Daten und Artefakte

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4.Daten und Artefakte

Unter Daten versteht man im Allgemeinen „aus Messungen, Beobachtungen und Ähnlichem gewonnene Angaben und Informationen“. Innerhalb der Wissenschaft ist vor allem die Dokumentation der gewonnenen Informationen für weitere Analysen zentral. Daten sind also kein „Ding an sich“, sondern entstehen erst als dokumentierte (z.B. verschriftlichte) Beobachtungsleistung.

Wissenschaftliche Daten beruhen auf systematischer Datendokumentation!

Wenn solche Beobachtungsleistungen im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsprojekte organisiert werden, spricht man von Datenerhebung[1], die auf unterschiedlichen Methoden beruhen kann. Daten können in einem Forschungsprojekt selbst erhoben werden, eine Untersuchung kann aber auch bereits vorliegende Daten[2] analysieren. Erfolgt die Datenerhebung mittels standardisierter Instrumente (Waage, Thermometer, Fragebogen etc.), wird sie auch Messung genannt.

Da man mit unterschiedlichen Sinnen und Instrumenten beobachten kann, gibt es auch unterschiedliche Formen von Daten. Einerseits werden qualitative (nicht standardisierte) Daten von quantitativen (standardisierten, numerischen) unterschieden, andererseits kann man innerhalb der qualitativen Daten verschiedene Formen unterscheiden. Diese Formen beziehen sich einerseits auf die menschlichen Sinne (z.B. visuell, akustisch) und andererseits auf die Art der Datendokumentation[3] (deskriptiv, auditiv, visuell, audio-visuell).

Im Gegensatz zu den anderen Sozialwissenschaften und einigen Geisteswissenschaften erhebt und analysiert die Kultur- und Sozialanthropologie aber nicht nur qualitative und quantitative Daten, sondern sammelt auch systematisch materielle Artefakte. So werden einerseits von Menschen produzierte Objekte als Ausdrucksweisen der untersuchten Kulturen gesammelt und in eigenen Museen[4] archiviert, wissenschaftlich bearbeitet und ausgestellt.

Andererseits werden z.B. in der Ethnobotanik und Ethnomedizin systematisch natürliche Materialien und Lebewesen (Pflanzen, Tiere, etc.) gesammelt und ihre lokalen Verwendungsweisen dokumentiert. So werden etwa Herbarien für Pflanzensammlungen angelegt, um diese botanisch bestimmen und auf Pflanzeninhaltsstoffe untersuchen zu können.

Diese materiellen Artefakte dienen einerseits als Basis für wissenschaftliche Untersuchungen und der Produktion von Daten, andererseits werden sie wie Daten (Fotos, Filme, Tonaufnahmen, ...) zur Repräsentation soziokultureller Lebensformen eingesetzt.


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 5
[2] Siehe Kapitel 4.3
[3] Siehe Kapitel 4.2
[4] Siehe Kapitel 4.4

Inhaltsverzeichnis



4.1 Qualitative und quantitative Daten

In den Sozialwissenschaften wird im Normalfall zwischen qualitativen und quantitativen Daten unterschieden. Eine Art der Unterscheidung stellt darauf ab, ob es sich um numerische, das heißt in Zahlen transformierte quantitative Daten handelt oder um nicht-numerische Daten in z.B. verschriftlichter oder audio-visueller Form. Die andere Unterscheidung, die zumeist aus der Perspektive der quantitativen Sozialforschung getroffen wird, macht die Unterscheidung zwischen qualitativen und quantitativen Daten nicht primär an der numerischen Ausprägung, sondern am Skalenniveau[1] der Daten fest. Nominalskalierte[2] Daten werden aus einer solchen Position manchmal als qualitative Daten bezeichnet, auch wenn ihre Ausprägungen in Zahlenwerten zum Ausdruck kommen.


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 3.1.2 der Lernunterlage Grundlagen Statistischer Auswertungsverfahren
[2] Siehe Kapitel 3.1.2.2 der Lernunterlage Grundlagen Statistischer Auswertungsverfahren

4.2 Formen qualitativer Datendokumentation und Arten qualitativer Daten

Im Rahmen der qualitativen Datenerhebung werden mittels bestimmter Verfahren, wie (teilnehmender) Beobachtung[1], Befragung[2], Feldforschung[3], Experimente etc. Wahrnehmungen, Aussagen und Erfahrungen zu Daten transformiert. Dabei kann es sich um die eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen handeln, die in Form von Feldnotizen[4] verschriftlicht werden, oder aber um die Wahrnehmungen, Aussagen und Erfahrungen anderer, welche beobachtet werden oder in Befragungen zum Ausdruck kommen.
Zentral ist, dass es im Zuge dieses Prozesses zu einer mehrfachen Selektion kommt: Erstens haben wir es notgedrungen immer mit selektiven Wahrnehmungen komplexer Situationen zu tun, und zweitens kommt es während der Transformation solcher Wahrnehmungen und Erfahrungen in Aussagen und Daten zu einer weiteren Auswahl. Wenn der/die ForscherIn die Aussagen dritter dokumentiert und verschriftlicht, kommt es zu weiteren Selektionen. Die dokumentierten Daten zeigen deshalb immer nur einen von dem/der ForscherIn und Beforschten gestalteten Ausschnitt der realen Feldsituation in Form von verschriftlichten Daten, Bildern, Filmen, Fotos, und Tonaufnahmen.


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 5.1.1
[2] Siehe Kapitel 5.1.2
[3] Siehe Kapitel 5.2
[4] Siehe Kapitel 5.2.3


4.2.1 Schreiben

Eine zentrale Strategie, Wahrnehmungen, Aussagen und Erfahrungen in Daten zu transformieren ist, Verschriftlichungen in Form von Transkripten[1], Protokollen[2] und Feldnotizen[3] anzulegen. Von Interviews, die mittels audio-visueller Methoden aufgenommen wurden, fertigt man im Normalfall Transkriptionen an, während von Gesprächen und Interviews, die nicht aufgezeichnet wurden, nachträglich Interview- bzw. Gesprächsprotokolle angefertigt werden. Im Rahmen einer Feldforschung sind diese Teil der umfassenderen Feldnotizen.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 5.2.3.4.4
[2] Siehe Kapitel 2.2.5 der Lernunterlage Das Verfassen Wissenschaftlicher Arbeiten
[3] Siehe Kapitel 5.2.3

4.3 Selbst erhobene und bereits vorliegende Daten

Neben den mittels unterschiedlicher Datenerhebungsverfahren im Laufe eines Forschungsprozesses selbsterhobenen Daten können auch bereits vorliegende oder von anderen erhobene Daten im Rahmen eines Forschungsprojektes einer Analyse unterzogen werden. Zu solchen nicht selbst erhobenen Daten, die mittels eigener analytischer Verfahren untersucht werden können, gehören z.B.:

  • Dokumente,
  • Akten,
  • Artefakte,
  • Tagebücher,
  • Teilbereiche unterschiedlicher Medien, wie Zeitungen, Fernsehen, Filme, aber auch das Internet
  • aber auch vorliegende Daten aus anderen wissenschaftlichen Untersuchungen, die einer Reanalyse unterzogen werden können.

4.4 Institutionelle Archivierung kultur- u. sozialanthropologischer Artefakte und Daten

Die institutionelle Archivierung kultur- und sozialanthropologischer Artefakte und relevanter Daten findet auf unterschiedlichen Ebenen statt:

  • in ethnologischen bzw. völkerkundlichen Museen[1]
  • in audio-visuellen Archiven[2]
  • in den Sammlungen ethnologischer und kultur- und sozialanthropologischer Institute[3]
  • in spezialisierten Archiven für anthropologische Feldnotizen und Manuskripte[4]
  • sowie zum Teil in naturhistorischen Museen.


Verweise:
[1] Siehe Kapitel 4.4.1
[2] Siehe Kapitel 4.4.2
[3] Siehe Kapitel 4.4.3
[4] https://www.si.edu/siasc/naa


4.4.1 Eine Auswahl ethnographischer Museen

EUROPA Österreich: Wien: Weltmuseum[1]
Volkskundemuseum[2]
Schwaz/Tirol: Museum der Völker[3]
Deutschland: Berlin: Ethnologisches Museum[1]
Museum europäischer Kulturen[2]
Dresden: Museum für Völkerkunde[6]
Frankfurt/Main: Museum der Weltkulturen[7]
Hamburg: MARRK - Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste[8]
Heidelberg: Völkerkundemuseum[9]
Köln: Rautenstrauch-Joest-Museum[10]
Leipzig: Museum für Völkerkunde[11]
München: Museum Fünf Kontinente[12]
Stuttgart: Linden-Museum[13], Staatliches Museum für Völkerkunde
Wuppertal: Archiv- und Museumsstifung der VEM, Museum auf der Hardt[14]
Frankreich: Paris: Musée du quai Branly[15]
Cité nationale de l'histoire de l'immigration [16]
Das Musée des arts et traditions populaires (MNATP) in Paris, ein Volkskunde-Museum (französische Volkskultur), wurde 2005 geschlossen. Die Exponate wurden ins neue Musée des Civilisations de l'Europe et de la Méditerranée (MuCEM) in Marseille überführt.
Bordeuax: Musée d’ethnographie[17]
Marseille: Musée d’Arts Africains, Océaniens et Amérindiens[18]
Musée des Civilisations de l'Europe et de la Méditerranée (MuCEM)[19]
Schweiz: Basel: Museum der Kulturen[20]
Burgdorf: Ethnographische Sammlung des Schloss Burgdorf[21]
Genf: Musée d’ethnographie de Genève[22]
Neuchâtel: Musée d’ethnographie de Neuchâtel[23]
Zürich: Völkerkundemuseum der Universität Zürich[24]
England: London: The British Museum[25]
Camebridge: Peabody Museum of Archaeology and Ethnology[26]
Liverpool: World Museum[27]
Portugal: Lissabon: National Ethnology Museum[28]
Niederlande: Leiden: Rijksmuseum voor Volkenkunde[https://www.volkenkunde.nl/nl [29]
Rotterdam: Wereldmuseum - Völkerkundemuseum[30]
Kroatien: Zagreb: Ethnographic Museum[31]
NORDAMERIKA USA: Los Angeles: UCLA Fowler Museum of Cultural History[32]
Washington: Museen der Smithsonian Institution[33], insbesondere das Museum of African Art[34]
Chicago: The Field Museum[35]
LATEINAMERIKA Mexiko: Mexiko City: Museo Nacional de Antropología[36]
Kolumbien: Bogotá: Museo del Oro[37]
ASIEN Japan: Osaka: National Museum of Ethnology[38]
Vietnam: Hanoi: Vietnam Museum of Ethnology[39]


Verweise:
[1] https://www.weltmuseumwien.at/
[2] http://www.volkskundemuseum.at/
[3] https://www.museumdervoelker.com/
[4] https://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/ethnologisches-museum/home.html
[5] https://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/museum-europaeischer-kulturen/home.html
[6] https://voelkerkunde-dresden.skd.museum/
[7] https://www.weltkulturenmuseum.de/de
[8] https://markk-hamburg.de/
[9] http://www.voelkerkundemuseum-vpst.de/
[10] http://www.museenkoeln.de/rautenstrauch-joest-museum/
[11] https://grassi-voelkerkunde.skd.museum/
[12] https://www.museum-fuenf-kontinente.de/
[13] http://www.lindenmuseum.de/html/deutsch/home/home.php
[14] https://www.vemission.org/museumarchive/museum-auf-der-hardt.html
[15] http://www.quaibranly.fr/
[16] https://www.histoire-immigration.fr/
[17] http://www.meb.u-bordeaux2.fr/
[18] http://www.marseille.fr/node/630
[19] https://www.mucem.org/
[20] http://www.mkb.ch/de/home.html
[21] https://schloss-burgdorf.ch/de/museum/verein-und-sammlungen/
[22] http://www.ville-ge.ch/meg/index.php
[23] http://www.men.ch
[24] https://www.musethno.uzh.ch/de.html
https://www.britishmuseum.org/ [25] https://www.britishmuseum.org/]
[26] http://www.peabody.harvard.edu/
[27] http://www.liverpoolmuseums.org.uk/wml/
[28] https://mnetnologia.wordpress.com/in-english/
[29] https://www.volkenkunde.nl/nl
] [30] http://www.wereldmuseum.nl/
[31] http://www.emz.hr/
[32] https://www.fowler.ucla.edu/
[33] https://www.si.edu/Museums/
[34] https://africa.si.edu/
[35] https://collections-anthropology.fieldmuseum.org/
[36] http://www.mna.inah.gob.mx/
[37] https://www.banrepcultural.org/bogota/museo-del-oro
[38] http://www.minpaku.ac.jp/english
[39] http://www.vme.org.vn/home/


4.4.2 Phonogrammarchiv

Eine wichtige Institution im Hinblick auf die Archivierung akustischer Daten ist das Phonogrammarchiv[1] der österreichischen Akademie der Wissenschaften, welches auch eine technische Beratung sowie die Unterstützung von Forschungsvorhaben bietet.

Weitere Kontaktstellen im deutschsprachigen Raum sind:

  • Das Berliner Lautarchiv[2]
  • Das Phonogrammarchiv der Universität Zürich[3]


Verweise:
[1] http://www.pha.oeaw.ac.at/
[2] http://publicus.culture.hu-berlin.de/lautarchiv/
[3] http://www.phonogrammarchiv.uzh.ch/index.html


4.4.3 Institut für Kultur- und Sozialanthropologie

Auch das Wiener Institut für Kultur- und Sozialanthropologie[1] besitzt eine Sammlung ausgewählter ethnographischer Objekte, von denen ein Teil in einer kleinen Schausammlung im Sitzungszimmer des Instituts ausgestellt ist.


Verweise:
[1] https://ksa.univie.ac.at/forschung/ethnographische-sammlung/

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

1. Was ist ein Forschungsprojekt?
2. Arten des Schlussfolgerns
3. Sampling
5. Der Prozess der Datenerhebung


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