreibung|5.2.1.4.2.1 Beispiel für eine dichte Beschreibung]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.5 Anthropology at Home|5.2.1.5 Anthropology at Home]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.5.1 Gesellschaftspolitische Voraussetzungen von Anthropology at Home|5.2.1.5.1 Gesellschaftspolitische Voraussetzungen von Anthropology at Home]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.5.2 Vor- und Nachteile der Antrhopology at Home|5.2.1.5.2 Vor- und Nachteile der Antrhopology at Home]]<br/>
 
::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2 Die praktische Umsetzung einer ethnographischen Feldforschung|5.2.2 Die praktische Umsetzung einer ethnographischen Feldforschung]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1 Worin besteht die richtige Vorbereitung für eine Feldforschung?|5.2.2.1 Worin besteht die richtige Vorbereitung für eine Feldforschung?]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.1 Fachlich-wissenschaftliche Vorbereitung|5.2.2.1.1 Fachlich-wissenschaftliche Vorbereitung]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.1.1 Ausarbeitung der wissenschaftstheoretischen Position|5.2.2.1.1.1 Ausarbeitung der wissenschaftstheoretischen Position]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.1.2 Ausarbeitung der anzuwendenden Methode(n) und Techniken|5.2.2.1.1.2 Ausarbeitung der anzuwendenden Methode(n) und Techniken]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.1.3 Erwerb von Regionalkenntnissen|5.2.2.1.1.3 Erwerb von Regionalkenntnissen]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.1.4 Erwerb von Sachkenntnissen|5.2.2.1.1.4 Erwerb von Sachkenntnissen]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.1.5 Sprachliche Vorkenntnisse|5.2.2.1.1.5 Sprachliche Vorkenntnisse]]<br/>
 
::::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.1.5.1 Sprachen europäischen Ursprungs|5.2.2.1.1.5.1 Sprachen europäischen Ursprungs]]<br/>
 
::::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.1.5.2 Lokale Verkehrssprachen und Pidgin|5.2.2.1.1.5.2 Lokale Verkehrssprachen und Pidgin]]<br/>
 
::::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.1.5.3 Lokale bzw. indigene Sprachen|5.2.2.1.1.5.3 Lokale bzw. indigene Sprachen]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.2 Praktisch-organisatorische Vorbereitung|5.2.2.1.2 Praktisch-organisatorische Vorbereitung]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.2.1 Projektanträge|5.2.2.1.2.1 Projektanträge]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.2.2 Kontakte zu Institutionen im Forschungsland|5.2.2.1.2.2 Kontakte zu Institutionen im Forschungsland]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.2.3 Empfehlungsschreiben|5.2.2.1.2.3 Empfehlungsschreiben]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.2.4 Reisemodalitäten|5.2.2.1.2.4 Reisemodalitäten]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.2.5 Unterbringungsmöglichkeiten|5.2.2.1.2.5 Unterbringungsmöglichkeiten]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.2.6 Medizinische Maßnahmen|5.2.2.1.2.6 Medizinische Maßnahmen]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.2.7 Technische Ausrüstung|5.2.2.1.2.7 Technische Ausrüstung]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.2.1.3 Persönliche Vorbereitung: Selbstreflexion der ForscherIn|5.2.2.1.3 Persönliche Vorbereitung: Selbstreflexion der ForscherIn]]<br/>
 
::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3 Wie schreibt man Feldnotizen?|5.2.3 Wie schreibt man Feldnotizen?]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.1 Headnotes und Fieldnotes|5.2.3.1 Headnotes und Fieldnotes]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.2 Von der ethnographischen Erfahrung zu den Feldnotizen|5.2.3.2 Von der ethnographischen Erfahrung zu den Feldnotizen]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.3 Feldnotizen als Daten|5.2.3.3 Feldnotizen als Daten]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4 Fieldnotes als unterschiedliche Textsorten|5.2.3.4 Fieldnotes als unterschiedliche Textsorten]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4.1 Stichwortzettel|5.2.3.4.1 Stichwortzettel]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4.1.1 Empfehlungen für das Festhalten von Stichwörtern|5.2.3.4.1.1 Empfehlungen für das Festhalten von Stichwörtern]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4.2 Ausgearbeitete fieldnotes|5.2.3.4.2 Ausgearbeitete fieldnotes]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4.2.1 Das Ausarbeiten der Fieldnotes|5.2.3.4.2.1 Das Ausarbeiten der Fieldnotes]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4.2.2 Stile und Strategien des Verfassens von Fieldnotes|5.2.3.4.2.2 Stile und Strategien des Verfassens von Fieldnotes]]<br/>
 
::::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4.2.2.1 Beschreibungsperspektiven|5.2.3.4.2.2.1 Beschreibungsperspektiven]]<br/>
 
::::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4.2.2.2 Echtzeit- und Endpunkt-Beschreibungen|5.2.3.4.2.2.2 Echtzeit- und Endpunkt-Beschreibungen]]<br/>
 
::::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4.2.2.3 Die Darstellung von Szenen|5.2.3.4.2.2.3 Die Darstellung von Szenen]]<br/>
 
:::::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4.2.2.3.1 Veranschaulichung|5.2.3.4.2.2.3.1 Veranschaulichung]]<br/>
 
:::::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4.2.2.3.2 Dialog|5.2.3.4.2.2.3.2 Dialog]]<br/>
 
:::::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4.2.2.3.3 Charakterisierung|5.2.3.4.2.2.3.3 Charakterisierung]]<br/>
 
:::::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4.2.2.3.4 Bedeutungen der lokalen AkteurInnen|5.2.3.4.2.2.3.4 Bedeutungen der lokalen AkteurInnen]]<br/>
 
::::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.4.2.2.4 In-Beziehung-Setzung von Szenen|5.2.3.4.2.2.4 In-Beziehung-Setzung von Szenen]]<br/>
 
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:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.5 Analyse der Fieldnotes|5.2.3.5 Analyse der Fieldnotes]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.5.1 Das Lesen der Feldnotizen als Daten|5.2.3.5.1 Das Lesen der Feldnotizen als Daten]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.5.2 Das Stellen von Fragen an die Fieldnotes|5.2.3.5.2 Das Stellen von Fragen an die Fieldnotes]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.5.3 Das Kodieren der Feldnotizen|5.2.3.5.3 Das Kodieren der Feldnotizen]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.5.3.1 Offenes Kodieren|5.2.3.5.3.1 Offenes Kodieren]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.5.3.2 Rekodieren: von allegemeinen zu spezifischen Kodes oder umgekehrt?|5.2.3.5.3.2 Rekodieren: von allegemeinen zu spezifischen Kodes oder umgekehrt?]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.5.3.3 Kodieren vor dem Hintergrund von Konzepten und Fragestellungen|5.2.3.5.3.3 Kodieren vor dem Hintergrund von Konzepten und Fragestellungen]]<br/>
 
::::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.5.3.3.1 Axiales Kodieren in der Grounded Theory|5.2.3.5.3.3.1 Axiales Kodieren in der Grounded Theory]]<br/>
 
::::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.5.3.3.2 Thematisches Kodieren|5.2.3.5.3.3.2 Thematisches Kodieren]]<br/>
 
:::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.5.3.4 Kodieren vor dem Hintergrund der Konzeptualisierung einer erthnographischen Erzählung|5.2.3.5.3.4 Kodieren vor dem Hintergrund der Konzeptualisierung einer erthnographischen Erzählung]]<br/>
 
::::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.3.5.4 Das Verfassen von Memos|5.2.3.5.4 Das Verfassen von Memos]]<br/>
 
:::[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.4 Literatur|5.2.4 Literatur]]<br/>
 
</div>
 
 
==5.2.1 Forschungsdesign klassischer Ethnographien==
 
 
<p>
 
Das <b>Forschungsdesign</b> einer Ethnographie wird bestimmt durch:
 
<ul>
 
<li>das Forschungsziel,</li>
 
<li>die theoretischen Grundannahmen,</li>
 
<li>die methodische Ausrichtung und ihre entsprechenden Techniken</li>
 
<li>sowie die gesellschaftspolitischen Voraussetzungen im Forschungs- wie Ursprungsland der
 
EthnographIn.</li>
 
</ul>
 
</p>
 
<p>
 
Unterschiedliche Forschungsdesigns klassischer Ethnographien werden an folgenden Beispielen deutlich.
 
</p>
 
===5.2.1.1 Historischer Partikularismus - Franz Boas===
 
 
<p>
 
Der <b>historische Partikularismus</b> wurde Ende des 19. Jahrhundert von <b>Franz Boas[1]</b>  im <b>Gegensatz
 
zu</b> den spekulativen Rekonstruktionen der <b>Evolutionisten</b> und ihrer vergleichenden Methode
 
(<i>comparative method) </i> entwickelt.
 
</p>
 
<p>
 
Er forderte bei der historischen Rekonstruktion von Kulturen die Beschränkung auf eine bestimmte
 
Kultur bzw. auf ein Kulturareal. (<b>Theoretische Grundannahmen des historischen Partikularismus[2]</b>)
 
</p>
 
<p>
 
Boas forderte ein <b>induktives Vorgehen</b> in der Kulturanthropologie; allgemeine Schlussfolgerungen
 
seien nur auf Grund ausreichend gesammelten Feldforschungsmaterials zulässig. (<b>Methoden und Techniken des historischen Partikularismus[3]</b>)
 
   
 
 
</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.1 Franz Boas|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.2 Theoretische Grundannahmen des historischen Partikularismus|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.1.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.3 Methoden und Techniken des historischen Partikularismus|[3] Siehe Kapitel 5.2.1.1.3]]<br />
 
 
----
 
======5.2.1.1.1 Franz Boas======
 
 
<p>Franz Boas (1858 - 1942) wurde in Deutschland geboren und <b>naturwissenschaftlich ausgebildet</b>  (Physik, Geographie und Mathematik).</p>
 
<p>Schon bei seinen ersten (geographischen) Forschungen 1883 bei den Inuit auf Baffin Island und ab  1886 bei den NW-K&uuml;stenindianern British Columbia's (haupts&auml;chlich den Kwakiutl) erkennt Boas,  dass <b>kulturelle Faktoren</b> eine <b>wesentlichere Rolle</b> spielen <b>als geographische</b>.</p>
 
<p>Er habilitiert bei A. Bastian in Berlin und geht <b>ab 1887 in die USA</b>. Dort unterrichtet er ab 1896 an  der <b>Columbia University</b> in New York und wird zur dominanten Figur in der amerikanischen  Anthropologie und patriarchalischer Lehrer mehrerer Sch&uuml;lerInnengenerationen, welche ihm an  Bedeutung und Prominenz kaum nachstehen (Benedict, Kroeber, Sapir, Herskovits, Lowie, Radin,  Wissler, Mead u.v.a.).</p>
 
<p><span class="imgbox imgleft" style="width:207px; .word-wrap:break-word; "><img height="289" border="0" align="bottom" width="207" alt="Franz Boas" src="images/qualitative-54_1.jpg" /><span class="imgcaption">Abbildung: Franz Boas. Quelle: Mead 1972: 126</span>
 
</span></p>
 
<p>Boas vertritt die so genannte <b><i>four-field-anthropology</i></b>. Darunter ist eine allgemeine Anthropologie  bestehend aus <b>Rasse/physische Anthropologie, Sprache, Kultur und Arch&auml;ologie</b> zu  verstehen, wobei jeder dieser Teilbereiche getrennt und mit jeweils anderen Methoden zu studieren  ist. (<b>Methoden und Techniken des historischen Partikularismus[1]</b>)</p>
 
<p>Im Rahmen der Kulturanthropologie wendet er sich <b>gegen</b> die spekulativen Erkenntnisse der  <b>Evolutionisten</b> und fordert eine Beschr&auml;nkung der historischen Rekonstruktion auf eine bestimmte  Kultur bzw. ein Kulturareal.</p>
 
<p>Unter Boas wird das <b>intensive Sammeln von ethnographischem Material</b> durch die  Feldforschung zur unerl&auml;sslichen Basis der Kulturanthropologie; erst bei ausreichender Datenlage  und unter gebotener Vorsicht k&ouml;nnen Generalisierungen ins Auge gefasst werden. (<b>Theoretische  Grundlagen des historischen Partikularismus[2]</b>)</p>
 
<p>Boas war Begr&uuml;nder der <i>American Anthropological Association </i>und gab die Zeitschrift<i> American  Anthropologist </i>heraus.</p>
 
<p>Seine <b>bedeutendsten Werke</b> sind  <i>The Central Eskimo </i>(1888), <i>The Social Organization and  Secret Societies of the Kwakiutl Indians </i>(1897), <i>The Mind of Primitive Man</i> (1911), <i>Primitive Art  </i>(1927), <i>Anthropology and Modern Life </i>(1928), <i>Race, Language and Culture </i>(1940), <i>Race and  Democratic Society </i>(1945).</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.3 Methoden und Techniken des historischen Partikularismus|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.3]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.2 Theoretische Grundannahmen des historischen Partikularismus|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.1.2]]<br />
 
 
----
 
====5.2.1.1.2 Theoretische Grundannahmen des historischen Partikularismus====
 
 
<p>Die <b>Grundz&uuml;ge</b> des historischen Partikularismus nach <b>Franz Boas[1]</b>  bestanden aus folgenden  theoretischen Grundannahmen:</p>
 
<ul>
 
    <li>Im <b>Gegensatz</b> zu den spekulativen <b>Rekonstruktionen der Evolutionisten</b> und ihrer  vergleichenden Methode sind nur auf eine bestimmte Kultur oder ein Kulturareal (<i>culture area</i>)  begrenzte historische Rekonstruktionen zu vertreten.</li>
 
    <li>Jede Kultur besteht aus <b>Kulturelementen</b>, welche durch <b>Diffusion</b> von anderen Kulturen  &uuml;bertragen wurden.</li>
 
    <li>Jedes durch Diffusion &uuml;bernommene <b>Kulturelement wird &uuml;berformt</b>, um in die neue Kultur  zu passen.</li>
 
    <li>Dieser Prozess verl&auml;uft aber nie vollst&auml;ndig, so dass <b>Kultur</b> immer nur ein <b>lose organisiertes  Gebilde</b> und <b>kein</b> eng gekn&uuml;pftes <b>System</b> darstellt.</li>
 
    <li>Das soziale Leben wird bestimmt von <b>Sitten und Gebr&auml;uchen</b> (nicht von Rationalit&auml;t und  N&uuml;tzlichkeit).</li>
 
    <li><b>Jede Kultur ist einzigartig,</b> da sie das Resultat von diffusionistischen Prozessen und lokalen  Bed&uuml;rfnissen darstellt.</li>
 
    <li>Wenn jede Kultur einzigartig ist, k&ouml;nnen <b>keine allgemeinen Urteile</b> &uuml;ber eine bestimmte  Kultur gef&auml;llt werden; sie kann nur aus dem kulturellen Kontext, in dem sie situiert ist,  verstanden werden.</li>
 
    <li><b>Betonung der emischen Analyse</b> (Perspektive der AkteurInnen einer Kultur) <b>gegen&uuml;ber der  etischen</b> (Perspektive der ForscherInnen von au&szlig;en); bedeutend sind die Werte, Normen und  Emotionen der untersuchten Kultur.</li>
 
    <li>Deshalb k&ouml;nnen auch nur schwer Verallgemeinerungen zwischen Kulturen getroffen werden;  wenn, dann nur mit Vorsicht und bei ausreichender Datenlage.</li>
 
    <li><b>Betonung der Feldforschung</b>, um m&ouml;glichst viele Daten zu sammeln.</li>
 
    <li><b>Induktives Vorgehen</b>; ohne vorgefasste Theorien in die Feldforschungssituation; wenn  allgemeine Erkl&auml;rungen erfolgten, dann nur auf Grund einer gro&szlig;en Menge an gesammelten  Daten (<b>Methoden und Techniken des historischen Partikularismus[2]</b>).</li>
 
</ul>
 
<p> </p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.1 Franz Boas|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.3 Methoden und Techniken des historischen Partikularismus|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.1.3]]<br />
 
 
----
 
====5.2.1.1.3 Methoden und Techniken des historischen Partikularismus====
 
 
<p> </p>
 
<ul>
 
    <li>Im <b>Gegensatz zu</b> den spekulativen <b>Rekonstruktionen der Evolutionisten</b> und ihrer  vergleichenden Methode beschr&auml;nkt <b>Franz Boas[1]</b>  die <b>historische Rekonstruktion auf eine  bestimmte Kultur</b> bzw. ein Kulturareal.</li>
 
    <li>Die Feldforschung wird betont, um m&ouml;glichst <b>viele empirische Daten zu sammeln und  Spekulationen zu vermeiden</b> (positivistisch).</li>
 
    <li>Im Sinne eines<b> induktiven Vorgehens geht</b> Boas ohne vorgefasste Theorien in die  Feldforschungssituation und trifft nur bei ausreichendem Datenmaterial sehr vorsichtig  formulierte generalisierende Aussagen.</li>
 
    <li>Boas vertritt die sog. <b><i>four-field-anthropology</i></b>. Darunter ist eine allgemeine Anthropologie  bestehend aus Rasse/physische Anthropologie, Sprache, Kultur und Arch&auml;ologie zu  verstehen, wobei <b>jeder dieser Teilbereiche getrennt und mit jeweils anderen Methoden  zu studieren ist</b>.</li>
 
    <li>Kultur wird von ihm bzw. seinen Sch&uuml;lerInnen nach <b>Verbreitungsmerkmalen (Diffusion) von  Kulturelementen</b> und nach <b>holistischen Mustern (patterns)</b> untersucht</li>
 
    <li>Boas nimmt eine Vielzahl an <b>indigenen Texten</b> (Mythen, Erz&auml;hlungen, Erinnerungen an die  Vergangenheit u.a.) in der <b>Originalsprache</b> auf, versehen <b>mit interlinearer englischer  &Uuml;bersetzung</b> durch <b>InformantInnen oder DolmetscherInnen</b>.  </li>
 
    <li>Boas' wichtigster Mitarbeiter wird George Hunt, ein Mann von schottischer und Tlingit Herkunft,  der in einem Kwakiutl-Dorf herangewachsen und der Kwakwala-Sprache m&auml;chtig war. Er wird  von Boas in der richtigen Aufnahme der Texte und ihrer Transkription unterwiesen, in einigen  der publizierten Texte fungiert er auch als Co-Autor. Der Kontakt von Boas zu Hunt bleibt auch  nach dieser Zusammenarbeit &uuml;ber mehr als 30 Jahre aufrecht.</li>
 
    <li>Weitere von Boas angewandte Techniken sind <b>(teilnehmende) Beobachtung, Aufnahme  von Lebensgeschichten (</b><b><i>life histories</i></b><b>), unstrukturierte Interviews</b>.</li>
 
</ul>
 
<p> </p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.1 Franz Boas|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.1]]<br />
 
 
===5.2.1.2 Funktionalismus - Bronislaw Malinowski===
 
 
<p><b>Bronislaw Malinowski[1]</b> gilt als <b>Begr&uuml;nder der modernen ethnographischen Datenerhebung</b>.</p>
 
<p>Entgegen den spekulativen Rekonstruktionen der <i>armchair-anthropologists </i>wird durch ihn das  <b>Sammeln von first-hand Daten im Feld</b> zum g&uuml;ltigen Standard und die von Malinowski  programmierte <b><i>participant observation </i></b><b>zu &bdquo;der&ldquo; Methode der Kultur- und  Sozialanthropologie </b>(<b>Methoden und Techniken des Funktionalismus[2]</b>).</p>
 
<p>Der (strukturale) Funktionalismus als theoretische Str&ouml;mung wird ab dem Beginn des 20.  Jahrhunderts (1922) zur zentralen Ausrichtung innerhalb der <b>britischen Sozialanthropologie</b>.  W&auml;hrend Malinowski's Kulturtheorie bereits gegen Ende der 1930er Jahre abgelehnt wird, beh&auml;lt  der strukturale Funktionalismus von Radcliffe-Brown bis in die 1960er Jahre seine Bedeutung.</p>
 
<p>Von <b>naturwissenschaftlichen Vorstellungen</b> geleitet geht der Funktionalismus von der  Beziehung (Funktion) einzelner Teile innerhalb einer &uuml;bergeordneten Ganzheit bzw. zu dieser aus  (Organismusanalogie). (<b>Theoretische Grundannahmen des Funktionalismus[3]</b>)</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.2.1 Bronislaw Malinowski|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.2.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.2.3 Methoden und Techniken des Funktionalismus|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.2.3]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.2.2 Theoretische Grundannahmen des Funktionalismus|[3] Siehe Kapitel 5.2.1.2.2]]<br />
 
 
----
 
====5.2.1.2.1 Bronislaw Malinowski====
 
 
<p>Bronislaw Malinowski (1884 - 1942) z&auml;hlt <b>gemeinsam mit A. R. Radcliffe-Brown zu den  Begr&uuml;ndern der britischen Sozialanthropologie</b>. Sein Bekanntheitsgrad reicht weit &uuml;ber das  Fach hinaus, so greift u.a. S. Freud auf Malinowskis Arbeiten zur&uuml;ck.</p>
 
<p>Malinowski gilt als der <b>Initiator der modernen ethnographischen Datenerhebung</b> und des  <b>Funktionalismus</b> als theoretische Str&ouml;mung innerhalb der Sozialanthropologie. (<b>Theoretische Grundannahmen des Funktionalismus[1]</b>)</p>
 
<p><span class="imgbox imgright" style="width:276px; .word-wrap:break-word; "><img height="364" border="0" align="bottom" width="276" alt="Bronislaw Malinowski" src="images/qualitative-58_1.jpg" /><span class="imgcaption">Abbildung: Bronislaw Malinowski. Quelle: Silverman 1981: 100</span>
 
</span></p>
 
<p>Er studiert zun&auml;chst Mathematik, Physik und Philosophie in seiner Geburtsstadt Krakau, danach  in Leipzig bei W. Wundt Psychologie und schlie&szlig;lich in London Anthropologie bei E. Westermarck  und C. G. Seligman.</p>
 
<p>1914 findet seine erste <b>Feldforschung</b> bei den <b>Mailu (Australien)</b> statt, gefolgt von  mehrmonatigen Aufenthalten auf den <b>Trobriand Inseln (PNG)</b>. Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges  wird Malinowski auf Grund seiner polnischen Nationalit&auml;t (Polen war zu diesem Zeitpunkt der K&amp;K  Monarchie &Ouml;sterreich-Ungarn eingegliedert) zum Staatsfeind, der zwar nicht ausreisen, aber seinen  Forschungen frei nachgehen darf.</p>
 
<p>Dieser unfreiwillig verl&auml;ngerte Aufenthalt legt den Grundstein f&uuml;r den Mythos Malinowski: Er  entwickelt die sog. <b><i>participant observation </i></b><b>(teilnehmende Beobachtung)</b>, welche ein &uuml;ber  einen l&auml;ngeren Zeitraum hinweg intensives Zusammenleben mit der untersuchten Bev&ouml;lkerung  vorsieht. (<b>Methoden und Techniken des Funktionalismus[2]</b>)</p>
 
<p>Sp&auml;ter unternimmt Malinowski k&uuml;rzere Feldforschungen in verschiedene Gebieten Afrikas (meist im  Rahmen von Besuchen seiner forschenden StudentInnen) und in Mexiko.</p>
 
<p>Von 1923 bis 1938 unterrichtet Malinowski an der <b>London School of Economics</b> (ab 1927 als  Professor) und wird zum charismatischen Lehrer bedeutender VertreterInnen der  Sozialanthropologie (z.B. Firth, Evans-Pritchard, Nadel, Meyer-Fortes, Schapera, Richards,  Kaberry u.v.a.). Ab 1939 bis zu seinem Tode lehrt er in <b>Yale, New Haven, in den Vereinigten  Staaten</b>.</p>
 
<p>Seine <b>bedeutendsten Werke</b> sind <i>Argonauts of the Western Pacific </i>(1922), <i>Crime and Custom in  Savage Society </i>(1926), <i>Sex and Repression in Savage Society</i> (1927), <i>The Sexual Life of Savages  in North-Western Melanesia </i>(1929), <i>Coral Gardens and Their Magic </i>(1935), <i>A Scientific Theory of  Culture </i>(1944), <i>Freedom and Civilization </i>(1944), <i>Magic, Science and Religion </i>(1948), <i>A Diary in the  Strict Sense of the Term </i>(1967).</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.2.2 Theoretische Grundannahmen des Funktionalismus|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.2.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.2.3 Methoden und Techniken des Funktionalismus|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.2.3]]<br />
 
 
----
 
====5.2.1.2.2 Theoretische Grundannahmen des Funktionalismus====
 
 
<p>
 
Die <b>Grundzüge</b> des (strukturalen) Funktionalismus sind:
 
<ul>
 
<li>Wie die <b>Theoretischen Grundannahmen des historischen Partikularismus[1]</b> richtete sich der Funktionalismus <b>gegen die spekulativen Rekonstruktionen der Evolutionisten</b> und die
 
vergleichenden Methode der <i>armchair-anthropologists.</i></li>
 
<li>Entgegen den Annahmen von <b>Franz Boas[2]</b>  ist der Funktionalismus  <b>ahistorisch</b> eingestellt, da
 
die historische Perspektive nur bei Vorhandensein exakter schriftlicher Belege angestrebt
 
werden kann.</li>
 
<li><b>Organismusanalogie</b>: die Gesellschaft wird mit einem biologischen Organismus verglichen,
 
in dem die einzelnen Organe zusammenwirken müssen <b>(Funktion)</b>, um den Erhalt des
 
gesamten Körpers <b>(Struktur)</b> sicherzustellen. </li>
 
<li>Gesellschaften bzw. ihre Teile zielen <b>nach Ordnung (Equilibrium)</b> und verlaufen nach
 
bestimmten Mustern; der harmonische Zustand ist relativ stabil, Konflikte tendieren zu einem
 
neuerlichen Equilibriumszustand. </li>
 
<li>Das soziale Leben ist empirisch mittels <b>ethnographischer Datenerhebung fassbar</b> und für
 
wissenschaftliche Analysen geeignet
 
(<b>Methoden und Techniken des Funktionalismus[3]</b>).</li>
 
<li>Ziel ist das Herausfinden von <b>Gesetz- bzw. Regelmäßigkeiten</b> des sozialen Lebens im
 
naturwissenschaftlichen Sinne.</li>
 
<li>Im Mittelpunkt der Forschungen stehen die sog. <b>Institutionen</b> als Kristallisationspunkte (nach
 
Durkheim); die Kulturtheorie von <b>Bronislaw Malinowski[4]</b> leitet die wesentlichen Institutionen als
 
<b>Kulturreaktionen auf menschliche Grundbedürfnisse</b> ab</li>
 
</ul>
 
</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.2 Theoretische Grundannahmen des historischen Partikularismus|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.1 Franz Boas|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.1.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.2.3 Methoden und Techniken des Funktionalismus|[3] Siehe Kapitel 5.2.1.2.3]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.2.1 Bronislaw Malinowski|[4] Siehe Kapitel 5.2.1.2.1]]<br />
 
 
----
 
====5.2.1.2.3 Methoden und Techniken des Funktionalismus====
 
 
<p><b>Bronislaw Malinowski[1]</b> gilt als <b>Begr&uuml;nder der modernen ethnographischen Datenerhebung</b>.</p>
 
<p>Gem&auml;&szlig; den <b>theoretischen Grundannahmen des Funktionalismus[2]</b>  wird in der britischen  Sozialanthropologie die empirische Datengewinnung zum Ausgangspunkt aller wissenschaftlichen  Analysen &uuml;ber das soziale Leben.</p>
 
<p>Jede/r Forscher/in hatte zun&auml;chst m&ouml;glichst viel Material &uuml;ber ein bestimmtes Areal oder eine  Ethnie zusammenzutragen <b>(induktives Vorgehen)</b>, woraus eine Vielzahl an bemerkenswerten  <b>&quot;Stammesmonographien&quot;</b> resultierte.</p>
 
<p>Als <b>Feldforschungsgebiete</b> dienten die <b>ehemaligen britischen Kolonien</b> in den  &Uuml;berseegebieten.</p>
 
<p>Obwohl Malinowski seinen eigenen Anspr&uuml;chen &uuml;ber die Qualit&auml;t einer Ethnographie nicht immer  gerecht werden konnte (vgl. seine Tagebuchnotizen in <i>A Diary in the Strict Sense of the Word</i>,  1967 posthum ohne Zustimmung publiziert), gelten diese auch heute noch als Standard.</p>
 
<p>Malinowski's <b>Richtlinien f&uuml;r ethnographische Erhebungen</b> lauteten:</p>
 
<ul>
 
    <li><b>Feldaufenthal</b>t &uuml;ber einen l&auml;ngeren Zeitraum hinweg (<b>zumindest f&uuml;r ein Jahr</b>, um den  gesamten Jahreszyklus dokumentieren zu k&ouml;nnen);</li>
 
    <li>planm&auml;&szlig;iger <b>Abbruch</b> aller Kontakte des/r Forschers/in <b>zur eigenen Kultur</b>;</li>
 
    <li><b>Erlernen der &quot;Eingeborenensprache&quot;</b>;</li>
 
    <li>zum Kernst&uuml;ck wird die sog. <b><i>participant observation</i></b><b> (teilnehmende Beobachtung)</b>, die zu  einem weitgehenden Einleben und Verstehen der fremden Kultur durch den/die ForscherIn f&uuml;hren  soll (<i>&quot;We have to become They&quot;</i>);</li>
 
    <li>Ziel ist die <b>vollst&auml;ndige Integration des/der Forschers/in</b> in die untersuchte Kultur; die  Anwesenheit des/der Ethnographen/in muss so selbstverst&auml;ndlich sein, dass er/sie nicht mehr als  st&ouml;rend empfunden wird;</li>
 
    <li>die <b>Person</b> des/der Forschers/in wird zum <b>Messinstrument</b> im Feld (im naturwissenschaftlichen  Sinn);</li>
 
</ul>
 
<p> </p>
 
<p>Trotz dieser hohen Anspr&uuml;che war auch Malinowski auf die <b>Mitarbeit von InformantInnen und  DolmetscherInnen</b> angewiesen.</p>
 
<p>Neben der teilnehmenden Beobachtung f&uuml;hrte er (&uuml;blicherweise <b>unstrukturierte) Interviews,  sammelte Genealogien und Lebensgeschichten (life histories).</b></p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.2.1 Bronislaw Malinowski|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.2.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.2.2 Theoretische Grundannahmen des Funktionalismus|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.2.2]]<br />
 
 
===5.2.1.3 Human Relations Area Files (HRAF) - George P. Murdock===
 
 
<p>
 
Die <i>Human Relations Area Files (HRAF) </i>sind eine <b>Datenbank</b>, in welcher systematisch
 
geordnetes ethnographisches Datenmaterial von rund 400 Kulturen für weitere statistische
 
Auswertungen zur Verfügung steht. (<b>Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der HRAF[1]</b>)
 
</p>
 
<p>
 
Die HRAF wurden 1949 von <b>George P. Murdock[2]</b> gegründet und gingen aus dem 1937 entwickelten
 
<i>Cross-Cultural Survey </i>hervor.
 
   
 
 
</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.3.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der HRAF|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.3.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.3.1 George P. Murdock|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.3.1]]<br />
 
 
----
 
====5.2.1.3.1 George P. Murdock====
 
 
<p>
 
George Peter Murdock (1897 - 1985) war ein <b>amerikanischer Anthropologe</b>, der zum
 
Schülerkreis von <b>Franz Boas[1]</b> zählte. Im Gegensatz zu seinem Lehrer versuchte er die
 
<b>vergleichende Methode </b>(<i>comparative method</i>) wieder <b>in die Anthropologie</b> einzuführen und
 
diese als <b>nomothetische Wissenschaft</b> zu etablieren.
 
</p>
 
<p>
 
Murdock lehrte in <b>Yale und Pittsburgh</b>. 1937 richtete er in Yale den <b><i>Cross-Cultural Survey </i></b><b>als
 
Datenbank</b> für ethnographisches Material ein, aus welchem <b>1949 die </b><b><i>Human Relations Area
 
Files (HRAF)</i></b><i> </i> hervorgingen. (<b>Human Relations Area Files (HRAF) - George P. Murdock[2]</b>, 
 
<b>Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der HRAF[3]</b>)
 
</p>
 
<p>
 
1962 gründete Murdock die Zeitschrift <i>Ethnology</i> mit dem Ziel, die ethnographische
 
Datenproduktion und -kommunikation zu steigern.
 
</p>
 
<p>
 
Ebenso förderte er ethnographische Datenerhebungen im Pazifik und entwickelte ein Programm,
 
das vom <i>Office of Naval Research </i>unterstützt wurde.
 
</p>
 
<p>
 
Seine <b>bedeutendsten Werke</b> sind <i>Our Primitive Contemporaries </i>(1934), <i>Social Structure </i>(1949),
 
<i>Outline of South American Cultures </i>(1951), <i>Outline of World Cultures </i>(1954), <i>Africa: Its People
 
and Their Cultural History </i>(1959), <i>Culture and Society </i>(1965), <i>Atlas of World Cultures </i>(1981).
 
   
 
 
</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.1 Franz Boas|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.3 Human Relations Area Files HRAF - George P. Murdock|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.3]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.3.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der HRAF|[3] Siehe Kapitel 5.2.1.3.2]]<br />
 
 
----
 
====5.2.1.3.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der HRAF====
 
 
<p>Im Gegensatz zu seinem Lehrer <b>Franz Boas[1]</b>  bem&uuml;hte sich <b>George P. Murdock[2]</b> um eine  Wiedereinf&uuml;hrung der <b>vergleichenden Methode</b> (<i>comparative method</i>) im Sinne von Morgan und  Tylor in die Anthropologie und um deren Ausrichtung als <b>nomothetische Wissenschaft</b>.</p>
 
<p>Zu diesem Zweck entwickelte er 1937 zun&auml;chst den <i>Cross-Cultural Survey</i>, aus welchem 1949 die  <i>Human Relations Area Files (HRAF)</i> hervorgingen. Bei beiden handelt es sich um eine <b>Datenbank</b>,  in der systematisch (nach einem ethnographischen Index) gesammeltes <b>Material von rund 400  Kulturen</b> bereitgestellt ist.</p>
 
<p>Das Datenmaterial sollte anderen ForscherInnen <b>f&uuml;r statistische Auswertungen</b> zur Verf&uuml;gung  stehen, um <b>Verteilungen von Kulturmerkmalen</b> und <b>historische Beziehungen f&uuml;r bestimmte  Kulturareale</b> oder f&uuml;r &auml;hnliche Kulturtypen zu konstruieren.</p>
 
<p>In seinem <b>bekanntesten Werk</b>, <i>Social Structure</i> (1949), untersucht Murdock ein <b>Sample von 250  repr&auml;sentativen Gesellschaften</b> z.B. nach dem Zusammenhang von Deszendenzregeln und  postmaritalen Heiratsregelungen. So kann er bereits fr&uuml;her vermutete Zusammenh&auml;nge zwischen  patrilinearer Deszendenz und virilokaler Residenz bzw. zwischen matrilinearer Deszendenz und  uxori-lokaler oder viri-avunculokaler Residenz mittels pr&auml;ziser Korrelationen best&auml;tigen. Diese  Muster setzt er wiederum statistisch zu anderen Mustern (z.B. Subsistenzformen oder  Verwandtschaftsterminologien) in Beziehung, um (multi-)evolutionshistorische Entwicklungen  aufzuzeigen.</p>
 
<p>Die <i>Files</i> bieten eine wertvolle Basis f&uuml;r vergleichende quantifizierende Untersuchungen in der  Kultur- und Sozialanthropologie.</p>
 
<p>Ihre <b>Vorteile</b> liegen in:</p>
 
<ul>
 
    <li><b>Zugriffsm&ouml;glichkeit</b> f&uuml;r alle Subskribenten (Institutionen, WissenschaftlerInnen) auf Xerox  oder Mikrofiche-Basis; neuere Teile sind unter <b>eHRAF[3]</b> abrufbar.</li>
 
    <li><b>identes Ausgangsmaterial</b> f&uuml;r vergleichende Studien, u.a. basierend auf einem  einheitlichen Kodeschema, dem so genannten Outline of Cultural Materials  (<b>Inhaltsverzeichnis[4]</b>).</li>
 
    <li><b>umfangreiches Datenmaterial</b></li>
 
    <li><b>Qualit&auml;t und Tiefe</b> der Informationen gingen bereits in der Initialphase &uuml;ber das bisherige  Niveau hinaus, da nach einem ethnographischen Index gesammelt wurde</li>
 
    <li>das Anwachsen der <i>Files</i> war mit der zunehmenden <b>Bereitschaft von EthnographInnen</b>  verbunden, auch <b>quantifizierende Methoden</b> in ihre Forschungen miteinzubeziehen</li>
 
</ul>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.1.1 Franz Boas|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.1.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.3.1 George P. Murdock|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.3.1]]<br />
 
[http://www.library.illinois.edu/edx/hrafgui.htm &#91;3&#93; http://www.library.illinois.edu/edx/hrafgui.htm]<br />
 
[http://www.library.illinois.edu/edx/hraf_ocm.pdf &#91;4&#93; http://www.library.illinois.edu/edx/hraf_ocm.pdf]<br />
 
 
===5.2.1.4 Interpretative Anthropologie - Clifford Geertz===
 
 
<p>
 
Der amerikanische Kulturanthropologe <b>Clifford Geertz[1]</b> vergleicht die <b>Feldforschungssituation</b> mit
 
einem <b>literarischen Text</b>, voll von Bedeutungen, die der/die ForscherIn <b>eher interpretieren als
 
erklären</b> kann (<b>Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie[2]</b>).
 
</p>
 
<p>
 
Die in den 1970er Jahren formulierte interpretative Anthropologie leitete das <b>Postmoderne Denken</b>
 
in der Kulturanthropologie ein und führte zu einer Betonung von Schreiben und Text, Bedeutung
 
(<i>meaning</i>) und Interpretation im Gegensatz zu Struktur und Kausalität.
 
</p>
 
<p>
 
Geertz richtet sein Augenmerk weg von generalisierenden Aussagen auf die tiefe Durchdringung
 
einzelner Fälle (<b>thick description</b> oder <b>dichte Beschreibung[3]</b>).
 
   
 
 
</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.4.1 Clifford Geertz|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.4.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.4.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.4.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.4.2.1 Beispiel für eine dichte Beschreibung|[3] Siehe Kapitel 5.2.1.4.2.1]]<br />
 
 
----
 
====5.2.1.4.1 Clifford Geertz====
 
 
<p>
 
Clifford Geertz (1926 - 2006) war ein bedeutender <b>amerikanischer Kulturanthropologe</b>, der über
 
sein Fach hinaus Beachtung erlangte und Einfluss auf Philosophie, Literaturwissenschaft,
 
Geschichte, Geographie, Ökologie, Politikwissenschaft u.a. nahm.
 
</p>
 
<p>
 
Ausgebildet in Harvard unterrichtete er zunächst in <b>Berkeley und Chicago</b>, ab 1970 bis zu
 
seinem Tode (als Emeritus) an der School of Social Science at the Institute for Advanced Study an
 
der <b>Universität von Princeton, N.Y.</b>.
 
</p>
 
<p>
 
Seine <b>Themenschwerpunkte</b> waren u.a. Kultur (allgemein), Religion (speziell der Islam),
 
ökonomische Entwicklungen, traditionelle politische Strukturen, Dorf- und Familienleben.
 
</p>
 
<p>
 
Geertz führte intensive <b>ethnographische Forschungen</b> auf <b>Java, Bali und in Marokko </b>durch.
 
</p>
 
<p>
 
Er vergleicht die <b>Feldforschungssituation</b> mit einem <b>literarischen Text</b>, voll von Bedeutungen,
 
die der/die ForscherIn eher interpretieren als erklären kann. Den Höhepunkt seines Schaffens
 
erreicht Geertz in den 1970er und 80er Jahren mit der Begründung der <b>interpretativen
 
Anthropologie.</b> (<b>Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie[1]</b>)
 
</p>
 
<p>
 
Er richtet sein Augenmerk weg von generalisierenden Aussagen auf die tiefe Durchdringung
 
einzelner Fälle (<b>thick description</b> oder <b>dichte Beschreibung[2]</b>).
 
</p>
 
<p>
 
Seine <b>bedeutendsten Werke</b> sind <i>The Religion of Java</i> (1960), <i>Agricultural Involution</i> (1963),
 
<i>Islam Observed: Religious Development in Morocco and Indonesia </i>(1968), <i>The Interpretation of
 
Cultures: Selected Essays </i>(1973, 2000), <i>Negara: The Theatre State in Nineteenth Century Bali</i>
 
(1980), <i>Works and Lives: The Anthropologist as Author</i> (1988), <i>The Politics of Culture, Asian
 
Identities in a Splintered World </i>(2002).
 
   
 
 
</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.4.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.4.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.4.2.1 Beispiel für eine dichte Beschreibung|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.4.2.1]]<br />
 
 
----
 
====5.2.1.4.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie====
 
 
<p>Ausgangspunkt f&uuml;r <b>Clifford Geertz[1]</b> bildet die <b>symbolische Anthropologie</b>, wonach jede Kultur eine  relativ autonome Ganzheit, ein System von Bedeutungen darstellt, welches der/die Anthropologe/in durch  <b>dekodieren und interpretieren</b> erschlie&szlig;en kann.</p>
 
<p>In seinem Werk <i>The Interpretation of Cultures </i>(1973) vergleicht Geertz die <b>ethnographische  Analyse</b> mit der Durchdringung eines <b>literarischen Dokumentes</b>, voll von Bedeutungen, die  der/die ForscherIn eher interpretieren als schl&uuml;ssig erkl&auml;ren kann. (deshalb die Bezeichnung  <b>interpretative Anthropologie</b>).</p>
 
<p>Die in einer Ethnographie dargestellte Kultur ist als ein <b>Zusammenbau verschiedener Texte</b> zu  verstehen:</p>
 
<ul>
 
    <li>der <b>Interpretationen der untersuchten Personen </b>&uuml;ber Ph&auml;nomene ihrer Lebenswelt in Zeit  und Raum; Geertz bezeichnet diese als Interpretationen <b>erster Ordnung</b></li>
 
    <li>der <b>Interpretationen der InformantInnen</b> &uuml;ber Ph&auml;nomene der Lebenswelt in Zeit und Raum;  Geertz bezeichnet diese als Interpretationen <b>erster oder zweiter Ordnung</b></li>
 
    <li>der <b>Interpretationen der EthnographInnen</b> &uuml;ber Ph&auml;nomene von Lebenswelten, die von  deren intellektuellem Hintergrund in Zeit und Raum geleitet werden; Geertz bezeichnet diese  als Interpretationen <b>zweiter oder dritter Ordnung.</b> </li>
 
</ul>
 
<p> </p>
 
<p>Die Zusammenf&uuml;hrung und &Uuml;berlagerung dieser einzelnen Interpretationen nennt Geertz <b>thick  description </b>oder <b>dichte Beschreibung[2]</b>.</p>
 
<p><b>Dichte Beschreibungen</b> sind nach Geertz <b>keine &bdquo;einfachen Beschreibungen&ldquo;</b>, sondern eine  Kombination von <b>Beschreibung und Interpretation</b>.</p>
 
<p>Den Ausdruck <b>thick description</b> &uuml;bernimmt Geertz vom Sprachphilosophen <b>Gilbert Ryle</b>, der  damit eine schnelle Augenlidbewegung in einer Runde von Knaben beschreibt: nur das  interpretative, schnelle Erfassen der Gesamtsituation l&auml;sst Wesentliches von Irrelevantem  unterscheiden. Ebenso verf&auml;hrt der/die EthnographIn bei der Zusammenf&uuml;hrung aller verf&uuml;gbaren  Interpretationen.</p>
 
<p>Der <b>tiefen, mikroskopisch genauen Durchdringung einzelner F&auml;lle</b> (dichtes Beschreiben) gibt  Geertz den Vorzug <b>gegen&uuml;ber generalisierenden Aussagen.</b></p>
 
<p>Wesentliche Bedeutung f&uuml;r die Pr&auml;sentation der Ethnographie kommt dem Akt und der <b>Art des  Schreibens </b>zu, durch den die dichten Beschreibungen zum Ausdruck kommen.  <b>Ethnographische Schriften</b> sind nach Geertz <b>Fiktionen</b>, weil sie etwas k&uuml;nstlich Geschaffenes  sind, m&uuml;ssen aber nicht unbedingt falsch sein. Geertz vertritt die Ansicht, dass auch  Interpretationen wissenschaftlich sein k&ouml;nnen.</p>
 
<p>Die interpretative Anthropologie <b>leitete das Postmoderne Denken in der Kulturanthropologie  ein</b> und f&uuml;hrte zu einer Betonung von Schreiben und Text, Bedeutung (<i>meaning</i>) und Interpretation  im Gegensatz zu Struktur und Kausalit&auml;t.</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.4.1 Clifford Geertz|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.4.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.4.2.1 Beispiel für eine dichte Beschreibung|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.4.2.1]]<br />
 
 
----
 
=====5.2.1.4.2.1 Beispiel für eine dichte Beschreibung=====
 
 
<p>
 
<b>Textprobe</b> für eine &quot;dichte Beschreibung&quot; nach <b>Clifford Geertz[1]</b> (siehe auch <b>Theoretische
 
Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie[2]</b>):
 
</p>
 
<p>
 
<i>&quot;Der Kampf.</i>
 
</p>
 
<p>
 
<i>Hahnenkämpfe (tetadjen; sabungan) werden in einem Ring abgehalten, der ungefähr fünfzig Fuß
 
im Quadrat mißt. Gewöhnlich beginnen sie am späteren Nachmittag und dauern drei oder vier
 
Stunden bis zum Sonnenuntergang. Was den allgemeinen Ablauf betrifft, so sind die Kämpfe
 
völlig gleich: es gibt keinen Hauptkampf, keinen Zusammenhang zwischen den einzelnen
 
Kämpfen, keine formalen Unterschiede nach Größen, und ein jeder wird völlig ad hoc arrangiert.
 
Sobald ein Kampf zuende ist und die emotionalen Trümmer beiseite geräumt sind - die Wetten
 
ausbezahlt, die Flüche ausgesprochen und die toten Hähne in Besitz genommen -, begeben sich
 
sieben, acht, vielleicht ein Dutzend Männer unauffällig mit ihren Hähnen in den Ring, um dort einen
 
passenden Gegner für sie zu finden. Dieser Vorgang, der selten weniger als zehn Minuten dauert,
 
oft sogar länger, findet in einer sehr scheuen, verstohlenen, oft sogar verheimlichenden Weise
 
statt. Die nicht unmittelbar Beteiligten schenken dem Ganzen eine allenfalls versteckte, beiläufige
 
Beachtung; diejenigen, die - zu ihrer Verlegenheit - beteiligt sind, tun irgendwie so, als geschähe
 
das alles überhaupt nicht.</i>
 
</p>
 
<p>
 
<i>Wenn ein Paar zusammengestellt ist, ziehen sich die anderen Aspiranten mit derselben betonten
 
Gleichgültigkeit zurück. Dann legt man den ausgewählten Hähnen ihre Sporen (tadji) an -
 
rasiermesserscharfe, spitze Stahldolche von vier oder fünf Zoll Länge  ...</i>
 
</p>
 
<p>
 
<i>Sind die Sporen angelegt, werden die Hähne in der Mitte des Ringes von den Hahnenführern (die
 
nicht immer identisch mit den Besitzern sind) einander gegenüber in Stellung gebracht. Eine
 
Kokosmuß, in die ein kleines Loch gebohrt ist, wird in einen Eimer mit Wasser geworfen, in dem
 
sie etwa nach einundzwanzig Sekunden untergeht, eine Zeitspanne, die tjeng genannt wird und
 
deren Anfang und Ende durch das Schlagen eines Schlitzgongs angezeigt wird. Während dieser
 
einundzwanzig Sekunden ist es den Führern (pengangkeb) nicht gestattet, ihre Hähne zu
 
berühren. Wenn es, was zuweilen geschieht, in dieser Zeit zu keinem Kampf zwischen den Tieren
 
gekommen ist, nimmt man sie wieder an sich, sträubt ihre Federn, zieht an ihnen, sticht sie und
 
ärgert sie noch auf andere Weise, und setzt sie dann zurück in die Mitte des Ringes, wo der
 
Vorgang von neuem beginnt. Manchmal weigern sie sich selbst dann noch zu kämpfen, oder einer
 
rennt ständig davon; in solch einem Falle werden sie zusammen unter einen Korbkäfig gesteckt,
 
was sie dann für gewöhnlich zum Kämpfen bringt.</i>
 
</p>
 
<p>
 
<i>In den meisten Fällen jedoch fliegen die Hähne beinahe sofort aufeinander los, in einer
 
flügelschlagenden, kopfstoßenden und um sich tretenden Explosion tierischer Wut, so rein, so
 
absolut und auf ihre Weise so schön, dass sie fast abstrakt zu nennen wäre, ein platonischer
 
Begriff des Hasses.&quot;</i>
 
</p>
 
<p>
 
in: Geertz, Clifford (1983) &quot;Deep Play&quot;: Bemerkungen zum balinesischen Hahnenkampf. In: ders. <i>Dichte Beschreibung.</i> Frankfurt am Main: Suhrkamp (orig. engl. 1973), S. 214-216
 
   
 
 
</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.4.1 Clifford Geertz|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.4.1]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.4.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.4.2]]<br />
 
 
===5.2.1.5 Anthropology at Home===
 
 
<p>
 
<b>Anthropology at Home</b><i> </i>oder <b>auto-anthropology</b><i> </i>(nach Edward Ardener) bedeutet
 
<b>ethnographische Forschung</b>, die im Heimatgebiet der EthnographInnen durchgeführt wird.
 
</p>
 
<p>
 
Anthropology at Home<b> </b>kann als <b>Überbegriff </b>für unterschiedliche kultur- und
 
sozialanthropologische Studien verstanden werden (siehe <b>Vor- und Nachteile der Anthropology at Home[1]</b>), der sich aus den <b>gesellschaftspolitischen Voraussetzungen[2]</b> des Forschungskontextes ableitet.
 
</p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.5.2 Vor- und Nachteile der Antrhopology at Home|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.5.2]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.5.1 Gesellschaftspolitische Voraussetzungen von Anthropology at Home|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.5.1]]<br />
 
 
----
 
====5.2.1.5.1 Gesellschaftspolitische Voraussetzungen von Anthropology at Home====
 
 
<p>Im Gegensatz zur sog. <i>exotischen Anthropologie</i>, welche ihre Forschungsgebiete vornehmlich in  &Uuml;berseel&auml;ndern suchte, betreibt die <b>Anthropology at Home[1]</b> <i> </i>ihre Untersuchungen im <b>Heimatgebiet  der EthnographInnen</b>.</p>
 
<p>Trotz einzelner Studien f&uuml;hrte die mainstream Kultur- und Sozialanthropologie bis zu Beginn der  1970er Jahre ihre Erhebungen vorwiegend in &Uuml;berseegebieten durch.</p>
 
<p><b>Einreisebeschr&auml;nkungen</b> in viele der ehemaligen (kolonialen) Forschungsl&auml;nder, bei  gleichzeitigem rasantem <b>Ansteigen an ausgebildeten AnthropologInnen</b> f&uuml;hrten vermehrt dazu,  den ethnographischen Blick weg von exotischen Gebieten auf die eigene Kultur/Subkulturen zu  richten. Zudem begannen immer mehr <b>indigene, an westlichen Universit&auml;ten ausgebildete  Kultur- und SozialanthropologInnen</b>, ihre eigenen Heimatgebiete zu erforschen.</p>
 
<p>Stanley R. Barrett unterscheidet nach den gesellschaftspolitischen Voraussetzungen der  Forschungsbedingungen unterschiedliche<b> Typen </b>von<b> </b>Anthropology at Home:</p>
 
<ul>
 
    <li><b><i>Insider Anthropology</i></b> wird von EthnographInnen betrieben, die <b>aus</b> den das Forschungsgebiet  <b>dominierenden Gruppen</b> stammen.</li>
 
    <li><b><i>Native Anthropology </i></b>wird von EthnographInnen betrieben, die <b>aus Minderheiten-Gruppen</b>  im Forschungsgebiet stammen.</li>
 
    <li><b><i>Indigenous Anthropology </i></b>wird von so genannten &bdquo;<b>3.Welt-AnthropologInnen</b>&ldquo; betrieben, die  Forschung in ihrem Heimatland betreiben.</li>
 
</ul>
 
<p> </p>
 
<p>Bei dieser Dreiteilung von Barrett wird deutlich, dass sich die Differenz zwischen Insider und Native  Anthropology innerhalb der Indigenous Anthropology der 3.Welt-AnthropologInnen wiederholt.</p>
 
<p><b>Anthropology at Home</b> kann als <b>&Uuml;berbegriff </b>f&uuml;r unterschiedliche kultur- und  sozialanthropologische Studien verstanden werden (siehe <b>Vor- und Nachteile der Anthropology at Home[2]</b>).</p>
 
<p> </p>
 
<p>Literatur:</p>
 
<p>Barrett, Stanley R. (1996) <i>Anthropology. A Student&acute;s Guide to Theory and Method. Toronto:  University of Toronto Press</i></p>
 
<br /><b>Verweise:</b><br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.5 Anthropology at Home|[1] Siehe Kapitel 5.2.1.5]]<br />
 
[[Der_Prozess_der_Datenerhebung/Prozess#5.2.1.5.2 Vor- und Nachteile der Antrhopology at Home|[2] Siehe Kapitel 5.2.1.5.2]]<br />
 
 
----
 
====5.2.1.5.2 Vor- und Nachteile der Antrhopology at Home====
 
 
<p>
 
'''Anthropology at Home'''  kann als <b>Überbegriff </b>für unterschiedliche kultur- und
 
sozialanthropologische Studien verstanden werden, der sich aus den '''gesellschaftspolitischen
 
Voraussetzungen'''  des Forschungskontextes ableitet.
 
</p>
 
<p>
 
Im Rahmen der <i>Anthropology at Home </i>können bei ethnographischen Untersuchungen sowohl
 
<b>qualitative wie quantitative Methoden</b> herangezogen werden.
 
</p>
 
<p>
 
<br/>
 
</p>
 
<p>
 
Die <b>Vorteile </b>für Anthropology at Home sind:
 
<ul>
 
<li>Wegfall langer Anreisen und erheblicher Reisekosten,</li>
 
<li>linguistische Kompetenz,</li>
 
<li>kein bedingungsloses Angewiesensein auf InformantInnen,</li>
 
<li>als Insider leichteres Verständnis der kulturellen Problematik, </li>
 
<li>sowie größere Kapazität, kulturelle Nuancen von non-verbalen und verbalen Daten
 
wahrzunehmen.</li>
 
</ul>
 
</p>
 
<p>
 
<br/>
 
</p>
 
<p>
 
Die <b>Nachteile</b> für Anthropology at Home sind:
 
<ul>
 
<li>Auf Grund der Vertrautheit werden viele Dinge des Alltagslebens von den ForscherInnen nicht
 
hinterfragt und analysiert.</li>
 
<li>Zu geringe soziale Distanz zur untersuchten Gruppe kann einem unparteiischen Verhalten der
 
ForscherInnen entgegenstehen.</li>
 
<li>Fehler im Verhalten der EthnographInnen werden nicht toleriert, da erwartet wird, dass die
 
sozialen Regeln bekannt sind.</li>
 
</ul>
 
 
 
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Revision as of 18:03, 13 November 2019

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5. Der Prozess der Datenerhebung

Der Prozess der Datenerhebung kann sozialwissenschaftliche Verfahren, wie unterschiedliche Formen der Beobachtung[1], der Befragung[2], von Experimenten, aber auch nicht reaktive Verfahren umfassen.

Innerhalb der Kultur- und Sozialanthropologie ist die ethnographische Feldforschung[3] das methodische Kernstück der Datenerhebungsverfahren. Innerhalb der ethnographischen Feldforschung kommen im Sinne einer impliziten, flexiblen und am Feld orientierten Methodentriangualtion[4] unterschiedliche Erhebungsstrategien zum Einsatz, welche die teilnehmende Beobachtung, unterschiedliche Formen von Befragung, aber auch die Analyse und Dokumentation von schriftlichen Dokumenten und Artefakten umfasst.


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 5.1.1
[2] Siehe Kapitel 5.1.2
[3] Siehe Kapitel 5.2
[4] Siehe Kapitel 5.1.3

Inhaltsverzeichnis

5. Der Prozess der Datenerhebung

5.1 Strategien der Datenerhebung
5.1.1 Formen der Beobachtung
5.1.1.1 Standardisierte Formen der Beobachtung
5.1.1.1.1 Nicht standardisierte Formen der Beobachtung
5.1.1.2 Teilnehmende und nicht teilnehmende Beobachtung
5.1.1.2.1 Beobachtungsrollen
5.1.1.3 Direkte und indirekte Beobachtung
5.1.1.4 Offene und verdeckte Beobachtung
5.1.1.5 Literatur
5.1.2 Formen von Befragungen
5.1.2.1 Unterscheidungskriterien qualitativer Interviews
5.1.2.1.1 Strukturierung
5.1.2.1.2 Einzel- vs. Gruppeninterviews/Diskussionen
5.1.2.1.3 Form und Medium der Befragung
5.1.2.1.4 Stil der Kommunikation
5.1.2.1.5 Frageformen
5.1.2.1.6 Zielsetzung
Der_Prozess_der_Datenerhebung/Strategien#5.1.2.2 Beispiele für qualitative Interviewverfahren<5.1.2.2 Beispiele für qualitative Interviewverfahren
5.1.2.2.1 Biographische Interviews
5.1.2.2.2 Formen informeller Gespräche
5.1.2.2.2.1 Das rezeptive Interview
5.1.2.2.2.2 Das ero-epische Gespräch
5.1.2.2.3 Formen formeller Interviews
5.1.2.2.3.1 Das ExpertInneninterview
5.1.2.2.3.2 Das problemzentrierte Interview
5.1.2.2.3.3 Das narrative Interview
5.1.2.2.4 Das ethnographische Interview
5.1.2.3 Formen der Transkription von qualitativen Interviews
5.1.2.4 Literatur zum Thema Befragungen
5.1.3 Methodentriangulation
5.2 Ethnographie als Prozess der Datenerhebung
5.2.1 Forschungsdesign klassischer Ethnographien
5.2.1.1 Historischer Partikularismus - Franz Boas
5.2.1.1.1 Franz Boas
5.2.1.1.2 Theoretische Grundannahmen des historischen Partikularismus
5.2.1.1.3 Methoden und Techniken des historischen Partikularismus
5.2.1.2 Funktionalismus - Bronislaw Malinowski
5.2.1.2.1 Bronislaw Malinowski
5.2.1.2.2 Theoretische Grundannahmen des Funktionalismus
5.2.1.2.3 Methoden und Techniken des Funktionalismus
5.2.1.3 Human Relations Area Files (HRAF) - George P. Murdock
5.2.1.3.1 George P. Murdock
5.2.1.3.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der HRAF
5.2.1.4 Interpretative Anthropologie - Clifford Geertz
5.2.1.4.1 Clifford Geertz
5.2.1.4.2 Theoretische Grundannahmen, Methoden und Techniken der interpretativen Anthropologie
5.2.1.4.2.1 Beispiel für eine dichte Beschreibung
5.2.1.5 Anthropology at Home
5.2.1.5.1 Gesellschaftspolitische Voraussetzungen von Anthropology at Home
5.2.1.5.2 Vor- und Nachteile der Antrhopology at Home
5.2.2 Die praktische Umsetzung einer ethnographischen Feldforschung
5.2.2.1 Worin besteht die richtige Vorbereitung für eine Feldforschung?
5.2.2.1.1 Fachlich-wissenschaftliche Vorbereitung
5.2.2.1.1.1 Ausarbeitung der wissenschaftstheoretischen Position
5.2.2.1.1.2 Ausarbeitung der anzuwendenden Methode(n) und Techniken
5.2.2.1.1.3 Erwerb von Regionalkenntnissen
5.2.2.1.1.4 Erwerb von Sachkenntnissen
5.2.2.1.1.5 Sprachliche Vorkenntnisse
5.2.2.1.1.5.1 Sprachen europäischen Ursprungs
5.2.2.1.1.5.2 Lokale Verkehrssprachen und Pidgin
5.2.2.1.1.5.3 Lokale bzw. indigene Sprachen
5.2.2.1.2 Praktisch-organisatorische Vorbereitung
5.2.2.1.2.1 Projektanträge
5.2.2.1.2.2 Kontakte zu Institutionen im Forschungsland
5.2.2.1.2.3 Empfehlungsschreiben
5.2.2.1.2.4 Reisemodalitäten
5.2.2.1.2.5 Unterbringungsmöglichkeiten
5.2.2.1.2.6 Medizinische Maßnahmen
5.2.2.1.2.7 Technische Ausrüstung
5.2.2.1.3 Persönliche Vorbereitung: Selbstreflexion der ForscherIn
5.2.3 Wie schreibt man Feldnotizen?
5.2.3.1 Headnotes und Fieldnotes
5.2.3.2 Von der ethnographischen Erfahrung zu den Feldnotizen
5.2.3.3 Feldnotizen als Daten
5.2.3.4 Fieldnotes als unterschiedliche Textsorten
5.2.3.4.1 Stichwortzettel
5.2.3.4.1.1 Empfehlungen für das Festhalten von Stichwörtern
5.2.3.4.2 Ausgearbeitete fieldnotes
5.2.3.4.2.1 Das Ausarbeiten der Fieldnotes
5.2.3.4.2.2 Stile und Strategien des Verfassens von Fieldnotes
5.2.3.4.2.2.1 Beschreibungsperspektiven
5.2.3.4.2.2.2 Echtzeit- und Endpunkt-Beschreibungen
5.2.3.4.2.2.3 Die Darstellung von Szenen
5.2.3.4.2.2.3.1 Veranschaulichung
5.2.3.4.2.2.3.2 Dialog
5.2.3.4.2.2.3.3 Charakterisierung
5.2.3.4.2.2.3.4 Bedeutungen der lokalen AkteurInnen
5.2.3.4.2.2.4 In-Beziehung-Setzung von Szenen
5.2.3.4.3 Organisation der fieldnotes
5.2.3.4.4 Transkripte
5.2.3.4.5 Spezialisierte Datensammlungen
5.2.3.4.6 Metadatendokumentation
5.2.3.4.7 Schriftliche Interaktionen aus dem Feld
5.2.3.4.8 Literatur
5.2.3.5 Analyse der Fieldnotes
5.2.3.5.1 Das Lesen der Feldnotizen als Daten
5.2.3.5.2 Das Stellen von Fragen an die Fieldnotes
5.2.3.5.3 Das Kodieren der Feldnotizen
5.2.3.5.3.1 Offenes Kodieren
5.2.3.5.3.2 Rekodieren: von allegemeinen zu spezifischen Kodes oder umgekehrt?
5.2.3.5.3.3 Kodieren vor dem Hintergrund von Konzepten und Fragestellungen
5.2.3.5.3.3.1 Axiales Kodieren in der Grounded Theory
5.2.3.5.3.3.2 Thematisches Kodieren
5.2.3.5.3.4 Kodieren vor dem Hintergrund der Konzeptualisierung einer erthnographischen Erzählung
5.2.3.5.4 Das Verfassen von Memos
5.2.4 Literatur

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

1. Was ist ein Forschungsprojekt?
2. Arten des Schlussfolgerns
3. Sampling
4. Daten und Artefakte