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Vorheriges Kapitel: 1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien

1.4 Pragmatistische Erkenntnisstrategien

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Die pragmatistische Erkenntnisstrategie setzt am menschlichen Handeln an und rückt die Konzeptualisierung des sozialen Handelns ins Zentrum. Ihr Ursprung liegt in der US- amerikanischen Geistes- und Wissenschaftsgeschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sozialwissenschaftliche Gestalt hat der Pragmatismus bei George Herbert Mead[1] angenommen, der an der University of Chicago gelehrt hat, weshalb das Theorieprogramm Meads[2] - der "Symbolische Interaktionismus" - gerne mit dem Markenzeichen "Chicago School" versehen wird.

Denkansätze, die im Zeichen pragmatistischer Philosophie des Sozialen operieren, gehen von der Eigenart des Sozialen als Zweite Natur[3] aus, die nicht auf die Gesetze und Gesetzmäßigkeiten der ersten Natur reduktibel ist. Vielmehr wird versucht, die Eigenart des Sozialen aus der Verschränkung von Natur- und Kulturgeschichte heraus zu rekonstruieren. (Nicht zuletzt dies hat Arnold Gehlen[4] dazu bewogen, die Theorien von Meads in seine handlungstheoretische Sozialanthropologie und Soziologie einzuflechten.)

File:Denkensoz-5 1.jpg "Fußgängerampel"
Foto: Fußgängerampel. Sebastian Wieschowski, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2005

Im Unterschied zur objektivistischen Erkenntnisstrategie[5] ist für die pragmatistische Erkenntnistheorie nicht das individuelle Verhalten der Schlüssel zum Verständnis des gesellschaftlichen Lebensprozesses, sondern die Intersubjektivität aller Sozialprozesse, die Soziale Interaktion. Ins Auge gefasst wird das soziale Ganze:

  • Pragmatistische Erkenntnisstrategien betonen den Handlungs- und Kommunikationsaspekt[6]. Betont ist damit das Prozesshafte der Sozialität ebenso wie die gesellschaftlichen Individuen als Aktoren des sozialen Lebens.
  • Pragmatistische Erkenntnisstrategien sind zentriert um die Idee der Intersubjektivität.
  • Mead insistiert auf der Beobachterperspektive. Er pointiert die Interaktion zwischen mindestens zwei Organismen, die aufeinander reagiern und sich zueinander verhalten (Aspekt der Aktivität und Reziprozität).
  • Entscheidend ist, dass die gesellschaftlichen Individuen nicht unmittelbar, nicht primär instinktiv aufeinander reagieren, sondern vermittelt über Symbole.
  • Menschliches Handeln ist dadurch charakterisiert, dass die gesellschaftlichen Individuen in der Lage sind, die Schlüsselleistung für soziale Interaktion und Kommunikation zu erbringen: "taking the role of the other".

Pragmatistische Erkenntnisstrategien sind gekennzeichnet durch:

  • das Bestreben, im Wege der Konzeptualisierung der Symbolischen Interaktion eine Theorie in der Perspektive universeller Geltung zu formulieren;
  • den Ansatz der Konzeptualisierung der Sozialtheorie am sozialen Handeln;
  • die Betonung der Sinnhaftigkeit menschlichen Handelns;
  • die Öffnung der Sozialtheorie für die Perspektive sozialen Wandels[7];
  • die beharrliche Anstrengung, die Eigenart des Sozialen[8] herauszuarbeiten.


Verweise: [1] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/mead/32bio.htm
[2] Siehe Kapitel 4.2
[3] Siehe Kapitel 3.2.2
[4] Siehe Kapitel 4.1
[5] Siehe Kapitel 1.1
[6] Siehe Kapitel 1.7
[7] Siehe Kapitel 3.5.2
[8] Siehe Kapitel 2.3


Nächstes Kapitel: 1.5 Sozialkonstruktivistische Erkenntnisstrategien


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