Organisations- und Betriebsanthropologie - Annäherungen und Abgrenzungen

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1. "Organisations- und Betriebsanthropologie": Annäherungen und Abgrenzungen

Verfasst von Gerlinde Schein und Gertraud Seiser
"Organisations- und Betriebsanthropologie" ist eine der möglichen Benennungen für ein breit gestreutes Feld der Kultur- und Sozialanthropologie, das sich mit modernen Organisationsformen in Marktgesellschaften beschäftigt.

Für die anthropologische Auseinandersetzung mit Wirtschaftsbetrieben jedweder Art hat sich in den USA ab 1980 der Begriff "Business Anthropology" etabliert. Dies gilt insbesondere für die anwendungsorientierten Forschungen in dem Bereich. Vor 1980 waren Begriffe wie "Industrial Anthropology" und eine Zeitlang auch "Applied Anthropology in Industry“ gebräuchlich (Baba 2006: 83).

"Anthropology of Work" wiederum beschreibt ein Forschungsfeld, das sich eher management- und kapitalismuskritisch versteht bzw. Arbeit in vielerlei Zusammenhängen - unter anderem Lohnerwerbsarbeit innerhalb moderner Organisationen - untersucht (vgl. Nash 1998; Society for the Anthropology of Work[1]).

In Großbritannien wird anstelle von "Business Anthropology" eher von "Organisational Anthropology" oder "Anthropology of Organisations" gesprochen, was auch einer etwas anderen Schwerpunktsetzung entspricht. Die US-amerikanische Anthropologin Marietta L. Baba (2006: 83) beispielsweise bezieht den Begriff "Business Anthropology" ausschließlich auf den privatwirtschaftlichen Sektor in Marktgesellschaften. Sammelbände aus Großbritannien (Wright 1994; Gellner/Hirsch 2001; Jiménez 2007) fassen unter "Anthropology of Organisations" Studien in staatlichen Organisationen, Non-Profit-Einrichtungen und privatwirtschaftlichen Betrieben zusammen, wobei Profitunternehmen nur einen sehr kleinen Teil des Gesamtspektrums ausmachen.

Im deutschsprachigen Raum hat die historisch andere Einteilung der Wissenschaftsdisziplinen in Volkskunde, Völkerkunde und Soziologie bis in die 1990er Jahre eine kultur- und sozialanthropologische Auseinandersetzung mit modernen Organisationen und Privatunternehmen behindert. Inzwischen werden auch hier zunehmend mehr Studien unter den Titeln "Industrieethnologie", "Unternehmensethnologie", "Betriebsanthropologie" oder "Ethnologie/Anthropologie der Arbeitswelt" durchgeführt (Gamst/Helmers 1991; Helmers 1993; Götz/Wittel 2000).

Trotz dieser unterschiedlichen Bezeichnungen bezieht man sich doch in historischen Analysen auf eine halbwegs einheitliche Geschichte und gemeinsame „Ahnen“ und "Ahninnen", seien dies nun bestimmte Werke oder Personen. Es fällt jedoch auf, wie stark die US-amerikanische Organisationsanthropologie europäische, inbesondere britische, Entwicklungen ignorierte.

Verweise:
[1] https://saw.americananthro.org/


Inhaltsverzeichnis

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

2 Geschichte der Organisations- und Betriebsanthropologie
3 Ausgewähltes aus anderen Disziplinen und der Praxis
4 Staatliche Organisationen und Non-Profit-Organisationen
5 Profit-Organisationen: Ausgewählte Studien
6 Ethnographische Feldforschung in Organisationen
7. Bildquellen und Lizenzen


Nächstes Kapitel: 1.1 Womit beschäftigt sich die Organisations- und Betriebsanthropologie?


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