Difference between revisions of "Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie"

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<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader, Universität Wien</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader, Universität Wien</sup>
  
''OEKU-Online:'' Finanziert durch den Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank (Projekt 10707, Jubiläumsfonds).
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'''OEKU-Online:''' Finanziert durch den Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank (Projekt 10707, Jubiläumsfonds).
  
 
In verschiedenen Projekten, an denen das Institut für Kultur- und Sozialanthropologie beteiligt war, entstanden 2005 und 2006 hypermediale Lehr- und Lernunterlagen, die online genutzt werden können. 2019 und 2020 wurden diese von Marlies Madzar und Clemens Schmid in ein aktuelles Wikiformat überführt. Für Anregungen, Hinweise und Kommentare, schreiben Sie bitte ein Mail an eksa(at)univie.ac.at  
 
In verschiedenen Projekten, an denen das Institut für Kultur- und Sozialanthropologie beteiligt war, entstanden 2005 und 2006 hypermediale Lehr- und Lernunterlagen, die online genutzt werden können. 2019 und 2020 wurden diese von Marlies Madzar und Clemens Schmid in ein aktuelles Wikiformat überführt. Für Anregungen, Hinweise und Kommentare, schreiben Sie bitte ein Mail an eksa(at)univie.ac.at  
  
 
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Die aktuellen Modelle und Ansätze der Ökonomischen Anthropologie speisen sich aus zwei Quellen:
 
Die aktuellen Modelle und Ansätze der Ökonomischen Anthropologie speisen sich aus zwei Quellen:
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*  der Sozial- und Kulturanthropologie
 
*  der Sozial- und Kulturanthropologie
  
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[[Vorlaeufer#1 Vorläufer|1 Vorläufer]]<br/>
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus|2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus]]<br/>
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[[Neoklassik#3 Neoklassik oder Rational Choice|3 Neoklassik oder Rational Choice]]<br/>
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus|4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
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[[Neomarxismus#5 Neomarxismus|5 Neomarxismus]]<br/>
  
  
 
==Kapitelübersicht==
 
==Kapitelübersicht==
 
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<div class="eksa_toc">
 
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[[Vorlaeufer#1 Vorläufer|1 Vorläufer]]<br/>
 
[[Vorlaeufer#1 Vorläufer|1 Vorläufer]]<br/>
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:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt]]<br/>
 
::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff|5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff]]<br/>
 
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:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4 Warenströme|5.3.1.1.2.4 Warenströme]]<br/>
 
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::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika|5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika]]<br/>
 
::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika|5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika]]<br/>
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=1 Vorläufer=
 
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<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
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[[File:theogrundlagen-25_1.jpg|frame|right|Quelle: '''http://www.geisteskind.de/Bilder/Aristoteles.jpg [http://www.geisteskind.de/Bilder/Aristoteles.jpg  &#91;1&#93;]''']]
Die ''Wirtschaftslehre als Einzelwissenschaft'' entstand vor etwas mehr
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Die '''Wirtschaftslehre als Einzelwissenschaft''' entstand vor etwas mehr
 
als 200 Jahren, mit Wirtschaft beschäftigte man sich aber schon viel
 
als 200 Jahren, mit Wirtschaft beschäftigte man sich aber schon viel
 
früher.
 
früher.
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Haushalts. Dies geht auf die griechische Antike zurück.
 
Haushalts. Dies geht auf die griechische Antike zurück.
  
[[File:theogrundlagen-25_1.jpg|frame|right|Quelle: ''http://www.geisteskind.de/Bilder/Aristoteles.jpg [http://www.geisteskind.de/Bilder/Aristoteles.jpg  &#91;1&#93;]'']]
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'''Aristoteles (384 -- 322 v. Chr.):'''
 
 
''Aristoteles (384 -- 322 v. Chr.):''
 
  
 
*  Oikonomia = Haushaltung der Haushaltsgemeinschaft
 
*  Oikonomia = Haushaltung der Haushaltsgemeinschaft
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*  Wert -- Klassen -- Eigentum
 
*  Wert -- Klassen -- Eigentum
  
''Aristoteles'' unterschied die Haushaltung der Haushaltsgemeinschaft
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'''Aristoteles''' unterschied die Haushaltung der Haushaltsgemeinschaft
 
(oikonomia) vom Handel oder Gelderwerb (Chrematistik). Er befasste sich
 
(oikonomia) vom Handel oder Gelderwerb (Chrematistik). Er befasste sich
 
mit Fragen der Entstehung des Reichtums und des Wertes. Aristoteles
 
mit Fragen der Entstehung des Reichtums und des Wertes. Aristoteles
bereitete bereits die Unterscheidung in ''Gebrauchs- und Tauschwert''
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bereitete bereits die Unterscheidung in '''Gebrauchs- und Tauschwert'''
 
vor und beschäftigte sich im Rahmen seiner Gesellschaftslehre mit der
 
vor und beschäftigte sich im Rahmen seiner Gesellschaftslehre mit der
 
Einteilung der Gesellschaft in unterschiedliche Klassen. In einer
 
Einteilung der Gesellschaft in unterschiedliche Klassen. In einer
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öffentlichem Eigentum.
 
öffentlichem Eigentum.
  
Im Mittelalter beschäftigte sich ''Thomas von Aquin'' (1225 -1274) mit
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Im Mittelalter beschäftigte sich '''Thomas von Aquin''' (1225 -1274) mit
 
Wirtschaftsfragen. Er plädierte für gerechten Lohn und Preis, war für
 
Wirtschaftsfragen. Er plädierte für gerechten Lohn und Preis, war für
 
ein Zinsverbot (Wucher) und für die Unterstützung der Armen. Deshalb
 
ein Zinsverbot (Wucher) und für die Unterstützung der Armen. Deshalb
 
gilt er auch als ein Begründer der katholischen Soziallehre.
 
gilt er auch als ein Begründer der katholischen Soziallehre.
  
''Verweise:''
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'''Verweise:'''
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[http://www.geisteskind.de/Bilder/Aristoteles.jpg  &#91;1&#93; http://www.geisteskind.de/Bilder/Aristoteles.jpg]<br/>
 
[http://www.geisteskind.de/Bilder/Aristoteles.jpg  &#91;1&#93; http://www.geisteskind.de/Bilder/Aristoteles.jpg]<br/>
  
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus|4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus|4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
 
[[Neomarxismus#5 Neomarxismus|5 Neomarxismus]]<br/>
 
[[Neomarxismus#5 Neomarxismus|5 Neomarxismus]]<br/>
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'''[[Vorlaeufer/Merkantilismus#1.1 Merkantilismus| Nächstes Kapitel: 1.1 Merkantilismus]]<br/>'''
 
'''[[Vorlaeufer/Merkantilismus#1.1 Merkantilismus| Nächstes Kapitel: 1.1 Merkantilismus]]<br/>'''
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[[Vorlaeufer#1 Vorläufer| Vorheriges Kapitel: 1 Vorläufer]]<br/>
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'''[[Vorlaeufer#1 Vorläufer| Vorheriges Kapitel: 1 Vorläufer]]'''<br/>
 
=1.1 Merkantilismus=
 
=1.1 Merkantilismus=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
+
[[File:theogrundlagen-26_1.gif|frame|right|Weltkarte aus der Ptolemäus-Ausgabe vom Jahre 1548. Nach Konrad Kretschmer. Quelle: Krämer ca. 1900, Band IV: 47]]
Der Begriff Merkantilismus stammt von ''Adam Smith''. Er bezeichnete
+
Der Begriff Merkantilismus stammt von '''Adam Smith'''. Er bezeichnete
 
damit eine wirtschaftpolitische Ideenrichtung, die von Fürsten und
 
damit eine wirtschaftpolitische Ideenrichtung, die von Fürsten und
 
leitenden Staatsbeamten vertreten wurde und vom 16. bis Endes des 18.
 
leitenden Staatsbeamten vertreten wurde und vom 16. bis Endes des 18.
 
Jahrhunderts wirksam war. Unter Merkantilismus wird kein geschlossenes
 
Jahrhunderts wirksam war. Unter Merkantilismus wird kein geschlossenes
 
theoretisches System verstanden, sondern ein Bündel von
 
theoretisches System verstanden, sondern ein Bündel von
''wirtschaftspolitischen Maßnahmen''. Dabei entwickelten die einzelnen
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'''wirtschaftspolitischen Maßnahmen'''. Dabei entwickelten die einzelnen
 
europäischen Länder sehr unterschiedliche Spielarten des Merkantilismus,
 
europäischen Länder sehr unterschiedliche Spielarten des Merkantilismus,
 
z.B. in Deutschland den Kameralismus. Gemeinsam ist ihnen der massive
 
z.B. in Deutschland den Kameralismus. Gemeinsam ist ihnen der massive
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Subventionen).
 
Subventionen).
  
''Historische Hintergründe:''
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'''Historische Hintergründe:'''
 
 
*  Ungeheure Ausweitung des Welthandels in dieser Zeit (Entdeckung
 
    Amerikas, Seeweg nach Indien): große Mengen Gold und Silber strömen
 
    nach Europa
 
*  Kampf der europäischen Staaten untereinander um Kolonien; Staaten
 
    brauchen Geld für Streitkräfte
 
*  Zeit der Herausbildung der ersten Nationalstaaten Frankreich und
 
    England.
 
  
[[File:theogrundlagen-26_1.gif|frame|right|Weltkarte aus der Ptolemäus-Ausgabe vom Jahre 1548. Nach Konrad Kretschmer. Quelle: Krämer ca. 1900, Band IV: 47]]
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*  Ungeheure Ausweitung des Welthandels in dieser Zeit (Entdeckung Amerikas, Seeweg nach Indien): große Mengen Gold und Silber strömen nach Europa
 +
*  Kampf der europäischen Staaten untereinander um Kolonien; Staaten brauchen Geld für Streitkräfte
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*  Zeit der Herausbildung der ersten Nationalstaaten Frankreich und England.
  
''Hauptlehren:''
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'''Hauptlehren:'''
  
*  Geld steht im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik und nur der Staat
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*  Geld steht im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik und nur der Staat ist mächtig, der über Gold und Geld verfügen kann.
    ist mächtig, der über Gold und Geld verfügen kann.
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*  Ziel des staatlichen Handelns: aktive Handelsbilanz, die einerseits über die Hebung der Bodenschätze im eigenen Land, andererseits über die Einfuhr von Edelmetallen aus den Kolonien erreicht werden kann.
*  Ziel des staatlichen Handelns: aktive Handelsbilanz, die einerseits
 
    über die Hebung der Bodenschätze im eigenen Land, andererseits über
 
    die Einfuhr von Edelmetallen aus den Kolonien erreicht werden kann.
 
  
 
Trotz aller Unterschiede teilen die merkantilistischen
 
Trotz aller Unterschiede teilen die merkantilistischen
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*  Bevorzugung inländischer Unternehmer
 
*  Bevorzugung inländischer Unternehmer
  
[[File:theogrundlagen-26_2.gif|frame|right]]
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[[File:theogrundlagen-26_2.gif|frame|left]]
  
 
Eine starke Abgrenzung der Staaten untereinander wird gefordert. Dies
 
Eine starke Abgrenzung der Staaten untereinander wird gefordert. Dies
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indischen Textilgewerbes (vgl.: Wolf 1991: 336ff).
 
indischen Textilgewerbes (vgl.: Wolf 1991: 336ff).
  
Im Merkantilismus versuchten die Staaten auch eine ''aktive
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Im Merkantilismus versuchten die Staaten auch eine '''aktive
Bevölkerungspolitik'' zu betreiben. Man erkannte, dass ein hohes Angebot
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Bevölkerungspolitik''' zu betreiben. Man erkannte, dass ein hohes Angebot
 
an Arbeitskräften Druck auf die Löhne ausübt und die Nachfrage von
 
an Arbeitskräften Druck auf die Löhne ausübt und die Nachfrage von
 
Bevölkerungszahl und -dichte abhängt. Daher wurden Strategien zur
 
Bevölkerungszahl und -dichte abhängt. Daher wurden Strategien zur
 
Ankurbelung des Bevölkerungswachstums entwickelt. Allerdings bestand zum
 
Ankurbelung des Bevölkerungswachstums entwickelt. Allerdings bestand zum
damaligen Zeitpunkt noch ein sehr ''enger Zusammenhang zwischen
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damaligen Zeitpunkt noch ein sehr '''enger Zusammenhang zwischen
Agrarkonjunktur und der demografischen Entwicklung''. Getreideknappheit
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Agrarkonjunktur und der demografischen Entwicklung'''. Getreideknappheit
 
führte zu hohen Brotpreisen und in unmittelbarer Folge zu einer erhöhten
 
führte zu hohen Brotpreisen und in unmittelbarer Folge zu einer erhöhten
 
Mortalitätsrate und verringerter Fertilität (Walter 2003: 30f).
 
Mortalitätsrate und verringerter Fertilität (Walter 2003: 30f).
  
Der Merkantilismus ist einerseits vom ''kolonialen System'' und
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Der Merkantilismus ist einerseits vom '''kolonialen System''' und
andererseits von der ''Herausbildung der Nationalstaaten'' geprägt.
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andererseits von der '''Herausbildung der Nationalstaaten''' geprägt.
 
Dabei zeigt sich deutlich, dass eine Wirtschaftslehre mit dem Umfeld --
 
Dabei zeigt sich deutlich, dass eine Wirtschaftslehre mit dem Umfeld --
 
den ökonomischen und politischen Interessen -- verbunden ist.
 
den ökonomischen und politischen Interessen -- verbunden ist.
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[[Vorlaeufer/Merkantilismus#1.1 Merkantilismus| Vorheriges Kapitel: 1.1 Merkantilismus]]<br/>
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'''[[Vorlaeufer/Merkantilismus#1.1 Merkantilismus| Vorheriges Kapitel: 1.1 Merkantilismus]]'''<br/>
 
=1.2 Physiokratie=
 
=1.2 Physiokratie=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
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[[File:theogrundlagen-27_1.gif|frame|right]]
 
Das Wirtschaftsmodell der Physiokratie im 17. -- 18. Jahrhundert gilt
 
Das Wirtschaftsmodell der Physiokratie im 17. -- 18. Jahrhundert gilt
 
als erstes theoretisches System der Volkswirtschaftslehre. Es ist als
 
als erstes theoretisches System der Volkswirtschaftslehre. Es ist als
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aufgebaut ist und das der "Herrschaft der Natur" entspricht.
 
aufgebaut ist und das der "Herrschaft der Natur" entspricht.
  
[[File:theogrundlagen-27_1.gif|frame|right]]
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'''Intellektueller Hintergrund:'''
 
 
''Intellektueller Hintergrund:''
 
  
*  Gedankengut der Aufklärung: Suche nach Gesetzmäßigkeiten -- den
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*  Gedankengut der Aufklärung: Suche nach Gesetzmäßigkeiten -- den "Naturgesetzen" und nach einem bestimmten Menschenbild -- dem "Individuum".
    "Naturgesetzen" und nach einem bestimmten Menschenbild -- dem
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*  Das Individuum wird als ein rationell handelndes, selbst bestimmtes Wesen mit eigennützigen Interessen und dem Recht auf Freiheit entworfen.
    "Individuum".
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*  Die Natur -- im Sinne von Grund und Boden - ist die einzige Quelle des Reichtums. Nur die Landwirtschaft kann daher Werte schaffen. Da Grund und Boden so eine große Bedeutung haben, wird z.B. in Frankreich eine Grundsteuer eingeführt. Den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital kommt allerdings keine "produktive" Qualität zu.
*  Das Individuum wird als ein rationell handelndes, selbst bestimmtes
 
    Wesen mit eigennützigen Interessen und dem Recht auf Freiheit
 
    entworfen.
 
*  Die Natur -- im Sinne von Grund und Boden - ist die einzige Quelle
 
    des Reichtums. Nur die Landwirtschaft kann daher Werte schaffen. Da
 
    Grund und Boden so eine große Bedeutung haben, wird z.B. in
 
    Frankreich eine Grundsteuer eingeführt. Den Produktionsfaktoren
 
    Arbeit und Kapital kommt allerdings keine "produktive" Qualität
 
    zu.
 
  
 
Da die Wirtschaft auf einer natürlichen Ordnung beruht, werden alle
 
Da die Wirtschaft auf einer natürlichen Ordnung beruht, werden alle
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Gütern organisierte Landwirtschaft machen ein Land reich.
 
Gütern organisierte Landwirtschaft machen ein Land reich.
  
''Hauptvertreter:'' François Quesnay: 'Tableau économique'
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'''Hauptvertreter:''' François Quesnay: 'Tableau économique'
  
 
Im 'Tableau économique' steht der Güterkreislauf -- Produktion,
 
Im 'Tableau économique' steht der Güterkreislauf -- Produktion,
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[[Vorlaeufer/Physiokratie#1.2 Physiokratie| Vorheriges Kapitel: 1.2 Physiokratie]]<br/>
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'''[[Vorlaeufer/Physiokratie#1.2 Physiokratie| Vorheriges Kapitel: 1.2 Physiokratie]]'''<br/>
 
=1.3 Klassische ökonomische Theorie=
 
=1.3 Klassische ökonomische Theorie=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
 
[[File:theogrundlagen-28_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-28_1.gif|frame|right]]
 
 
Die "klassische" und ab 1870 die "neoklassische" ökonomische Theorie
 
Die "klassische" und ab 1870 die "neoklassische" ökonomische Theorie
 
prägen bis heute die Grundannahmen der Volkswirtschaftlehre
 
prägen bis heute die Grundannahmen der Volkswirtschaftlehre
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Als Begründer der Klassischen Nationalökonomie gelten neben anderen
 
Als Begründer der Klassischen Nationalökonomie gelten neben anderen
''Adam Smith'' und ''David Ricardo''. Ihre Werke waren für die damalige
+
'''Adam Smith''' und '''David Ricardo'''. Ihre Werke waren für die damalige
 
Zeit ausgesprochen visionär. Sie sind sowohl für Neoklassiker als auch
 
Zeit ausgesprochen visionär. Sie sind sowohl für Neoklassiker als auch
 
für die Marxisten, die ganz entgegen gesetzten Theorien entwickelt
 
für die Marxisten, die ganz entgegen gesetzten Theorien entwickelt
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==1.3.1 Historischer Kontext==
 
==1.3.1 Historischer Kontext==
  
''Zeit zwischen 1770 und 1830:''
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'''Zeit zwischen 1770 und 1830:'''
 
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[[File:theogrundlagen-29_1.gif|600px|thumb|right]]
 
Die Phase der 'enclosures', der Einfriedungen ist in England nach etwa
 
Die Phase der 'enclosures', der Einfriedungen ist in England nach etwa
 
drei Jahrhunderten Auseinandersetzung zwischen Lords/Grundherrn und
 
drei Jahrhunderten Auseinandersetzung zwischen Lords/Grundherrn und
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Wirtschaftshistoriker Karl Polanyi (1979: 61).
 
Wirtschaftshistoriker Karl Polanyi (1979: 61).
  
*  Vorabend der französischen Revolution und 1789 franz. Revolution,
+
*  Vorabend der französischen Revolution und 1789 franz. Revolution, anbrechende Freiheitsbestrebungen; Bürgertum beginnt sich gegen den Adel zu formieren.
    anbrechende Freiheitsbestrebungen; Bürgertum beginnt sich gegen den
 
    Adel zu formieren.
 
 
*  Zeitalter der Aufklärung und bahnbrechender Erfindungen;
 
*  Zeitalter der Aufklärung und bahnbrechender Erfindungen;
*  Beginn der Industrialisierung in England wird von Eric Wolf auf etwa
+
*  Beginn der Industrialisierung in England wird von Eric Wolf auf etwa 1780 datiert (erste maschinelle Spinnereien und Webereien mit Dampfantrieb).
    1780 datiert (erste maschinelle Spinnereien und Webereien mit
+
*  Agrarquote in Europa um 1800 durchschnittlich noch bei 80 %; beginnende Agrarrevolution: z.B. Josef II führt in Österreich die 4-Felderwirtschaft und den Kleeanbau ein: Vervielfachung des Bodenertrags.
    Dampfantrieb).
+
*  Institut der Leibeigenschaft ist durchwegs in Kraft: In den meisten europäischen Ländern darf die Landbevölkerung die Grenzen ihrer Gemeinden nur mit Zustimmung der Grundherrschaft verlassen.
*  Agrarquote in Europa um 1800 durchschnittlich noch bei 80 %;
+
*  Bevölkerungswachstum beginnt rapide zu steigen; die Kartoffel wird aus Amerika importiert und beginnt ihre Verwandlung von einer Schnittblume in Klostergärten zu einer effizienten Nahrungsquelle; 1780 existiert noch keine Arbeiterklasse im Sinne einer größeren Gruppe von Menschen, die ihre Arbeitskraft gegen einen Geldlohn verkauft; die Landarmut ist in manchen Gebieten extrem.
    beginnende Agrarrevolution: z.B. Josef II führt in Österreich die
 
    4-Felderwirtschaft und den Kleeanbau ein: Vervielfachung des
 
    Bodenertrags.
 
 
 
[[File:theogrundlagen-29_1.gif|frame|right]]
 
 
 
*  Institut der Leibeigenschaft ist durchwegs in Kraft: In den meisten
 
    europäischen Ländern darf die Landbevölkerung die Grenzen ihrer
 
    Gemeinden nur mit Zustimmung der Grundherrschaft verlassen.
 
*  Bevölkerungswachstum beginnt rapide zu steigen; die Kartoffel wird
 
    aus Amerika importiert und beginnt ihre Verwandlung von einer
 
    Schnittblume in Klostergärten zu einer effizienten Nahrungsquelle;
 
    1780 existiert noch keine Arbeiterklasse im Sinne einer größeren
 
    Gruppe von Menschen, die ihre Arbeitskraft gegen einen Geldlohn
 
    verkauft; die Landarmut ist in manchen Gebieten extrem.
 
 
*  Captain Cook umsegelt die Welt und wird 1779 auf Hawaii ermordet.
 
*  Captain Cook umsegelt die Welt und wird 1779 auf Hawaii ermordet.
*  Um 1817 ist die englische Arbeiterklasse bereits in aller Munde, aus
+
*  Um 1817 ist die englische Arbeiterklasse bereits in aller Munde, aus kleinen Städtchen wurden riesige Industrieslums, der Kampf um den 13 Stundentag beginnt, erste Streiks lösen die alte Maschinenstürmerei in England ab.
    kleinen Städtchen wurden riesige Industrieslums, der Kampf um den 13
+
*  1835: frühe Eisenbahnzeit: Man war davon überzeugt, dass das Maximum an Geschwindigkeit, das ein Transportmittel wie die Eisenbahn über längere Strecken im Durchschnitt je erreichen wird können, bei 30 km/h liegt.
    Stundentag beginnt, erste Streiks lösen die alte Maschinenstürmerei
 
    in England ab.
 
*  1835: frühe Eisenbahnzeit: Man war davon überzeugt, dass das Maximum
 
    an Geschwindigkeit, das ein Transportmittel wie die Eisenbahn über
 
    längere Strecken im Durchschnitt je erreichen wird können, bei 30
 
    km/h liegt.
 
 
 
Die Industrialisierung wird daher auch als ungeheurer ''Prozess der
 
Beschleunigung'' beschrieben.
 
 
 
  
 +
Die Industrialisierung wird daher auch als ungeheurer '''Prozess der
 +
Beschleunigung''' beschrieben.
  
 
==1.3.2 Adam Smith==
 
==1.3.2 Adam Smith==
  
[[File:theogrundlagen-30_1.jpg|frame|right|Quelle: ''https://web.archive.org/web/20050303124515/http://www.econ.duke.edu/Economists/Gifs/Smith.gif [https://web.archive.org/web/20050303124515/http://www.econ.duke.edu/Economists/Gifs/Smith.gif  &#91;1&#93;]'']]
+
[[File:theogrundlagen-30_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050303124515/http://www.econ.duke.edu/Economists/Gifs/Smith.gif [https://web.archive.org/web/20050303124515/http://www.econ.duke.edu/Economists/Gifs/Smith.gif  &#91;1&#93;]''']]
  
''Adam Smith (1723 -- 1790)''
+
'''Adam Smith (1723 -- 1790)'''
  
 
Moralphilosoph aus Glasgow
 
Moralphilosoph aus Glasgow
  
''Hauptwerk:'' An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of
+
'''Hauptwerk:''' An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of
 
Nations (1776)
 
Nations (1776)
  
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der Kapitalbildung und die Vorteile der Arbeitsteilung.
 
der Kapitalbildung und die Vorteile der Arbeitsteilung.
  
''Verweise:''
+
'''Verweise:'''
 +
 
 
[https://web.archive.org/web/20050303124515/http://www.econ.duke.edu/Economists/Gifs/Smith.gif  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050303124515/http://www.econ.duke.edu/Economists/Gifs/Smith.gif]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050303124515/http://www.econ.duke.edu/Economists/Gifs/Smith.gif  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050303124515/http://www.econ.duke.edu/Economists/Gifs/Smith.gif]<br/>
  
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===1.3.2.1 Wert bei Adam Smith===
 
===1.3.2.1 Wert bei Adam Smith===
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Smith präsentiert zwei Werttheorien, die er nicht zueinander in Bezug
 
Smith präsentiert zwei Werttheorien, die er nicht zueinander in Bezug
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[[File:theogrundlagen-31_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-31_1.gif|frame|right]]
  
a) ''Arbeit'' als Quelle allen Reichtums: Der "natürliche" oder
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a) '''Arbeit''' als Quelle allen Reichtums: Der "natürliche" oder
 
"reale" Wert eines Guts resultiert aus der zur Produktion
 
"reale" Wert eines Guts resultiert aus der zur Produktion
 
erforderlichen Arbeit. Er ist "etwas dem Materiellen durch Bearbeitung
 
erforderlichen Arbeit. Er ist "etwas dem Materiellen durch Bearbeitung
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b) In zivilisierten Gesellschaften wird der Preis über den
 
b) In zivilisierten Gesellschaften wird der Preis über den
''Austausch'' bestimmt, dh über das freie Spiel der Kräfte zwischen
+
'''Austausch''' bestimmt, dh über das freie Spiel der Kräfte zwischen
 
Angebot und Nachfrage. Diese "Preistheorie des Werts" oder
 
Angebot und Nachfrage. Diese "Preistheorie des Werts" oder
 
"subjektive Wertlehre" geht von der Wertentstehung durch die
 
"subjektive Wertlehre" geht von der Wertentstehung durch die
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genannten "Wasser-Diamanten-Paradoxon":
 
genannten "Wasser-Diamanten-Paradoxon":
  
*"The word value, it is to be observed, has two different meanings, and
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<blockquote>"The word value, it is to be observed, has two different meanings, and sometimes expresses the utility of some particular object, and sometimes the power of purchasing other goods which the possession of that object conveys. The one may be called 'value in use'; the other 'value in exchange'". The things which have the greatest value in use have frequently little or no value in exchange; and, on the contrary, those which have the greatest value in exchange have frequently little or no value in use. Nothing is more useful than water: but it will purchase scarce anything; scarce anything can be had in exchange for it. A diamond , on the contrary, has scarce any value in use; but a very great quantity of other goods may frequently be had in exchange for it."(Smith 1776: 28)</blockquote>
sometimes expresses the utility of some particular object, and sometimes
 
the power of purchasing other goods which the possession of that object
 
conveys. The one may be called 'value in use'; the other 'value in
 
exchang'". The things which have the greatest value in use have
 
frequently little or no value in exchange; and, on the contrary, those
 
which have the greatest value in exchange have frequently little or no
 
value in use. Nothing is more useful than water: but it will purchase
 
scarce anything; scarce anything can be had in exchange for it. A
 
diamond , on the contrary, has scarce any value in use; but a very great
 
quantity of other goods may frequently be had in exchange for it."*
 
(Smith 1776: 28)
 
  
 
In ökonomischen Standardlehrbüchern wird häufig darauf hingewiesen, dass
 
In ökonomischen Standardlehrbüchern wird häufig darauf hingewiesen, dass
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2002: 39ff), wobei es ihm um die Hebung des Wohlstands der Armen ging.
 
2002: 39ff), wobei es ihm um die Hebung des Wohlstands der Armen ging.
  
Adam Smith ist für ''mehrere Theorierichtungen'' von grundlegender
+
Adam Smith ist für '''mehrere Theorierichtungen''' von grundlegender
Bedeutung. An seine Theorie der individuellen Entscheidung (''subjektive
+
Bedeutung. An seine Theorie der individuellen Entscheidung ('''subjektive
Werttheorie'') hat ab den 1870er Jahren die ''Neoklassik''
+
Werttheorie''') hat ab den 1870er Jahren die '''Neoklassik'''
angeschlossen. Auf die ''Arbeitswertlehre'' und die Bedeutung der
+
angeschlossen. Auf die '''Arbeitswertlehre''' und die Bedeutung der
 
ökonomischen Klassen im Sinne einer Kapital -- Arbeit -- Differenz hat
 
ökonomischen Klassen im Sinne einer Kapital -- Arbeit -- Differenz hat
''Karl Marx'' aufgebaut.
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'''Karl Marx''' aufgebaut.
  
  
  
 
===1.3.2.2 Smith's moralische Ableitung des Marktprinzips===
 
===1.3.2.2 Smith's moralische Ableitung des Marktprinzips===
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''Wirtschaftender Akteur: Homo oeconomicus''
+
'''Wirtschaftender Akteur: Homo oeconomicus'''
  
 
Ein rationales Individuum wird angenommen, das ständig kalkuliert um
 
Ein rationales Individuum wird angenommen, das ständig kalkuliert um
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maximale Bedürfnisbefriedigung erreichen. Eigennutz ist die Triebfeder
 
maximale Bedürfnisbefriedigung erreichen. Eigennutz ist die Triebfeder
 
für den freien Wettbewerb.
 
für den freien Wettbewerb.
 
+
<div><ul>
[[File:theogrundlagen-32_1.jpg|frame|left|Obstverkauf in London. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-32_1.jpg|thumb|none|Obstverkauf in London. Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-32_2.jpg|frame|right|Obstverkauf in Kathmandu. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-32_2.jpg|thumb|none|Obstverkauf in Kathmandu. Foto: Elke Mader]] </li>
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</ul></div>
  
 
Rationalitätsprinzip (Wirtschaftlichkeitsprinzip)
 
Rationalitätsprinzip (Wirtschaftlichkeitsprinzip)
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Klassiker steht der Natur des Menschen die Natur der Dinge gegenüber.
 
Klassiker steht der Natur des Menschen die Natur der Dinge gegenüber.
  
*  ''Natur des Menschen'' ist bestimmt durch ständige
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'''Natur des Menschen''' ist bestimmt durch ständige Bedürfnisexpandierung. Auslöser ist der Sexualtrieb und die Tendenz zur Vermehrung bei Verbesserung der Lebensverhältnisse.
    Bedürfnisexpandierung. Auslöser ist der Sexualtrieb und die Tendenz
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'''Natur der Dinge''': Ist die Gegenkraft zur Natur des Menschen; Die natürlichen Ressourcen sind begrenzt, "Geiz der Natur", Knappheit der Mittel und Dinge.
    zur Vermehrung bei Verbesserung der Lebensverhältnisse.
 
*  ''Natur der Dinge'': Ist die Gegenkraft zur Natur des Menschen; Die
 
    natürlichen Ressourcen sind begrenzt, "Geiz der Natur", Knappheit
 
    der Mittel und Dinge.
 
  
 
Der Gegensatz zwischen der Natur der Menschen und jener der Dinge
 
Der Gegensatz zwischen der Natur der Menschen und jener der Dinge
bedingt den ''freien Wettbewerb'', der aber nicht anarchisch verlaufen
+
bedingt den '''freien Wettbewerb''', der aber nicht anarchisch verlaufen
 
soll, sondern durch Institutionen und Moral (Staat und Kirche als
 
soll, sondern durch Institutionen und Moral (Staat und Kirche als
 
Schiedsrichter) geregelt werden muss.
 
Schiedsrichter) geregelt werden muss.
  
Aus diesem Gegensatz ergibt sich auch das ''"Gesetz" von Angebot und
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Aus diesem Gegensatz ergibt sich auch das '''"Gesetz" von Angebot und
Nachfrage'', das wie eine unsichtbare Hand wirkt und über den
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Nachfrage''', das wie eine unsichtbare Hand wirkt und über den
 
Preismechanismus das Marktgeschehen und auch die Produktion bestimmt.
 
Preismechanismus das Marktgeschehen und auch die Produktion bestimmt.
 
Überangebot: Preise sinken, Produktion wird verlagert oder aufgegeben.
 
Überangebot: Preise sinken, Produktion wird verlagert oder aufgegeben.
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dem Eigennutzen des Einzelnen das maximale Wohl aller.
 
dem Eigennutzen des Einzelnen das maximale Wohl aller.
  
Nach Priddat (2002: 50) ist Adam Smith's Wealth of Nations ''"eine
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Nach Priddat (2002: 50) ist Adam Smith's Wealth of Nations '''"eine
Theorie der moralischen Effizienz"''.
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Theorie der moralischen Effizienz"'''.
  
  
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==1.3.3 David Ricardo==
 
==1.3.3 David Ricardo==
  
[[File:theogrundlagen-33_1.jpg|frame|right|Quelle: ''https://web.archive.org/web/20050415185341/http://web.utk.edu/~hnguyen7/economics/ricardo_biography.html [https://web.archive.org/web/20050415185341/http://web.utk.edu/~hnguyen7/economics/ricardo_biography.html  &#91;1&#93;]'']]
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[[File:theogrundlagen-33_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050415185341/http://web.utk.edu/~hnguyen7/economics/ricardo_biography.html [https://web.archive.org/web/20050415185341/http://web.utk.edu/~hnguyen7/economics/ricardo_biography.html  &#91;1&#93;]''']]
  
 
David Ricardo (1772 -- 1817)
 
David Ricardo (1772 -- 1817)
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Londoner Bankier und Parlamentarier
 
Londoner Bankier und Parlamentarier
  
''Hauptwerk:'' On the Principles of Political Economy and Taxation
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'''Hauptwerk:''' On the Principles of Political Economy and Taxation
 
(1817)
 
(1817)
  
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des Gewinns.
 
des Gewinns.
  
*  ''Theorie der komparativen Kosten'' im Außenhandel: Zwei Länder
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'''Theorie der komparativen Kosten''' im Außenhandel: Zwei Länder können beide aus dem Austausch von Gütern Vorteile ziehen. Ricardos Beispiel: englisches Tuch gegen portugiesischen Wein: jedes Land hat gegenüber dem anderen relative Produktionskostenvorteile, bedingt durch Klima und vorhandene Infrastruktur, Arbeitskräfte etc. Es kommt in diesem Fall nicht auf die absoluten, sondern auf die komparativen Kostenvorteile an.
    können beide aus dem Austausch von Gütern Vorteile ziehen. Ricardos
+
 
    Beispiel: englisches Tuch gegen portugiesischen Wein: jedes Land hat
+
'''Verweise:'''
    gegenüber dem anderen relative Produktionskostenvorteile, bedingt
 
    durch Klima und vorhandene Infrastruktur, Arbeitskräfte etc. Es
 
    kommt in diesem Fall nicht auf die absoluten, sondern auf die
 
    komparativen Kostenvorteile an.
 
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20050415185341/http://web.utk.edu/~hnguyen7/economics/ricardo_biography.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050415185341/http://web.utk.edu/~hnguyen7/economics/ricardo_biography.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050415185341/http://web.utk.edu/~hnguyen7/economics/ricardo_biography.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050415185341/http://web.utk.edu/~hnguyen7/economics/ricardo_biography.html]<br/>
  
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andere Welt seit 1400*. Frankfurt/New York: Campus Verlag.
 
andere Welt seit 1400*. Frankfurt/New York: Campus Verlag.
  
'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/> '''
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'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>'''
 
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[[#1.3 Klassische ökonomische Theorie|&uarr; Nach oben]]<br/>  
 
[[#1.3 Klassische ökonomische Theorie|&uarr; Nach oben]]<br/>  
  
  
[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>  
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'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
 
=2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus=
 
=2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
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[[File:theogrundlagen-35_1.jpg|frame|right|Feldarbeit in den ecuadorianischen Anden. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-35_1.jpg|thumb|none|Feldarbeit in den ecuadorianischen Anden. Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-35_2.jpg|frame|right|Fischer am Inle-See in Burma. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-35_2.jpg|thumb|none|Fischer am Inle-See in Burma. Foto: Elke Mader]] </li>
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Eine Denktradition, die großen Einfluss auf die ökonomische
 
Eine Denktradition, die großen Einfluss auf die ökonomische
Anthropologie des 20. Jahrhunderts ausübt, ist die ''Politische
+
Anthropologie des 20. Jahrhunderts ausübt, ist die '''Politische
Ökonomie'' von Karl Marx. In diesem Zusammenhang ist der Marx'sche
+
Ökonomie''' von Karl Marx. In diesem Zusammenhang ist der Marx'sche
Ansatz des ''Historischen Materialismus'' von zentraler Bedeutung.
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Ansatz des '''Historischen Materialismus''' von zentraler Bedeutung.
 
Darunter versteht man die Vorstellung, dass es zwar der Mensch selbst
 
Darunter versteht man die Vorstellung, dass es zwar der Mensch selbst
 
ist, der seine gesellschaftliche und materielle Umwelt gestaltet. Aber
 
ist, der seine gesellschaftliche und materielle Umwelt gestaltet. Aber
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Verhältnisse bestimmt, die wiederum einer historischen Entwicklung
 
Verhältnisse bestimmt, die wiederum einer historischen Entwicklung
 
unterworfen sind. Daraus ergibt sich die enge Verbindung des Marx'schen
 
unterworfen sind. Daraus ergibt sich die enge Verbindung des Marx'schen
Denkens zu den materialistisch orientierten ''Evolutionisten'' in der
+
Denkens zu den materialistisch orientierten '''Evolutionisten''' in der
 
Frühphase der Kultur- und Sozialanthropologie in der zweiten Hälfte des
 
Frühphase der Kultur- und Sozialanthropologie in der zweiten Hälfte des
 
19. Jahrhunderts.
 
19. Jahrhunderts.
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus| Vorheriges Kapitel: 2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus]]<br/>
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'''[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus| Vorheriges Kapitel: 2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus]]'''<br/>
 
=2.1 Karl Marx=
 
=2.1 Karl Marx=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
  
[[File:theogrundlagen-36_1.jpg|frame|right|Quelle: ''https://web.archive.org/web/20050613192631/http://academic.brooklyn.cuny.edu/history/virtual/portrait/marx.jpg [https://web.archive.org/web/20050613192631/http://academic.brooklyn.cuny.edu/history/virtual/portrait/marx.jpg  &#91;1&#93;]'']]
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[[File:theogrundlagen-36_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050613192631/http://academic.brooklyn.cuny.edu/history/virtual/portrait/marx.jpg [https://web.archive.org/web/20050613192631/http://academic.brooklyn.cuny.edu/history/virtual/portrait/marx.jpg  &#91;1&#93;]''']]
  
 
Karl Marx (1818 -- 1883)
 
Karl Marx (1818 -- 1883)
  
''Relevante Werke:''
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'''Relevante Werke:'''
  
 
Das Kapital (3 Bände)
 
Das Kapital (3 Bände)
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1859: Zur Kritik der politischen Ökonomie
 
1859: Zur Kritik der politischen Ökonomie
  
Karl Marx hat eine ''politische Ökonomie'' entworfen, die von einem
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Karl Marx hat eine '''politische Ökonomie''' entworfen, die von einem
''sozial konstituierten Menschenbild'' ausging (vgl. Krader 1976: 12f).
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'''sozial konstituierten Menschenbild''' ausging (vgl. Krader 1976: 12f).
 
Die Beziehungen, die Menschen untereinander eingehen, um aus der Natur
 
Die Beziehungen, die Menschen untereinander eingehen, um aus der Natur
 
ihren Lebensunterhalt zu gewinnen, stehen im Zentrum seiner Analysen der
 
ihren Lebensunterhalt zu gewinnen, stehen im Zentrum seiner Analysen der
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gesellschaftliche Gattung." (Wolf 1991: 111)
 
gesellschaftliche Gattung." (Wolf 1991: 111)
  
Die Marx´sche Lehre geht von ''Adam Smiths[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2]]]'' ''Arbeitswerttheorie''
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Die Marx´sche Lehre geht von '''Adam Smiths[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2]]]''' '''Arbeitswerttheorie'''
aus. ''Der Mensch formt die Natur mittels Arbeit zu seinem Nutzen''.
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aus. '''Der Mensch formt die Natur mittels Arbeit zu seinem Nutzen'''.
 
Anders als die Neoklassik, die kurz nach dem Erscheinen des ersten
 
Anders als die Neoklassik, die kurz nach dem Erscheinen des ersten
 
Bandes des Kapitals in den frühen 1870er Jahren entstand, interessiert
 
Bandes des Kapitals in den frühen 1870er Jahren entstand, interessiert
er sich für ''Macht'', bringt ''Politik'' in die Ökonomie und versucht
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er sich für '''Macht''', bringt '''Politik''' in die Ökonomie und versucht
''historische Prozesse'' theoretisch zu fassen.
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'''historische Prozesse''' theoretisch zu fassen.
  
Wie bei ''Émile Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[3]]]'' ist die ''Ökonomie bei Marx in die
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Wie bei '''Émile Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[3]]]''' ist die '''Ökonomie bei Marx in die
Gesellschaft eingebettet''. Aber diese Gesellschaft ist nicht wie bei
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Gesellschaft eingebettet'''. Aber diese Gesellschaft ist nicht wie bei
 
Durkheim eine Einheit, die sich in kollektiven Repräsentationen äußert,
 
Durkheim eine Einheit, die sich in kollektiven Repräsentationen äußert,
sondern ''sie ist über Eigentum und Arbeit in verschiedene Klassen
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sondern '''sie ist über Eigentum und Arbeit in verschiedene Klassen
gespalten'' (vgl. Wilk 1996: 83ff).
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gespalten''' (vgl. Wilk 1996: 83ff).
  
''Karl Marx im WWW:''
+
'''Karl Marx im WWW:'''
  
''http://www.marxists.org/archive/marx/ [http://www.marxists.org/archive/marx/  &#91;4&#93;]''
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'''http://www.marxists.org/archive/marx/ [http://www.marxists.org/archive/marx/  &#91;4&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20050601024029/http://www.anu.edu.au/polsci/marx/marx.html [https://web.archive.org/web/20050601024029/http://www.anu.edu.au/polsci/marx/marx.html  &#91;5&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20050601024029/http://www.anu.edu.au/polsci/marx/marx.html [https://web.archive.org/web/20050601024029/http://www.anu.edu.au/polsci/marx/marx.html  &#91;5&#93;]'''
  
''http://www.mlwerke.de/ [http://www.mlwerke.de/  &#91;6&#93;]''
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'''http://www.mlwerke.de/ [http://www.mlwerke.de/  &#91;6&#93;]'''
  
''http://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/index.htm [http://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/index.htm  &#91;7&#93;]''
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'''http://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/index.htm [http://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/index.htm  &#91;7&#93;]'''
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20050613192631/http://academic.brooklyn.cuny.edu/history/virtual/portrait/marx.jpg  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050613192631/http://academic.brooklyn.cuny.edu/history/virtual/portrait/marx.jpg]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050613192631/http://academic.brooklyn.cuny.edu/history/virtual/portrait/marx.jpg  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050613192631/http://academic.brooklyn.cuny.edu/history/virtual/portrait/marx.jpg]<br/>
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2] Siehe Kapitel 1.3.2]]<br/>
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2] Siehe Kapitel 1.3.2]]<br/>
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==2.1.1 Historischer Kontext==
 
==2.1.1 Historischer Kontext==
 
+
[[File:theogrundlagen-37_1.gif|frame|right]]
 
Die sozialen und ökonomischen Verhältnisse haben sich seit der Zeit von
 
Die sozialen und ökonomischen Verhältnisse haben sich seit der Zeit von
 
Adam Smith und David Ricardo stark verändert:
 
Adam Smith und David Ricardo stark verändert:
  
*  Die Jahrhundertmitte war von der ''1848er Revolution'' und deren
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*  Die Jahrhundertmitte war von der '''1848er Revolution''' und deren Nachwirkungen in fast allen Ländern Europas geprägt. Karl Marx und Friedrich Engels verfassten in diesem Kontext das '''Kommunistische Manifest''' (1848). Eine rasche und tief greifende '''Industrialisierung''' hatte weite Teile Europas erfasst und ging einher mit dem Untergang der Heimindustrie, Hungerrevolten und Maschinenstürmerei, wie dem Aufstand der schlesischen Weber 1844, der besonders blutig niedergeschlagen wurde.
    Nachwirkungen in fast allen Ländern Europas geprägt. Karl Marx und
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[[File:theogrundlagen-37_2.gif|frame|left]]
    Friedrich Engels verfassten in diesem Kontext das ''Kommunistische
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*  Die '''Abschaffung der Leibeigenschaft''' setzte ungeheure Mengen an '''Arbeitskräften aus der Landwirtschaft''' frei, diese strömen aus den Hungergebieten der Heimindustrie in sich '''rasant entwickelnde Städte''' -- es handelte sich dabei um sehr ähnliche Prozesse, wie sie heute in vielen Teilen der so genannten "Dritten Welt" unter dem Titel Globalisierung stattfinden. Polanyi schreibt:
    Manifest'' (1848). Eine rasche und tief greifende
+
<blockquote>"Schriftsteller aller Richtungen und Parteien, Konservative ebenso wie Liberale, Kapitalisten ebenso wie Sozialisten, bezeichneten immer wieder die sozialen Verhältnisse in der Zeit der Industriellen Revolution als eine wahre Hölle menschlicher Erniedrigung" (Polanyi 1978:67).</blockquote> 
    ''Industrialisierung'' hatte weite Teile Europas erfasst und ging
 
    einher mit dem Untergang der Heimindustrie, Hungerrevolten und
 
    Maschinenstürmerei, wie dem Aufstand der schlesischen Weber 1844,
 
    der besonders blutig niedergeschlagen wurde.
 
  
[[File:theogrundlagen-37_1.gif|frame|right]]
+
*  Kinderarbeit, Zusammenbruch der Familien, unvorstellbare Klassengegensätze, niedrige Lebenserwartung und katastrophale Wohnverhältnisse der unteren Schichten stellten die Schattenseite der Revolutionierung der Wirtschaft durch Textil- und Stahlindustrie, Eisenbahnbau, Beschleunigung des Transportwesen, etc dar.
 +
*  Die '''wirtschaftliche Situation''' war von einer '''zyklischen Abfolge von Flauten und Aufschwüngen''' geprägt, die immer wieder große Menschenmassen in Bewegung setzten. Die Rekrutierung großer Mengen von Arbeitskräften wechselte sich mit Entlassungswellen ab. '''Rasches Bevölkerungswachstum''' einerseits und '''Hungerkrisen''' in weiten Teilen Europas andererseits führten zu '''Auswanderungswellen''' nach Amerika und in die europäischen Kolonien.
 +
*  Streiks und Arbeitskämpfe endeten ziemlich regelmäßig mit Verletzten und Toten, die Anführer der damaligen Zeit wurden keineswegs selten standrechtlich exekutiert oder zumindest des Landes verwiesen.
 +
*  '''Nationale und nationalistische Bewegungen''' formierten sich insbesondere in Mitteleuropa. Die Loyalität zu Adelshäusern und religiösen Strömungen, die vorher die Auseinandersetzungen bestimmten, werden durch '''nationalstaatliche Loyalitäten''' abgelöst. Das alte Herrschaftsgefüge gerät von vielen Fronten aus unter Bedrängnis -- nicht zuletzt auch durch die neu formierte Klasse der Kapitalisten und Großbürger.
  
*  Die ''Abschaffung der Leibeigenschaft'' setzte ungeheure Mengen an
+
'''Karl Marx und Friedrich Engels''' waren durch ihre politische,
    ''Arbeitskräften aus der Landwirtschaft'' frei, diese strömen aus
+
wirtschaftliche (Engels), journalistische und wissenschaftliche
    den Hungergebieten der Heimindustrie in sich ''rasant entwickelnde
 
    Städte'' -- es handelte sich dabei um sehr ähnliche Prozesse, wie
 
    sie heute in vielen Teilen der so genannten "Dritten Welt" unter
 
    dem Titel Globalisierung stattfinden. Polanyi schreibt:
 
    *"Schriftsteller aller Richtungen und Parteien, Konservative ebenso
 
    wie Liberale, Kapitalisten ebenso wie Sozialisten, bezeichneten
 
    immer wieder die sozialen Verhältnisse in der Zeit der Industriellen
 
    Revolution als eine wahre Hölle menschlicher Erniedrigung"*
 
    (Polanyi 1978:67).
 
 
 
[[File:theogrundlagen-37_2.gif|frame|right]]
 
 
 
*  Kinderarbeit, Zusammenbruch der Familien, unvorstellbare
 
    Klassengegensätze, niedrige Lebenserwartung und katastrophale
 
    Wohnverhältnisse der unteren Schichten stellten die Schattenseite
 
    der Revolutionierung der Wirtschaft durch Textil- und
 
    Stahlindustrie, Eisenbahnbau, Beschleunigung des Transportwesen, etc
 
    dar.
 
*  Die ''wirtschaftliche Situation'' war von einer ''zyklischen Abfolge
 
    von Flauten und Aufschwüngen'' geprägt, die immer wieder große
 
    Menschenmassen in Bewegung setzten. Die Rekrutierung großer Mengen
 
    von Arbeitskräften wechselte sich mit Entlassungswellen ab.
 
    ''Rasches Bevölkerungswachstum'' einerseits und ''Hungerkrisen'' in
 
    weiten Teilen Europas andererseits führten zu
 
    ''Auswanderungswellen'' nach Amerika und in die europäischen
 
    Kolonien.
 
*  Streiks und Arbeitskämpfe endeten ziemlich regelmäßig mit Verletzten
 
    und Toten, die Anführer der damaligen Zeit wurden keineswegs selten
 
    standrechtlich exekutiert oder zumindest des Landes verwiesen.
 
*  ''Nationale und nationalistische Bewegungen'' formierten sich
 
    insbesondere in Mitteleuropa. Die Loyalität zu Adelshäusern und
 
    religiösen Strömungen, die vorher die Auseinandersetzungen
 
    bestimmten, werden durch ''nationalstaatliche Loyalitäten''
 
    abgelöst. Das alte Herrschaftsgefüge gerät von vielen Fronten aus
 
    unter Bedrängnis -- nicht zuletzt auch durch die neu formierte
 
    Klasse der Kapitalisten und Großbürger.
 
 
 
''Karl Marx und Friedrich Engels'' waren durch ihre politische,
 
wirtschaftliche (Engels), journalistische und wissenschaftliche
 
 
Tätigkeit extrem in ihre Gegenwart involviert. Der Briefverkehr der
 
Tätigkeit extrem in ihre Gegenwart involviert. Der Briefverkehr der
 
beiden, publiziert in den MEW (Marx Engels Werke) zeugt von ihrer -- für
 
beiden, publiziert in den MEW (Marx Engels Werke) zeugt von ihrer -- für
die damalige Zeit - unglaublichen ''europaweiten Vernetzung''.
+
die damalige Zeit - unglaublichen '''europaweiten Vernetzung'''.
 
 
 
 
  
 
==2.1.2 Zum Gesamtwerk von Marx und Engels==
 
==2.1.2 Zum Gesamtwerk von Marx und Engels==
  
 
Das Gesamtwerk von Marx und Engels hat viele Aspekte. Es gründet sich
 
Das Gesamtwerk von Marx und Engels hat viele Aspekte. Es gründet sich
auf den ''utopischen französischen Sozialismus'', auf die ''deutsche
+
auf den '''utopischen französischen Sozialismus''', auf die '''deutsche
idealistische Philosophie'' und die ''klassische englische politische
+
idealistische Philosophie''' und die '''klassische englische politische
Ökonomie''. Auf dieser Basis entwickelten sie den historischen
+
Ökonomie'''. Auf dieser Basis entwickelten sie den historischen
 
Materialismus, die Strategie und Taktik des Klassenkampfs und die
 
Materialismus, die Strategie und Taktik des Klassenkampfs und die
''Kritik der politischen Ökonomie''. Im Rahmen der ökonomischen
+
'''Kritik der politischen Ökonomie'''. Im Rahmen der ökonomischen
 
Anthropologie werden hier ausschließlich jene Teilaspekte der Letzteren
 
Anthropologie werden hier ausschließlich jene Teilaspekte der Letzteren
 
behandelt, die für die sozialanthropologische Theorienbildung besonders
 
behandelt, die für die sozialanthropologische Theorienbildung besonders
 
relevant geworden sind:
 
relevant geworden sind:
  
*  ''Werttheorie'' und ''Bestimmung des Mehrwerts''
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'''Werttheorie''' und '''Bestimmung des Mehrwerts'''
*  Analyse des ''Produktionsprozesses''
+
*  Analyse des '''Produktionsprozesses'''
*  ''Produktionsverhältnisse'' und ''Produktionsweisen''
+
'''Produktionsverhältnisse''' und '''Produktionsweisen'''
  
  
  
 
===2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx===
 
===2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx===
 
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[[File:theogrundlagen-39_1.gif|frame|right|Bearbeitung von goldführendem Gestein im alten Ägypten. Quelle: Krämer ca. 1900, Bd. V: 112]]
 
[[File:theogrundlagen-39_1.gif|frame|right|Bearbeitung von goldführendem Gestein im alten Ägypten. Quelle: Krämer ca. 1900, Bd. V: 112]]
  
 
Die Werttheorie von Karl Marx basiert auf verschiedenen Voraussetzungen,
 
Die Werttheorie von Karl Marx basiert auf verschiedenen Voraussetzungen,
die für ein Verständnis der Formel "''Geld > Ware > mehr Geld''"
+
die für ein Verständnis der Formel "'''Geld > Ware > mehr Geld'''"
 
zentral sind.
 
zentral sind.
  
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====2.1.2.1.1 Güter und Waren====
 
====2.1.2.1.1 Güter und Waren====
 
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[[File:theogrundlagen-40_1.jpg|frame|left|Verkauf von Opfergaben bei einem hinduistischen Tempel. Foto: Elke Mader]]
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<div><ul>
[[File:theogrundlagen-40_2.jpg|frame|center| Süßwaren im Supermarkt. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-40_1.jpg|thumb|none|Verkauf von Opfergaben bei einem hinduistischen Tempel. Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-40_3.jpg|frame|right|Obst und Zigarretten in Indonesien. Foto: Elke Mader]]
+
<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-40_2.jpg|thumb|none| Süßwaren im Supermarkt. Foto: Elke Mader]] </li>
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-40_3.jpg|thumb|none|Obst und Zigarretten in Indonesien. Foto: Elke Mader]] </li>
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</ul></div>
  
 
Marx unterscheidet zwischen Gütern und Waren. Güter zeichnen sich
 
Marx unterscheidet zwischen Gütern und Waren. Güter zeichnen sich
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Austausch von Ware gegen Ware noch nicht besitzt.
 
Austausch von Ware gegen Ware noch nicht besitzt.
  
In der ''Warenzirkulation'' treten einander Besitzer von Waren, welche
+
In der '''Warenzirkulation''' treten einander Besitzer von Waren, welche
''Gebrauchswert'' und ''Tauschwert'' haben, gegenüber. Voraussetzung
+
'''Gebrauchswert''' und '''Tauschwert''' haben, gegenüber. Voraussetzung
 
dazu ist ein gewisses Maß an Arbeitsteilung. Marx unterscheidet nun
 
dazu ist ein gewisses Maß an Arbeitsteilung. Marx unterscheidet nun
verschiedene ''Formen der Warenzirkulation'':
+
verschiedene '''Formen der Warenzirkulation''':
  
''1.: W -- W''
+
'''1.: W -- W'''
  
 
Die einfachste Form der Warenzirkulation besteht darin, dass Ware gegen
 
Die einfachste Form der Warenzirkulation besteht darin, dass Ware gegen
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getauscht.
 
getauscht.
  
''2.: W -- G -- W''
+
'''2.: W -- G -- W'''
  
 
Beim Tausch Ware gegen Geld, um mit diesem Geld wiederum eine Ware
 
Beim Tausch Ware gegen Geld, um mit diesem Geld wiederum eine Ware
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1977: 109).
 
1977: 109).
  
''3.: G -- W -- G''
+
'''3.: G -- W -- G'''
  
Dies ist die ''Zirkulationsform im Kapitalismus''. Geld wird verausgabt,
+
Dies ist die '''Zirkulationsform im Kapitalismus'''. Geld wird verausgabt,
 
um Waren zu kaufen, die zu mehr Geld führen sollen. Das treibende Motiv
 
um Waren zu kaufen, die zu mehr Geld führen sollen. Das treibende Motiv
ist nun nicht mehr ein ''Bedürfnis nach anderen Gebrauchswerten'',
+
ist nun nicht mehr ein '''Bedürfnis nach anderen Gebrauchswerten''',
sondern der aus dem Tausch resultierende ''Mehrwert''.
+
sondern der aus dem Tausch resultierende '''Mehrwert'''.
  
In der Warenzirkulation tauschen sich ''gleiche Werte'' gegeneinander
+
In der Warenzirkulation tauschen sich '''gleiche Werte''' gegeneinander
 
aus. Marx stellt sich nun die Frage, wie es sein kann, dass der
 
aus. Marx stellt sich nun die Frage, wie es sein kann, dass der
 
Geldbesitzer Waren zu ihrem Wert kaufen und zu ihrem Wert verkaufen
 
Geldbesitzer Waren zu ihrem Wert kaufen und zu ihrem Wert verkaufen
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====2.1.2.1.2 Warenproduktion====
 
====2.1.2.1.2 Warenproduktion====
 +
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''Warenproduktion'': Der Kapitalist investiert Geld in die ''Herstellung
+
'''Warenproduktion''': Der Kapitalist investiert Geld in die '''Herstellung
von Produkten für den Verkauf'' im Rahmen einer Marktwirtschaft: Es geht
+
von Produkten für den Verkauf''' im Rahmen einer Marktwirtschaft: Es geht
 
also dabei nicht um Gebrauchswertproduktion: "Er (Kapitalist) will
 
also dabei nicht um Gebrauchswertproduktion: "Er (Kapitalist) will
 
nicht nur einen Gebrauchswert produzieren, sondern eine Ware, nicht nur
 
nicht nur einen Gebrauchswert produzieren, sondern eine Ware, nicht nur
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[[File:theogrundlagen-41_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-41_1.gif|frame|right]]
  
*  Der ''Produktionsprozess einer Ware'' ist daher auch als
+
*  Der '''Produktionsprozess einer Ware''' ist daher auch als '''Wertbildungsprozess''' zu betrachten. Wie in der '''Gebrauchswertproduktion''' ist der Wert einer Ware durch die zu ihrer Produktion erforderliche '''gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit''' bestimmt.
    ''Wertbildungsprozess'' zu betrachten. Wie in der
 
    ''Gebrauchswertproduktion'' ist der Wert einer Ware durch die zu
 
    ihrer Produktion erforderliche ''gesellschaftlich notwendige
 
    Arbeitszeit'' bestimmt.
 
  
''Warum schafft nun Warenproduktion "Mehrwert" und
+
'''Warum schafft nun Warenproduktion "Mehrwert" und
Gebrauchswertproduktion nicht?''
+
Gebrauchswertproduktion nicht?'''
  
*  Weil der Kapitalist am Markt eine Ware einkauft, die als einzige im
+
*  Weil der Kapitalist am Markt eine Ware einkauft, die als einzige im Stande ist, Wert zu schaffen: '''Die Ware Arbeitskraft'''.
    Stande ist, Wert zu schaffen: ''Die Ware Arbeitskraft''.
+
*  Wesentliche '''Voraussetzung der Warenproduktion''' ist daher das '''Vorhandensein der Ware Arbeitskraft''', die am '''freien Warenmarkt''' angeboten wird. Der "freie Arbeiter" ist "frei in dem Doppelsinne, dass er als freie Person über seine Arbeitskraft als seine Ware verfügt und dass er andere Waren nicht zu verkaufen hat, dass er los und ledig ist von allen zur Verwirklichung seiner Arbeitskraft nötigen Sachen" (Mehring 2001: 346).
*  Wesentliche ''Voraussetzung der Warenproduktion'' ist daher das
 
    ''Vorhandensein der Ware Arbeitskraft'', die am ''freien
 
    Warenmarkt'' angeboten wird. Der "freie Arbeiter" ist "frei in
 
    dem Doppelsinne, dass er als freie Person über seine Arbeitskraft
 
    als seine Ware verfügt und dass er andere Waren nicht zu verkaufen
 
    hat, dass er los und ledig ist von allen zur Verwirklichung seiner
 
    Arbeitskraft nötigen Sachen" (Mehring 2001: 346).
 
  
''Die Natur produziert'' aber ''nicht'' einerseits ''Geldbesitzer'' und
+
'''Die Natur produziert''' aber '''nicht''' einerseits '''Geldbesitzer''' und
andererseits ''bloße Besitzer der eigenen Arbeitskraft''. Menschen, die
+
andererseits '''bloße Besitzer der eigenen Arbeitskraft'''. Menschen, die
 
nichts zu verkaufen haben außer ihrer eigenen Arbeitskraft, sind das
 
nichts zu verkaufen haben außer ihrer eigenen Arbeitskraft, sind das
''Ergebnis einer langen historischen Entwicklung'', welche die
+
'''Ergebnis einer langen historischen Entwicklung''', welche die
Enteignung großer Gruppen von Menschen von ihren ''Produktionsmitteln''
+
Enteignung großer Gruppen von Menschen von ihren '''Produktionsmitteln'''
 
zur Folge hatte.
 
zur Folge hatte.
  
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====2.1.2.1.3 Gebrauchswert und Tauschwert====
 
====2.1.2.1.3 Gebrauchswert und Tauschwert====
 +
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Die ''Ausgangsbasis für die Werttheorie von Marx'' ist die
+
Die '''Ausgangsbasis für die Werttheorie von Marx''' ist die
''Unterscheidung von Gebrauchswert und Tauschwert''.
+
'''Unterscheidung von Gebrauchswert und Tauschwert'''.
  
 
Eine Ware ist nach Marx durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet -- sie
 
Eine Ware ist nach Marx durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet -- sie
 
hat a) einen Gebrauchswert und b) einen Tauschwert.
 
hat a) einen Gebrauchswert und b) einen Tauschwert.
  
a) Der ''Gebrauchswert'' besteht im Nutzen, den etwas hat, um damit
+
a) Der '''Gebrauchswert''' besteht im Nutzen, den etwas hat, um damit
 
menschliche Bedürfnisse gleich welcher Art befriedigen zu können.
 
menschliche Bedürfnisse gleich welcher Art befriedigen zu können.
  
b) Eine ''Ware tauscht sich in einer bestimmten Proportion gegen andere
+
b) Eine '''Ware tauscht sich in einer bestimmten Proportion gegen andere
Gebrauchswerte'' aus. Sie hat nur dadurch Tauschwert, weil sie zuvor
+
Gebrauchswerte''' aus. Sie hat nur dadurch Tauschwert, weil sie zuvor
Gebrauchswert für andere hat. Waren müssen *"sich als Gebrauchswert
+
Gebrauchswert für andere hat. Waren müssen "sich als Gebrauchswert
 
bewähren, bevor sie sich als Werte realisieren können. Denn die auf sie
 
bewähren, bevor sie sich als Werte realisieren können. Denn die auf sie
 
verausgabte menschliche Arbeit zählt nur, soweit sie in einer für andere
 
verausgabte menschliche Arbeit zählt nur, soweit sie in einer für andere
 
nützlichen Form verausgabt ist. Ob sie anderen nützlich, ihr Produkt
 
nützlichen Form verausgabt ist. Ob sie anderen nützlich, ihr Produkt
 
daher fremde Bedürfnisse befriedigt, kann aber nur ihr Austausch
 
daher fremde Bedürfnisse befriedigt, kann aber nur ihr Austausch
beweisen"* (Marx 1977: 100f).
+
beweisen" (Marx 1977: 100f).
  
 
[[File:theogrundlagen-42_1.jpg|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-42_1.jpg|frame|right]]
 
+
Wobei für Marx das '''Komplizierte im Tauschwert''' und somit im
Wobei für Marx das ''Komplizierte im Tauschwert'' und somit im
 
 
Warencharakter besteht:
 
Warencharakter besteht:
  
*"Eine Ware scheint auf den ersten Blick ein selbstverständliches,
+
<blockquote>"Eine Ware scheint auf den ersten Blick ein selbstverständliches, triviales Ding. Ihre Analyse ergibt, daß sie ein sehr vertracktes Ding ist, voll metaphysischer Spitzfindigkeit und theologischer Mucken. Soweit sie Gebrauchswert, ist nichts Mysteriöses an ihr, ob ich sie nun unter dem Gesichtspunkt betrachte, daß sie durch ihre Eigenschaften menschliche Bedürfnisse befriedigt oder diese Eigenschaften erst als Produkt menschlicher Arbeit erhält. Es ist sinnenklar, daß der Mensch durch seine Tätigkeit die Formen der Naturstoffe in einer ihm nützlichen Weise verändert. Die Form des Holzes z.B. wird verändert, wenn man aus ihm einen Tisch macht. Nichtsdestoweniger bleibt der Tisch Holz, ein ordinäres sinnliches Ding. Aber sobald er als Ware auftritt, verwandelt er sich in ein sinnlich übersinnliches Ding. Er steht nicht nur mit seinen Füßen auf dem Boden, sondern er stellt sich allen andren Waren gegenüber auf den Kopf und entwickelt aus seinem Holzkopf Grillen, viel wunderlicher, als wenn er aus freien Stücken zu tanzen begänne." (Marx 1977: 85)</blockquote>  Ein ganz wichtiger Moment, der den Tauschwert so kompliziert macht, ist die '''Arbeitskraft als Ware'''.
triviales Ding. Ihre Analyse ergibt, daß sie ein sehr vertracktes Ding
 
ist, voll metaphysischer Spitzfindigkeit und theologischer Mucken.
 
Soweit sie Gebrauchswert, ist nichts Mysteriöses an ihr, ob ich sie nun
 
unter dem Gesichtspunkt betrachte, daß sie durch ihre Eigenschaften
 
menschliche Bedürfnisse befriedigt oder diese Eigenschaften erst als
 
Produkt menschlicher Arbeit erhält. Es ist sinnenklar, daß der Mensch
 
durch seine Tätigkeit die Formen der Naturstoffe in einer ihm nützlichen
 
Weise verändert. Die Form des Holzes z.B. wird verändert, wenn man aus
 
ihm einen Tisch macht. Nichtsdestoweniger bleibt der Tisch Holz, ein
 
ordinäres sinnliches Ding. Aber sobald er als Ware auftritt, verwandelt
 
er sich in ein sinnlich übersinnliches Ding. Er steht nicht nur mit
 
seinen Füßen auf dem Boden, sondern er stellt sich allen andren Waren
 
gegenüber auf den Kopf und entwickelt aus seinem Holzkopf Grillen, viel
 
wunderlicher, als wenn er aus freien Stücken zu tanzen begänne."* (Marx
 
1977: 85)
 
 
 
Ein ganz wichtiger Moment, der den Tauschwert so kompliziert macht, ist
 
die ''Arbeitskraft als Ware''.
 
 
 
 
 
  
 
====2.1.2.1.4 Gebrauchswert und Tauschwert der Ware Arbeitskraft====
 
====2.1.2.1.4 Gebrauchswert und Tauschwert der Ware Arbeitskraft====
 +
----
  
 
Das Spezifische am Kapitalismus ist die Trennung von Arbeit und Kapital.
 
Das Spezifische am Kapitalismus ist die Trennung von Arbeit und Kapital.
 
Diese ist nur möglich, weil die Arbeiter zuvor in einem historischen
 
Diese ist nur möglich, weil die Arbeiter zuvor in einem historischen
 
Prozess ihrer Produktionsmittel beraubt wurden (z.B.
 
Prozess ihrer Produktionsmittel beraubt wurden (z.B.
'''enclosures'[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.1 Historischer Kontext|[1]]]'' in England)
+
''enclosures'[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.1 Historischer Kontext|[1]]]''' in England)
  
Im ''Verhältnis zwischen Arbeitern und Unternehmern'', Arbeiterklasse
+
Im '''Verhältnis zwischen Arbeitern und Unternehmern''', Arbeiterklasse
und Kapitalisten, wie Marx es nennt, ''herrschen Warenbeziehungen'' vor.
+
und Kapitalisten, wie Marx es nennt, '''herrschen Warenbeziehungen''' vor.
Die ''Arbeitskraft'' in der kapitalistischen Gesellschaft ''ist eine
+
Die '''Arbeitskraft''' in der kapitalistischen Gesellschaft '''ist eine
Ware'' wie jede andere, die am Markt angeboten wird und die der
+
Ware''' wie jede andere, die am Markt angeboten wird und die der
 
Kapitalist für einen bestimmten Zeitraum kauft.
 
Kapitalist für einen bestimmten Zeitraum kauft.
  
Wie alle anderen Waren auch hat die ''Ware Arbeitskraft'' einen
+
Wie alle anderen Waren auch hat die '''Ware Arbeitskraft''' einen
''Gebrauchswertund'' einen ''Tauschwert''. Der Tauschwert der Ware
+
'''Gebrauchswertund''' einen '''Tauschwert'''. Der Tauschwert der Ware
 
Arbeitskraft, die ja nur in der Gestalt der lebendigen ArbeiterInnen
 
Arbeitskraft, die ja nur in der Gestalt der lebendigen ArbeiterInnen
 
existiert, bemisst sich an den Reproduktionskosten der Ware
 
existiert, bemisst sich an den Reproduktionskosten der Ware
 
Arbeitskraft.
 
Arbeitskraft.
  
Unter ''Reproduktionskosten'' oder Lebensmittel der Ware Arbeitskraft
+
Unter '''Reproduktionskosten''' oder Lebensmittel der Ware Arbeitskraft
fällt alles, dessen der Arbeiter oder die Arbeiterin bedarf, um ''sich
+
fällt alles, dessen der Arbeiter oder die Arbeiterin bedarf, um '''sich
und die Familie zu erhalten''. Die Fortdauer der Arbeitskraft muss auch
+
und die Familie zu erhalten'''. Die Fortdauer der Arbeitskraft muss auch
 
über den Tod des / der individuellen ArbeiterIn hinaus gesichert
 
über den Tod des / der individuellen ArbeiterIn hinaus gesichert
 
bleiben, und der Kapitalist will ja "fertige" Arbeitskraft kaufen, das
 
bleiben, und der Kapitalist will ja "fertige" Arbeitskraft kaufen, das
Line 1,082: Line 965:
 
verfügt. Der Arbeiter bekommt für seine Arbeitskraft Geld, den Lohn, der
 
verfügt. Der Arbeiter bekommt für seine Arbeitskraft Geld, den Lohn, der
 
sich an der Hervorbringung der für seine Lebensmittel notwendigen
 
sich an der Hervorbringung der für seine Lebensmittel notwendigen
Arbeitszeit orientiert. ''Im Lohn ist der Tauschwert der Ware
+
Arbeitszeit orientiert. '''Im Lohn ist der Tauschwert der Ware
Arbeitskraft ausgedrückt''.
+
Arbeitskraft ausgedrückt'''.
  
 
Marx stellt aber neben dem Tauschwert, den er als Verhältnis zwischen
 
Marx stellt aber neben dem Tauschwert, den er als Verhältnis zwischen
 
Arbeitskraft und Reproduktionsmittel sieht, auch noch den
 
Arbeitskraft und Reproduktionsmittel sieht, auch noch den
''Gebrauchswert'' der Ware Arbeitskraft heraus.
+
'''Gebrauchswert''' der Ware Arbeitskraft heraus.
  
''Was ist nun der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft?''
+
'''Was ist nun der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft?'''
  
 
Hier argumentiert nun Marx, dass der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft
 
Hier argumentiert nun Marx, dass der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft
etwas ganz anderes ist als deren Tauschwert. Der ''Gebrauchswert ist die
+
etwas ganz anderes ist als deren Tauschwert. Der '''Gebrauchswert ist die
Tatsache'', dass der ''Arbeiter einen bestimmten Zeitraum'', z.B. einen
+
Tatsache''', dass der '''Arbeiter einen bestimmten Zeitraum''', z.B. einen
Monat lang ''in der Fabrik arbeitet''.
+
Monat lang '''in der Fabrik arbeitet'''.
  
 
Die Ware hat diesen einen Monat lang nichts mehr mit ihrem
 
Die Ware hat diesen einen Monat lang nichts mehr mit ihrem
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arbeiten zu lassen, damit sie also für ihn Werte schafft. In diesem
 
arbeiten zu lassen, damit sie also für ihn Werte schafft. In diesem
 
einen Monat schafft diese Ware, die der Arbeiter verkauft hat, für den
 
einen Monat schafft diese Ware, die der Arbeiter verkauft hat, für den
anderen Werte, weil es der ''Nutzen und Gebrauchswert dieser Ware ist,
+
anderen Werte, weil es der '''Nutzen und Gebrauchswert dieser Ware ist,
Werte zu schaffen''.
+
Werte zu schaffen'''.
 +
 
 +
'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.1 Historischer Kontext|[1] Siehe Kapitel 1.3.1]]<br/>
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.1 Historischer Kontext|[1] Siehe Kapitel 1.3.1]]<br/>
  
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====2.1.2.1.5 Mehrwert und Kapital====
 
====2.1.2.1.5 Mehrwert und Kapital====
 
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Der entscheidende Schluss bei Marx lautet nun: ''Die angekaufte Ware
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[[File:theogrundlagen-44_1.jpg|frame|right|Werttheorie von Marx. Grafik: Getraud Seiser und Elke Mader]]
Arbeitskraft schafft für den Kapitalisten Werte'', diese Werte sind aber
+
Der entscheidende Schluss bei Marx lautet nun: '''Die angekaufte Ware
 +
Arbeitskraft schafft für den Kapitalisten Werte''', diese Werte sind aber
 
mehr wert als der Lohn, der Tauschwert der Ware Arbeitskraft. Was ein
 
mehr wert als der Lohn, der Tauschwert der Ware Arbeitskraft. Was ein
 
Arbeiter in dem einen Monat schafft, ist das Resultat des
 
Arbeiter in dem einen Monat schafft, ist das Resultat des
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musste.
 
musste.
  
Infolge dieses Prozesses wird ''Geld zu Kapital'':
+
Infolge dieses Prozesses wird '''Geld zu Kapital''':
 
 
*" Indem der Kapitalist Geld in Waren verwandelt, die als Stoffbildner
 
eines neuen Produkts oder als Faktoren des Arbeitsprozesses dienen,
 
indem er ihrer toten Gegenständlichkeit lebendige Arbeitskraft
 
einverleibt, verwandelt er Wert, vergangne, vergegenständlichte, tote
 
Arbeit in Kapital, sich selbst verwertenden Wert, ein beseeltes
 
Ungeheuer, das zu ‚arbeiten' beginnt, als hätt' es Lieb' im Leibe."*
 
(Marx 1977: 209)
 
 
 
[[File:theogrundlagen-44_1.jpg|frame|right|Werttheorie von Marx. Grafik: Getraud Seiser und Elke Mader]]
 
 
 
  
 +
<blockquote>" Indem der Kapitalist Geld in Waren verwandelt, die als Stoffbildner eines neuen Produkts oder als Faktoren des Arbeitsprozesses dienen, indem er ihrer toten Gegenständlichkeit lebendige Arbeitskraft einverleibt, verwandelt er Wert, vergangne, vergegenständlichte, tote Arbeit in Kapital, sich selbst verwertenden Wert, ein beseeltes Ungeheuer, das zu ‚arbeiten' beginnt, als hätt' es Lieb' im Leibe." (Marx 1977: 209)</blockquote>
  
 
====2.1.2.1.6 Wert einer Ware bei Marx====
 
====2.1.2.1.6 Wert einer Ware bei Marx====
 
+
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[[File:theogrundlagen-45_1.jpg|frame|right|Supermarkt in Wien. Foto: Elke Mader]]
+
[[File:theogrundlagen-45_1.jpg|frame|left|Supermarkt in Wien. Foto: Elke Mader]]
  
 
Der Warenwert setzt sich aus drei Größen zusammen:
 
Der Warenwert setzt sich aus drei Größen zusammen:
  
''C + V + M''
+
'''C + V + M'''
  
''C ='' konstantes Kapital (Maschinen, Rohstoffe, die proportional in
+
'''C =''' konstantes Kapital (Maschinen, Rohstoffe, die proportional in
 
den Wert einer Ware einfließen, usw.)
 
den Wert einer Ware einfließen, usw.)
  
''V ='' variables Kapital (die Lohnsumme der Arbeitskraft)
+
'''V =''' variables Kapital (die Lohnsumme der Arbeitskraft)
  
''M ='' der Mehrwert
+
'''M =''' der Mehrwert
  
Der ''Mehrwert'' ist der von den Arbeitern in der Zeiteinheit, für die
+
Der '''Mehrwert''' ist der von den Arbeitern in der Zeiteinheit, für die
sie Ware Arbeitskraft verkauft haben, ''über die Kosten für ihren Lohn
+
sie Ware Arbeitskraft verkauft haben, '''über die Kosten für ihren Lohn
hinausgehende neu geschaffene Wert''. Die Kategorie des Mehrwertes baut
+
hinausgehende neu geschaffene Wert'''. Die Kategorie des Mehrwertes baut
 
auf den beiden Grundkonzepten von Gebrauchswert und Tauschwert auf.
 
auf den beiden Grundkonzepten von Gebrauchswert und Tauschwert auf.
  
 
Durch die Verausgabung ihrer Arbeitskraft haben die ArbeiterInnen zuerst
 
Durch die Verausgabung ihrer Arbeitskraft haben die ArbeiterInnen zuerst
 
das Äquivalent ihres Lohns produziert und dann einen unbezahlten
 
das Äquivalent ihres Lohns produziert und dann einen unbezahlten
Überschuss, den Mehrwert. Marx klassifiziert die ''Mehrwertproduktion''
+
Überschuss, den Mehrwert. Marx klassifiziert die '''Mehrwertproduktion'''
 
der ArbeiterInnen für das Kapital als das eigentliche
 
der ArbeiterInnen für das Kapital als das eigentliche
 
Produktionsverhältnis im Kapitalismus.
 
Produktionsverhältnis im Kapitalismus.
  
Der ''Tauschwert einer Ware'' oder der Warenwert ist aber keineswegs mit
+
Der '''Tauschwert einer Ware''' oder der Warenwert ist aber keineswegs mit
 
dem Preis zu verwechseln, der sich durch den Verkauf dieser Ware auf dem
 
dem Preis zu verwechseln, der sich durch den Verkauf dieser Ware auf dem
 
Markt realisieren lässt. Marx selbst hat zwischen den Prozessen der
 
Markt realisieren lässt. Marx selbst hat zwischen den Prozessen der
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Werts besteht im tatsächlichen Verkauf der Waren. Die Preisbildung
 
Werts besteht im tatsächlichen Verkauf der Waren. Die Preisbildung
 
erfolgt nun im Rahmen der Bedingungen dieses Verkaufs, die durch das
 
erfolgt nun im Rahmen der Bedingungen dieses Verkaufs, die durch das
''Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage'' geprägt sind (vgl. Godelier
+
'''Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage''' geprägt sind (vgl. Godelier
 
1972: 262ff).
 
1972: 262ff).
  
 
Der Tauschwert einer Ware bildet sich also in ihrer Produktion, über
 
Der Tauschwert einer Ware bildet sich also in ihrer Produktion, über
 
ihren realisierten Preis entscheidet die Zirkulation.
 
ihren realisierten Preis entscheidet die Zirkulation.
 
 
  
 
====2.1.2.1.7 Mehrwertproduktion im Kapitalismus====
 
====2.1.2.1.7 Mehrwertproduktion im Kapitalismus====
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Diese Theorie der Mehrwertproduktion setzt voraus, dass die Unternehmer
 
Diese Theorie der Mehrwertproduktion setzt voraus, dass die Unternehmer
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Arbeiterschaft nichts dergleichen hat.
 
Arbeiterschaft nichts dergleichen hat.
  
In der ''Produktion von Mehrwert'' durch die ArbeiterInnen und die
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In der '''Produktion von Mehrwert''' durch die ArbeiterInnen und die
 
Aneignung desselben durch die UnternehmerInnen besteht das entscheidende
 
Aneignung desselben durch die UnternehmerInnen besteht das entscheidende
''Produktionsverhältnis im Kapitalismus''.
+
'''Produktionsverhältnis im Kapitalismus'''.
  
 
Für die UnternehmerInnen ergeben sich in der Folge verschiedene
 
Für die UnternehmerInnen ergeben sich in der Folge verschiedene
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Eine kompakte Zusammenfassung zur Grundstruktur des Kapitalismus aus
 
Eine kompakte Zusammenfassung zur Grundstruktur des Kapitalismus aus
Sicht der Politischen Ökonomie bietet ''Andreas Novy [[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.2 Grundstruktur des Kapitalismus|[1]]]''.
+
Sicht der Politischen Ökonomie bietet '''Andreas Novy [[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.2 Grundstruktur des Kapitalismus|[1]]]'''.
  
 
Insbesondere Kapitel 2.4.2.1 inklusive aller Unterpunkte ist in gleicher
 
Insbesondere Kapitel 2.4.2.1 inklusive aller Unterpunkte ist in gleicher
 
Weise für die Ökonomische Anthropologie relevant.
 
Weise für die Ökonomische Anthropologie relevant.
  
''Verweise:''
+
'''Verweise:'''
[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.2 Grundstruktur des Kapitalismus|[1] Siehe Kapitel 2.4.2 der Lernunterlage ''Internationale Politische Ökonomie'']]<br/>
 
  
 +
[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.2 Grundstruktur des Kapitalismus|[1] Siehe Kapitel 2.4.2 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
  
 
===2.1.2.2 Arbeitsprozess und Produktionsprozess===
 
===2.1.2.2 Arbeitsprozess und Produktionsprozess===
 +
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*"Der Arbeitsprozess, wie wir ihn in seinen einfachen und abstrakten
+
<blockquote>"Der Arbeitsprozess, wie wir ihn in seinen einfachen und abstrakten Momenten dargestellt haben, ist zweckmäßige Tätigkeit zur Herstellung von Gebrauchswerten, Aneignung des Natürlichen für menschliche Bedürfnisse, allgemeine Bedingung des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens und daher unabhängig von jeder Form dieses Lebens, vielmehr allen seinen Gesellschaftsformen gleich gemeinsam." (Marx 1977: 198)</blockquote> 
Momenten dargestellt haben, ist zweckmäßige Tätigkeit zur Herstellung
 
von Gebrauchswerten, Aneignung des Natürlichen für menschliche
 
Bedürfnisse, allgemeine Bedingung des Stoffwechsels zwischen Mensch und
 
Natur, ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens und daher unabhängig
 
von jeder Form dieses Lebens, vielmehr allen seinen Gesellschaftsformen
 
gleich gemeinsam."* (Marx 1977: 198)
 
  
[[File:theogrundlagen-47_1.gif|frame|right]]
+
[[File:theogrundlagen-47_1.gif|frame|right]]  
  
Gleichzeitig ist die ''Arbeit immer gesellschaftlich'', weil die
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Gleichzeitig ist die '''Arbeit immer gesellschaftlich''', weil die
 
Menschen im Arbeitsprozess nicht nur auf die Natur, sondern auch
 
Menschen im Arbeitsprozess nicht nur auf die Natur, sondern auch
 
aufeinander einwirken. Menschen existieren nur in organisierten
 
aufeinander einwirken. Menschen existieren nur in organisierten
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gesellschaftliche Beziehungen und Verhältnisse zueinander und nur
 
gesellschaftliche Beziehungen und Verhältnisse zueinander und nur
 
innerhalb dieser Beziehungen und Verhältnisse findet ihre Einwirkung auf
 
innerhalb dieser Beziehungen und Verhältnisse findet ihre Einwirkung auf
die Natur, findet Produktion statt. ''Alle Produktion ist Aneignung von
+
die Natur, findet Produktion statt. '''Alle Produktion ist Aneignung von
Natur innerhalb einer und durch eine bestimmte Gesellschaftsform.''
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Natur innerhalb einer und durch eine bestimmte Gesellschaftsform.'''
  
 
Der Begriff Produktion ist bei Marx nicht auf Technologie reduziert!
 
Der Begriff Produktion ist bei Marx nicht auf Technologie reduziert!
  
''"Produktion"'' erfolgt immer gleichzeitig ''mit den Händen und mit
+
'''"Produktion"''' erfolgt immer gleichzeitig '''mit den Händen und mit
dem Kopf'', darin unterscheidet sich der Mensch von anderen Lebewesen:
+
dem Kopf''', darin unterscheidet sich der Mensch von anderen Lebewesen:
 
 
*"Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen
 
ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen
 
des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer
 
Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den
 
schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er
 
die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende
 
des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn
 
desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell
 
vorhanden war."* (Marx 1977: 193)
 
 
 
  
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<blockquote>"Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war." (Marx 1977: 193)</blockquote> 
  
 
===2.1.2.3 Sozioökonomische Formationen: Begriffe===
 
===2.1.2.3 Sozioökonomische Formationen: Begriffe===
 +
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Karl Marx fühlte sich einem ''Universalismus'' verpflichtet und sah
+
Karl Marx fühlte sich einem '''Universalismus''' verpflichtet und sah
daher den ''Kapitalismus nur als eine Gesellschaftsformation unter
+
daher den '''Kapitalismus nur als eine Gesellschaftsformation unter
mehreren'', wenn auch als die entwicklungsgeschichtlich progressivste,
+
mehreren''', wenn auch als die entwicklungsgeschichtlich progressivste,
 
an (Wicker o.J.: 28). Er war daher auch an den vorkapitalistischen
 
an (Wicker o.J.: 28). Er war daher auch an den vorkapitalistischen
 
Produktionsweisen interessiert und studierte die anthropologische
 
Produktionsweisen interessiert und studierte die anthropologische
Line 1,282: Line 1,142:
 
Fragestellung gemacht hatte (siehe Krader 1976). Auf der Basis der
 
Fragestellung gemacht hatte (siehe Krader 1976). Auf der Basis der
 
Lektüre von Lewis Henry Morgan und anderen Evolutionisten entwickelte
 
Lektüre von Lewis Henry Morgan und anderen Evolutionisten entwickelte
Marx eine ''universalhistorische Theorie der Produktionsweisen'', die ab
+
Marx eine '''universalhistorische Theorie der Produktionsweisen''', die ab
 
den 1970er Jahren für die neomarxistische Sozialanthropologie von großer
 
den 1970er Jahren für die neomarxistische Sozialanthropologie von großer
 
Bedeutung geworden ist. Um diesen Auseinandersetzungen folgen zu können,
 
Bedeutung geworden ist. Um diesen Auseinandersetzungen folgen zu können,
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====2.1.2.3.1 Produktivkräfte====
 
====2.1.2.3.1 Produktivkräfte====
 
+
----
''Unter Produktivkräften versteht Marx die Gesamtheit der menschlichen
+
[[File:theogrundlagen-49_1.gif|frame|right]]
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'''Unter Produktivkräften versteht Marx die Gesamtheit der menschlichen
 
und gegenständlichen Faktoren des Produktionsprozesses und die
 
und gegenständlichen Faktoren des Produktionsprozesses und die
Wechselwirkung der Faktoren.'' Die Produktivkräfte beziehen sich auf den
+
Wechselwirkung der Faktoren.''' Die Produktivkräfte beziehen sich auf den
 
Arbeitsprozess und die Form der Aneignung (Bearbeitung) der Natur.
 
Arbeitsprozess und die Form der Aneignung (Bearbeitung) der Natur.
 
[[File:theogrundlagen-49_1.gif|frame|right]]
 
  
 
Der Entwicklungsstand der Produktivkräfte ist bei Marx von
 
Der Entwicklungsstand der Produktivkräfte ist bei Marx von
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Elemente des Systems der Produktivkräfte:
 
Elemente des Systems der Produktivkräfte:
  
''1. Arbeitskraft:''
+
'''1. Arbeitskraft:'''
  
Die ''wichtigste Produktivkraft ist die menschliche Arbeitskraft'', d.
+
Die '''wichtigste Produktivkraft ist die menschliche Arbeitskraft''', d.
 
h. die Gesamtheit der körperlichen und geistigen Kräfte des Menschen,
 
h. die Gesamtheit der körperlichen und geistigen Kräfte des Menschen,
 
bestimmt durch seine Gesundheit und Körperkraft, seine Ausbildung und
 
bestimmt durch seine Gesundheit und Körperkraft, seine Ausbildung und
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Organisation, Leitung).
 
Organisation, Leitung).
  
''2. Arbeitsmittel:''
+
'''2. Arbeitsmittel:'''
  
 
(Womit wird gearbeitet) Ein Ding oder ein Komplex von Dingen, die der
 
(Womit wird gearbeitet) Ein Ding oder ein Komplex von Dingen, die der
 
Arbeiter zwischen sich und den Arbeitsgegenstand schiebt:
 
Arbeiter zwischen sich und den Arbeitsgegenstand schiebt:
''Arbeitsinstrumente'' (Werkzeuge, Maschinen, usw.), ''Transportmittel''
+
'''Arbeitsinstrumente''' (Werkzeuge, Maschinen, usw.), '''Transportmittel'''
 
(LKW, Straßen; Bahn, Schienen; Schiffe, Schifffahrtskanäle; usw.),
 
(LKW, Straßen; Bahn, Schienen; Schiffe, Schifffahrtskanäle; usw.),
''Lagermittel'' (Lager, Silos, Tanks usw.), ''Gebäude'' (Fabriken usw.),
+
'''Lagermittel''' (Lager, Silos, Tanks usw.), '''Gebäude''' (Fabriken usw.),
''Energie'' (Strom, Diesel, usw.).
+
'''Energie''' (Strom, Diesel, usw.).
  
''3. Arbeitsgegenstände:''
+
'''3. Arbeitsgegenstände:'''
  
(Was wird bearbeitet) Die ''Objekte auf die der Mensch einwirkt'', um
+
(Was wird bearbeitet) Die '''Objekte auf die der Mensch einwirkt''', um
 
die Natur seinen Bedürfnissen gemäß umzuformen: Erde und Wasser, Grund
 
die Natur seinen Bedürfnissen gemäß umzuformen: Erde und Wasser, Grund
 
und Boden, Naturrohstoffe (Kohle, Erdöl, Uran, usw.), Rohmaterialien
 
und Boden, Naturrohstoffe (Kohle, Erdöl, Uran, usw.), Rohmaterialien
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zusammengefasst.
 
zusammengefasst.
  
Der Begriff ''Produktivkräfte'' erschöpft sich nicht in der
+
Der Begriff '''Produktivkräfte''' erschöpft sich nicht in der
 
Aufsummierung seiner Elemente in der Form: PK = AK + AG + AM, sondern er
 
Aufsummierung seiner Elemente in der Form: PK = AK + AG + AM, sondern er
bezeichnet *"die besondere Form ihrer Zusammensetzung zu einem
+
bezeichnet "die besondere Form ihrer Zusammensetzung zu einem
konkreten Arbeitsprozeß"* (Hindess/Hirst 1981: 29).
+
konkreten Arbeitsprozeß" (Hindess/Hirst 1981: 29).
 
 
*"Im Arbeitsprozeß bewirkt also die Tätigkeit des Menschen durch das
 
Arbeitsmittel eine von vornherein bezweckte Veränderung des
 
Arbeitsgegenstandes. Der Prozeß erlischt im Produkt. Sein Produkt ist
 
ein Gebrauchswert, ein durch Formveränderung menschlichen Bedürfnissen
 
angeeigneter Naturstoff."* (Marx 1977: 195)
 
 
 
  
 +
<blockquote>"Im Arbeitsprozeß bewirkt also die Tätigkeit des Menschen durch das Arbeitsmittel eine von vornherein bezweckte Veränderung des Arbeitsgegenstandes. Der Prozeß erlischt im Produkt. Sein Produkt ist ein Gebrauchswert, ein durch Formveränderung menschlichen Bedürfnissen angeeigneter Naturstoff." (Marx 1977: 195)</blockquote>
  
 
====2.1.2.3.2 Produktionsverhältnisse====
 
====2.1.2.3.2 Produktionsverhältnisse====
 +
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Die ''Gesamtheit der konkret-historischen gesellschaftlichen
+
Die '''Gesamtheit der konkret-historischen gesellschaftlichen
Verhältnisse'', die die Menschen in der Produktion objektiv miteinander
+
Verhältnisse''', die die Menschen in der Produktion objektiv miteinander
eingehen, nennt Marx ''Produktionsverhältnisse''. Die soziale und
+
eingehen, nennt Marx '''Produktionsverhältnisse'''. Die soziale und
 
politische Dimension der Produktion kommt hier zur Geltung:
 
politische Dimension der Produktion kommt hier zur Geltung:
 
Produktionsverhältnisse sind eine außerökonomische Kategorie.
 
Produktionsverhältnisse sind eine außerökonomische Kategorie.
  
Marx bezieht sich dabei konkret auf die ''verschiedenen Formen der
+
Marx bezieht sich dabei konkret auf die '''verschiedenen Formen der
Aneignung von Mehrarbeit''. Im Kapitalismus erfolgt dies durch das
+
Aneignung von Mehrarbeit'''. Im Kapitalismus erfolgt dies durch das
''Verhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx|[1]]]'', im Feudalismus
+
'''Verhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx|[1]]]''', im Feudalismus
 
zwischen Lehnsherrn und Hintersassen und damit in Verbindung auf die
 
zwischen Lehnsherrn und Hintersassen und damit in Verbindung auf die
''Formen der gesellschaftlichen Verteilung der Produktionsmittel''. Im
+
'''Formen der gesellschaftlichen Verteilung der Produktionsmittel'''. Im
 
Kapitalismus verfügen z.B. nur die Kapitalisten über die
 
Kapitalismus verfügen z.B. nur die Kapitalisten über die
 
Produktionsmittel, während die Arbeiter auf den Verkauf ihrer
 
Produktionsmittel, während die Arbeiter auf den Verkauf ihrer
 
Arbeitskraft beschränkt sind.
 
Arbeitskraft beschränkt sind.
  
*"Das Kapital produziert als soziales Verhältnis eine Gesellschaft,
+
<blockquote>"Das Kapital produziert als soziales Verhältnis eine Gesellschaft, dessen Strukturen auf die Menschen zurückwirken, indem sie diese erziehen, unternehmerisch zu handeln, ständig zu kaufen und zu verkaufen -- und sei es nur die eignen Arbeitskraft. Diese produzierten Strukturen treten den Menschen somit als verdinglicht und unabänderlich gegenüber. Die Welt erscheint als mächtige Objektivität, der sich die Einzelnen zu beugen haben. Sie erschient als Ansammlung optimierender Individuen, für die die Anderen jeweils bloße Objekte von Austausch und Begierde sind." (Novy 2003: 2.4.2.1)</blockquote> 
dessen Strukturen auf die Menschen zurückwirken, indem sie diese
 
erziehen, unternehmerisch zu handeln, ständig zu kaufen und zu verkaufen
 
-- und sei es nur die eignen Arbeitskraft. Diese produzierten Strukturen
 
treten den Menschen somit als verdinglicht und unabänderlich gegenüber.
 
Die Welt erscheint als mächtige Objektivität, der sich die Einzelnen zu
 
beugen haben. Sie erschient als Ansammlung optimierender Individuen, für
 
die die Anderen jeweils bloße Objekte von Austausch und Begierde
 
sind."* (Novy 2003: 2.4.2.1)
 
  
''Verweise:''
+
'''Verweise:'''
 +
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx|[1] Siehe Kapitel 2.1.2.1]]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx|[1] Siehe Kapitel 2.1.2.1]]<br/>
  
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====2.1.2.3.3 Produktionsweisen====
 
====2.1.2.3.3 Produktionsweisen====
 
+
----
''Produktionsverhältnisse und Produktivkräfte'' ergeben zusammen eine
+
[[File:theogrundlagen-51_1.gif|frame|right]]
 +
'''Produktionsverhältnisse und Produktivkräfte''' ergeben zusammen eine
 
konkrete Produktionsweise. Damit ist ein spezifisches, historisch
 
konkrete Produktionsweise. Damit ist ein spezifisches, historisch
 
vorfindbares System gesellschaftlicher Beziehungen, "das die
 
vorfindbares System gesellschaftlicher Beziehungen, "das die
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ein Quantum Energie abzuringen" (Wolf 1991: 114) gemeint.
 
ein Quantum Energie abzuringen" (Wolf 1991: 114) gemeint.
  
Dies führt zu einem der ''Grundgedanken des historischen
+
Dies führt zu einem der '''Grundgedanken des historischen
Materialismus'':
+
Materialismus''':
  
*"In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen
+
<blockquote>"In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt." (Marx 1974(1859): 15)</blockquote>  '''Die Produktionsweise ist die wirtschaftliche Basis, auf der sich ein sozialer, politischer und religiöser Überbau erhebt.'''
bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein,
+
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Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer
+
<br/>
materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser
 
Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der
 
Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und
 
politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche
 
Bewußseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen
 
Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß
 
überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein,
 
sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein
 
bestimmt."* (Marx 1974(1859): 15)
 
 
 
''Die Produktionsweise ist die wirtschaftliche Basis, auf der sich ein
 
sozialer, politischer und religiöser Überbau erhebt.''
 
 
 
[[File:theogrundlagen-51_1.gif|frame|right]]
 
 
 
 
 
 
 
====2.1.2.3.4 Sozioökonomische Formationen als historische Abfolge von Produktionsweisen====
 
  
 +
====2.1.2.3.4 Sozioökonomische Formationen als historische Abfolge von Produktionsweisen====
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[[File:theogrundlagen-52_1.gif|frame|right]]
 
Basis und Überbau zusammen ergeben auf einer abstrakten Ebene
 
Basis und Überbau zusammen ergeben auf einer abstrakten Ebene
''sozioökonomische Formationen'', die Marx in eine ''evolutionistische
+
'''sozioökonomische Formationen''', die Marx in eine '''evolutionistische
Abfolge'' bringt. Er beschäftigt sich primär mit dem Kapitalismus, sucht
+
Abfolge''' bringt. Er beschäftigt sich primär mit dem Kapitalismus, sucht
 
aber dann nach jenen Gesellschaftsformationen, die dem Kapitalismus
 
aber dann nach jenen Gesellschaftsformationen, die dem Kapitalismus
 
vorangehen (Wicker o.J.: 29):
 
vorangehen (Wicker o.J.: 29):
  
[[File:theogrundlagen-52_1.gif|frame|right]]
+
'''Urgemeinschaftliche GF:''' "Natürliches" Gemeinwesen, die Menschen verfügen über ihre Produktionsmittel, niemand schöpft eine Mehrarbeit oder ein Mehrprodukt ab. Die Auflösung dieser Gesellschaftsformation hat zu zwei verschiedenen Formen von Klassengesellschaften geführt, die asiatische und die antike GF.
 
+
'''Asiatische GF:''' Das Gemeinwesen selbst bleibt intakt, aber darüber formiert sich ein archaischer Staat. Die Herrscher schöpfen ein Mehrprodukt ab, es wird allerdings das Gemeinwesen besteuert und nicht das Individuum. Da das Gemeinwesen und das Gemeineigentum nicht aufgelöst wurden, "stagniert" diese Gesellschaftsformation auf hohem Niveau. Die asiatische Produktionsweise hat v.a. in der Diskussion der bäuerlichen Gesellschaften (LinkPeasant Societies) zu zahlreichen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen geführt, insbesondere die Frage der Stagnation wurde und wird heftig diskutiert (vgl.: Kearney 1996).
*  ''Urgemeinschaftliche GF:'' "Natürliches" Gemeinwesen, die
+
'''Antike GF:''' In der griechischen und römischen Antike wurde die urgemeinschaftliche Ordnung aufgelöst. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung nimmt stark zu, Handwerk und Manufaktur entwickeln sich, und der Handel erlangt eine neue Bedeutung, die auch zur Anhäufung von "Wucherkapital" führt. Der Boden wird privatisiert, Teile der Bevölkerung verschulden sich oder werden über Eroberung versklavt. Die Bevölkerung wird in Freie und Unfreie eingeteilt, Sklavenhaltergesellschaften entstehen.
    Menschen verfügen über ihre Produktionsmittel, niemand schöpft eine
+
'''Feudale GF:''' Ein ländlicher Feudaladel schöpft das Mehrprodukt über Naturalabgaben und Fronarbeit ab, während sich in den Städten eine urbane Schicht aus Handwerkern, Händlern und anderen Dienstleistern zu einem Städtebürgertum mit immer stärkeren Emanzipationsbestrebungen entwickelt. Dieses Städtebürgertum schafft die Voraussetzungen für die Entstehung des Kapitalismus.
    Mehrarbeit oder ein Mehrprodukt ab. Die Auflösung dieser
+
'''Kapitalistische GF:''' Mit Mehrwertabschöpfung über die Lohnarbeit und der Entwicklung der Arbeitskraft zur Ware.
    Gesellschaftsformation hat zu zwei verschiedenen Formen von
 
    Klassengesellschaften geführt, die asiatische und die antike GF.
 
*  ''Asiatische GF:'' Das Gemeinwesen selbst bleibt intakt, aber
 
    darüber formiert sich ein archaischer Staat. Die Herrscher schöpfen
 
    ein Mehrprodukt ab, es wird allerdings das Gemeinwesen besteuert und
 
    nicht das Individuum. Da das Gemeinwesen und das Gemeineigentum
 
    nicht aufgelöst wurden, "stagniert" diese Gesellschaftsformation
 
    auf hohem Niveau. Die asiatische Produktionsweise hat v.a. in der
 
    Diskussion der bäuerlichen Gesellschaften (LinkPeasant Societies) zu
 
    zahlreichen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen geführt,
 
    insbesondere die Frage der Stagnation wurde und wird heftig
 
    diskutiert (vgl.: Kearney 1996).
 
*  ''Antike GF:'' In der griechischen und römischen Antike wurde die
 
    urgemeinschaftliche Ordnung aufgelöst. Die gesellschaftliche
 
    Arbeitsteilung nimmt stark zu, Handwerk und Manufaktur entwickeln
 
    sich, und der Handel erlangt eine neue Bedeutung, die auch zur
 
    Anhäufung von "Wucherkapital" führt. Der Boden wird privatisiert,
 
    Teile der Bevölkerung verschulden sich oder werden über Eroberung
 
    versklavt. Die Bevölkerung wird in Freie und Unfreie eingeteilt,
 
    Sklavenhaltergesellschaften entstehen.
 
*  ''Feudale GF:'' Ein ländlicher Feudaladel schöpft das Mehrprodukt
 
    über Naturalabgaben und Fronarbeit ab, während sich in den Städten
 
    eine urbane Schicht aus Handwerkern, Händlern und anderen
 
    Dienstleistern zu einem Städtebürgertum mit immer stärkeren
 
    Emanzipationsbestrebungen entwickelt. Dieses Städtebürgertum schafft
 
    die Voraussetzungen für die Entstehung des Kapitalismus.
 
*  ''Kapitalistische GF:'' Mit Mehrwertabschöpfung über die Lohnarbeit
 
    und der Entwicklung der Arbeitskraft zur Ware.
 
 
 
 
 
  
 
====2.1.2.3.4.1 Kritik, Weiterentwicklung====
 
====2.1.2.3.4.1 Kritik, Weiterentwicklung====
 +
----
  
 
Marx wird häufig unterstellt, dass er die einzelnen sozioökonomischen
 
Marx wird häufig unterstellt, dass er die einzelnen sozioökonomischen
Line 1,465: Line 1,269:
 
gesehen hat, die historisch nicht haltbar ist. Marx selbst ist sehr wohl
 
gesehen hat, die historisch nicht haltbar ist. Marx selbst ist sehr wohl
 
von multilinearen Entwicklungssträngen aus gegangen. So schreibt er
 
von multilinearen Entwicklungssträngen aus gegangen. So schreibt er
unter anderem im Kapital: *"Ein genaueres Studium der asiatischen,
+
unter anderem im Kapital: "Ein genaueres Studium der asiatischen,
 
speziell der indischen Gemeineigentumsformen würde nachweisen, wie aus
 
speziell der indischen Gemeineigentumsformen würde nachweisen, wie aus
 
den verschiednen Formen des naturwüchsigen Gemeineigentums sich
 
den verschiednen Formen des naturwüchsigen Gemeineigentums sich
verschiedne Formen seiner Auflösung ergeben"* (Marx 1977: 92).
+
verschiedne Formen seiner Auflösung ergeben" (Marx 1977: 92).
  
 
Wicker weist darauf hin, dass erst die Dogmatisierung der Schriften von
 
Wicker weist darauf hin, dass erst die Dogmatisierung der Schriften von
 
Marx aus ihm einen unilinearen Evolutionisten gemacht hatte:
 
Marx aus ihm einen unilinearen Evolutionisten gemacht hatte:
  
*"In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden die
+
<blockquote>"In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden die Periodisierungsversuche von Marx in der Sowjetunion stalinisiert, d.h. in ein dogmatisches Schema gegossen und damit der wissenschaftlichen Diskussion entzogen" (Wicker o.J: 29).</blockquote> 
Periodisierungsversuche von Marx in der Sowjetunion stalinisiert, d.h.
 
in ein dogmatisches Schema gegossen und damit der wissenschaftlichen
 
Diskussion entzogen"* (Wicker o.J: 29).
 
  
Im ''Neomarxismus'' hat man sich von diesen schematischen
+
Im '''Neomarxismus''' hat man sich von diesen schematischen evolutionistischen Darstellungen emanzipiert und die Gesellschaftsformationen und Produktionsweisen zu '''fruchtbaren Analysewerkzeugen für gesellschaftliche Wandlungsprozesse'''
evolutionistischen Darstellungen emanzipiert und die
+
uminterpretiert (vgl.: '''Eric Wolf[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[1]]]''''', '''Sidney Mintz''[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[2]]]''',
Gesellschaftsformationen und Produktionsweisen zu ''fruchtbaren
+
'''Maurice Godelier[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.2 Maurice Godelier|[3]]]''').
Analysewerkzeugen für gesellschaftliche Wandlungsprozesse''
+
 
uminterpretiert (vgl.: ''Eric Wolf[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[1]]]&&'', ''Sidney Mintz&&[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[2]]]'',
+
'''Verweise:'''
''Maurice Godelier[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.2 Maurice Godelier|[3]]]'').
 
  
''Verweise:''
 
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[1] Siehe Kapitel 5.3.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[1] Siehe Kapitel 5.3.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[2] Siehe Kapitel 5.3.2]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[2] Siehe Kapitel 5.3.2]]<br/>
Line 1,497: Line 1,296:
  
  
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1 Karl Marx| Vorheriges Kapitel: 2.1 Karl Marx]]<br/>
+
'''[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1 Karl Marx| Vorheriges Kapitel: 2.1 Karl Marx]]'''<br/>
 
=2.2 Evolutionismus=
 
=2.2 Evolutionismus=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
 
[[File:theogrundlagen-54_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-54_1.gif|frame|right]]
  
Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war stark vom ''Evolutionismus''
+
Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war stark vom '''Evolutionismus'''
 
geprägt. Sehr unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen waren davon
 
geprägt. Sehr unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen waren davon
 
betroffen. Ein mächtiger Anstoß kam ab den 1840er Jahren aus der
 
betroffen. Ein mächtiger Anstoß kam ab den 1840er Jahren aus der
''Archäologie mit der Einteilung in Steinzeit, Bronzezeit und
+
'''Archäologie mit der Einteilung in Steinzeit, Bronzezeit und
Eisenzeit''. Biologie (Charles Darwin) und Anthropologie (Lewis Henry
+
Eisenzeit'''. Biologie (Charles Darwin) und Anthropologie (Lewis Henry
 
Morgan, Edward B. Tylor etc.) folgten in den 1870er Jahren (Barnard
 
Morgan, Edward B. Tylor etc.) folgten in den 1870er Jahren (Barnard
 
2000: 27ff).
 
2000: 27ff).
  
 
Der Evolutionismus der damaligen Zeit stand im Brennpunkt heftiger
 
Der Evolutionismus der damaligen Zeit stand im Brennpunkt heftiger
Debatten und leidenschaftlicher Kritik. Er wurde als ''Gegensatz zum
+
Debatten und leidenschaftlicher Kritik. Er wurde als '''Gegensatz zum
Kreationismus'' -- der Schöpfung aller Lebewesen durch Gott in ihrer
+
Kreationismus''' -- der Schöpfung aller Lebewesen durch Gott in ihrer
 
gegenwärtigen Vielfalt und heutigen Form -- gesehen.
 
gegenwärtigen Vielfalt und heutigen Form -- gesehen.
  
Line 1,527: Line 1,325:
 
==2.2.1 Grundgedanken des unilinearen Evolutionismus==
 
==2.2.1 Grundgedanken des unilinearen Evolutionismus==
  
Der ''Grundgedanke des unilinearen Evolutionismus'' besteht darin, dass
+
Der '''Grundgedanke des unilinearen Evolutionismus''' besteht darin, dass
sich das Leben auf der Erde in einer ''konkreten Linie vom Niederen zum
+
sich das Leben auf der Erde in einer '''konkreten Linie vom Niederen zum
Höheren'' entwickelt hat. Die höchste Form ist der zivilisierte Mensch,
+
Höheren''' entwickelt hat. Die höchste Form ist der zivilisierte Mensch,
 
alle anderen und alles andere sind stecken gebliebene Entwicklungsstufen
 
alle anderen und alles andere sind stecken gebliebene Entwicklungsstufen
vergangener Zeiten. ''Im Bereich der Anthropologie repräsentieren daher
+
vergangener Zeiten. '''Im Bereich der Anthropologie repräsentieren daher
 
die synchron sichtbaren Gesellschaften der Welt eine diachrone
 
die synchron sichtbaren Gesellschaften der Welt eine diachrone
Abfolge''. Jäger- und Sammlergesellschaften, die keine Metallwerkzeuge
+
Abfolge'''. Jäger- und Sammlergesellschaften, die keine Metallwerkzeuge
 
verwenden, sind demnach Überbleibsel der Steinzeit, und aus ihrem
 
verwenden, sind demnach Überbleibsel der Steinzeit, und aus ihrem
 
Studium kann abgeleitet werden, wie unsere Vorfahren vor vielen
 
Studium kann abgeleitet werden, wie unsere Vorfahren vor vielen
 
tausenden Jahren gelebt und gedacht haben.
 
tausenden Jahren gelebt und gedacht haben.
  
Für die ''Wirtschaftsanthropologie'' wurde der Evolutionismus deswegen
+
Für die '''Wirtschaftsanthropologie''' wurde der Evolutionismus deswegen
so bedeutsam, weil die ''Technologie'' (v.a. Werkzeuge und Techniken)
+
so bedeutsam, weil die '''Technologie''' (v.a. Werkzeuge und Techniken)
und die ''Subsistenzweise'' (Jagd, Sammeln, Viehzucht, Ackerbau, etc.)
+
und die '''Subsistenzweise''' (Jagd, Sammeln, Viehzucht, Ackerbau, etc.)
sich durch ihre Sichtbarkeit und einfache Beobachtbarkeit ''besonders
+
sich durch ihre Sichtbarkeit und einfache Beobachtbarkeit '''besonders
gut zur Einteilung von Gesellschaften in evolutionäre Stufen eigneten''.
+
gut zur Einteilung von Gesellschaften in evolutionäre Stufen eigneten'''.
  
 
Der unilineare Evolutionismus geht davon aus, dass alle Gesellschaften
 
Der unilineare Evolutionismus geht davon aus, dass alle Gesellschaften
Line 1,550: Line 1,348:
 
Subsistenzweise, Familienorganisation oder religiöse Vorstellungen.
 
Subsistenzweise, Familienorganisation oder religiöse Vorstellungen.
  
*"But unilinear evolutionists, in general, believed that these
+
<blockquote>"But unilinear evolutionists, in general, believed that these phenomena are interrelated, and that therefore changes, say in means of subsistence, create evolutionary changes in kinship organization, religious belief and practice, and so on." (Barnard 2000: 29f)</blockquote> 
phenomena are interrelated, and that therefore changes, say in means of
 
subsistence, create evolutionary changes in kinship organization,
 
religious belief and practice, and so on."* (Barnard 2000: 29f)
 
 
 
''Gemeinsamkeiten der Evolutionisten:''
 
  
''1.'' Vergleichende Methode, mit der bestimmte Kultur- und
+
'''Gemeinsamkeiten der Evolutionisten:'''
 +
'''1.''' Vergleichende Methode, mit der bestimmte Kultur- und
 
Sozialphänomene isoliert und klassifiziert werden;
 
Sozialphänomene isoliert und klassifiziert werden;
  
''2.'' die Auffassung, dass das Klassifizierte in ''Entwicklungsreihen''
+
'''2.''' die Auffassung, dass das Klassifizierte in '''Entwicklungsreihen'''
gegossen werden kann und eine ''historische Abfolge'' repräsentiert;
+
gegossen werden kann und eine '''historische Abfolge''' repräsentiert;
  
''3.'' der Angriff ''gegen den "Kreationismus"'' (Schöpfung durch
+
'''3.''' der Angriff '''gegen den "Kreationismus"''' (Schöpfung durch
 
Gott).
 
Gott).
  
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Stufenreihe auf:
 
Stufenreihe auf:
  
''1. Wildheit''
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'''1. Wildheit'''
  
 
1a) Unterstufe der Wildheit: Frühzustand der Menschheit, "kein einziges
 
1a) Unterstufe der Wildheit: Frühzustand der Menschheit, "kein einziges
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Küstenstämme von Nord- und Südamerika.
 
Küstenstämme von Nord- und Südamerika.
  
''2. Barbarei''
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'''2. Barbarei'''
  
 
2a) Unterstufe der Barbarei: Erfindung der Töpferkunst, keine Haustiere,
 
2a) Unterstufe der Barbarei: Erfindung der Töpferkunst, keine Haustiere,
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Griechische Stämme des homerischen Zeitalters.
 
Griechische Stämme des homerischen Zeitalters.
  
''3. Zivilisation''
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'''3. Zivilisation'''
  
 
Ab dem Gebrauch des phonetischen Alphabets und der Schrift beginnt für
 
Ab dem Gebrauch des phonetischen Alphabets und der Schrift beginnt für
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==2.2.3 Kritik am Evolutionismus==
 
==2.2.3 Kritik am Evolutionismus==
 
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[[File:theogrundlagen-57_2.gif|frame|left]]
 
[[File:theogrundlagen-57_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-57_1.gif|frame|right]]
 
''''
 
  
 
"Die ökonomische Sicht auf außereuropäische Gesellschaften ist
 
"Die ökonomische Sicht auf außereuropäische Gesellschaften ist
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belegen die Ergebnisse der Archäologie und der Ur- und Frühgeschichte.
 
belegen die Ergebnisse der Archäologie und der Ur- und Frühgeschichte.
  
Aber ''alle menschlichen Gesellschaften'' dieser Welt haben sich
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Aber '''alle menschlichen Gesellschaften''' dieser Welt haben sich
''gleich lange entwickelt'' und aus den heutigen Formen lassen sich
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'''gleich lange entwickelt''' und aus den heutigen Formen lassen sich
''keinerlei Rückschlüsse auf prähistorische Zustände'' ziehen. Die
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'''keinerlei Rückschlüsse auf prähistorische Zustände''' ziehen. Die
 
derzeit vorfindbaren Gesellschaften sind nachvollziehbar auf vielen
 
derzeit vorfindbaren Gesellschaften sind nachvollziehbar auf vielen
 
verschiedenen konkret historischen Wegen zu dem geworden, was sie jetzt
 
verschiedenen konkret historischen Wegen zu dem geworden, was sie jetzt
sind. Das heißt, die Entwicklung verlief ''jedenfalls multilinear'' und
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sind. Das heißt, die Entwicklung verlief '''jedenfalls multilinear''' und
 
es ist keineswegs gesichert, dass die Industriegesellschaft, die in
 
es ist keineswegs gesichert, dass die Industriegesellschaft, die in
 
Bezug auf die technologische Naturbeherrschung vorher nie da gewesene
 
Bezug auf die technologische Naturbeherrschung vorher nie da gewesene
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Weltbilds oder einer Ideologie.
 
Weltbilds oder einer Ideologie.
  
Demgegenüber handelt es sich beim ''Evolutionismus'' um eine
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Demgegenüber handelt es sich beim '''Evolutionismus''' um eine
''spekulative Geschichtsschreibung''. Heutige Gesellschaften werden als
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'''spekulative Geschichtsschreibung'''. Heutige Gesellschaften werden als
 
"Überbleibsel" oder survivals von gesellschaftlichen Frühformen
 
"Überbleibsel" oder survivals von gesellschaftlichen Frühformen
 
gesehen. Daher erscheint für Evolutionisten legitim, von Artefakten wie
 
gesehen. Daher erscheint für Evolutionisten legitim, von Artefakten wie
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Entwicklung wird immer bewertet, im Sinne von einer Entwicklung vom
 
Entwicklung wird immer bewertet, im Sinne von einer Entwicklung vom
 
"primitiven" zum "höchststehenden".
 
"primitiven" zum "höchststehenden".
 
[[File:theogrundlagen-57_2.gif|frame|right]]
 
 
  
  
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Evolutionismus#2.2 Evolutionismus| Vorheriges Kapitel: 2.2 Evolutionismus]]<br/>
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'''[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Evolutionismus#2.2 Evolutionismus| Vorheriges Kapitel: 2.2 Evolutionismus]]'''<br/>
 
=2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen=
 
=2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
  
''1. Phase (ca. 1848-1890):'' Evolutionistische Ethnologie beeinflusst
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'''1. Phase (ca. 1848-1890):''' Evolutionistische Ethnologie beeinflusst
 
Marxismus
 
Marxismus
  
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Familie, des Privateigentums und des Staats" (1884) verwendet.
 
Familie, des Privateigentums und des Staats" (1884) verwendet.
  
''2. Phase (ca. 1890-1945):'' Außerhalb der Sowjetunion: getrennte Wege
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'''2. Phase (ca. 1890-1945):''' Außerhalb der Sowjetunion: getrennte Wege
  
 
Der Westen wandte sich vom Evolutionismus ab, der Sowjetmarxismus blieb
 
Der Westen wandte sich vom Evolutionismus ab, der Sowjetmarxismus blieb
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Doktrin erhoben.
 
Doktrin erhoben.
  
''3. Phase (ca. 1945-1980):'' Marxismus beeinflusst Sozialanthropologie
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'''3. Phase (ca. 1945-1980):''' Marxismus beeinflusst Sozialanthropologie
  
 
Fragen nach der Kontrolle über Menschen und Ressourcen bei den
 
Fragen nach der Kontrolle über Menschen und Ressourcen bei den
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untersucht.
 
untersucht.
  
''4. Phase (seit etwa 1980):'' "Post-marxistische" Phase mit
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'''4. Phase (seit etwa 1980):''' "Post-marxistische" Phase mit
 
Weiterentwicklung einzelner Fragestellungen
 
Weiterentwicklung einzelner Fragestellungen
  
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marxismus#2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen| Vorheriges Kapitel: 2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen]]<br/>
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'''[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marxismus#2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen| Vorheriges Kapitel: 2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen]]'''<br/>
 
=2.4 Bibliographie und weiterführende Literatur=
 
=2.4 Bibliographie und weiterführende Literatur=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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Novy, Andreas 2003: "Internationale Politische Ökonomie. Mit Beispielen
 
Novy, Andreas 2003: "Internationale Politische Ökonomie. Mit Beispielen
aus Lateinamerika." [[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.2.1 Kapital|[1]]]''
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aus Lateinamerika." [[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.2.1 Kapital|[1]]]'''
 
(15.11.2004)
 
(15.11.2004)
  
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Wicker, Hans-Rudolf 2003: "Leitfaden für die Einführungsvorlesung in
 
Wicker, Hans-Rudolf 2003: "Leitfaden für die Einführungsvorlesung in
 
Wirtschaftsethnologie." Online:
 
Wirtschaftsethnologie." Online:
''https://boris.unibe.ch/101498/1/Leitfaden%20Wirtschaftsanthropologie.pdf [https://boris.unibe.ch/101498/1/Leitfaden%20Wirtschaftsanthropologie.pdf  &#91;2&#93;]''
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'''https://boris.unibe.ch/101498/1/Leitfaden%20Wirtschaftsanthropologie.pdf [https://boris.unibe.ch/101498/1/Leitfaden%20Wirtschaftsanthropologie.pdf  &#91;2&#93;]'''
 
(09.08.2020).
 
(09.08.2020).
  
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Welt seit 1400*. Frankfurt/New York: Campus Verlag.
 
Welt seit 1400*. Frankfurt/New York: Campus Verlag.
  
''Verweise:''
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'''Verweise:'''
[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.2.1 Kapital|[1] Siehe Kapitel 2.4.2.1 der Lernunterlage ''Internationale Politische Ökonomie'']]<br/>
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[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.2.1 Kapital|[1] Siehe Kapitel 2.4.2.1 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 
[https://boris.unibe.ch/101498/1/Leitfaden%20Wirtschaftsanthropologie.pdf  &#91;2&#93; https://boris.unibe.ch/101498/1/Leitfaden%20Wirtschaftsanthropologie.pdf]<br/>
 
[https://boris.unibe.ch/101498/1/Leitfaden%20Wirtschaftsanthropologie.pdf  &#91;2&#93; https://boris.unibe.ch/101498/1/Leitfaden%20Wirtschaftsanthropologie.pdf]<br/>
  
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[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>  
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'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>  
 
=3 Neoklassik oder Rational Choice=
 
=3 Neoklassik oder Rational Choice=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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<div><ul>
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-61_1.jpg|thumb|none|Geschäft in Nepal. Foto: Elke Mader]] </li>
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-61_2.jpg|thumb|none|Bauernhof in Nepal. Foto: Elke Mader]] </li>
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-61_3.jpg|thumb|none|"Art Service" in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]] </li>
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</ul></div>
  
[[File:theogrundlagen-61_1.jpg|frame|left|Geschäft in Nepal. Foto: Elke Mader]]
+
Die '''neoklassische Wirtschaftstheorie''' geht davon aus, dass es nur
[[File:theogrundlagen-61_2.jpg|frame|center|Bauernhof in Nepal. Foto: Elke Mader]]
+
'''eine einzige universelle ökonomische Logik''' gibt. Diese Logik kommt
[[File:theogrundlagen-61_3.jpg|frame|right|"Art Service" in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
+
auf der Ebene des Entscheidungsverhaltens der '''Individuen zum
 
+
Tragen [[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.1 Methodologischer Individualismus|[1]]]'''.
Die ''neoklassische Wirtschaftstheorie'' geht davon aus, dass es nur
 
''eine einzige universelle ökonomische Logik'' gibt. Diese Logik kommt
 
auf der Ebene des Entscheidungsverhaltens der ''Individuen zum
 
Tragen [[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.1 Methodologischer Individualismus|[1]]]''.
 
  
 
Hat ein Individuum die Auswahl zwischen zwei oder mehreren Gütern,
 
Hat ein Individuum die Auswahl zwischen zwei oder mehreren Gütern,
 
entscheidet es rational, d.h. es wählt jenes Gut, das mit geringstem
 
entscheidet es rational, d.h. es wählt jenes Gut, das mit geringstem
 
Aufwand den größten Nutzen oder die größte
 
Aufwand den größten Nutzen oder die größte
''Bedürfnisbefriedigung [[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.4 Grenzdenken|[2]]]'' verspricht.
+
'''Bedürfnisbefriedigung [[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.4 Grenzdenken|[2]]]''' verspricht.
  
 
Einen ausgezeichneten Überblick über die wesentliche Begrifflichkeit der
 
Einen ausgezeichneten Überblick über die wesentliche Begrifflichkeit der
''Neoklassik'' oder '''rational choice theory''' stellt ''Andreas
+
'''Neoklassik''' oder ''rational choice theory'' stellt '''Andreas
Novy [[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2 Neoklassik|[1]]]'' zur Verfügung. Insbesondere die Punkte 2.2.1 und 2.2.5
+
Novy [[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2 Neoklassik|[1]]]''' zur Verfügung. Insbesondere die Punkte 2.2.1 und 2.2.5
 
inklusive aller Unterpunkte sind in gleicher Weise für die ökonomische
 
inklusive aller Unterpunkte sind in gleicher Weise für die ökonomische
 
Anthropologie von Relevanz.
 
Anthropologie von Relevanz.
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kann auf die Theorieentwicklung in den einzelnen ideologischen Feldern
 
kann auf die Theorieentwicklung in den einzelnen ideologischen Feldern
 
nur sehr kursorisch anhand der Hauptvertreter eingegangen werden. Wer
 
nur sehr kursorisch anhand der Hauptvertreter eingegangen werden. Wer
sich für die ''Geschichte der ökonomischen Anthropologie aus einer
+
sich für die '''Geschichte der ökonomischen Anthropologie aus einer
neoklassischen Perspektive'' interessiert, sei insbesondere auf Plattner
+
neoklassischen Perspektive''' interessiert, sei insbesondere auf Plattner
 
(1989), Rössler (1999) und Ensminger (2002) verwiesen. Kritische
 
(1989), Rössler (1999) und Ensminger (2002) verwiesen. Kritische
 
Positionen dazu bieten Halperin (1994) und Wilk (1996).
 
Positionen dazu bieten Halperin (1994) und Wilk (1996).
  
''Verweise:''
+
'''Verweise:'''
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.1 Methodologischer Individualismus|[1] Siehe Kapitel 2.2.5.1 der Lernunterlage ''Internationale Politische Ökonomie'']]<br/>
+
 
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.4 Grenzdenken|[2] Siehe Kapitel 2.2.5.4 der Lernunterlage ''Internationale Politische Ökonomie'']]<br/>
+
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.1 Methodologischer Individualismus|[1] Siehe Kapitel 2.2.5.1 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2 Neoklassik|[3] Siehe Kapitel 2.2 der Lernunterlage ''Internationale Politische Ökonomie'']]<br/>
+
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.4 Grenzdenken|[2] Siehe Kapitel 2.2.5.4 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 +
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2 Neoklassik|[3] Siehe Kapitel 2.2 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
  
 
==Inhaltsverzeichnis==
 
==Inhaltsverzeichnis==
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus|4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus|4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
 
[[Neomarxismus#5 Neomarxismus|5 Neomarxismus]]<br/>
 
[[Neomarxismus#5 Neomarxismus|5 Neomarxismus]]<br/>
 +
 +
 +
  
 
'''[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth| Nächstes Kapitel: 3.1 Raymond Firth]]<br/>'''
 
'''[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth| Nächstes Kapitel: 3.1 Raymond Firth]]<br/>'''
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[[Neoklassik#3 Neoklassik oder Rational Choice| Vorheriges Kapitel: 3 Neoklassik oder Rational Choice]]<br/>
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'''[[Neoklassik#3 Neoklassik oder Rational Choice| Vorheriges Kapitel: 3 Neoklassik oder Rational Choice]]'''<br/>
 
=3.1 Raymond Firth=
 
=3.1 Raymond Firth=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
  
[[File:theogrundlagen-311_1.jpg|frame|right|Quelle: ''https://web.archive.org/web/20050222090952im_/http://petersearle.com/sirraymondfirth.jpg [https://web.archive.org/web/20050222090952im_/http://petersearle.com/sirraymondfirth.jpg  &#91;1&#93;]'']]
+
[[File:theogrundlagen-311_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050222090952im_/http://petersearle.com/sirraymondfirth.jpg [https://web.archive.org/web/20050222090952im_/http://petersearle.com/sirraymondfirth.jpg  &#91;1&#93;]''']]
  
''Raymond Firth (1901-2002)''
+
'''Raymond Firth (1901-2002)'''
  
''Relevante Werke:''
+
'''Relevante Werke:'''
  
 
1939: Primitive Polynesian Economy
 
1939: Primitive Polynesian Economy
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Firth, ein gebürtiger Neuseeländer, studierte zuerst Volkswirtschaft in
 
Firth, ein gebürtiger Neuseeländer, studierte zuerst Volkswirtschaft in
 
seiner Heimat. Später zog er nach London, studierte Anthropologie und
 
seiner Heimat. Später zog er nach London, studierte Anthropologie und
wurde einer der ersten ''Schüler Bronislaw Malinowskis''. Er vertrat den
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wurde einer der ersten '''Schüler Bronislaw Malinowskis'''. Er vertrat den
''Funktionalismus [[Glossar_Mythen/Funktionalismu#13.4 Funktionalismus|[2]]]'' seines Lehrers und übernahm 1944 den durch den
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'''Funktionalismus [[Glossar_Mythen/Funktionalismu#13.4 Funktionalismus|[2]]]''' seines Lehrers und übernahm 1944 den durch den
 
Tod Malinowskis vakant gewordenen Lehrstuhl an der London School of
 
Tod Malinowskis vakant gewordenen Lehrstuhl an der London School of
 
Economics.
 
Economics.
  
Er entwarf eine ''"Economic Anthropology"'' unter Zugrundelegung der
+
Er entwarf eine '''"Economic Anthropology"''' unter Zugrundelegung der
 
Axiome der neoklassischen Theorie, vor allem des Maximierungsprinzips
 
Axiome der neoklassischen Theorie, vor allem des Maximierungsprinzips
 
bei der Allokation knapper Ressourcen auf menschliche Bedürfnisse, sowie
 
bei der Allokation knapper Ressourcen auf menschliche Bedürfnisse, sowie
 
des Prinzips der Entscheidung zwischen unterschiedlichen Nutzengrößen.
 
des Prinzips der Entscheidung zwischen unterschiedlichen Nutzengrößen.
  
'''Primitive Polynesian Economy''' (1939) gilt nach Malinowskis
+
''Primitive Polynesian Economy'' (1939) gilt nach Malinowskis
'''Argonauten des westlichen Pazifik'[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie|[3]]]'' (1922) als ethnographischer
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''Argonauten des westlichen Pazifik'[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie|[3]]]''' (1922) als ethnographischer
Klassiker der Ökonomischen Anthropologie und als ein ''Meilenstein der
+
Klassiker der Ökonomischen Anthropologie und als ein '''Meilenstein der
formalistischen Theorie''. Die Monographie enthält umfangreiche und
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formalistischen Theorie'''. Die Monographie enthält umfangreiche und
 
detaillierte Beschreibungen der polynesischen Wirtschaft, insbesondere
 
detaillierte Beschreibungen der polynesischen Wirtschaft, insbesondere
 
der Insel Tikopia. Der methodologische Individualismus in neoklassischer
 
der Insel Tikopia. Der methodologische Individualismus in neoklassischer
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T'hemes in Economic Anthropology' (1967) ist ein Sammelband, der die
 
T'hemes in Economic Anthropology' (1967) ist ein Sammelband, der die
Positionen der Formalisten zusammenfasst und in ''Abgrenzung zu den
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Positionen der Formalisten zusammenfasst und in '''Abgrenzung zu den
Substantivisten'' nochmals präzisiert. Da Firth nicht umhin kommt, das
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Substantivisten''' nochmals präzisiert. Da Firth nicht umhin kommt, das
 
Besondere einzelner Kulturen anzuerkennen, unterscheidet er zwischen
 
Besondere einzelner Kulturen anzuerkennen, unterscheidet er zwischen
kulturspezifischen ''"substantial propositions"'' und uneingeschränkt
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kulturspezifischen '''"substantial propositions"''' und uneingeschränkt
geltenden ''"formal propositions"''.
+
geltenden '''"formal propositions"'''.
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'''Raymond Firth im WWW:'''
  
''Raymond Firth im WWW:''
+
'''https://web.archive.org/web/20090306050830/http://www.aps-pub.com/proceedings/1481/480109.pdf [https://web.archive.org/web/20090306050830/http://www.aps-pub.com/proceedings/1481/480109.pdf  &#91;4&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20090306050830/http://www.aps-pub.com/proceedings/1481/480109.pdf [https://web.archive.org/web/20090306050830/http://www.aps-pub.com/proceedings/1481/480109.pdf &#91;4&#93;]''
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'''http://www.alanmacfarlane.com/ancestors/raymond_firth.html [http://www.alanmacfarlane.com/ancestors/raymond_firth.html &#91;5&#93;]'''
  
''http://www.alanmacfarlane.com/ancestors/raymond_firth.html [http://www.alanmacfarlane.com/ancestors/raymond_firth.html &#91;5&#93;]''
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'''http://www.anthrobase.com/Browse/Cit/F/raymond_w_firth.htm [http://www.anthrobase.com/Browse/Cit/F/raymond_w_firth.htm &#91;6&#93;]'''
  
''http://www.anthrobase.com/Browse/Cit/F/raymond_w_firth.htm [http://www.anthrobase.com/Browse/Cit/F/raymond_w_firth.htm  &#91;6&#93;]''
+
'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20050222090952im_/http://petersearle.com/sirraymondfirth.jpg  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050222090952im_/http://petersearle.com/sirraymondfirth.jpg]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050222090952im_/http://petersearle.com/sirraymondfirth.jpg  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050222090952im_/http://petersearle.com/sirraymondfirth.jpg]<br/>
[[Glossar_Mythen/Funktionalismu#13.4 Funktionalismus|[2] Siehe Kapitel 13.4 der Lernunterlage ''Mythen in Lateinamerika und Ethnologische Mythenforschung'']]
+
[[Glossar_Mythen/Funktionalismu#13.4 Funktionalismus|[2] Siehe Kapitel 13.4 der Lernunterlage '''Mythen in Lateinamerika und Ethnologische Mythenforschung''']]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie|[3] Siehe Kapitel 4.2.2.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie|[3] Siehe Kapitel 4.2.2.1.1]]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20090306050830/http://www.aps-pub.com/proceedings/1481/480109.pdf  &#91;4&#93; https://web.archive.org/web/20090306050830/http://www.aps-pub.com/proceedings/1481/480109.pdf]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20090306050830/http://www.aps-pub.com/proceedings/1481/480109.pdf  &#91;4&#93; https://web.archive.org/web/20090306050830/http://www.aps-pub.com/proceedings/1481/480109.pdf]<br/>
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[[File:theogrundlagen-312_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-312_1.gif|frame|right]]
  
'''Formal propositions'''
+
''Formal propositions''
  
*"On the basic principles of choice in the use of resources and
+
<blockquote>"On the basic principles of choice in the use of resources and perceptions of relative worth in an exchange, there is a continuum of behaviour over the whole range of human economic systems." (Firth 1967a: 6)</blockquote> 
perceptions of relative worth in an exchange, there is a continuum of
 
behaviour over the whole range of human economic systems."* (Firth
 
1967a: 6)
 
  
Bei den '''formal propositions''' handelt es sich um generelle
+
Bei den ''formal propositions'' handelt es sich um generelle Gesetzmäßigkeiten, die uneingeschränkt weltweit gelten. Hierzu zählt nach Firth insbesondere das Motivationsprinzip jedes Individuums, in einer Entscheidungssituation mit mehreren Optionen seinen Nutzen zu maximieren.
Gesetzmäßigkeiten, die uneingeschränkt weltweit gelten. Hierzu zählt
 
nach Firth insbesondere das Motivationsprinzip jedes Individuums, in
 
einer Entscheidungssituation mit mehreren Optionen seinen Nutzen zu
 
maximieren.
 
  
Im Fall des ''Kula-Tauschrings[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.2 Kula|[1]]]'' versuchen z.B. die Beteiligten,
+
Im Fall des '''Kula-Tauschrings[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.2 Kula|[1]]]''' versuchen z.B. die Beteiligten,
 
Kula-Gegenstände so zu tauschen, dass sie einen möglichst großen Nutzen
 
Kula-Gegenstände so zu tauschen, dass sie einen möglichst großen Nutzen
 
davon haben. Die Schönheit und Seltenheit des Armreifens oder der
 
davon haben. Die Schönheit und Seltenheit des Armreifens oder der
Line 1,965: Line 1,754:
 
demgegenüber finanzieller Gewinn maximiert.
 
demgegenüber finanzieller Gewinn maximiert.
  
'''Substantial propositions'''
+
''Substantial propositions''
  
*"To an anthropologist the recognition that any specific economic
+
<blockquote>"To an anthropologist the recognition that any specific economic system has a corresponding set of moral values is taken for granted." (Firth 1967a: 5)</blockquote>
system has a corresponding set of moral values is taken for granted."*
 
(Firth 1967a: 5)
 
  
Die '''substantial propositions''' sind kulturspezifische
+
Die ''substantial propositions'' sind kulturspezifische
 
institutionelle Gegebenheiten, die von Gesellschaft zu Gesellschaft
 
institutionelle Gegebenheiten, die von Gesellschaft zu Gesellschaft
 
variieren. Beispielsweise kauft in einem marktwirtschaftlichen System
 
variieren. Beispielsweise kauft in einem marktwirtschaftlichen System
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der Art ("Äpfel und Birnen") auf.
 
der Art ("Äpfel und Birnen") auf.
  
''Verweise:''
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'''Verweise:'''
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.2 Kula|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.1.2]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.2 Kula|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.1.2]]<br/>
  
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[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth| Vorheriges Kapitel: 3.1 Raymond Firth]]<br/>
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'''[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth| Vorheriges Kapitel: 3.1 Raymond Firth]]'''<br/>
 
=3.2 Melville J. Herskovits=
 
=3.2 Melville J. Herskovits=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
  
[[File:theogrundlagen-315_1.jpg|frame|right|Quelle: ''http://www.library.northwestern.edu/africana/herskovits.html [http://www.library.northwestern.edu/africana/herskovits.html  &#91;1&#93;]'']]
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[[File:theogrundlagen-315_1.jpg|frame|right|Quelle: '''http://www.library.northwestern.edu/africana/herskovits.html [http://www.library.northwestern.edu/africana/herskovits.html  &#91;1&#93;]''']]
  
 
Melville J. Herskovits (1895 -- 1963)
 
Melville J. Herskovits (1895 -- 1963)
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Vertreter des US-Kulturrelativismus
 
Vertreter des US-Kulturrelativismus
  
''Relevantes Werk:''
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'''Relevantes Werk:'''
  
 
1940: The Economic Life of Primitive People =
 
1940: The Economic Life of Primitive People =
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1952: Economic Anthropology: A Study in Comparative Economics
 
1952: Economic Anthropology: A Study in Comparative Economics
  
Herskovits, ein US-Amerikaner, war ''Schüler von Franz Boas'' (1858 --
+
Herskovits, ein US-Amerikaner, war '''Schüler von Franz Boas''' (1858 --
1942), dem Begründer der amerikanischen ''Cultural Anthropology''.
+
1942), dem Begründer der amerikanischen '''Cultural Anthropology'''.
 
Herskovits' Grundprämissen könnten auch einem ökonomischen Lehrbuch
 
Herskovits' Grundprämissen könnten auch einem ökonomischen Lehrbuch
 
entstammen:
 
entstammen:
  
*"It can also be taken as cross-culturally acceptable that, on the
+
<blockquote>It can also be taken as cross-culturally acceptable that, on the whole, the individual tends to maximize his satisfactions in terms of the choices he makes. Where the gap between utility and disutility is appreciable, and the producer or consumer of a good or service is free to make his choice, then, other things being equal, he will make his choice in terms of utility rather than disutility." (Herskovits 1952: 18)</blockquote>
whole, the individual tends to maximize his satisfactions in terms of
 
the choices he makes. Where the gap between utility and disutility is
 
appreciable, and the producer or consumer of a good or service is free
 
to make his choice, then, other things being equal, he will make his
 
choice in terms of utility rather than disutility."* (Herskovits 1952:
 
18)
 
  
 
Halperin (1994: 20) klassifiziert Herskovits Werk als "hard-core,
 
Halperin (1994: 20) klassifiziert Herskovits Werk als "hard-core,
 
utilitarian methodological individualism" mit universalistischem
 
utilitarian methodological individualism" mit universalistischem
Anspruch. Gleichzeitig war er jedoch von der ''kulturrelativistischen
+
Anspruch. Gleichzeitig war er jedoch von der '''kulturrelativistischen
Schule'' (Westermarck, Boas) geprägt, arbeitete wie viele andere
+
Schule''' (Westermarck, Boas) geprägt, arbeitete wie viele andere
 
Boas-Schüler auch an der Identifizierung von Kulturarealen und gerät
 
Boas-Schüler auch an der Identifizierung von Kulturarealen und gerät
 
dadurch in einen Zwiespalt. In seinen Monographien, wie jener zum Cattle
 
dadurch in einen Zwiespalt. In seinen Monographien, wie jener zum Cattle
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Herskovits brachte den Begriff des "economizing"
 
Herskovits brachte den Begriff des "economizing"
 
(Wirtschaftlichkeitsprinzip im Sinne von Sparsamkeit) in die Debatte
 
(Wirtschaftlichkeitsprinzip im Sinne von Sparsamkeit) in die Debatte
ein. Der Terminus bezieht sich auf den ''Umgang mit knappen Ressourcen''
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ein. Der Terminus bezieht sich auf den '''Umgang mit knappen Ressourcen'''
 
und impliziert dabei drei Aspekte:
 
und impliziert dabei drei Aspekte:
  
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hinreichenden Ziels unter minimalen Anstrengungen.
 
hinreichenden Ziels unter minimalen Anstrengungen.
  
''Verweise:''
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'''Verweise:'''
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[http://www.library.northwestern.edu/africana/herskovits.html  &#91;1&#93; http://www.library.northwestern.edu/africana/herskovits.html]<br/>
 
[http://www.library.northwestern.edu/africana/herskovits.html  &#91;1&#93; http://www.library.northwestern.edu/africana/herskovits.html]<br/>
  
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[[Neoklassik/Herskovits#3.2 Melville J. Herskovits| Vorheriges Kapitel: 3.2 Melville J. Herskovits]]<br/>
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'''[[Neoklassik/Herskovits#3.2 Melville J. Herskovits| Vorheriges Kapitel: 3.2 Melville J. Herskovits]]'''<br/>
 
=3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit=
 
=3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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zwei -- wie es schien unversöhnliche -- Lager gegenüber, einerseits die
 
zwei -- wie es schien unversöhnliche -- Lager gegenüber, einerseits die
  
*  ''Formalisten'', und andererseits die
+
'''Formalisten''', und andererseits die
*  ''Substantivisten'' oder Institutionalisten.
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'''Substantivisten''' oder Institutionalisten.
  
Nach Prattis (1973: 46) war es primär eine ''"methodologische"
+
Nach Prattis (1973: 46) war es primär eine '''"methodologische"
Kontroverse'', die auf unterschiedliche Auffassungen über die Natur der
+
Kontroverse''', die auf unterschiedliche Auffassungen über die Natur der
 
menschlichen Rationalität reduziert werden kann.
 
menschlichen Rationalität reduziert werden kann.
  
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Die substantivistische Bedeutung von "ökonomisch" bezieht sich auf die
 
Die substantivistische Bedeutung von "ökonomisch" bezieht sich auf die
 
Abhängigkeit des Menschen von der Natur und seinen Mitmenschen, um
 
Abhängigkeit des Menschen von der Natur und seinen Mitmenschen, um
seinen Lebensunterhalt zu bestreiten: *"It refers to the interchange
+
seinen Lebensunterhalt zu bestreiten: "It refers to the interchange
 
with his natural and social environment, insofar as this results in
 
with his natural and social environment, insofar as this results in
supplying him with the means of material want-satisfaction"* (Polanyi
+
supplying him with the means of material want-satisfaction" (Polanyi
 
1968 / 1957: 139).
 
1968 / 1957: 139).
  
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insufficiency of those means" (Polanyi 1968 / 1957: 140).
 
insufficiency of those means" (Polanyi 1968 / 1957: 140).
  
Mit der '''rational choice theory''' arbeitende AnthropologInnen haben
+
Mit der ''rational choice theory'' arbeitende AnthropologInnen haben
 
den Begriff Formalisten in der Folge als Eigenbezeichnung für sich
 
den Begriff Formalisten in der Folge als Eigenbezeichnung für sich
 
übernommen.
 
übernommen.
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Firth oder Melville Herskovits, aber auch zum Teil Malinowski
 
Firth oder Melville Herskovits, aber auch zum Teil Malinowski
 
orientierten sich am damals wie heute dominanten Zugang der
 
orientierten sich am damals wie heute dominanten Zugang der
Wirtschaftswissenschaften, der ''Neoklassik oder 'rational choice'
+
Wirtschaftswissenschaften, der '''Neoklassik oder 'rational choice'
Theorie''. Diese gingen vom Menschenbild des homo oeconomicus und vom
+
Theorie'''. Diese gingen vom Menschenbild des homo oeconomicus und vom
 
Entscheidungsverhalten von Einzelpersonen oder Haushalten in einer
 
Entscheidungsverhalten von Einzelpersonen oder Haushalten in einer
 
Situation knapper Mittel aus, auf die sie ihre mathematischen Modelle
 
Situation knapper Mittel aus, auf die sie ihre mathematischen Modelle
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Ausgelöst wurde die Debatte zwischen Formalisten und Substantivisten
 
Ausgelöst wurde die Debatte zwischen Formalisten und Substantivisten
durch den fundamentalen ''Angriff des Wirtschaftshistorikers Karl
+
durch den fundamentalen '''Angriff des Wirtschaftshistorikers Karl
Polanyi'' auf die Grundannahmen der Neoklassik. Mit *''The Great
+
Polanyi''' auf die Grundannahmen der Neoklassik. Mit *'''The Great
 
Transformation'*' (1944) wandte dieser sich an die
 
Transformation'*' (1944) wandte dieser sich an die
 
Wirtschaftswissenschaften, mit '*'Trade and Markets in the Early
 
Wirtschaftswissenschaften, mit '*'Trade and Markets in the Early
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==3.3.2 Die Reaktion der Formalisten==
 
==3.3.2 Die Reaktion der Formalisten==
  
In den ''1960er Jahren'' erfolgte eine ''heftige Reaktion der
+
In den '''1960er Jahren''' erfolgte eine '''heftige Reaktion der
Formalisten'' auf Karl Polanyi und die Substantivisten. Die zentralen
+
Formalisten''' auf Karl Polanyi und die Substantivisten. Die zentralen
 
Kritikpunkte waren:
 
Kritikpunkte waren:
  
''1.'' Die Substantivisten hätten das ''Prinzip des maximising falsch
+
'''1.''' Die Substantivisten hätten das '''Prinzip des maximising falsch
verstanden''. Um zu maximieren brauche es weder Güter noch Markt, auch
+
verstanden'''. Um zu maximieren brauche es weder Güter noch Markt, auch
 
Liebe und Sicherheit könnten unter formal-rationalen Gesichtspunkten
 
Liebe und Sicherheit könnten unter formal-rationalen Gesichtspunkten
 
betrachtet werden.
 
betrachtet werden.
  
''2.'' Die ''Substantivisten seien Romantiker'', die sich mit
+
'''2.''' Die '''Substantivisten seien Romantiker''', die sich mit
 
Wunschdenken und nicht mit Realität befassten.
 
Wunschdenken und nicht mit Realität befassten.
  
''3. Formale Methoden würden in allen Gesellschaften funktionieren'', da
+
'''3. Formale Methoden würden in allen Gesellschaften funktionieren''', da
 
überall unendliche Bedürfnisse mit beschränkten Mitteln zu befriedigen
 
überall unendliche Bedürfnisse mit beschränkten Mitteln zu befriedigen
 
versucht würden.
 
versucht würden.
  
''4.'' Ein induktiver Zugang in der Ökonomischen Anthropologie käme dem
+
'''4.''' Ein induktiver Zugang in der Ökonomischen Anthropologie käme dem
Schmetterlingssammeln gleich, ''nur deduktive Ansätze entsprächen einem
+
Schmetterlingssammeln gleich, '''nur deduktive Ansätze entsprächen einem
wissenschaftlichen Verständnis''. Dieser Kritikpunkt ist im Kontext der
+
wissenschaftlichen Verständnis'''. Dieser Kritikpunkt ist im Kontext der
 
positivistischen Ausrichtung der gesamten Sozialwissenschaften in den
 
positivistischen Ausrichtung der gesamten Sozialwissenschaften in den
 
1960er Jahre zu sehen.
 
1960er Jahre zu sehen.
  
''5.'' Polanyi hätte die ''Geschichte falsch verstanden''. Markt, Tausch
+
'''5.''' Polanyi hätte die '''Geschichte falsch verstanden'''. Markt, Tausch
 
und Handel gäbe es in allen Gesellschaften (vgl. Wilk 1996: 9ff).
 
und Handel gäbe es in allen Gesellschaften (vgl. Wilk 1996: 9ff).
  
Line 2,207: Line 1,990:
 
und Scott Cook.
 
und Scott Cook.
  
''Ethnographische Monographien'' aus dieser Phase des Formalismus
+
'''Ethnographische Monographien''' aus dieser Phase des Formalismus
stammen z.B. von ''Sol Tax'' (1953) und von ''Scarlett Epstein'' (1968).
+
stammen z.B. von '''Sol Tax''' (1953) und von '''Scarlett Epstein''' (1968).
 
Beide versuchten zu zeigen, dass in den von ihnen untersuchten
 
Beide versuchten zu zeigen, dass in den von ihnen untersuchten
 
Gesellschaften die Individuen wie Unternehmer handeln, indem sie
 
Gesellschaften die Individuen wie Unternehmer handeln, indem sie
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==3.3.3 Kritik an den Formalisten==
 
==3.3.3 Kritik an den Formalisten==
  
Die ''Kritik an den Formalisten'' wurde in doppelter Weise geführt.
+
Die '''Kritik an den Formalisten''' wurde in doppelter Weise geführt.
  
*  Einerseits wurde der Zugang des ''methodologischen Individualismus''
+
*  Einerseits wurde der Zugang des '''methodologischen Individualismus''' als unbrauchbar angesehen, um das ökonomische Handeln in vorindustriellen/nicht industrialisierten Gesellschaften zu verstehen. Diese Kritik kam vorwiegend von den Substantivisten und ließ in ihrer fundamentalen Ablehnung lange keine Gesprächsmöglichkeiten zu.
    als unbrauchbar angesehen, um das ökonomische Handeln in
+
*  Aber auch innerhalb der Formalisten und unter Akzeptanz der 'rational choice' Theorie hatte man Probleme mit dem *'''homo oeconomicus'*' im Sinne eines ausschließlichen Nutzenmaximierers.2 Probleme zeigten sich:'''1.''' Wie lässt sich der "Nutzen" in Gesellschaften messen, in denen es kein Geld im Sinne eines "allgemeinen Äquivalents" gibt. Auch in marktwirtschaftlichen Gesellschaften ist der Nutzen eine "metaphysische Kategorie" (Novy 2003), die sich einer objektiven Messbarkeit entzieht.'''2.''' In Feldforschungssituationen kommt rasch zum Vorschein, dass '''die meisten Menschen schlichtweg nichts maximieren'''. Offenbar zufrieden mit ihrem Leben streben sie weder nach Reichtum und Geld, Macht, Prestige oder Ehre.
    vorindustriellen/nicht industrialisierten Gesellschaften zu
 
    verstehen. Diese Kritik kam vorwiegend von den Substantivisten und
 
    ließ in ihrer fundamentalen Ablehnung lange keine
 
    Gesprächsmöglichkeiten zu.
 
*  Aber auch innerhalb der Formalisten und unter Akzeptanz der
 
    'rational choice' Theorie hatte man Probleme mit dem *''homo
 
    oeconomicus'*' im Sinne eines ausschließlichen Nutzenmaximierers.2
 
    Probleme zeigten sich:''1.'' Wie lässt sich der "Nutzen" in
 
    Gesellschaften messen, in denen es kein Geld im Sinne eines
 
    "allgemeinen Äquivalents" gibt. Auch in marktwirtschaftlichen
 
    Gesellschaften ist der Nutzen eine "metaphysische Kategorie" (Novy
 
    2003), die sich einer objektiven Messbarkeit entzieht.''2.'' In
 
    Feldforschungssituationen kommt rasch zum Vorschein, dass ''die
 
    meisten Menschen schlichtweg nichts maximieren''. Offenbar zufrieden
 
    mit ihrem Leben streben sie weder nach Reichtum und Geld, Macht,
 
    Prestige oder Ehre.
 
  
  
  
 
===3.3.3.1 Kritik am homo oeconomicus aus nicht-formalistischer Perspektive===
 
===3.3.3.1 Kritik am homo oeconomicus aus nicht-formalistischer Perspektive===
 +
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Bis heute ist der '''homo oeconomicus''' der Formalisten Gegenstand von
+
Bis heute ist der ''homo oeconomicus'' der Formalisten Gegenstand von
Auseinandersetzungen (vgl. Ensminger 2002: XI). Bereits ''Raymond
+
Auseinandersetzungen (vgl. Ensminger 2002: XI). Bereits '''Raymond
Firth'' hatte auf den augenfälligen Umstand, dass in vielen
+
Firth''' hatte auf den augenfälligen Umstand, dass in vielen
 
Gesellschaften keineswegs Reichtum oder Kapital akkumuliert würde, mit
 
Gesellschaften keineswegs Reichtum oder Kapital akkumuliert würde, mit
der Einführung der '''institutionellen''' Gegebenheiten reagiert. Es
+
der Einführung der ''institutionellen'' Gegebenheiten reagiert. Es
 
wird überall maximiert, aber eben nicht nur Geld, sondern Macht,
 
wird überall maximiert, aber eben nicht nur Geld, sondern Macht,
 
Prestige, Lust, Gottgefälligkeit (bei Asketen zum Beispiel) und vieles
 
Prestige, Lust, Gottgefälligkeit (bei Asketen zum Beispiel) und vieles
 
andere mehr (besonders bei Burling 1962). Dazu meinte Maurice Godelier
 
andere mehr (besonders bei Burling 1962). Dazu meinte Maurice Godelier
bereits 1965: *"wenn so theoretisch jedes zweckbestimmte Handeln
+
bereits 1965: "wenn so theoretisch jedes zweckbestimmte Handeln
ökonomisch wird, ist faktisch keines mehr ökonomisch"* (Godelier 1972:
+
ökonomisch wird, ist faktisch keines mehr ökonomisch" (Godelier 1972:
 
292).
 
292).
  
Die formale Theorie ist ein Komplex ''mathematischer Verfahrensweisen'',
+
Die formale Theorie ist ein Komplex '''mathematischer Verfahrensweisen''',
 
der indifferent gegenüber dem Gegenstand ist, mit dem er umgeht, denn
 
der indifferent gegenüber dem Gegenstand ist, mit dem er umgeht, denn
 
die Logik des Kalküls bleibt überall dieselbe (Godelier 1972: 294). Das
 
die Logik des Kalküls bleibt überall dieselbe (Godelier 1972: 294). Das
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heute noch genau so kritisiert wie in den 1960er Jahren:
 
heute noch genau so kritisiert wie in den 1960er Jahren:
  
*"If you are sufficiently determined, you can always identify something
+
<blockquote>If you are sufficiently determined, you can always identify something that people try to maximize. But if all maximizing models are really arguing is that 'people will always seek to maximize something,' then they obviously can't predict anything, which means employing them can hardly be said to make anthropology more scientific. All they really add to analysis is a set of assumptions about human nature. The assumption, most of all, that no one ever does anything primarily out of concern for others; that whatever one does, one is only trying to get something out of it for oneself. In common English, there is a word for this attitude. It's called 'cynicism.' Most of us try to avoid people who take it too much to heart. In economics, apparently, they call it 'science'." (Graeber 2001: 8) </blockquote>
that people try to maximize. But if all maximizing models are really
 
arguing is that 'people will always seek to maximize something,' then
 
they obviously can't predict anything, which means employing them can
 
hardly be said to make anthropology more scientific. All they really add
 
to analysis is a set of assumptions about human nature. The assumption,
 
most of all, that no one ever does anything primarily out of concern for
 
others; that whatever one does, one is only trying to get something out
 
of it for oneself. In common English, there is a word for this attitude.
 
It's called 'cynicism.' Most of us try to avoid people who take it too
 
much to heart. In economics, apparently, they call it 'science'."*
 
(Graeber 2001: 8)
 
 
 
  
  
 
===3.3.3.2 Revisionen der formalistischen Theorie: Ian Prattis und sein strategising man===
 
===3.3.3.2 Revisionen der formalistischen Theorie: Ian Prattis und sein strategising man===
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Einen Versuch, diesem Dilemma zu entkommen und trotzdem im
 
Einen Versuch, diesem Dilemma zu entkommen und trotzdem im
formallogischen System der Neoklassik zu verbleiben, hat z.B. ''Ian
+
formallogischen System der Neoklassik zu verbleiben, hat z.B. '''Ian
Prattis'' 1973 in einem einflussreichen Artikel unternommen. Seiner
+
Prattis''' 1973 in einem einflussreichen Artikel unternommen. Seiner
 
Ansicht nach ist 'maximising' als einziges Ziel aller Handlungen
 
Ansicht nach ist 'maximising' als einziges Ziel aller Handlungen
 
tatsächlich unvollständig. Er plädiert daher für eine Sicht des
 
tatsächlich unvollständig. Er plädiert daher für eine Sicht des
'''strategising''', worunter er versteht, dass dem handelndem Individuum
+
''strategising'', worunter er versteht, dass dem handelndem Individuum
in einer Entscheidungssituation ''mehrere Möglichkeiten [[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.3.3 Optimierung|[1]]]'' offen
+
in einer Entscheidungssituation '''mehrere Möglichkeiten [[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.3.3 Optimierung|[1]]]''' offen
 
stehen:
 
stehen:
  
''1. Maximising ='' Maximierung des Nutzens
+
'''1. Maximising =''' Maximierung des Nutzens
  
''2. Minimaxing ='' Minimierung der Wahrscheinlichkeit von maximalem
+
'''2. Minimaxing =''' Minimierung der Wahrscheinlichkeit von maximalem
 
Verlust
 
Verlust
  
''3. Satisfising ='' Ergreifen der ersten Alternative, die die
+
'''3. Satisfising =''' Ergreifen der ersten Alternative, die die
 
Minimalanforderungen für die Bedürfnisbefriedigung erfüllt
 
Minimalanforderungen für die Bedürfnisbefriedigung erfüllt
  
Um aber auf diese ''Diversifizierung der Handlungsmotivationen'' wieder
+
Um aber auf diese '''Diversifizierung der Handlungsmotivationen''' wieder
 
mathematische Prognosemodelle aufsetzen zu können, bedarf es nunmehr
 
mathematische Prognosemodelle aufsetzen zu können, bedarf es nunmehr
 
einer Spezifizierung der Umstände, die bei einem Individuum die Wahl
 
einer Spezifizierung der Umstände, die bei einem Individuum die Wahl
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kommt zum Ergebnis, dass
 
kommt zum Ergebnis, dass
  
'''maximising''' die bevorzugte Strategie der Häuptlinge ist,
+
''maximising'' die bevorzugte Strategie der Häuptlinge ist,
  
'''minimaxing''' jene von Personen auf mittlerer Prestigeebene, und
+
''minimaxing'' jene von Personen auf mittlerer Prestigeebene, und
  
'''satisfising''' wird von den jungen Männern am untersten Ende der
+
''satisfising'' wird von den jungen Männern am untersten Ende der
 
Prestigehierarchie praktiziert.
 
Prestigehierarchie praktiziert.
  
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formalen Logik verlassen.
 
formalen Logik verlassen.
  
''Verweise:''
+
'''Verweise:'''
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.3.3 Optimierung|[1] Siehe Kapitel 2.2.5.3.3 der Lernunterlage ''Internationale Politische Ökonomie'']]<br/>
+
 
 +
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.3.3 Optimierung|[1] Siehe Kapitel 2.2.5.3.3 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
  
  
Line 2,327: Line 2,085:
  
  
[[Neoklassik/Der_Grosse_Streit#3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit| Vorheriges Kapitel: 3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit]]<br/>
+
'''[[Neoklassik/Der_Grosse_Streit#3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit| Vorheriges Kapitel: 3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit]]'''<br/>
 
=3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur=
 
=3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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Novy, Andreas 2003: Internationale Politische Ökonomie: Neoklassik.
 
Novy, Andreas 2003: Internationale Politische Ökonomie: Neoklassik.
Wirtschaftsuniversität Wien, Abt. Stadt und Regionalentwicklung. [[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2 Neoklassik|[1]]]''
+
Wirtschaftsuniversität Wien, Abt. Stadt und Regionalentwicklung. [[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2 Neoklassik|[1]]]'''
  
 
Petermann, Werner 2004: 'Die Geschichte der Ethnologie'. Wuppertal:
 
Petermann, Werner 2004: 'Die Geschichte der Ethnologie'. Wuppertal:
Line 2,399: Line 2,157:
 
Anthropology*. Boulder: Westview Press.
 
Anthropology*. Boulder: Westview Press.
  
''Verweise:''
+
'''Verweise:'''
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2 Neoklassik|[1] Siehe Kapitel 2.2 der Lernunterlage ''Internationale Politische Ökonomie'']]<br/>
 
  
 +
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2 Neoklassik|[1] Siehe Kapitel 2.2 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
  
'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/> '''
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 +
'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>'''
 
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[[#3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur|&uarr; Nach oben]]<br/>  
 
[[#3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur|&uarr; Nach oben]]<br/>  
  
  
[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>  
+
'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>  
 
=4 Institutionalismus und Substantivismus=
 
=4 Institutionalismus und Substantivismus=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 +
<div><ul>
 +
<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-74_1.jpg|thumb|none|Rinderopfer bei Hochzeitsfest der Toraja (Indonesien). Foto: Elke Mader]] </li>
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-74_2.jpg|thumb|none|Festessen in einem Dorf der Shuar (Ecuador). Foto: Elke Mader]] </li>
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</ul></div>
  
[[File:theogrundlagen-74_1.jpg|frame|right|Rinderopfer bei Hochzeitsfest der Toraja (Indonesien). Foto: Elke Mader]]
+
Unter '''Institutionalismus''' oder spezifischer '''Substantivismus''' wird
[[File:theogrundlagen-74_2.jpg|frame|right|Festessen in einem Dorf der Shuar (Ecuador). Foto: Elke Mader]]
 
 
 
Unter ''Institutionalismus'' oder spezifischer ''Substantivismus'' wird
 
 
eine wirtschaftsanthropologische Ideenrichtung verstanden, die davon
 
eine wirtschaftsanthropologische Ideenrichtung verstanden, die davon
 
ausgeht, dass die Ökonomie zumindest in nicht-industrialisierten
 
ausgeht, dass die Ökonomie zumindest in nicht-industrialisierten
Gesellschaften in die ''Gesamtheit aller Institutionen'' eingebetet ist.
+
Gesellschaften in die '''Gesamtheit aller Institutionen''' eingebetet ist.
 
Sie kann nicht auf eine Handlungsmotivation wie maximieren oder
 
Sie kann nicht auf eine Handlungsmotivation wie maximieren oder
 
optimieren reduziert werden (Gudeman 1996: 173).
 
optimieren reduziert werden (Gudeman 1996: 173).
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[[Neoklassik#3 Neoklassik oder Rational Choice|3 Neoklassik oder Rational Choice]]<br/>
 
[[Neoklassik#3 Neoklassik oder Rational Choice|3 Neoklassik oder Rational Choice]]<br/>
 
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'''[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1 Vordenker| Nächstes Kapitel: 4.1 Vordenker]]<br/>'''
 
'''[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1 Vordenker| Nächstes Kapitel: 4.1 Vordenker]]<br/>'''
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus| Vorheriges Kapitel: 4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
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'''[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus| Vorheriges Kapitel: 4 Institutionalismus und Substantivismus]]'''<br/>
 
=4.1 Vordenker=
 
=4.1 Vordenker=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
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Wesentliche Grundlagen des Institutionalismus bzw. des Substantivismus
 
Wesentliche Grundlagen des Institutionalismus bzw. des Substantivismus
in der Ökonomischen Anthropologie wurden von ''Begründern der Soziologie
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in der Ökonomischen Anthropologie wurden von '''Begründern der Soziologie
und der Sozialanthropologie'' entwickelt. Besondere Bedeutung kommt
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und der Sozialanthropologie''' entwickelt. Besondere Bedeutung kommt
dabei ''Émile Durkheim und Max Weber'' zu. Beide Wissenschafter
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dabei '''Émile Durkheim und Max Weber''' zu. Beide Wissenschafter
 
beschäftigen sich mit einer Vielzahl von Fragen in Zusammenhang mit der
 
beschäftigen sich mit einer Vielzahl von Fragen in Zusammenhang mit der
 
Konstitution von Gesellschaft, wobei wirtschaftliche Prozesse für sie
 
Konstitution von Gesellschaft, wobei wirtschaftliche Prozesse für sie
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Weltbilds bzw. der Religion und seiner Bedeutung für soziales und
 
Weltbilds bzw. der Religion und seiner Bedeutung für soziales und
 
ökonomisches Handeln.
 
ökonomisches Handeln.
 
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==Inhalt==
 
==Inhalt==
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==4.1.1 Émile Durkheim==
 
==4.1.1 Émile Durkheim==
  
[[File:theogrundlagen-76_1.jpg|frame|right|Quelle: ''https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html [https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html  &#91;1&#93;]'']]
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[[File:theogrundlagen-76_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html [https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html  &#91;1&#93;]''']]
  
''Émile Durkheim (1858 -- 1917)''
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'''Émile Durkheim (1858 -- 1917)'''
  
''Relevante Werke:''
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'''Relevante Werke:'''
  
 
1893: De la division du travail social (Über soziale Arbeitsteilung)
 
1893: De la division du travail social (Über soziale Arbeitsteilung)
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1912: Die elementaren Formen des religiösen Lebens
 
1912: Die elementaren Formen des religiösen Lebens
  
Der französische Wissenschafter ''Émile Durkheim'' gehört zu den
+
Der französische Wissenschafter '''Émile Durkheim''' gehört zu den
Begründern der ''Soziologie und Sozialanthropologie''. Im Mittelpunkt
+
Begründern der '''Soziologie und Sozialanthropologie'''. Im Mittelpunkt
seiner Theorie steht die ''gesellschaftliche Natur des Menschen''.
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seiner Theorie steht die '''gesellschaftliche Natur des Menschen'''.
 
Menschen sind soziale Wesen, sie leben in Gruppen und ihr Bewusstsein
 
Menschen sind soziale Wesen, sie leben in Gruppen und ihr Bewusstsein
 
wird durch Interaktionen mit Anderen geprägt. Daher kann menschliches
 
wird durch Interaktionen mit Anderen geprägt. Daher kann menschliches
 
Denken und Handeln nur dann zielführend untersucht bzw. verstanden
 
Denken und Handeln nur dann zielführend untersucht bzw. verstanden
werden, wenn ''nicht das Individuum, sondern die Gruppe bzw. die
+
werden, wenn '''nicht das Individuum, sondern die Gruppe bzw. die
Gesellschaft den Forschungsgegenstand bildet''.
+
Gesellschaft den Forschungsgegenstand bildet'''.
  
 
Durkheim wendet diese Grundannahmen auf verschiedene Dimensionen des
 
Durkheim wendet diese Grundannahmen auf verschiedene Dimensionen des
 
Denkens und Handelns an, insbesondere auf die Gestaltung von sozialen
 
Denkens und Handelns an, insbesondere auf die Gestaltung von sozialen
Gruppen und gesellschaftlichen Institutionen, auf ''Wirtschaft'' sowie
+
Gruppen und gesellschaftlichen Institutionen, auf '''Wirtschaft''' sowie
auf Religion. Im Rahmen seiner ''"sozialen Ökonomie"'' entwickelt
+
auf Religion. Im Rahmen seiner '''"sozialen Ökonomie"''' entwickelt
 
Durkheim drei Themen, die für die Weiterentwicklung der ökonomischen
 
Durkheim drei Themen, die für die Weiterentwicklung der ökonomischen
 
Anthropologie von besonderer Bedeutung sind:
 
Anthropologie von besonderer Bedeutung sind:
  
*  ''Anti-Utilitarismus''
+
'''Anti-Utilitarismus'''
*  ''Anti-Individualismus''
+
'''Anti-Individualismus'''
*  ''Typologischer Evolutionismus''
+
'''Typologischer Evolutionismus'''
  
Durkheim vertritt einen ''systemorientierten Ansatz'' und ist ein
+
Durkheim vertritt einen '''systemorientierten Ansatz''' und ist ein
 
Vorläufer der Strukturalisten. In seinen verschiedenen Forschungsfeldern
 
Vorläufer der Strukturalisten. In seinen verschiedenen Forschungsfeldern
geht er vom Modell einer grundsätzlich ''homogenen Gesellschaft mit
+
geht er vom Modell einer grundsätzlich '''homogenen Gesellschaft mit
gemeinsamen Interessen'' aus (vgl. Wilk 1996: 77-83).
+
gemeinsamen Interessen''' aus (vgl. Wilk 1996: 77-83).
  
''Émile Durkheim im WWW:''
+
'''Émile Durkheim im WWW:'''
  
''https://web.archive.org/web/20051219045913/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/Biography.html [https://web.archive.org/web/20051219045913/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/Biography.html  &#91;2&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051219045913/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/Biography.html [https://web.archive.org/web/20051219045913/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/Biography.html  &#91;2&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20051224210427/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/index.html [https://web.archive.org/web/20051224210427/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/index.html  &#91;3&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051224210427/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/index.html [https://web.archive.org/web/20051224210427/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/index.html  &#91;3&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html [https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html  &#91;1&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html [https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html  &#91;1&#93;]'''
  
''http://www.chez.com/sociol/socio/autob/durkheim.htm [http://www.chez.com/sociol/socio/autob/durkheim.htm  &#91;4&#93;]''
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'''http://www.chez.com/sociol/socio/autob/durkheim.htm [http://www.chez.com/sociol/socio/autob/durkheim.htm  &#91;4&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20051225230057/http://www.emile-durkheim.com/ [https://web.archive.org/web/20051225230057/http://www.emile-durkheim.com/  &#91;5&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051225230057/http://www.emile-durkheim.com/ [https://web.archive.org/web/20051225230057/http://www.emile-durkheim.com/  &#91;5&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20060425232745/http://www.emile-durkheim.com/emile_durkheim_resources.htm [https://web.archive.org/web/20060425232745/http://www.emile-durkheim.com/emile_durkheim_resources.htm  &#91;6&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20060425232745/http://www.emile-durkheim.com/emile_durkheim_resources.htm [https://web.archive.org/web/20060425232745/http://www.emile-durkheim.com/emile_durkheim_resources.htm  &#91;6&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20050826125237/http://www.sociologyonline.co.uk/soc_essays/DurkIntro.htm [https://web.archive.org/web/20050826125237/http://www.sociologyonline.co.uk/soc_essays/DurkIntro.htm  &#91;7&#93;]''
+
'''https://web.archive.org/web/20050826125237/http://www.sociologyonline.co.uk/soc_essays/DurkIntro.htm [https://web.archive.org/web/20050826125237/http://www.sociologyonline.co.uk/soc_essays/DurkIntro.htm  &#91;7&#93;]'''
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051219045913/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/Biography.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20051219045913/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/Biography.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051219045913/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/Biography.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20051219045913/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/Biography.html]<br/>
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===4.1.1.1 Anti-Utilitarismus: Soziale und ökonomische Solidarität===
 
===4.1.1.1 Anti-Utilitarismus: Soziale und ökonomische Solidarität===
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[[File:theogrundlagen-77_1.jpg|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-77_1.jpg|frame|right]]
  
In den Werken von ''Émile Durkheim'' stehen die sozialen Beziehungen im
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In den Werken von '''Émile Durkheim''' stehen die sozialen Beziehungen im
 
Vordergrund des menschlichen Denkens und Handelns und prägen alle
 
Vordergrund des menschlichen Denkens und Handelns und prägen alle
Lebensbereiche. Dieser ''Primat der Gesellschaft bestimmt auch
+
Lebensbereiche. Dieser '''Primat der Gesellschaft bestimmt auch
wirtschaftliche Prozesse'': Im Gegensatz zum rational choice Ansatz
+
wirtschaftliche Prozesse''': Im Gegensatz zum rational choice Ansatz
 
vertritt Durkheim die These, dass nicht das Eigeninteresse menschliches
 
vertritt Durkheim die These, dass nicht das Eigeninteresse menschliches
 
(ökonomisches) Handeln bestimmt, sondern dass Menschen kooperieren und
 
(ökonomisches) Handeln bestimmt, sondern dass Menschen kooperieren und
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die Gesellschaft durch ein System von Werten und Gefühlen:
 
die Gesellschaft durch ein System von Werten und Gefühlen:
  
*"Wenn sich eine Gruppe zu einem gemeinsamen Ziel zusammenschließt,
+
<blockquote>Wenn sich eine Gruppe zu einem gemeinsamen Ziel zusammenschließt, wenn ihre Mitglieder ein Gefühl der Gemeinsamkeit verspüren, so stellen sie ihre eigenen persönlichen Interessen zurück, um der gemeinsamen Sache zu dienen." (Durkheim 1899 in Wilk 1996: 78, Übersetzung: Gertraud Seiser).</blockquote> 
wenn ihre Mitglieder ein Gefühl der Gemeinsamkeit verspüren, so stellen
 
sie ihre eigenen persönlichen Interessen zurück, um der gemeinsamen
 
Sache zu dienen."* (Durkheim 1899 in Wilk 1996: 78, Übersetzung:
 
Gertraud Seiser).
 
  
Auf diese Weise entsteht ''Solidarität'': Solidarität im Bereich der
+
Auf diese Weise entsteht '''Solidarität''': Solidarität im Bereich der Wirtschaft ist ein Produkt des sozialen Lebens. Daraus ergeben sich folgende Thesen:
Wirtschaft ist ein Produkt des sozialen Lebens. Daraus ergeben sich
 
folgende Thesen:
 
  
 
*  Wirtschaft und Gesellschaft sind eng miteinander verflochten.
 
*  Wirtschaft und Gesellschaft sind eng miteinander verflochten.
*  Ökonomisches Handeln war im Lauf der Geschichte politischen,
+
*  Ökonomisches Handeln war im Lauf der Geschichte politischen, religiösen und sozialen Institutionen untergeordnet.
    religiösen und sozialen Institutionen untergeordnet.
 
  
 
- ergo -
 
- ergo -
  
*  ''Die Gesellschaft bzw. das Soziale bestimmen die Wirtschaft.''
+
'''Die Gesellschaft bzw. das Soziale bestimmen die Wirtschaft.'''
  
  
  
 
===4.1.1.2 Von der sozialen Teilung der Arbeit===
 
===4.1.1.2 Von der sozialen Teilung der Arbeit===
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[[File:theogrundlagen-78_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-78_1.gif|frame|right]]
  
 
In einem seiner wichtigsten Werke für die Entwicklung der ökonomischen
 
In einem seiner wichtigsten Werke für die Entwicklung der ökonomischen
Anthropologie ''"Über soziale Arbeitsteilung"'' (De la division du
+
Anthropologie '''"Über soziale Arbeitsteilung"''' (De la division du
travail social, 1893) geht Durkheim der Frage nach, ''wie eine Masse von
+
travail social, 1893) geht Durkheim der Frage nach, '''wie eine Masse von
Individuen eine Gesellschaft bilden'', d.h. einen Konsens über ihr
+
Individuen eine Gesellschaft bilden''', d.h. einen Konsens über ihr
 
Zusammenleben finden kann.
 
Zusammenleben finden kann.
  
Die Antwort liegt für Durkheim in der ''gesellschaftlichen Teilung der
+
Die Antwort liegt für Durkheim in der '''gesellschaftlichen Teilung der
Arbeit'': Fast alle Gesellschaften praktizieren irgendeine Form der
+
Arbeit''': Fast alle Gesellschaften praktizieren irgendeine Form der
 
Arbeitsteilung, beispielsweise
 
Arbeitsteilung, beispielsweise
  
 
*  zwischen alt und jung,
 
*  zwischen alt und jung,
*  zwischen der einen und der anderen Gemeinschaft (z.B. Klassen,
+
*  zwischen der einen und der anderen Gemeinschaft (z.B. Klassen, Kasten, ethnische Gruppen)
    Kasten, ethnische Gruppen)
 
 
*  zwischen den Geschlechtern.
 
*  zwischen den Geschlechtern.
  
 
Die einzelnen Formen der Arbeitsteilung sind in ihrer konkreten
 
Die einzelnen Formen der Arbeitsteilung sind in ihrer konkreten
''Ausformung sehr verschieden'' und keineswegs "naturwüchsig", sie
+
'''Ausformung sehr verschieden''' und keineswegs "naturwüchsig", sie
sind mit ''verschiedenen gesellschaftlichen Organisationsformen''
+
sind mit '''verschiedenen gesellschaftlichen Organisationsformen'''
 
verbunden. So sind etwa einige Formen der Arbeitsteilung, die uns
 
verbunden. So sind etwa einige Formen der Arbeitsteilung, die uns
 
selbstverständlich sind, wie die Trennung von Kopf- und Handarbeit oder
 
selbstverständlich sind, wie die Trennung von Kopf- und Handarbeit oder
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===4.1.1.3 Anti-Individualismus und Kollektive Repräsentationen===
 
===4.1.1.3 Anti-Individualismus und Kollektive Repräsentationen===
 
+
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[[File:theogrundlagen-79_1.jpg|frame|right|Palmsonntag in Ecuador. Foto: Elke Mader]]
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<div><ul>
[[File:theogrundlagen-79_2.jpg|frame|right|Osterfest der Tarahumara. Foto: Evelyne Puchegger-Ebner]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-79_1.jpg|thumb|none|Palmsonntag in Ecuador. Foto: Elke Mader]] </li>
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-79_2.jpg|thumb|none|Osterfest der Tarahumara. Foto: Evelyne Puchegger-Ebner]] </li>
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</ul></div>
  
 
Das Entscheidende für die Herausbildung der industriellen Arbeitswelt
 
Das Entscheidende für die Herausbildung der industriellen Arbeitswelt
ist für Durkheim die ''soziale Ordnung''. Das Individuum ist bei
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ist für Durkheim die '''soziale Ordnung'''. Das Individuum ist bei
 
Durkheim (und in seiner gesamten nachfolgenden Denktradition) primär ein
 
Durkheim (und in seiner gesamten nachfolgenden Denktradition) primär ein
 
Produkt der Gesellschaft, wenn auch eines mit großer Eigenständigkeit.
 
Produkt der Gesellschaft, wenn auch eines mit großer Eigenständigkeit.
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Gesellschaft wird im Glaubenssystem, in Regeln, Werten und Gefühlen
 
Gesellschaft wird im Glaubenssystem, in Regeln, Werten und Gefühlen
 
sichtbar, in "heiligen" und zeitlosen Traditionen. Durkheim nennt das
 
sichtbar, in "heiligen" und zeitlosen Traditionen. Durkheim nennt das
''"kollektive Repräsentationen"''. Dieses System ''bestimmt auch die
+
'''"kollektive Repräsentationen"'''. Dieses System '''bestimmt auch die
Arbeitsteilung und andere Aspekte der Wirtschaft''. Das Religiöse wirkt
+
Arbeitsteilung und andere Aspekte der Wirtschaft'''. Das Religiöse wirkt
 
in den sozialen Alltag hinein; es besitzt eine Eigendynamik (vgl. auch
 
in den sozialen Alltag hinein; es besitzt eine Eigendynamik (vgl. auch
 
Durkheim 1912). Das Religiöse ist für Durkheim nicht - wie etwa für Marx
 
Durkheim 1912). Das Religiöse ist für Durkheim nicht - wie etwa für Marx
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wirkt ständig und unmittelbar auf den Rest der Gesellschaft zurück.
 
wirkt ständig und unmittelbar auf den Rest der Gesellschaft zurück.
  
Durkheim betont den ''ordnungsstiftenden Charakter'' sowie die
+
Durkheim betont den '''ordnungsstiftenden Charakter''' sowie die
 
Bindekraft und Geltungskraft von Weltbildern und Religion in den
 
Bindekraft und Geltungskraft von Weltbildern und Religion in den
 
Lebensalltag der Menschen hinein. Die kollektiven Vorstellungen werden
 
Lebensalltag der Menschen hinein. Die kollektiven Vorstellungen werden
im selbstverständlichen, ''kleinen Alltag ebenso tradiert wie in großen
+
im selbstverständlichen, '''kleinen Alltag ebenso tradiert wie in großen
Ritualen''. Oft werden sie aber erst beim Kulturkontakt, in der
+
Ritualen'''. Oft werden sie aber erst beim Kulturkontakt, in der
 
Auseinandersetzung mit fremden Kulturen, bewusst. Er ist damit auch
 
Auseinandersetzung mit fremden Kulturen, bewusst. Er ist damit auch
 
Vordenker für eine Forschungstradition der Sozial- und
 
Vordenker für eine Forschungstradition der Sozial- und
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===4.1.1.4 Wert, Gesellschaft, Symbol===
 
===4.1.1.4 Wert, Gesellschaft, Symbol===
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[[File:theogrundlagen-85_1.jpg|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-85_1.jpg|frame|right]]
  
''Wert'' konstituiert sich für Durkheim nicht aus der Vernunft (also
+
'''Wert''' konstituiert sich für Durkheim nicht aus der Vernunft (also
einem rational handelnden Individuum), sondern aus ''sozialen
+
einem rational handelnden Individuum), sondern aus '''sozialen
Konventionen''. Menschen bewerten Dinge nicht auf Grund ihrer
+
Konventionen'''. Menschen bewerten Dinge nicht auf Grund ihrer
(objektiven) Nützlichkeit, sondern sind durch die ''Macht der
+
(objektiven) Nützlichkeit, sondern sind durch die '''Macht der
kollektiven Repräsentationen'' vom Wert bestimmter Dinge überzeugt.
+
kollektiven Repräsentationen''' vom Wert bestimmter Dinge überzeugt.
  
''Wert bzw. Unwert ist demnach eine kollektive soziale und symbolische
+
'''Wert bzw. Unwert ist demnach eine kollektive soziale und symbolische
Konstruktion.'' Diese These Durkheims wird später von vielen
+
Konstruktion.''' Diese These Durkheims wird später von vielen
 
WissenschafterInnen aufgegriffen und in verschiedene Richtungen hin
 
WissenschafterInnen aufgegriffen und in verschiedene Richtungen hin
 
erweitert, sie bildet bis heute die Basis für eine bedeutende
 
erweitert, sie bildet bis heute die Basis für eine bedeutende
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===4.1.1.5 Kontrollierte Bedürfnisse, kontrollierte Ökonomie===
 
===4.1.1.5 Kontrollierte Bedürfnisse, kontrollierte Ökonomie===
 +
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Die gesellschaftliche Konstruktion von Wert macht die Menschen
 
Die gesellschaftliche Konstruktion von Wert macht die Menschen
 
unabhängig von den "unsozialen unbegrenzten Begierden des Marktes"
 
unabhängig von den "unsozialen unbegrenzten Begierden des Marktes"
(Durkheim 1925/1961 in Wilk 1996: 79). ''Die Befriedigung der
+
(Durkheim 1925/1961 in Wilk 1996: 79). '''Die Befriedigung der
Bedürfnisse durch Individuen'' im Rahmen eines Marktes stellt für
+
Bedürfnisse durch Individuen''' im Rahmen eines Marktes stellt für
 
Durkheim (im Gegensatz zu den Vertretern des rational choice Modells)
 
Durkheim (im Gegensatz zu den Vertretern des rational choice Modells)
 
nicht die Basis der Gesellschaft dar. Vielmehr sieht er in den
 
nicht die Basis der Gesellschaft dar. Vielmehr sieht er in den
 
Bedürfnissen und (ökonomischen) Begierden die Wurzel allen Übels. Sie
 
Bedürfnissen und (ökonomischen) Begierden die Wurzel allen Übels. Sie
 
führen zu einem anarchistischen Kampf zwischen verschiedenen Interessen
 
führen zu einem anarchistischen Kampf zwischen verschiedenen Interessen
und ''zerstören die Gesellschaft''. Nur durch verbindende kollektive
+
und '''zerstören die Gesellschaft'''. Nur durch verbindende kollektive
 
Repräsentationen und soziale Regeln können sie kontrolliert werden.
 
Repräsentationen und soziale Regeln können sie kontrolliert werden.
  
Durkheim befürwortete daher die Kontrolle von bzw. das ''Eingreifen in
+
Durkheim befürwortete daher die Kontrolle von bzw. das '''Eingreifen in
wirtschaftliche Angelegenheiten'' durch den Staat (Regierung). Er war
+
wirtschaftliche Angelegenheiten''' durch den Staat (Regierung). Er war
 
der Ansicht, dass im Lauf der Geschichte die Wirtschaft zum Wohle der
 
der Ansicht, dass im Lauf der Geschichte die Wirtschaft zum Wohle der
 
Gesellschaft immer den politischen, religiösen und sozialen
 
Gesellschaft immer den politischen, religiösen und sozialen
 
Institutionen untergeordnet war und von ihnen kontrolliert wurde. Die
 
Institutionen untergeordnet war und von ihnen kontrolliert wurde. Die
''Probleme der europäischen Industriegesellschaft'' seiner Zeit führt er
+
'''Probleme der europäischen Industriegesellschaft''' seiner Zeit führt er
vor allem auf einen ''Kontrollverlust über ökonomische Prozesse'' zurück
+
vor allem auf einen '''Kontrollverlust über ökonomische Prozesse''' zurück
 
(vgl. Wilk 1996: 79-80).
 
(vgl. Wilk 1996: 79-80).
  
Line 2,765: Line 2,525:
  
 
===4.1.1.6 Typologischer Evolutionismus: Organische und mechanische Solidarität===
 
===4.1.1.6 Typologischer Evolutionismus: Organische und mechanische Solidarität===
 +
----
  
 
[[File:theogrundlagen-87_1.jpg|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-87_1.jpg|frame|right]]
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orientieren Gesellschaften der damaligen Kolonien.
 
orientieren Gesellschaften der damaligen Kolonien.
  
*  Die intensive Arbeitsteilung ergibt in unserer Gesellschaft durch
+
*  Die intensive Arbeitsteilung ergibt in unserer Gesellschaft durch ihr bloßes Vorhandensein ein Aufeinander-angewiesen-Sein der einzelnen Individuen, sie wird somit zum "Kitt", der die Gesellschaft zusammenhält. Die '''Arbeitsteilung''' schafft laut Durkheim eine '''"organische Solidarität"'''. Konsens resultiert aus einer Differenzierung der einzelnen Mitglieder, die einander nicht ähnlich, aber aufeinander angewiesen sind. In Analogie zum menschlichen Organismus haben die einzelnen Teile der Gesellschaft wie menschliche Organe jeweils verschiedene Funktionen, die nur in ihrer Gesamtheit ein Ganzes bilden.
    ihr bloßes Vorhandensein ein Aufeinander-angewiesen-Sein der
+
*  Durkheim argumentiert nun, dass der Zusammenhalt in Gesellschaften, die nicht auf einer derartig intensiven Arbeitsteilung aufbauen, in der die einzelnen Mitglieder oder kleinere Einheiten alle Arbeiten gleichermaßen verrichten und daher nicht auf andere angewiesen sind, durch etwas anderes gewährleistet werden muss. Der gesellschaftliche Konsens wird über die Religion hergestellt. Durkheim nennt dies '''"mechanische Solidarität"'''.
    einzelnen Individuen, sie wird somit zum "Kitt", der die
 
    Gesellschaft zusammenhält. Die ''Arbeitsteilung'' schafft laut
 
    Durkheim eine ''"organische Solidarität"''. Konsens resultiert aus
 
    einer Differenzierung der einzelnen Mitglieder, die einander nicht
 
    ähnlich, aber aufeinander angewiesen sind. In Analogie zum
 
    menschlichen Organismus haben die einzelnen Teile der Gesellschaft
 
    wie menschliche Organe jeweils verschiedene Funktionen, die nur in
 
    ihrer Gesamtheit ein Ganzes bilden.
 
*  Durkheim argumentiert nun, dass der Zusammenhalt in Gesellschaften,
 
    die nicht auf einer derartig intensiven Arbeitsteilung aufbauen, in
 
    der die einzelnen Mitglieder oder kleinere Einheiten alle Arbeiten
 
    gleichermaßen verrichten und daher nicht auf andere angewiesen sind,
 
    durch etwas anderes gewährleistet werden muss. Der gesellschaftliche
 
    Konsens wird über die Religion hergestellt. Durkheim nennt dies
 
    ''"mechanische Solidarität"''.
 
  
 
Während viele Fragestellungen in diesem Zusammenhang weiterhin Relevanz
 
Während viele Fragestellungen in diesem Zusammenhang weiterhin Relevanz
haben, entspricht der ''typologische'' ''Evolutionismus[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Evolutionismus#2.2 Evolutionismus|[1]]]'', der in
+
haben, entspricht der '''typologische''' '''Evolutionismus[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Evolutionismus#2.2 Evolutionismus|[1]]]''', der in
 
diesem Ansatz zum Ausdruck kommt, zwar der Theorienbildung seiner Zeit,
 
diesem Ansatz zum Ausdruck kommt, zwar der Theorienbildung seiner Zeit,
ist aber ''heute in dieser Form überholt''.
+
ist aber '''heute in dieser Form überholt'''.
  
Eine deutliche ''Unterscheidung zwischen sakralen, nicht-industriellen
+
Eine deutliche '''Unterscheidung zwischen sakralen, nicht-industriellen
 
Gesellschaften und säkularen Industriegesellschaften ist nicht
 
Gesellschaften und säkularen Industriegesellschaften ist nicht
möglich''. Die gegenwärtige Industriegesellschaft kann keineswegs als
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möglich'''. Die gegenwärtige Industriegesellschaft kann keineswegs als
 
ausschließlich säkular betrachtet werden, Weltbild und Religion stellen
 
ausschließlich säkular betrachtet werden, Weltbild und Religion stellen
 
auch hier und heute handlungsleitende Wertsysteme dar.
 
auch hier und heute handlungsleitende Wertsysteme dar.
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aufgegriffen wurden.
 
aufgegriffen wurden.
  
''Verweise:''
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'''Verweise:'''
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Evolutionismus#2.2 Evolutionismus|[1] Siehe Kapitel 2.2]]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Evolutionismus#2.2 Evolutionismus|[1] Siehe Kapitel 2.2]]<br/>
  
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==4.1.2 Max Weber==
 
==4.1.2 Max Weber==
  
[[File:theogrundlagen-88_1.jpg|frame|right|Quelle: ''https://web.archive.org/web/20050922063640/http://www.uni-heidelberg.de/presse/news04/2412weber.html [https://web.archive.org/web/20050922063640/http://www.uni-heidelberg.de/presse/news04/2412weber.html  &#91;1&#93;]'']]
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[[File:theogrundlagen-88_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050922063640/http://www.uni-heidelberg.de/presse/news04/2412weber.html [https://web.archive.org/web/20050922063640/http://www.uni-heidelberg.de/presse/news04/2412weber.html  &#91;1&#93;]''']]
  
''Max Weber (1864-1920)''
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'''Max Weber (1864-1920)'''
  
 
1905: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus
 
1905: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus
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Voraussetzungen für die Entstehung des Kapitalismus geschaffen?
 
Voraussetzungen für die Entstehung des Kapitalismus geschaffen?
  
''Max Weber'' leistete wichtige Beiträge zu verschiedenen
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'''Max Weber''' leistete wichtige Beiträge zu verschiedenen
wissenschaftlichen Disziplinen, gilt jedoch primär als ''Soziologe''. Er
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wissenschaftlichen Disziplinen, gilt jedoch primär als '''Soziologe'''. Er
 
grenzt sich von dominanten Geistesströmungen und Menschenbildern seiner
 
grenzt sich von dominanten Geistesströmungen und Menschenbildern seiner
 
Zeit ab: Weber betrachtet den Menschen als komplexes soziales und
 
Zeit ab: Weber betrachtet den Menschen als komplexes soziales und
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Impulse bestimmt ist.
 
Impulse bestimmt ist.
  
Weber geht davon aus, dass ''menschliches Handeln von verschiedenen
+
Weber geht davon aus, dass '''menschliches Handeln von verschiedenen
Motiven geleitet'' werden kann, die in ''unterschiedlichen historischen,
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Motiven geleitet''' werden kann, die in '''unterschiedlichen historischen,
sozialen und politischen Kontexten'' zum Tragen kommen: Manchmal werden
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sozialen und politischen Kontexten''' zum Tragen kommen: Manchmal werden
Menschen in ihren Handlungen von kollektiven ''Wertvorstellungen''
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Menschen in ihren Handlungen von kollektiven '''Wertvorstellungen'''
bestimmt, in anderen Fällen handeln sie ''individuell und
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bestimmt, in anderen Fällen handeln sie '''individuell und
interessenorientiert'' oder agieren aufgrund althergebrachter
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interessenorientiert''' oder agieren aufgrund althergebrachter
''Traditionen''.
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'''Traditionen'''.
  
Weiters argumentiert Weber, dass Menschen aus ''verschiedenen Gründen in
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Weiters argumentiert Weber, dass Menschen aus '''verschiedenen Gründen in
sozialen Verbänden leben und handeln'': Zum einen, da sie materielle
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sozialen Verbänden leben und handeln''': Zum einen, da sie materielle
 
Güter teilen und durch äußere Umstände zu gemeinsamen Aktionen gezwungen
 
Güter teilen und durch äußere Umstände zu gemeinsamen Aktionen gezwungen
 
werden, zum anderen weil sie Ideale, Werte und Gefühle teilen (Weber
 
werden, zum anderen weil sie Ideale, Werte und Gefühle teilen (Weber
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Während Webers Theorien zu Gesellschaft, Wertsystem und Wirtschaft in
 
Während Webers Theorien zu Gesellschaft, Wertsystem und Wirtschaft in
vielen Aspekten mit jenen von ''Èmile Durkkeim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2]]]'' übereinstimmen,
+
vielen Aspekten mit jenen von '''Èmile Durkkeim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2]]]''' übereinstimmen,
''entwirft Weber ein differenziertes Bild von Mensch und Gemeinschaft'',
+
'''entwirft Weber ein differenziertes Bild von Mensch und Gemeinschaft''',
 
Durkheim hingegen geht von einem stark homogenisierenden
 
Durkheim hingegen geht von einem stark homogenisierenden
 
Gesellschaftsmodell aus.
 
Gesellschaftsmodell aus.
  
''Max Weber im WWW:''
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'''Max Weber im WWW:'''
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'''https://web.archive.org/web/20051230111923/http://www.uni-potsdam.de/u/paed/Flitner/Flitner/Weber/ [https://web.archive.org/web/20051230111923/http://www.uni-potsdam.de/u/paed/Flitner/Flitner/Weber/  &#91;3&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20051230111923/http://www.uni-potsdam.de/u/paed/Flitner/Flitner/Weber/ [https://web.archive.org/web/20051230111923/http://www.uni-potsdam.de/u/paed/Flitner/Flitner/Weber/  &#91;3&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051115124227/http://www.kfunigraz.ac.at/sozwww/agsoe/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm [https://web.archive.org/web/20051115124227/http://www.kfunigraz.ac.at/sozwww/agsoe/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm &#91;4&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20051115124227/http://www.kfunigraz.ac.at/sozwww/agsoe/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm [https://web.archive.org/web/20051115124227/http://www.kfunigraz.ac.at/sozwww/agsoe/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm  &#91;4&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051231234355/http://www.faculty.rsu.edu/~felwell/Theorists/Weber/Whome.htm [https://web.archive.org/web/20051231234355/http://www.faculty.rsu.edu/~felwell/Theorists/Weber/Whome.htm  &#91;5&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20051231234355/http://www.faculty.rsu.edu/~felwell/Theorists/Weber/Whome.htm [https://web.archive.org/web/20051231234355/http://www.faculty.rsu.edu/~felwell/Theorists/Weber/Whome.htm &#91;5&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051228234902/http://www2.fmg.uva.nl/sociosite/topics/weber.html [https://web.archive.org/web/20051228234902/http://www2.fmg.uva.nl/sociosite/topics/weber.html &#91;6&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20051228234902/http://www2.fmg.uva.nl/sociosite/topics/weber.html [https://web.archive.org/web/20051228234902/http://www2.fmg.uva.nl/sociosite/topics/weber.html  &#91;6&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20060705103048/http://xroads.virginia.edu/~HYPER/WEBER/toc.html [https://web.archive.org/web/20060705103048/http://xroads.virginia.edu/~HYPER/WEBER/toc.html  &#91;7&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20060705103048/http://xroads.virginia.edu/~HYPER/WEBER/toc.html [https://web.archive.org/web/20060705103048/http://xroads.virginia.edu/~HYPER/WEBER/toc.html  &#91;7&#93;]''
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20050922063640/http://www.uni-heidelberg.de/presse/news04/2412weber.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050922063640/http://www.uni-heidelberg.de/presse/news04/2412weber.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050922063640/http://www.uni-heidelberg.de/presse/news04/2412weber.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050922063640/http://www.uni-heidelberg.de/presse/news04/2412weber.html]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
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===4.1.2.1 Kultur und Wert===
 
===4.1.2.1 Kultur und Wert===
 
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Weber geht davon aus, dass ''Ideen und Werte in spezifischen
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[[File:theogrundlagen-91_1.jpg|frame|right]]
historischen Kontexten'' entstehen und das Handeln der Menschen
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Weber geht davon aus, dass '''Ideen und Werte in spezifischen
maßgeblich bestimmen. Dem zu folge stellt jede ''Kultur eine Ganzheit''
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historischen Kontexten''' entstehen und das Handeln der Menschen
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maßgeblich bestimmen. Dem zu folge stellt jede '''Kultur eine Ganzheit'''
 
dar, die über eigene Werte und einen eigenen "Geist" verfügt; in
 
dar, die über eigene Werte und einen eigenen "Geist" verfügt; in
 
diesem Sinne beeinflusste Weber die Forschungsrichtung des
 
diesem Sinne beeinflusste Weber die Forschungsrichtung des
''Kulturrelativismus'' (insbesondere der US Amerikanischen
+
'''Kulturrelativismus''' (insbesondere der US Amerikanischen
 
Kulturanthropologie).
 
Kulturanthropologie).
  
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Zivilisation und analysiert deren wirtschaftliches und soziales
 
Zivilisation und analysiert deren wirtschaftliches und soziales
 
Verhalten. Der spezifische "Geist" einer Kultur bestimmt Weber zu
 
Verhalten. Der spezifische "Geist" einer Kultur bestimmt Weber zu
folge auch ''ökonomische Prozesse'', so untersucht er u.a. die
+
folge auch '''ökonomische Prozesse''', so untersucht er u.a. die
''Auswirkungen des hinduistischen Kastensystems auf die (lokale)
+
'''Auswirkungen des hinduistischen Kastensystems auf die (lokale)
Ökonomie''.
+
Ökonomie'''.
 
 
[[File:theogrundlagen-91_1.jpg|frame|right]]
 
  
 
Eine seiner Thesen in diesem Zusammenhang lautet, dass das Kastensystem
 
Eine seiner Thesen in diesem Zusammenhang lautet, dass das Kastensystem
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Diese Annahme ist heute - in Hinblick auf neuere Entwicklungen in der
 
Diese Annahme ist heute - in Hinblick auf neuere Entwicklungen in der
 
indischen Wirtschaft - jedoch nur mehr begrenzt zutreffend. Seine
 
indischen Wirtschaft - jedoch nur mehr begrenzt zutreffend. Seine
berühmteste Arbeit in diesem Forschungsfeld, die ''Protestantische Ethik
+
berühmteste Arbeit in diesem Forschungsfeld, die '''Protestantische Ethik
und der "Geist" des Kapitalismus'' (Weber 1904/05) stellt eine Analyse
+
und der "Geist" des Kapitalismus''' (Weber 1904/05) stellt eine Analyse
 
europäischer Geistesströmungen und ihrer Implikationen für ökonomisches
 
europäischer Geistesströmungen und ihrer Implikationen für ökonomisches
 
Handeln dar.
 
Handeln dar.
 
 
  
 
===4.1.2.2 Wirtschaft, Werte, Religion: "Die protestantische Ethik und der "Geist" des Kapitalismus"===
 
===4.1.2.2 Wirtschaft, Werte, Religion: "Die protestantische Ethik und der "Geist" des Kapitalismus"===
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Die '''Protestantische Ethik und der "Geist" des Kapitalismus'''
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Die ''Protestantische Ethik und der "Geist" des Kapitalismus''
 
(Weber 1904/05) stellt ein zentrales Werk für die Sozial- und
 
(Weber 1904/05) stellt ein zentrales Werk für die Sozial- und
 
Geisteswissenschaften dar, das sowohl inhaltlich als auch methodologisch
 
Geisteswissenschaften dar, das sowohl inhaltlich als auch methodologisch
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keineswegs den Anspruch stellt, eine universelle Erklärung für das
 
keineswegs den Anspruch stellt, eine universelle Erklärung für das
 
Phänomen des modernen Kapitalismus zu liefern. Er selbst sieht seine
 
Phänomen des modernen Kapitalismus zu liefern. Er selbst sieht seine
Leistung auf zwei Ebenen: einerseits will er einen ''partikulären
+
Leistung auf zwei Ebenen: einerseits will er einen '''partikulären
Beitrag zum Verständnis des modernen Kapitalismus'' und seines
+
Beitrag zum Verständnis des modernen Kapitalismus''' und seines
"Geistes" vorlegen, andererseits will er veranschaulichen, ''wie
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"Geistes" vorlegen, andererseits will er veranschaulichen, '''wie
"Ideen" überhaupt in der Geschichte wirksam werden'' (Weber 1988:82).
+
"Ideen" überhaupt in der Geschichte wirksam werden''' (Weber 1988:82).
  
''Verkürzt die zentrale These:''
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'''Verkürzt die zentrale These:'''
  
Im ''katholischen mittelalterlichen Weltbild'' war ''Arbeit ein
+
Im '''katholischen mittelalterlichen Weltbild''' war '''Arbeit ein
notwendiges Übel'' und ''keineswegs ethisch hoch bewertet''. Arbeit
+
notwendiges Übel''' und '''keineswegs ethisch hoch bewertet'''. Arbeit
 
wurde in erster Linie von unteren sozialen Schichten erzwungen. Das
 
wurde in erster Linie von unteren sozialen Schichten erzwungen. Das
 
ideale Leben war die 'Vita contemplativa', das geruhsame und
 
ideale Leben war die 'Vita contemplativa', das geruhsame und
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"Gottes Gnade"). Geringe soziale Mobilität war die Folge.
 
"Gottes Gnade"). Geringe soziale Mobilität war die Folge.
  
''Der Protestantismus veränderte das europäische und amerikanische
+
'''Der Protestantismus veränderte das europäische und amerikanische
Wertesystem'' und schafft die geistigen Voraussetzungen für die
+
Wertesystem''' und schafft die geistigen Voraussetzungen für die
 
Entstehung des Kapitalismus.
 
Entstehung des Kapitalismus.
  
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===4.1.2.3 Form und "Geist" des Kapitalismus===
 
===4.1.2.3 Form und "Geist" des Kapitalismus===
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[[File:theogrundlagen-93_1.jpg|frame|right|Puritaner in den USA (historische Performance). Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html [https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html  &#91;1&#93;]''']]
 +
Max Weber trifft eine vorläufige Unterscheidung zwischen:
  
Max Weber trifft eine vorläufige Unterscheidung zwischen:
+
*  dem '''"Erwerbstrieb"''', den er auch '''"Streben nach Gewinn"''' nennt. Dem zugrunde liegt die Annahme, dass der Erwerb von Geld zum Ausgangspunkt für noch mehr Erwerb wird. Voraussetzung dafür sind Wagemut und Investitionsmentalität. Diese Art der hedonistischen Bereicherung, die als kalkulierende Habgier auftritt, hält Weber für uralt und beinahe universell. So möchte Weber seinen Begriff nicht verstanden wissen, denn dem gegenüber steht eine ausschließlich im Okzident der Neuzeit entwickelte Form des Kapitalismus: "die rational-kapitalistische Organisation von (formell) freier Arbeit" (Weber 1988: 7). Diese setzt eine spezifische Ethik voraus, den
 +
*  '''"Geist" des Kapitalismus''', der "[...] den Charakter einer ethisch gefärbten Maxime der Lebensführung [...]" (Weber 1988: 33) annimmt. Dieser "Geist" stellt sozusagen die qualitative Dimension des modernen Kapitalismus dar, bietet ihm den Nährboden zu seiner Ausbreitung, wie auch der "Geist" im Kapitalismus seine entsprechende Daseinsmöglichkeit findet. Der reine Selbstzweck des Gelderwerbs steht hier im Vordergrund, denn Erwerb von Geld erfolgt in diesem Zusammenhang unter strikter Vermeidung von jedweden Genuss. Im erfolgreichen Gelderwerb zeigt sich lediglich die "'Nützlichkeit' der Tugend" (Weber 1988: 35) als eine Folge der '''protestantischen Berufsethik'''.
  
*  dem ''"Erwerbstrieb"'', den er auch ''"Streben nach Gewinn"''
 
    nennt. Dem zugrunde liegt die Annahme, dass der Erwerb von Geld zum
 
    Ausgangspunkt für noch mehr Erwerb wird. Voraussetzung dafür sind
 
    Wagemut und Investitionsmentalität. Diese Art der hedonistischen
 
    Bereicherung, die als kalkulierende Habgier auftritt, hält Weber für
 
    uralt und beinahe universell. So möchte Weber seinen Begriff nicht
 
    verstanden wissen, denn dem gegenüber steht eine ausschließlich im
 
    Okzident der Neuzeit entwickelte Form des Kapitalismus: "die
 
    rational-kapitalistische Organisation von (formell) freier Arbeit"
 
    (Weber 1988: 7). Diese setzt eine spezifische Ethik voraus, den
 
*  ''"Geist" des Kapitalismus'', der "[...] den Charakter einer
 
    ethisch gefärbten Maxime der Lebensführung [...]" (Weber
 
    1988: 33) annimmt. Dieser "Geist" stellt sozusagen die qualitative
 
    Dimension des modernen Kapitalismus dar, bietet ihm den Nährboden zu
 
    seiner Ausbreitung, wie auch der "Geist" im Kapitalismus seine
 
    entsprechende Daseinsmöglichkeit findet. Der reine Selbstzweck des
 
    Gelderwerbs steht hier im Vordergrund, denn Erwerb von Geld erfolgt
 
    in diesem Zusammenhang unter strikter Vermeidung von jedweden
 
    Genuss. Im erfolgreichen Gelderwerb zeigt sich lediglich die
 
    "'Nützlichkeit' der Tugend" (Weber 1988: 35) als eine Folge der
 
    ''protestantischen Berufsethik''.
 
  
[[File:theogrundlagen-93_1.jpg|frame|right|Puritaner in den USA (historische Performance). Quelle: ''https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html [https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html  &#91;1&#93;]'']]
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html]<br/>
 
 
  
 
===4.1.2.4 Wirkungsweisen und geistige Ursachen des Kapitalismus===
 
===4.1.2.4 Wirkungsweisen und geistige Ursachen des Kapitalismus===
 
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Weber versteht unter "Geist" des Kapitalismus ''nicht das vom
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[[File:theogrundlagen-94_1.jpg|frame|right|Siedlung der Puritaner in Northampton, Massachusetts, USA.Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html [https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html  &#91;1&#93;]''']]
Kapitalismus "Bewirkte"'', sondern erachtet diesen als eine,
+
Weber versteht unter "Geist" des Kapitalismus '''nicht das vom
allerdings sehr wichtige, ''Ursache'' für den Siegeszug des "modernen"
+
Kapitalismus "Bewirkte"''', sondern erachtet diesen als eine,
 +
allerdings sehr wichtige, '''Ursache''' für den Siegeszug des "modernen"
 
Kapitalismus.
 
Kapitalismus.
  
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kapitalistische Moderne sei ausschließlich ein reines Produkt der
 
kapitalistische Moderne sei ausschließlich ein reines Produkt der
 
Aufklärung und der durchgreifenden Rationalisierung auf den Gebieten der
 
Aufklärung und der durchgreifenden Rationalisierung auf den Gebieten der
Ökonomie und der Technik. Vielmehr beruht sie auf einer ''vormals auf
+
Ökonomie und der Technik. Vielmehr beruht sie auf einer '''vormals auf
die Religion bezogenen, nunmehr "kapitalistischen" Berufsethik'', die
+
die Religion bezogenen, nunmehr "kapitalistischen" Berufsethik''', die
 
sich in ihrer Funktion von ihren ursprünglichen Motiven emanzipiert hat.
 
sich in ihrer Funktion von ihren ursprünglichen Motiven emanzipiert hat.
 
Der Kapitalismus zwingt die Akteure, sich im wirtschaftlichen Handeln
 
Der Kapitalismus zwingt die Akteure, sich im wirtschaftlichen Handeln
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anzupassen.
 
anzupassen.
  
Damit jene ''dem Kapitalismus angepasste Art der Lebensführung'' in
+
Damit jene '''dem Kapitalismus angepasste Art der Lebensführung''' in
 
solcher Weise wirksam werden kann, muss sie zuerst als Lebensweise von
 
solcher Weise wirksam werden kann, muss sie zuerst als Lebensweise von
 
Menschengruppen entstanden sein. In diesem Zusammenhang untersucht er
 
Menschengruppen entstanden sein. In diesem Zusammenhang untersucht er
verschiedene Aspekte der ''Ethik des Protestantismus''.
+
verschiedene Aspekte der '''Ethik des Protestantismus'''.
  
[[File:theogrundlagen-94_1.jpg|frame|right|Siedlung der Puritaner in Northampton, Massachusetts, USA.Quelle: ''https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html [https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html  &#91;1&#93;]'']]
+
'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html]<br/>
 
 
  
 
===4.1.2.5 Askese und wirtschaftliches Handeln===
 
===4.1.2.5 Askese und wirtschaftliches Handeln===
 +
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Zentral am "Geist" des Kapitalismus ist der für die
 
Zentral am "Geist" des Kapitalismus ist der für die
"traditionalistische" Erwerbswirtschaft neue Gedanke ''des
+
"traditionalistische" Erwerbswirtschaft neue Gedanke '''des
vollständigen Re-Investierens von Kapital, anstatt es zu verbrauchen''.
+
vollständigen Re-Investierens von Kapital, anstatt es zu verbrauchen'''.
  
 
Im Unterschied zu der Form kapitalistischen Erwerbsstrebens, die
 
Im Unterschied zu der Form kapitalistischen Erwerbsstrebens, die
 
keineswegs immer einer ethischen Maxime bedarf, findet sich im Geist des
 
keineswegs immer einer ethischen Maxime bedarf, findet sich im Geist des
 
zum Selbstzweck und Lebensinhalt gewordenen kapitalistischen Handels ein
 
zum Selbstzweck und Lebensinhalt gewordenen kapitalistischen Handels ein
wesentlich ''irrationales Moment'': die ''Motivation eines Individuums,
+
wesentlich '''irrationales Moment''': die '''Motivation eines Individuums,
die Arbeit um ihrer selbst willen gewissenhaft zu erledigen'', ohne den
+
die Arbeit um ihrer selbst willen gewissenhaft zu erledigen''', ohne den
 
unter Umständen reichhaltigen Lohn zu genießen und zur Schau zu stellen.
 
unter Umständen reichhaltigen Lohn zu genießen und zur Schau zu stellen.
 
Dies verlangt nach einer asketischen Lebensweise, einer Einstellung zum
 
Dies verlangt nach einer asketischen Lebensweise, einer Einstellung zum
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===4.1.2.6 Berufsidee und Gnadenwahllehre===
 
===4.1.2.6 Berufsidee und Gnadenwahllehre===
 +
----
  
 
[[File:theogrundlagen-96_1.jpg|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-96_1.jpg|frame|right]]
Quelle: ''https://web.archive.org/web/20051119155737/http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0039/ch07.htm [https://web.archive.org/web/20051119155737/http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0039/ch07.htm  &#91;1&#93;]''
+
Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051119155737/http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0039/ch07.htm [https://web.archive.org/web/20051119155737/http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0039/ch07.htm  &#91;1&#93;]'''
  
''"'Der Puritaner wollte Berufsmensch sein, wir müssen es.'"'' (Weber
+
'''"'Der Puritaner wollte Berufsmensch sein, wir müssen es.'"''' (Weber
 
1904/05: 153)
 
1904/05: 153)
  
 
In allen protestantischen Glaubensrichtungen findet sich der
 
In allen protestantischen Glaubensrichtungen findet sich der
 
Zusammenhang zwischen Beruf und Berufung. Die Bibelübersetzung Martin
 
Zusammenhang zwischen Beruf und Berufung. Die Bibelübersetzung Martin
Luthers gilt als der Ursprung der Betonung des weltlichen ''Berufes'',
+
Luthers gilt als der Ursprung der Betonung des weltlichen '''Berufes''',
durch den der ''"Ruf zu Gott"'' erfüllt werden kann. Neu war nicht die
+
durch den der '''"Ruf zu Gott"''' erfüllt werden kann. Neu war nicht die
Hochbewertung der weltlichen Alltagsarbeit, sondern *"die Schätzung der
+
Hochbewertung der weltlichen Alltagsarbeit, sondern "die Schätzung der
 
Pflichterfüllung innerhalb der weltlichen Berufe als des höchsten
 
Pflichterfüllung innerhalb der weltlichen Berufe als des höchsten
Ideals, den die sittliche Selbstbestätigung überhaupt annehmen könne"*
+
Ideals, den die sittliche Selbstbestätigung überhaupt annehmen könne"
 
(Weber 1988: 69).
 
(Weber 1988: 69).
  
 
Besondere Bedeutung kommt der weiterführenden Interpretation dieser
 
Besondere Bedeutung kommt der weiterführenden Interpretation dieser
Lehre für die Lebenspraxis zu, die vor allem im ''Calvinismus'' und
+
Lehre für die Lebenspraxis zu, die vor allem im '''Calvinismus''' und
 
anderen protestantischen Gruppen eine neue Form annahm. Das Streben nach
 
anderen protestantischen Gruppen eine neue Form annahm. Das Streben nach
Erwerb scheint in der ''Lehre von der Gnadenwahl'' alleine auf das
+
Erwerb scheint in der '''Lehre von der Gnadenwahl''' alleine auf das
''Streben nach Seelenheil'' und auf die Erkenntnis des Gnadenstandes
+
'''Streben nach Seelenheil''' und auf die Erkenntnis des Gnadenstandes
 
ausgerichtet zu sein. Die kapitalistische Geisteshaltung ist nach Weber
 
ausgerichtet zu sein. Die kapitalistische Geisteshaltung ist nach Weber
 
in diesem Zusammenhang, und nur in diesem, Konsequenz rein religiöser
 
in diesem Zusammenhang, und nur in diesem, Konsequenz rein religiöser
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Daraus folgt:
 
Daraus folgt:
  
*  ''Die Pflicht, sich für erwählt zu halten und''
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'''Die Pflicht, sich für erwählt zu halten und'''
  
```{=html}
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'''ruhelose Berufsarbeit, um sich der Gewissheit des Gnadenstandes zu versichern'''.
<!-- -->
 
```
 
*  ''ruhelose Berufsarbeit, um sich der Gewissheit des Gnadenstandes zu
 
    versichern''.
 
  
 
Der Glaube muss sich also an seiner Wirkung messen, und je effizienter
 
Der Glaube muss sich also an seiner Wirkung messen, und je effizienter
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Gnadenstand.
 
Gnadenstand.
  
''Verweise:''
+
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20051119155737/http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0039/ch07.htm  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051119155737/http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0039/ch07.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051119155737/http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0039/ch07.htm  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051119155737/http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0039/ch07.htm]<br/>
  
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===4.1.2.7 Zeit ist Geld===
 
===4.1.2.7 Zeit ist Geld===
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[[File:theogrundlagen-97_1.jpg|frame|right|Quelle: ''www.three18.com/ p_faq.html[www.three18.com/ p_faq.html [1]]]'']]
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[[File:theogrundlagen-97_1.jpg|frame|right|Quelle: '''www.three18.com/ p_faq.html[www.three18.com/ p_faq.html &#91;1&#93;]''']]
  
 
Bei den Vertretern des Puritanismus findet man eine aus der
 
Bei den Vertretern des Puritanismus findet man eine aus der
 
traditionalistischen Moraltheologie entstandene Bewertung von Reichtum:
 
traditionalistischen Moraltheologie entstandene Bewertung von Reichtum:
  
*  ''Reichtum an sich gilt zwar als sittliche Gefahr'', die Askese des
+
'''Reichtum an sich gilt zwar als sittliche Gefahr''', die Askese des Puritanismus wendet sich scheinbar gegen jedes Streben nach Vermehrung des Reichtums, doch die eigentliche Ablehnung richtet sich gegen das Ausruhen auf und das Genießen von Besitz, da beides eine "[...] Ablenkung von dem Streben nach ‚heiligem' Leben [bedeutet]. Und nur weil der Besitz die Gefahr des Ausruhens mit sich bringt, ist er bedenklich" (Weber 1988: 167).
    Puritanismus wendet sich scheinbar gegen jedes Streben nach
+
*  Nur das Handeln und nicht Muße dient der Vermehrung von Gottes Ruhm. Zeitvergeudung wird somit zur schweren Sünde. Der von Benjamin Franklin (einem Puritaner) stammende Ausdruck '''"Zeit ist Geld"''' ist in diesem Sinne zu verstehen: '''Jede verschwendete Stunde ohne Arbeit, ist die verlorene Zeit, Gottes Ruhm zu vermehren.''' Daher kommen auch die puritanische Wertschätzung der Arbeit und die Auforderung der Moraltheologen, hart im Beruf zu arbeiten. '''"Die Arbeitsunlust ist Symptom fehlenden Gnadenstandes"''' (Weber 1988: 171), und der Reichtum entbindet in keiner Weise von den oben angeführten Pflichten.
    Vermehrung des Reichtums, doch die eigentliche Ablehnung richtet
+
 
    sich gegen das Ausruhen auf und das Genießen von Besitz, da beides
+
'''Verweise:'''
    eine "[...] Ablenkung von dem Streben nach ‚heiligem' Leben
 
    [bedeutet]. Und nur weil der Besitz die Gefahr des Ausruhens mit
 
    sich bringt, ist er bedenklich" (Weber 1988: 167).
 
*  Nur das Handeln und nicht Muße dient der Vermehrung von Gottes Ruhm.
 
    Zeitvergeudung wird somit zur schweren Sünde. Der von Benjamin
 
    Franklin (einem Puritaner) stammende Ausdruck ''"Zeit ist Geld"''
 
    ist in diesem Sinne zu verstehen: ''Jede verschwendete Stunde ohne
 
    Arbeit, ist die verlorene Zeit, Gottes Ruhm zu vermehren.'' Daher
 
    kommen auch die puritanische Wertschätzung der Arbeit und die
 
    Auforderung der Moraltheologen, hart im Beruf zu arbeiten. ''"Die
 
    Arbeitsunlust ist Symptom fehlenden Gnadenstandes"'' (Weber 1988:
 
    171), und der Reichtum entbindet in keiner Weise von den oben
 
    angeführten Pflichten.
 
  
''Verweise:''
 
 
[www.three18.com/ p_faq.html  &#91;1&#93; www.three18.com/ p_faq.html]<br/>
 
[www.three18.com/ p_faq.html  &#91;1&#93; www.three18.com/ p_faq.html]<br/>
  
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===4.1.2.8 Geistige und materielle Grundlagen des Kapitalismus===
 
===4.1.2.8 Geistige und materielle Grundlagen des Kapitalismus===
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Die protestantische Ethik greift einerseits mit voller Wucht den
 
Die protestantische Ethik greift einerseits mit voller Wucht den
unbefangenen Genuss des Besitzes an, doch entlastet sie den ''Erwerb''
+
unbefangenen Genuss des Besitzes an, doch entlastet sie den '''Erwerb'''
 
an sich von den traditionalistischen Hemmnissen und macht ihn geradezu
 
an sich von den traditionalistischen Hemmnissen und macht ihn geradezu
zur ''Maxime des sittlichen Strebens''.
+
zur '''Maxime des sittlichen Strebens'''.
  
 
Max Weber sieht jedoch in den Geistesströmungen des Protestantismus
 
Max Weber sieht jedoch in den Geistesströmungen des Protestantismus
 
keineswegs die einzige oder die ausschlaggebende Ursache für die
 
keineswegs die einzige oder die ausschlaggebende Ursache für die
Entwicklung des Kapitalismus. Er geht von einer ''multikausalen
+
Entwicklung des Kapitalismus. Er geht von einer '''multikausalen
 
Vernetzung verschiedener historischer, materieller und immaterieller
 
Vernetzung verschiedener historischer, materieller und immaterieller
Gegebenheiten'' aus: Die Genese des kapitalistischen Geistes, oder noch
+
Gegebenheiten''' aus: Die Genese des kapitalistischen Geistes, oder noch
 
schlimmer - des Kapitalismus überhaupt - ausschließlich der Reformation
 
schlimmer - des Kapitalismus überhaupt - ausschließlich der Reformation
 
zu zuschreiben wäre - laut Max Weber - genauso töricht, wie zu
 
zu zuschreiben wäre - laut Max Weber - genauso töricht, wie zu
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===4.1.2.9 Ökonomie und Weltbild===
 
===4.1.2.9 Ökonomie und Weltbild===
 
+
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[[File:theogrundlagen-99_1.jpg|frame|left|Rituelle Waren: Christbaumschmuck. Foto:
+
<div><ul>
Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-99_1.jpg|thumb|none|Rituelle Waren: Christbaumschmuck. Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-99_2.jpg|frame|center|Rituelle Waren: Gebetsfahnen. Foto:
+
<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-99_2.jpg|thumb|none|Rituelle Waren: Gebetsfahnen. Foto: Elke Mader]] </li>
Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-99_3.jpg|thumb|none|Rituelle Waren: Santa Claus. Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-99_3.jpg|frame|right|Rituelle Waren: Santa Claus. Foto:
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</ul></div>
Elke Mader]]
 
  
 
Wenngleich viele Aspekte der Arbeiten von Max Weber immer wieder
 
Wenngleich viele Aspekte der Arbeiten von Max Weber immer wieder
 
heftiger Kritik ausgesetzt waren (etwa sowohl die historischen Aspekte
 
heftiger Kritik ausgesetzt waren (etwa sowohl die historischen Aspekte
 
der "Protestantischen Ethik" als auch ihre Schlussfolgerungen), setzte
 
der "Protestantischen Ethik" als auch ihre Schlussfolgerungen), setzte
er ''wesentliche Impulse'' für folgende Generationen von ''Sozial- und
+
er '''wesentliche Impulse''' für folgende Generationen von '''Sozial- und
KulturwissenschafterInnen''. Die Wechselwirkungen von gesellschaftlichen
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KulturwissenschafterInnen'''. Die Wechselwirkungen von gesellschaftlichen
 
und kulturellen Konventionen, kosmologischen Vorstellungen sowie
 
und kulturellen Konventionen, kosmologischen Vorstellungen sowie
 
religiös-moralischen Regelsystemen und verschiedenen Dimensionen des
 
religiös-moralischen Regelsystemen und verschiedenen Dimensionen des
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heute zentrale Themen der Kultur- und Sozialanthropologie.
 
heute zentrale Themen der Kultur- und Sozialanthropologie.
  
Weber übte ''nachhaltigen Einfluss'' auf die ''Fragestellungen und
+
Weber übte '''nachhaltigen Einfluss''' auf die '''Fragestellungen und
Arbeitsfelder der ökonomischen Anthropologie'' aus: So stellen etwa die
+
Arbeitsfelder der ökonomischen Anthropologie''' aus: So stellen etwa die
vielfältigen Verbindungsweisen zwischen ''(lokalen) symbolischen
+
vielfältigen Verbindungsweisen zwischen '''(lokalen) symbolischen
Systemen'' (Bedeutungen, Werten, "Geist") und ''wirtschaftlichen
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Systemen''' (Bedeutungen, Werten, "Geist") und '''wirtschaftlichen
Prozessen in einem globalisierten Handlungs- und Bedeutungsraum''
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Prozessen in einem globalisierten Handlungs- und Bedeutungsraum'''
 
gegenwärtig wichtige Forschungsfelder dar, zu deren Vordenkern Max Weber
 
gegenwärtig wichtige Forschungsfelder dar, zu deren Vordenkern Max Weber
 
zählt (vgl. z.B. Spittler 2002).
 
zählt (vgl. z.B. Spittler 2002).
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==4.1.3 Weber und Durkheim==
 
==4.1.3 Weber und Durkheim==
 
+
[[File:theogrundlagen-100_1.jpg|frame|right]]
 
Weber und Durkheim dürften einander persönlich nicht gekannt, aber
 
Weber und Durkheim dürften einander persönlich nicht gekannt, aber
 
registriert haben. Beide werfen (Durkheim vom Standpunkt der Soziologie
 
registriert haben. Beide werfen (Durkheim vom Standpunkt der Soziologie
 
und Anthropologie - Weber vom Standpunkt der Soziologie und
 
und Anthropologie - Weber vom Standpunkt der Soziologie und
Religionssoziologie) einen ''breiten sozialwissenschaftlichen Blick auf
+
Religionssoziologie) einen '''breiten sozialwissenschaftlichen Blick auf
 
die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von menschlichen Gesellschaften und
 
die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von menschlichen Gesellschaften und
Kulturen''. Beide repräsentieren auch eine Reaktion auf das Schaffen von
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Kulturen'''. Beide repräsentieren auch eine Reaktion auf das Schaffen von
 
Karl Marx.
 
Karl Marx.
  
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In Bezug auf Fragen der ökonomischen Anthropologie verfügen die beiden
 
In Bezug auf Fragen der ökonomischen Anthropologie verfügen die beiden
 
Wissenschafter über folgende Gemeinsamkeiten:
 
Wissenschafter über folgende Gemeinsamkeiten:
 
[[File:theogrundlagen-100_1.jpg|frame|right]]
 
 
  
  
 
===4.1.3.1 Religiöse Weltbilder und die "Entzauberung der Welt"===
 
===4.1.3.1 Religiöse Weltbilder und die "Entzauberung der Welt"===
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''Durkheim'' wurde im Elsaß als Sohn einer jüdischen, streng religiösen
+
'''Durkheim''' wurde im Elsaß als Sohn einer jüdischen, streng religiösen
 
Familie geboren. Er studiert in Paris und macht persönliche
 
Familie geboren. Er studiert in Paris und macht persönliche
Bekanntschaft mit ''Jean Jaurès'', dem späteren Führer der französischen
+
Bekanntschaft mit '''Jean Jaurès''', dem späteren Führer der französischen
 
sozialdemokratischen Arbeiterbewegung. Durkheim wird dadurch zum
 
sozialdemokratischen Arbeiterbewegung. Durkheim wird dadurch zum
Anhänger eines ''säkular modernistischenWeltbildes'', aber die Spannung
+
Anhänger eines '''säkular modernistischenWeltbildes''', aber die Spannung
 
seiner Jugendzeit zwischen streng religiösem Hintergrund im Elsaß und
 
seiner Jugendzeit zwischen streng religiösem Hintergrund im Elsaß und
 
den intellektuellen Pariser Studienjahren sowie die Freundschaft mit
 
den intellektuellen Pariser Studienjahren sowie die Freundschaft mit
 
Jaurès prägen wichtige Aspekte seines Werkes. Der von ihm postulierte
 
Jaurès prägen wichtige Aspekte seines Werkes. Der von ihm postulierte
''Gegensatz zwischen Sakralem und Profanem'', zwischen Religiösem und
+
'''Gegensatz zwischen Sakralem und Profanem''', zwischen Religiösem und
 
Nicht-Religiösem wird dadurch erklärbar.
 
Nicht-Religiösem wird dadurch erklärbar.
  
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Religiöse zu verstehen. Er versucht herauszuarbeiten - was ihm nach
 
Religiöse zu verstehen. Er versucht herauszuarbeiten - was ihm nach
 
heutigem Forschungsstand gründlich misslingt -, dass es diesen
 
heutigem Forschungsstand gründlich misslingt -, dass es diesen
''Gegensatz in allen Gesellschaften und zu allen Zeiten'' gegeben habe.
+
'''Gegensatz in allen Gesellschaften und zu allen Zeiten''' gegeben habe.
  
Dies ist auch ein entscheidender Unterschied zu ''Max Weber'', der in
+
Dies ist auch ein entscheidender Unterschied zu '''Max Weber''', der in
 
einem Teil seines Werkes darauf hinweist, dass der westliche Sonderweg
 
einem Teil seines Werkes darauf hinweist, dass der westliche Sonderweg
 
über die religiöse Reform, die Industrialisierung hin zur Aufklärung zu
 
über die religiöse Reform, die Industrialisierung hin zur Aufklärung zu
einem einzigartigen Ergebnis führt: zur ''Säkularisierung''. Keine
+
einem einzigartigen Ergebnis führt: zur '''Säkularisierung'''. Keine
 
andere Gesellschaftsform oder Kultur der Gegenwart oder Vergangenheit
 
andere Gesellschaftsform oder Kultur der Gegenwart oder Vergangenheit
 
sonst hat ein vorherrschend säkulares Weltbild aus sich heraus
 
sonst hat ein vorherrschend säkulares Weltbild aus sich heraus
 
hervorgebracht. Weber bezeichnet diesen europäischen Sonderweg als die
 
hervorgebracht. Weber bezeichnet diesen europäischen Sonderweg als die
''"Entzauberung der Welt"''.
+
'''"Entzauberung der Welt"'''.
 
 
 
 
  
 
==4.1.4 Bibliographie und weiterführende Literatur==
 
==4.1.4 Bibliographie und weiterführende Literatur==
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1 Vordenker| Vorheriges Kapitel: 4.1 Vordenker]]<br/>
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'''[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1 Vordenker| Vorheriges Kapitel: 4.1 Vordenker]]'''<br/>
 
=4.2 Frühe VertreterInnen=
 
=4.2 Frühe VertreterInnen=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
  
Der Begriff ''Substantivisten'' wurde erst 1957 durch Karl Polanyi
+
Der Begriff '''Substantivisten''' wurde erst 1957 durch Karl Polanyi
geprägt. Durch die ''Auseinandersetzung[[Neoklassik/Der_Grosse_Streit#3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit|[1]]]'' zwischen Substantivisten
+
geprägt. Durch die '''Auseinandersetzung[[Neoklassik/Der_Grosse_Streit#3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit|[1]]]''' zwischen Substantivisten
 
und Formalisten in den späten 1950er und 1960er Jahren ist es erst zur
 
und Formalisten in den späten 1950er und 1960er Jahren ist es erst zur
 
Formierung der Ökonomischen Anthropologie als eigener Subdisziplin
 
Formierung der Ökonomischen Anthropologie als eigener Subdisziplin
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maßgeblich beeinflussten:
 
maßgeblich beeinflussten:
  
*  ''Richard Thurnwald''
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'''Richard Thurnwald'''
*  ''Bronislaw Malinowski''
+
'''Bronislaw Malinowski'''
*  ''Marcel Mauss''
+
'''Marcel Mauss'''
 +
 
 +
'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[[Neoklassik/Der_Grosse_Streit#3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit|[1] Siehe Kapitel 3.3]]<br/>
 
[[Neoklassik/Der_Grosse_Streit#3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit|[1] Siehe Kapitel 3.3]]<br/>
  
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Die frühe ökonomische Anthropologie (Malinowski, Mauss, Firth,
 
Die frühe ökonomische Anthropologie (Malinowski, Mauss, Firth,
Herskovits) wurde entscheidend von ''deutschsprachigen Autoren und
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Herskovits) wurde entscheidend von '''deutschsprachigen Autoren und
insbesondere dem gebürtigen Österreicher Richard Thurnwald (1869-1954)''
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insbesondere dem gebürtigen Österreicher Richard Thurnwald (1869-1954)'''
 
beeinflusst.
 
beeinflusst.
  
 
So schreibt Marcel Mauss in seiner berühmten Gabe:
 
So schreibt Marcel Mauss in seiner berühmten Gabe:
  
*"Das Buch von Malinowski, wie das von Thurnwald, zeugt von der
+
<blockquote>Das Buch von Malinowski, wie das von Thurnwald, zeugt von der meisterhaften Beobachtung eines wirklichen Soziologen. Es sind im übrigen die Beobachtungen von Thurnwald über das mamoko (...), die uns auf die Spur eines Teils dieser Fakten gebracht haben." (Mauss 1990: 65, FN 60)</blockquote>
meisterhaften Beobachtung eines wirklichen Soziologen. Es sind im
 
übrigen die Beobachtungen von Thurnwald über das mamoko (...), die uns
 
auf die Spur eines Teils dieser Fakten gebracht haben."* (Mauss 1990:
 
65, FN 60)
 
  
 
Thurnwald lehnte sowohl den Evolutionismus als auch die Kulturkreislehre
 
Thurnwald lehnte sowohl den Evolutionismus als auch die Kulturkreislehre
 
seiner Zeitgenossen ab. Er plädierte für die Herausarbeitung von
 
seiner Zeitgenossen ab. Er plädierte für die Herausarbeitung von
''"repräsentativen Lebensbildern"auf empirischer Grundlage'', die
+
'''"repräsentativen Lebensbildern"auf empirischer Grundlage''', die
 
weder evolutionäre Stufen, noch Kulturkreise, noch Idealtypen darstellen
 
weder evolutionäre Stufen, noch Kulturkreise, noch Idealtypen darstellen
 
sollten (Köcke 1979: 145ff).
 
sollten (Köcke 1979: 145ff).
  
 
Die Ökonomie ist bei Thurnwald sozial determiniert. Die einzelnen
 
Die Ökonomie ist bei Thurnwald sozial determiniert. Die einzelnen
Wirtschaftsarten sind ''Resultate von permanenten Anpassungsprozessen an
+
Wirtschaftsarten sind '''Resultate von permanenten Anpassungsprozessen an
verschiedene Umweltbedingungen''. Gleichzeitig sind sie ''in
+
verschiedene Umweltbedingungen'''. Gleichzeitig sind sie '''in
unterschiedliche politische und soziale Konfigurationen eingebettet''.
+
unterschiedliche politische und soziale Konfigurationen eingebettet'''.
 
Aus der Kombination verschiedener Wirtschaftsarten und unterschiedlicher
 
Aus der Kombination verschiedener Wirtschaftsarten und unterschiedlicher
 
politischer und sozialer Systeme ergeben sich die
 
politischer und sozialer Systeme ergeben sich die
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entsprechen. (Link zu Steward)
 
entsprechen. (Link zu Steward)
  
''ThurnwaldsKernkonzept'' (1932a, 1932b) bezieht sich auf die
+
'''ThurnwaldsKernkonzept''' (1932a, 1932b) bezieht sich auf die
 
Verschränkung des Ökonomischen mit dem Politischen. Zunehmende
 
Verschränkung des Ökonomischen mit dem Politischen. Zunehmende
 
Arbeitsteilung innerhalb einer Gruppe und Kontakte zwischen
 
Arbeitsteilung innerhalb einer Gruppe und Kontakte zwischen
 
verschiedenen Gruppen führen zu Differenzierung in der Gruppe und setzen
 
verschiedenen Gruppen führen zu Differenzierung in der Gruppe und setzen
''Prozesse sozialer Stratifizierung'' in Gang. Aus kleinen, homogenen
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'''Prozesse sozialer Stratifizierung''' in Gang. Aus kleinen, homogenen
 
Gemeinschaften können so größere heterogene Gruppen entstehen. Gemeinsam
 
Gemeinschaften können so größere heterogene Gruppen entstehen. Gemeinsam
 
mit einer Akkumulation von Fertigkeiten und Wissen im Umgang mit der
 
mit einer Akkumulation von Fertigkeiten und Wissen im Umgang mit der
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gesellschaftliches Wesen ist und von der Gemeinschaft, in der er lebt,
 
gesellschaftliches Wesen ist und von der Gemeinschaft, in der er lebt,
 
abhängt. Eine Interaktion zwischen Personen folgt in homogenen
 
abhängt. Eine Interaktion zwischen Personen folgt in homogenen
Gemeinschaften dem Prinzip der '''Reziprozität''' und in stratifizierten
+
Gemeinschaften dem Prinzip der ''Reziprozität'' und in stratifizierten
Gesellschaften dem Prinzip der '''(Re)Distribution''' (Thurnwald 1912).
+
Gesellschaften dem Prinzip der ''(Re)Distribution'' (Thurnwald 1912).
 
"Primitive" Ökonomien beruhen wie unsere Ökonomie auf denselben
 
"Primitive" Ökonomien beruhen wie unsere Ökonomie auf denselben
 
allgemeinen Prinzipien des sozialen Lebens, nämlich Reziprozität und
 
allgemeinen Prinzipien des sozialen Lebens, nämlich Reziprozität und
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==4.2.2 Tausch und Gabe: Frühe Beiträge zur ökonomischen Anthropologie==
 
==4.2.2 Tausch und Gabe: Frühe Beiträge zur ökonomischen Anthropologie==
 
+
[[File:theogrundlagen-106_1.jpg|frame|right]]
Die VertreterInnen der ''ökonomischen Anthropologie'' gehen prinzipiell
+
Die VertreterInnen der '''ökonomischen Anthropologie''' gehen prinzipiell
von einer ''starken Vernetzung von Gesellschaft bzw. Kultur und
+
von einer '''starken Vernetzung von Gesellschaft bzw. Kultur und
ökonomischem Handeln'' aus. Je nach ihren generellen Standpunkten im
+
ökonomischem Handeln''' aus. Je nach ihren generellen Standpunkten im
 
Rahmen der kultur- und sozialanthropologischen Theorienbildung wird dem
 
Rahmen der kultur- und sozialanthropologischen Theorienbildung wird dem
 
Individuum oder der Gemeinschaft mehr oder weniger Bedeutung bei der
 
Individuum oder der Gemeinschaft mehr oder weniger Bedeutung bei der
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Sozialanthropologie als eigenständige Disziplin betrugen:
 
Sozialanthropologie als eigenständige Disziplin betrugen:
  
*  ''Bronislaw Malinowski''
+
'''Bronislaw Malinowski'''
*  ''Marcel Mauss''
+
'''Marcel Mauss'''
  
 
Im Mittelpunkt ihrer Arbeiten stehen Fragen der Distribution und des
 
Im Mittelpunkt ihrer Arbeiten stehen Fragen der Distribution und des
 
Austausches von Produkten. Ihre Analysen dieser Prozesse betonen die
 
Austausches von Produkten. Ihre Analysen dieser Prozesse betonen die
''Verflechtungen von Ökonomie und Gesellschaft'', von ''sozialen und
+
'''Verflechtungen von Ökonomie und Gesellschaft''', von '''sozialen und
religiösen Institutionen und Konzepten'' sowie von individuellen
+
religiösen Institutionen und Konzepten''' sowie von individuellen
 
Bedürfnissen und Interessen.
 
Bedürfnissen und Interessen.
  
*  ''Bronislaw Malinowski'' liefert eine genaue ''ethnographische
+
'''Bronislaw Malinowski''' liefert eine genaue '''ethnographische Beschreibung''' der Institution ''Kula'' in all ihren Dimensionen und analysiert sie im Rahmen des Funktionalismus. Seine Erkenntnisse basieren auf langjährigen Feldforschungen auf den Trobriand Inseln.
    Beschreibung'' der Institution '''Kula''' in all ihren Dimensionen
+
'''Marcel Mauss''' erstellt '''vergleichende Analysen und theoretische Überlegungen zum Konzept des Tausches''' bzw. der Gabe, wobei er (aufbauend auf der Arbeit von Malinowski) Kula zu anderen Formen von Austausch in verschiedenen Regionen und historischen Epochen (z.B. Potlatch in Nordwestamerika, Geschenksaustausch in Polynesien, Neuseeland und auf den Andamanen sowie im alten römischen und germanischen Recht) in Beziehung setzt.
    und analysiert sie im Rahmen des Funktionalismus. Seine Erkenntnisse
 
    basieren auf langjährigen Feldforschungen auf den Trobriand Inseln.
 
*  ''Marcel Mauss'' erstellt ''vergleichende Analysen und theoretische
 
    Überlegungen zum Konzept des Tausches'' bzw. der Gabe, wobei er
 
    (aufbauend auf der Arbeit von Malinowski) Kula zu anderen Formen von
 
    Austausch in verschiedenen Regionen und historischen Epochen (z.B.
 
    Potlatch in Nordwestamerika, Geschenksaustausch in Polynesien,
 
    Neuseeland und auf den Andamanen sowie im alten römischen und
 
    germanischen Recht) in Beziehung setzt.
 
 
 
[[File:theogrundlagen-106_1.jpg|frame|right]]
 
  
  
  
 
===4.2.2.1 Bronislaw Malinowski===
 
===4.2.2.1 Bronislaw Malinowski===
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[[File:theogrundlagen-107_1.jpg|frame|right|Quelle: ''https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm [https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm  &#91;1&#93;]'']]
+
[[File:theogrundlagen-107_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm [https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm  &#91;1&#93;]''']]
  
''Bronislaw Malinowski (1884-1942)''
+
'''Bronislaw Malinowski (1884-1942)'''
  
''Relevante Werke:''
+
'''Relevante Werke:'''
  
 
1922: Argonauts of the Western Pacific
 
1922: Argonauts of the Western Pacific
Line 3,448: Line 3,141:
 
1935: Coral Gardens and Their Magic
 
1935: Coral Gardens and Their Magic
  
''Bronislaw Malinowski'' ist einer der bekanntesten Anthropologen des
+
'''Bronislaw Malinowski''' ist einer der bekanntesten Anthropologen des
 
20. Jahrhunderts. Seine methodischen und theoretischen Überlegungen
 
20. Jahrhunderts. Seine methodischen und theoretischen Überlegungen
 
sowie vor allem seine ethnographischen Beschreibungen etablierten
 
sowie vor allem seine ethnographischen Beschreibungen etablierten
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Sozialanthropologie im besonderen.
 
Sozialanthropologie im besonderen.
  
Er gilt als ''"Erfinder" der ethnologischen Feldforschung'', dem
+
Er gilt als '''"Erfinder" der ethnologischen Feldforschung''', dem
 
methodischen Charakteristikum der Disziplin. Von seinen persönlichen
 
methodischen Charakteristikum der Disziplin. Von seinen persönlichen
 
Feldaufenthalten in Ozeanien (Trobriand-Inseln) stammen mehrere
 
Feldaufenthalten in Ozeanien (Trobriand-Inseln) stammen mehrere
ausführliche ''Monographien'' über verschiedene Facetten der lokalen
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ausführliche '''Monographien''' über verschiedene Facetten der lokalen
 
Kultur (u.a. Wirtschaft, Tausch und Handel 1922, Arbeit, Magie und Recht
 
Kultur (u.a. Wirtschaft, Tausch und Handel 1922, Arbeit, Magie und Recht
 
1935, Sexualität, Liebe, Ehe 1929), die bis in die Gegenwart den Stil
 
1935, Sexualität, Liebe, Ehe 1929), die bis in die Gegenwart den Stil
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Dimensionen seiner Datenerhebungen gab.
 
Dimensionen seiner Datenerhebungen gab.
  
Malinowki steht - gemeinsam mit ''A.R. Radcliffe-Brown [http://en.wikipedia.org/wiki/Alfred_Reginald_Radcliffe-Brown  &#91;2&#93;]'' - im
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Malinowki steht - gemeinsam mit '''A.R. Radcliffe-Brown [http://en.wikipedia.org/wiki/Alfred_Reginald_Radcliffe-Brown  &#91;2&#93;]''' - im
Mittelpunkt der ''funktionalistischen bzw.
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Mittelpunkt der '''funktionalistischen bzw.
struktural-funktionalistischen Theorienbildung''. Diese
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struktural-funktionalistischen Theorienbildung'''. Diese
Betrachtungsweisen gehen vom ''Grundsatz'' aus, ''dasseine Gesellschaft
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Betrachtungsweisen gehen vom '''Grundsatz''' aus, '''dasseine Gesellschaft
 
eine organisierte, systematische und integrale Ganzheit darstellt, deren
 
eine organisierte, systematische und integrale Ganzheit darstellt, deren
 
einzelne Teile funktional miteinander verbunden sind und
 
einzelne Teile funktional miteinander verbunden sind und
zusammenwirken''.
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zusammenwirken'''.
  
''Bronislaw Malinowski im WWW:''
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'''Bronislaw Malinowski im WWW:'''
  
''https://web.archive.org/web/20051220083630/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/malinowski_bronislaw.html [https://web.archive.org/web/20051220083630/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/malinowski_bronislaw.html  &#91;3&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051220083630/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/malinowski_bronislaw.html [https://web.archive.org/web/20051220083630/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/malinowski_bronislaw.html  &#91;3&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20051122170340/http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~tkirrste/bronislaw_malinowski.html [https://web.archive.org/web/20051122170340/http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~tkirrste/bronislaw_malinowski.html  &#91;4&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051122170340/http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~tkirrste/bronislaw_malinowski.html [https://web.archive.org/web/20051122170340/http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~tkirrste/bronislaw_malinowski.html  &#91;4&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20051226110413/http://www.vanderbilt.edu/AnS/Anthro/Anth206/malinowski.htm [https://web.archive.org/web/20051226110413/http://www.vanderbilt.edu/AnS/Anthro/Anth206/malinowski.htm  &#91;5&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051226110413/http://www.vanderbilt.edu/AnS/Anthro/Anth206/malinowski.htm [https://web.archive.org/web/20051226110413/http://www.vanderbilt.edu/AnS/Anthro/Anth206/malinowski.htm  &#91;5&#93;]'''
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm]<br/>
 
[http://en.wikipedia.org/wiki/Alfred_Reginald_Radcliffe-Brown  &#91;2&#93; http://en.wikipedia.org/wiki/Alfred_Reginald_Radcliffe-Brown]<br/>
 
[http://en.wikipedia.org/wiki/Alfred_Reginald_Radcliffe-Brown  &#91;2&#93; http://en.wikipedia.org/wiki/Alfred_Reginald_Radcliffe-Brown]<br/>
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====4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie====
 
====4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie====
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[[File:theogrundlagen-108_1.jpg|frame|right|Anhäufen von Yams, Foto: Bronislaw Malinowski. Quelle: Young 1997, Abb. 5.]]
 
[[File:theogrundlagen-108_1.jpg|frame|right|Anhäufen von Yams, Foto: Bronislaw Malinowski. Quelle: Young 1997, Abb. 5.]]
  
Der ''Funktionalismus'' bildete eine wichtige theoretische Strömung der
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Der '''Funktionalismus''' bildete eine wichtige theoretische Strömung der
 
Anthropologie im 20.Jahrhundert und formulierte eine holistische und
 
Anthropologie im 20.Jahrhundert und formulierte eine holistische und
 
integrative Gesellschaftstheorie.
 
integrative Gesellschaftstheorie.
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Er betrachtet sozio-kulturelle Erscheinungen unter dem Gesichtspunkt
 
Er betrachtet sozio-kulturelle Erscheinungen unter dem Gesichtspunkt
 
ihrer Funktion innerhalb einer Gesellschaft. Eine Gesellschaft wird
 
ihrer Funktion innerhalb einer Gesellschaft. Eine Gesellschaft wird
dabei als ein organisches Ganzes verstanden, als ''ein Gefüge von
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dabei als ein organisches Ganzes verstanden, als '''ein Gefüge von
 
Komponenten, die miteinander verbunden sind und sinnvoll
 
Komponenten, die miteinander verbunden sind und sinnvoll
zusammenwirken''. Wichtige Fragestellungen des Funktionalismus beziehen
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zusammenwirken'''. Wichtige Fragestellungen des Funktionalismus beziehen
 
sich auf die Prinzipien dieses Zusammenwirkens, z.B. auf die soziale
 
sich auf die Prinzipien dieses Zusammenwirkens, z.B. auf die soziale
 
Organisation. Einzelne Aspekte einer Gesellschaft werden nicht isoliert
 
Organisation. Einzelne Aspekte einer Gesellschaft werden nicht isoliert
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kulturellen Gefüges untersucht und analysiert.
 
kulturellen Gefüges untersucht und analysiert.
  
''Ökonomie bzw. ökonomische Handlungen bilden in diesem Sinn einen
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'''Ökonomie bzw. ökonomische Handlungen bilden in diesem Sinn einen
 
integralen Bestandteil des sozialen und kulturellen Gefüges einer
 
integralen Bestandteil des sozialen und kulturellen Gefüges einer
 
Gemeinschaft, erfüllen bestimmte Funktionen und sind eng mit anderen
 
Gemeinschaft, erfüllen bestimmte Funktionen und sind eng mit anderen
Gesellschaftsbereichen verbunden.'' Die Studie Malinowski´s über das
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Gesellschaftsbereichen verbunden.''' Die Studie Malinowski´s über das
 
Tauschsystem des Kula-Rings bildet ein klassisches Beispiel für diese
 
Tauschsystem des Kula-Rings bildet ein klassisches Beispiel für diese
 
Forschungsrichtung.
 
Forschungsrichtung.
  
Der Funktionalismus wurde mit Aspekten des ''Strukturalismus''
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Der Funktionalismus wurde mit Aspekten des '''Strukturalismus'''
 
kombiniert (Struktural-Funktionalismus) und war lange Zeit ein zentrales
 
kombiniert (Struktural-Funktionalismus) und war lange Zeit ein zentrales
 
Paradigma der europäischen (vor allem der britischen)
 
Paradigma der europäischen (vor allem der britischen)
 
Sozialanthropologie. Viele Thesen des (Struktural-) Funktionalismus
 
Sozialanthropologie. Viele Thesen des (Struktural-) Funktionalismus
bauen auf den Theorien des Soziologen und Anthropologen ''Émile
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bauen auf den Theorien des Soziologen und Anthropologen '''Émile
Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1]]]'' auf, wichtige Vertreter dieser Schule sind u.a.
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Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1]]]''' auf, wichtige Vertreter dieser Schule sind u.a.
Bronislaw Malinowski, A.R. Radcliffe-Brown, ''Raymond Firth[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth|[2]]]'' (vgl.
+
Bronislaw Malinowski, A.R. Radcliffe-Brown, '''Raymond Firth[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth|[2]]]''' (vgl.
 
auch Kuper 1975).
 
auch Kuper 1975).
  
 
Kritik am (Struktural-) Funktionalismus bezieht sich u.a. auf die
 
Kritik am (Struktural-) Funktionalismus bezieht sich u.a. auf die
holistische Betrachtung einzelner Kulturen und auf das ''Vernachlässigen
+
holistische Betrachtung einzelner Kulturen und auf das '''Vernachlässigen
transkultureller Interaktionen und Veränderungsprozesse''.
+
transkultureller Interaktionen und Veränderungsprozesse'''.
  
Das Buch '''"Die Argonauten des westlichen Pazifik"''' (Malinowski
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Das Buch ''"Die Argonauten des westlichen Pazifik"'' (Malinowski
 
1922) gilt als eine der ersten großen Monographien im Forschungsfeld der
 
1922) gilt als eine der ersten großen Monographien im Forschungsfeld der
 
ökonomischen Anthropologie.
 
ökonomischen Anthropologie.
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pazifischen Trobriand Inseln durchgeführte.
 
pazifischen Trobriand Inseln durchgeführte.
  
''Verweise:''
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'''Verweise:'''
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth|[2] Siehe Kapitel 3.1]]<br/>
 
[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth|[2] Siehe Kapitel 3.1]]<br/>
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====4.2.2.1.2 Kula====
 
====4.2.2.1.2 Kula====
 
+
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''Kula ist ein Tauschsystem'' und erstreckt sich auf 14 Inselgruppen vor
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[[File:theogrundlagen-110_1.gif|frame|right|Der Kula-Ring. Quelle: Malinowski (1984), Karte V: 82.]]
''Ost-Papua Neuguinea'' (Trobriand). Es stellt keineswegs die einzige
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'''Kula ist ein Tauschsystem''' und erstreckt sich auf 14 Inselgruppen vor
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'''Ost-Papua Neuguinea''' (Trobriand). Es stellt keineswegs die einzige
 
Form des Tausches in der Region dar (in Trobriand existieren ca. 80
 
Form des Tausches in der Region dar (in Trobriand existieren ca. 80
 
verschiedene Formen des Tausches), es ist vielmehr die wichtigste
 
verschiedene Formen des Tausches), es ist vielmehr die wichtigste
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auch vom "Kula Ring".
 
auch vom "Kula Ring".
  
[[File:theogrundlagen-110_1.gif|frame|right|Der Kula-Ring. Quelle: Malinowski (1984), Karte V: 82.]]
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Der Tausch der Kula-Objekte ist in ein '''komplexes Gefüge von sozialen
 
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Prozessen und religiösen Ritualen''' eingebunden. Im Rahmen des
Der Tausch der Kula-Objekte ist in ein ''komplexes Gefüge von sozialen
 
Prozessen und religiösen Ritualen'' eingebunden. Im Rahmen des
 
 
Kula-Tausches wird Reichtum transferiert, Status erworben, Allianzen
 
Kula-Tausches wird Reichtum transferiert, Status erworben, Allianzen
 
zwischen Personen und Gruppen werden geschlossen oder in Frage gestellt.
 
zwischen Personen und Gruppen werden geschlossen oder in Frage gestellt.
  
*"Every movement of the Kula articles, every detail of the transactions
+
<blockquote>Every movement of the Kula articles, every detail of the transactions is fixed and regulated by a set of traditional rules and conventions, and some acts of the Kula are accompanied by an elaborate magical ritual and public ceremonies." (Malinowski 1922: 81)</blockquote>
is fixed and regulated by a set of traditional rules and conventions,
 
and some acts of the Kula are accompanied by an elaborate magical ritual
 
and public ceremonies."* (Malinowski 1922: 81)
 
 
 
 
 
  
 
====4.2.2.1.2.1 Kula-Objekte und Tauschbeziehungen====
 
====4.2.2.1.2.1 Kula-Objekte und Tauschbeziehungen====
 
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[[File:theogrundlagen-111_1.jpg|frame|left|Kula-Tauschobjekte. Quelle: Leach & Leach 1983.]]
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<div><ul>
[[File:theogrundlagen-111_2.jpg|frame|right|Kula-Tauschobjekte. Quelle: Leach & Leach 1983.]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-111_1.jpg|thumb|none|Kula-Tauschobjekte. Quelle: Leach & Leach 1983.]] </li>
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-111_2.jpg|thumb|none|Kula-Tauschobjekte. Quelle: Leach & Leach 1983.]] </li>
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</ul></div>
  
 
Im Rahmen des Kula werden soulawa (rote Hufmuschel - Halsketten) und
 
Im Rahmen des Kula werden soulawa (rote Hufmuschel - Halsketten) und
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Ziel ist nicht die Akkumulation der Kula-Objekte, die immer nur im
 
Ziel ist nicht die Akkumulation der Kula-Objekte, die immer nur im
 
temporären Besitz einer Person sind, sondern das Etablieren von
 
temporären Besitz einer Person sind, sondern das Etablieren von
''Tauschpartnerschaften''.
+
'''Tauschpartnerschaften'''.
  
*" ... thus no man keeps any of the articles for any length of time in
+
<blockquote> ... thus no man keeps any of the articles for any length of time in his possession. One transaction does not finish the Kula relationship, the rule being 'once in the Kula, always in the Kula'", and a partnership between two men is a permanent and lifelong affair." (Malinowski 1922: 81)</blockquote>
his possession. One transaction does not finish the Kula relationship,
 
the rule being 'once in the Kula, always in the Kula'", and a
 
partnership between two men is a permanent and lifelong affair."*
 
(Malinowski 1922: 81)
 
  
 
Wenn eine Person z.B. 'soulawa' - Ketten erhält, so muss sie eine
 
Wenn eine Person z.B. 'soulawa' - Ketten erhält, so muss sie eine
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Tauschbeziehung wird fortgesetzt.
 
Tauschbeziehung wird fortgesetzt.
  
Das ''Etablieren und Erhalten von Tauschpartnerschaften'' in
+
Das '''Etablieren und Erhalten von Tauschpartnerschaften''' in
 
verschiedenen sozialen und geographischen Räumen ist mit komplexen
 
verschiedenen sozialen und geographischen Räumen ist mit komplexen
 
ökonomischen, sozialen und rituellen Handlungen verknüpft.
 
ökonomischen, sozialen und rituellen Handlungen verknüpft.
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====4.2.2.1.2.2 Andere Tausch-Objekte====
 
====4.2.2.1.2.2 Andere Tausch-Objekte====
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*"Side by side with the Kula, the subsidiary trade goes on, the
+
<blockquote>Side by side with the Kula, the subsidiary trade goes on, the visitors acquiring a great number of articles of minor value, but of great utility, some of them unprocurable in Kiriwina, as, for instance, rattan, fibre, belts, cassowary feathers, certain kinds of spear wood, obsidian, red ochre and many other articles." (Malinowski 1922: 105).</blockquote> 
visitors acquiring a great number of articles of minor value, but of
 
great utility, some of them unprocurable in Kiriwina, as, for instance,
 
rattan, fibre, belts, cassowary feathers, certain kinds of spear wood,
 
obsidian, red ochre and many other articles."* (Malinowski 1922: 105).
 
  
''Kula-Transaktionen'' beschränken sich nicht auf den Tausch der
+
'''Kula-Transaktionen''' beschränken sich nicht auf den Tausch der Kula-Objekte im engeren Sinn ('soulawa' und 'mwali'). Sie beinhalten -
Kula-Objekte im engeren Sinn ('soulawa' und 'mwali'). Sie beinhalten -
 
 
wie aus der obigen Beschreibung einer Kula-Expedition hervorgeht - ein
 
wie aus der obigen Beschreibung einer Kula-Expedition hervorgeht - ein
 
breites Spektrum von "sekundären Tauschartikeln" bzw. Handelsgütern.
 
breites Spektrum von "sekundären Tauschartikeln" bzw. Handelsgütern.
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====4.2.2.1.2.3 Von Person zu Person, von Insel zu Insel====
 
====4.2.2.1.2.3 Von Person zu Person, von Insel zu Insel====
 
+
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Kula-Tausch findet in ''verschiedenen sozialen und geographischen
+
[[File:theogrundlagen-113_1.jpg|frame|right|Segelschiff, Foto: Bronislaw Malinowski.Quelle: Young 1997, Abb. 5.]]
Räumen'' statt. Eine Person verfügt immer über mehrere
+
Kula-Tausch findet in '''verschiedenen sozialen und geographischen
 +
Räumen''' statt. Eine Person verfügt immer über mehrere
 
Tauschpartnerschaften, und zwar entsprechend Alter und Prestige, über
 
Tauschpartnerschaften, und zwar entsprechend Alter und Prestige, über
 
eine unterschiedliche Zahl von Partnern in verschiedenen geographischen
 
eine unterschiedliche Zahl von Partnern in verschiedenen geographischen
 
Zonen.
 
Zonen.
  
*  ''Inland-Kula'': Getauscht wird innerhalb einer Kula-Gemeinschaft -
+
'''Inland-Kula''': Getauscht wird innerhalb einer Kula-Gemeinschaft - zwischen verschiedenen Personen bzw. zwischen verschiedenen Dörfern einer Insel. Durch die Tauschbeziehungen werden soziale und ökonomische Netzwerke aufgebaut und persönlicher Status in der Gemeinschaft erlangt.
    zwischen verschiedenen Personen bzw. zwischen verschiedenen Dörfern
+
'''Kula-Gemeinschaft''': Sie besteht aus einem Dorf oder einer Reihe von Dörfern, die gemeinsam im Kula-System nach außen agieren, d.h. gemeinsam Übersee -- Kula Expeditionen durchführen, die entsprechenden Rituale veranstalten etc.
    einer Insel. Durch die Tauschbeziehungen werden soziale und
+
'''Übersee-Kula''': Getauscht wird zwischen Inseln bzw. Inselgruppen. Die Transaktionen auf dieser Ebene erfordern groß angelegte Schiffsreisen, die Tauschpartner sind Personen mit hohem sozialen Status bzw. politische Führer. Der Kula ist auf dieser Ebene mit weitreichenden sozialen und politischen Allianzen verbunden.
    ökonomische Netzwerke aufgebaut und persönlicher Status in der
 
    Gemeinschaft erlangt.
 
*  ''Kula-Gemeinschaft'': Sie besteht aus einem Dorf oder einer Reihe
 
    von Dörfern, die gemeinsam im Kula-System nach außen agieren, d.h.
 
    gemeinsam Übersee -- Kula Expeditionen durchführen, die
 
    entsprechenden Rituale veranstalten etc.
 
*  ''Übersee-Kula'': Getauscht wird zwischen Inseln bzw. Inselgruppen.
 
    Die Transaktionen auf dieser Ebene erfordern groß angelegte
 
    Schiffsreisen, die Tauschpartner sind Personen mit hohem sozialen
 
    Status bzw. politische Führer. Der Kula ist auf dieser Ebene mit
 
    weitreichenden sozialen und politischen Allianzen verbunden.
 
 
 
*"Thus the Kula partnership provides every man within its ring with a
 
few friends near at hand, and with some friendly allies in the far-
 
away, dangerous foreign districts. ... We see that all around the ring
 
of Kula there is a network of relationsships, and that naturally the
 
whole forms one interwoven fabric."* (Malinowski 1922:92)
 
 
 
[[File:theogrundlagen-113_1.jpg|frame|right|Segelschiff, Foto: Bronislaw Malinowski.Quelle: Young 1997, Abb. 5.]]
 
 
 
  
 +
<blockquote>Thus the Kula partnership provides every man within its ring with a few friends near at hand, and with some friendly allies in the far- away, dangerous foreign districts. ... We see that all around the ring of Kula there is a network of relationsships, and that naturally the whole forms one interwoven fabric." (Malinowski 1922:92)</blockquote>
  
 
====4.2.2.1.2.4 Ruhm, Macht und Reichtum====
 
====4.2.2.1.2.4 Ruhm, Macht und Reichtum====
 
+
----
 
[[File:theogrundlagen-114_1.jpg|frame|right|Männer bei Kula-Tausch, Foto: Bronislaw Malinowski.Quelle: Young 1997, Abb. 7.]]
 
[[File:theogrundlagen-114_1.jpg|frame|right|Männer bei Kula-Tausch, Foto: Bronislaw Malinowski.Quelle: Young 1997, Abb. 7.]]
  
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Person Ruhm, Macht und Reichtum erlangen.
 
Person Ruhm, Macht und Reichtum erlangen.
  
*  ''Ruhm'': Der soziale Aufstieg in der Gesellschaft der Trobriander
+
'''Ruhm''': Der soziale Aufstieg in der Gesellschaft der Trobriander besteht darin, sich "auf der Straße des Kula" einen Namen zu machen. Die Geschichten der großen Kula-Fahrten der Vorfahren werden in Mythen besungen und tradiert. Der temporäre Besitz und ein möglichst großer "flow" vieler Kula-Objekte sowie die "Kunst des Kula" - das Erlangen und die Weitergabe der Objekte in einem komplexen Netzwerk - schaffen Prestige.
    besteht darin, sich "auf der Straße des Kula" einen Namen zu
+
'''Macht''': Erfolg im Kula wird einer besonderen, persönlichen Macht bzw. "Magie" zugeschrieben. Das Konzept von persönlicher spiritueller Macht ist in Ozeanien weit verbreitet (z.B. mana). Aufgrund solcher Fähigkeiten (oder Begabungen) kann sich eine Person im Kula profilieren.
    machen. Die Geschichten der großen Kula-Fahrten der Vorfahren werden
+
'''Reichtum''': Je höher der Rang einer Person ist, je mehr Tauschpartner sie hat, umso mehr Güter befinden sich (temporär) in ihrem Besitz. Das wesentliche am Besitz ist die Möglichkeit, ihn an Andere zu verteilen. Jeder, der etwas besitzt, ist dazu verpflichtet, es zu teilen - je höher sein Rang ist, umso größer ist diese Verpflichtung. Großzügigkeit bei der Verteilung von Gütern bringt wiederum Prestige.
    in Mythen besungen und tradiert. Der temporäre Besitz und ein
 
    möglichst großer "flow" vieler Kula-Objekte sowie die "Kunst des
 
    Kula" - das Erlangen und die Weitergabe der Objekte in einem
 
    komplexen Netzwerk - schaffen Prestige.
 
*  ''Macht'': Erfolg im Kula wird einer besonderen, persönlichen Macht
 
    bzw. "Magie" zugeschrieben. Das Konzept von persönlicher
 
    spiritueller Macht ist in Ozeanien weit verbreitet (z.B. mana).
 
    Aufgrund solcher Fähigkeiten (oder Begabungen) kann sich eine Person
 
    im Kula profilieren.
 
*  ''Reichtum'': Je höher der Rang einer Person ist, je mehr
 
    Tauschpartner sie hat, umso mehr Güter befinden sich (temporär) in
 
    ihrem Besitz. Das wesentliche am Besitz ist die Möglichkeit, ihn an
 
    Andere zu verteilen. Jeder, der etwas besitzt, ist dazu
 
    verpflichtet, es zu teilen - je höher sein Rang ist, umso größer ist
 
    diese Verpflichtung. Großzügigkeit bei der Verteilung von Gütern
 
    bringt wiederum Prestige.
 
 
 
*"Thus the main symptom of being powerful is to be wealthy, and of
 
wealth is to be generous."* (Malinowski 1922: 97)
 
 
 
  
 +
<blockquote>Thus the main symptom of being powerful is to be wealthy, and of wealth is to be generous." (Malinowski 1922: 97)</blockquote>
  
 
====4.2.2.1.2.5 Ökonomie, Gesellschaft, Symbol====
 
====4.2.2.1.2.5 Ökonomie, Gesellschaft, Symbol====
 
+
----
''Bronislaw Malinowski'' bezeichnet ''ökonomische Aktivitäten explizit
+
[[File:theogrundlagen-115_1.jpg|frame|right|Frauen tragen Kula-Halsketten, Foto: Bronislaw Malinowski. Quelle: Young 1997, Abb. 6.]]
als soziales Phänomen''; er schließt hiermit an ''Èmile Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1]]]''
+
'''Bronislaw Malinowski''' bezeichnet '''ökonomische Aktivitäten explizit
an und wird in vieler Hinsicht als ''Wegbereiter der Substantivisten''
+
als soziales Phänomen'''; er schließt hiermit an '''Èmile Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1]]]'''
 +
an und wird in vieler Hinsicht als '''Wegbereiter der Substantivisten'''
 
bewertet. Mit seiner Studie trägt Malinowksi auch wesentlich zu späteren
 
bewertet. Mit seiner Studie trägt Malinowksi auch wesentlich zu späteren
 
Debatten um das Verhältnis von Ökonomie und Gesellschaft bei:
 
Debatten um das Verhältnis von Ökonomie und Gesellschaft bei:
  
*  Grundsätzlich geht er von der Annahme aus, dass alle Menschen ''auf
+
*  Grundsätzlich geht er von der Annahme aus, dass alle Menschen '''auf rationale Weise ihre Bedürfnisse befriedigen wollen''', dazu benutzen sie unterschiedliche Modelle und Lösungen, deren "Rationalität" nur im Rahmen spezifischer kultureller Parameter zu verstehen ist. Konkret wandte sich Malinowski mit diesem Ansatz gegen eine Reihe von Kolonialbeamten und Missionare, welche den Kula und andere Aspekte der Kultur der Trobriander als "verrückte und sinnlose Bräuche" abwerteten.
    rationale Weise ihre Bedürfnisse befriedigen wollen'', dazu benutzen
+
*  Malinowski stellt die universelle Gültigkeit der Prinzipien neoklassischer Ökonomie in Frage oder lehnt sie generell ab. '''Das Prinzip des Eigeninteresses im ökonomischen System der Trobriander erachtet er als irrelevant'*, den Begriff eines universellen 'homo economicus* ("Primitive Economic Man") hält er für unbrauchbar, um das ökonomische Handeln in verschiedenen Gesellschaften zu erklären. Eine Dominanz des utilitaristischen Handelns ist laut Malinowski weder für die Trobriander noch für den westlichen Kapitalismus zutreffend: Beide Systeme sind "voll von Magie und Symbolismus" (Malinowksi 1931: 636), handlungsleitend für ökonomische Aktivitäten sind generell Fragen von Prestige und Macht, von Glauben und Magie. In diesem Sinne - sowie in Hinblick auf das Konzept von Kultur - steht Malinowski auch in der Tradition von '''Max Weber[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.2 Max Weber|[2]]]''' (vgl. Rössler 1999:77, Wilk 1996:113-114).
    sie unterschiedliche Modelle und Lösungen, deren "Rationalität"
 
    nur im Rahmen spezifischer kultureller Parameter zu verstehen ist.
 
    Konkret wandte sich Malinowski mit diesem Ansatz gegen eine Reihe
 
    von Kolonialbeamten und Missionare, welche den Kula und andere
 
    Aspekte der Kultur der Trobriander als "verrückte und sinnlose
 
    Bräuche" abwerteten.
 
*  Malinowski stellt die universelle Gültigkeit der Prinzipien
 
    neoklassischer Ökonomie in Frage oder lehnt sie generell ab. ''Das
 
    Prinzip des Eigeninteresses im ökonomischen System der Trobriander
 
    erachtet er als irrelevant'*, den Begriff eines universellen 'homo
 
    economicus* ("Primitive Economic Man") hält er für unbrauchbar, um
 
    das ökonomische Handeln in verschiedenen Gesellschaften zu erklären.
 
    Eine Dominanz des utilitaristischen Handelns ist laut Malinowski
 
    weder für die Trobriander noch für den westlichen Kapitalismus
 
    zutreffend: Beide Systeme sind "voll von Magie und Symbolismus"
 
    (Malinowksi 1931: 636), handlungsleitend für ökonomische Aktivitäten
 
    sind generell Fragen von Prestige und Macht, von Glauben und Magie.
 
    In diesem Sinne - sowie in Hinblick auf das Konzept von Kultur -
 
    steht Malinowski auch in der Tradition von ''Max Weber[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.2 Max Weber|[2]]]'' (vgl.
 
    Rössler 1999:77, Wilk 1996:113-114).
 
  
[[File:theogrundlagen-115_1.jpg|frame|right|Frauen tragen Kula-Halsketten, Foto: Bronislaw Malinowski. Quelle: Young 1997, Abb. 6.]]
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.2 Max Weber|[2] Siehe Kapitel 4.1.2]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.2 Max Weber|[2] Siehe Kapitel 4.1.2]]<br/>
 
 
  
 
====4.2.2.1.2.6 Kula, Reziprozität und "primitive" Ökonomie====
 
====4.2.2.1.2.6 Kula, Reziprozität und "primitive" Ökonomie====
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Die Institution des Kula steht im Mittelpunkt vieler sozial- und
 
Die Institution des Kula steht im Mittelpunkt vieler sozial- und
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ökonomische Anthropologie sind vor allem folgende Themenfelder relevant.
 
ökonomische Anthropologie sind vor allem folgende Themenfelder relevant.
  
*  ''Tausch'': Malinowski betont die enge Verbindung von Formen des
+
'''Tausch''': Malinowski betont die enge Verbindung von Formen des Tausches mit einem spezifischen sozialen und symbolischen System: So existieren in Trobriand ca. 80 verschiedene Formen des Tausches, die mit bestimmten Objekten und sozialen Beziehungen verknüpft sind. Die Verbindungsweisen von (dominanter) Tauschform und Gesellschaftsform bilden eine der zentralen Fragestellungen (und Debatten) der ökonomischen Anthropologie (vgl. Davis 1992).
    Tausches mit einem spezifischen sozialen und symbolischen System: So
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'''Reziprozität''': Kula bildet einen ethnographischen Prototyp für Theorien über Reziprozität. Beginnend mit Marcel Mauss wurde (am Beispiel des Kula) die ökonomische und soziale Bedeutung von Gabe und Gegengabe immer wieder aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven untersucht.
    existieren in Trobriand ca. 80 verschiedene Formen des Tausches, die
 
    mit bestimmten Objekten und sozialen Beziehungen verknüpft sind. Die
 
    Verbindungsweisen von (dominanter) Tauschform und Gesellschaftsform
 
    bilden eine der zentralen Fragestellungen (und Debatten) der
 
    ökonomischen Anthropologie (vgl. Davis 1992).
 
*  ''Reziprozität'': Kula bildet einen ethnographischen Prototyp für
 
    Theorien über Reziprozität. Beginnend mit Marcel Mauss wurde (am
 
    Beispiel des Kula) die ökonomische und soziale Bedeutung von Gabe
 
    und Gegengabe immer wieder aus unterschiedlichen theoretischen
 
    Perspektiven untersucht.
 
  
 
- Tausch und Reziprozität gelten vielen Theoretikern als Basis der
 
- Tausch und Reziprozität gelten vielen Theoretikern als Basis der
menschlichen Gesellschaft (z.B. ''Marcel Mauss[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.2 Marcel Mauss|[1]]]'', ''Claude
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menschlichen Gesellschaft (z.B. '''Marcel Mauss[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.2 Marcel Mauss|[1]]]''', '''Claude
Lévi-Strauss [[Die_Struktur_der_Mythen/Methodische_Elemente#10.3 Methodische Elemente der strukturalen Mythologie von Claude Lévi-Strauss|[2]]]'').
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Lévi-Strauss [[Die_Struktur_der_Mythen/Methodische_Elemente#10.3 Methodische Elemente der strukturalen Mythologie von Claude Lévi-Strauss|[2]]]''').
  
 
- Die Formen und der Stellenwert von Reziprozität für ein ökonomisches
 
- Die Formen und der Stellenwert von Reziprozität für ein ökonomisches
 
System wurden in einer großen Bandbreite von Kontexten analysiert und
 
System wurden in einer großen Bandbreite von Kontexten analysiert und
diskutiert (z.B. ''Karl Polanyi[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1 Karl Polanyi|[3]]]&&'', ''Marshall Sahlins&&[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.3 Marshall Sahlins|[4]]]'').
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diskutiert (z.B. '''Karl Polanyi[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1 Karl Polanyi|[3]]]''''', '''Marshall Sahlins''[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.3 Marshall Sahlins|[4]]]''').
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*  '''Gegensatz zwischen "primitiver" und "moderner" Ökonomie''': Malinowski betont immer wieder die kulturelle Gebundenheit des (ökonomischen) Denkens und Handelns der Trobriander. Die "andere Kultur" geht Hand in Hand mit einer "anderen Wirtschaftsform" (oft auch als "primitive Ökonomie" bezeichnet) - auch wenn alle Formen der Ökonomie dasselbe Ziel verfolgen (nämlich die Befriedigung von Grundbedürfnissen).
 +
*  Dieser Ansatz wurde von vielen Autoren aufgegriffen und in diversen theoretischen Zusammenhängen erörtert und weiterentwickelt. Er bildet einen wichtigen Aspekt der Theorien der '''Substantivisten''', die von einer substanziellen Differenz zwischen verschiedenen Typen von Ökonomien ausgehen (z.B. '''Karl Polanyi[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1 Karl Polanyi|[5]]]''', '''George Dalton[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.2 George Dalton|[6]]]'''). Sie postulieren einen grundsätzlichen Unterschied zwischen jenen Wirtschaftsformen, die auf reziprokem Tausch basieren, und der "Marktwirtschaft", in welcher der Warentausch in einem Marktsystem vorherrscht.
  
''Gegensatz zwischen "primitiver" und "moderner" Ökonomie'':
+
'''Verweise:'''
    Malinowski betont immer wieder die kulturelle Gebundenheit des
 
    (ökonomischen) Denkens und Handelns der Trobriander. Die "andere
 
    Kultur" geht Hand in Hand mit einer "anderen Wirtschaftsform"
 
    (oft auch als "primitive Ökonomie" bezeichnet) - auch wenn alle
 
    Formen der Ökonomie dasselbe Ziel verfolgen (nämlich die
 
    Befriedigung von Grundbedürfnissen).
 
*  Dieser Ansatz wurde von vielen Autoren aufgegriffen und in diversen
 
    theoretischen Zusammenhängen erörtert und weiterentwickelt. Er
 
    bildet einen wichtigen Aspekt der Theorien der ''Substantivisten'',
 
    die von einer substanziellen Differenz zwischen verschiedenen Typen
 
    von Ökonomien ausgehen (z.B. ''Karl Polanyi[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1 Karl Polanyi|[5]]]'', ''George
 
    Dalton[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.2 George Dalton|[6]]]''). Sie postulieren einen grundsätzlichen Unterschied
 
    zwischen jenen Wirtschaftsformen, die auf reziprokem Tausch
 
    basieren, und der "Marktwirtschaft", in welcher der Warentausch in
 
    einem Marktsystem vorherrscht.
 
  
''Verweise:''
 
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.2 Marcel Mauss|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.2]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.2 Marcel Mauss|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.2]]<br/>
[[Die_Struktur_der_Mythen/Methodische_Elemente#10.3 Methodische Elemente der strukturalen Mythologie von Claude Lévi-Strauss|[2] Siehe Kapitel 10.3 der Lernunterlage ''Mythen in Lateinamerika und Ethnologische Mythenforschung'']]<br/>[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1 Karl Polanyi|[3] Siehe Kapitel 4.3.1]]<br/>
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[[Die_Struktur_der_Mythen/Methodische_Elemente#10.3 Methodische Elemente der strukturalen Mythologie von Claude Lévi-Strauss|[2] Siehe Kapitel 10.3 der Lernunterlage '''Mythen in Lateinamerika und Ethnologische Mythenforschung''']]<br/>
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1 Karl Polanyi|[3] Siehe Kapitel 4.3.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.3 Marshall Sahlins|[4] Siehe Kapitel 4.3.3]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.3 Marshall Sahlins|[4] Siehe Kapitel 4.3.3]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1 Karl Polanyi|[5] Siehe Kapitel 4.3.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1 Karl Polanyi|[5] Siehe Kapitel 4.3.1]]<br/>
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===4.2.2.2 Marcel Mauss===
 
===4.2.2.2 Marcel Mauss===
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[[File:theogrundlagen-117_1.jpg|frame|right|Quelle: ''https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html [https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html  &#91;1&#93;]'']]
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[[File:theogrundlagen-117_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html [https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html  &#91;1&#93;]''']]
  
''Marcel Mauss (1872 -- 1950)''
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'''Marcel Mauss (1872 -- 1950)'''
  
 
1923/24: Essai sur le don, dt.: Die Gabe
 
1923/24: Essai sur le don, dt.: Die Gabe
  
*"In der skandinavischen und in vielen anderen Kulturen finden
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<blockquote>In der skandinavischen und in vielen anderen Kulturen finden Austausch und Verträge in Form von Geschenken statt, die theoretisch freiwillig sind, in Wirklichkeit jedoch immer gegeben und erwidert werden müssen.[ ... ] Und da wir feststellen werden, dass diese Moral und diese Ökonomie sozusagen unterschwellig auch noch in unseren eigenen Gesellschaften wirken und da wir glauben, hier einen der Felsen gefunden zu haben, auf denen unsere Gesellschaften ruhen, können wir daraus einige moralische Schlußfolgerungen bezüglich einiger Probleme ziehen, vor die uns die Krise unseres Rechts und unserer Wirtschaft stellt." (Mauss 1990: 17;19)</blockquote>
Austausch und Verträge in Form von Geschenken statt, die theoretisch
 
freiwillig sind, in Wirklichkeit jedoch immer gegeben und erwidert
 
werden müssen.[ ... ] Und da wir feststellen werden, dass diese Moral
 
und diese Ökonomie sozusagen unterschwellig auch noch in unseren eigenen
 
Gesellschaften wirken und da wir glauben, hier einen der Felsen gefunden
 
zu haben, auf denen unsere Gesellschaften ruhen, können wir daraus
 
einige moralische Schlußfolgerungen bezüglich einiger Probleme ziehen,
 
vor die uns die Krise unseres Rechts und unserer Wirtschaft stellt."*
 
(Mauss 1990: 17;19)
 
  
Der ''französische Sozialwissenschafter Marcel Mauss'', Neffe von
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Der '''französische Sozialwissenschafter Marcel Mauss''', Neffe von
''Èmile Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2]]]'' und Onkel von Claude Lévi-Strauss, ist ein
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'''Èmile Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2]]]''' und Onkel von Claude Lévi-Strauss, ist ein
 
maßgeblicher Vertreter der Sozialanthropologie des 20. Jahrhunderts.
 
maßgeblicher Vertreter der Sozialanthropologie des 20. Jahrhunderts.
 
Seine Arbeiten umfassen ein breites Spektrum von thematischen Feldern
 
Seine Arbeiten umfassen ein breites Spektrum von thematischen Feldern
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1902 [1972]).
 
1902 [1972]).
  
''Im Mittelpunkt seines Interesses steht das Verständnis sozialer
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'''Im Mittelpunkt seines Interesses steht das Verständnis sozialer
Systeme'', Mauss führt dabei in vieler Hinsicht die Ansätze Durkheims
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Systeme''', Mauss führt dabei in vieler Hinsicht die Ansätze Durkheims
 
weiter aus. Verstehen bedeutet für ihn, soziale Phänomene in ihrer
 
weiter aus. Verstehen bedeutet für ihn, soziale Phänomene in ihrer
 
Totalität zu sehen, d.h. im Bezugsrahmen einer gesamtgesellschaftlichen
 
Totalität zu sehen, d.h. im Bezugsrahmen einer gesamtgesellschaftlichen
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so beliebten Begriff des "Primitiven" nicht.
 
so beliebten Begriff des "Primitiven" nicht.
  
''Soziale Systeme sind für Mauss Netzwerke von reziproken
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'''Soziale Systeme sind für Mauss Netzwerke von reziproken
Verpflichtungen'', die im rituellen Austausch von Gütern und
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Verpflichtungen''', die im rituellen Austausch von Gütern und
 
Dienstleistungen verwirklicht werden. Beziehungen zwischen verschiedenen
 
Dienstleistungen verwirklicht werden. Beziehungen zwischen verschiedenen
 
Gruppen können entweder durch Kriege oder durch Geschenke geregelt
 
Gruppen können entweder durch Kriege oder durch Geschenke geregelt
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Kriegs, der Isolierung und der Stagnation zu setzen." (Mauss 1990: 181)
 
Kriegs, der Isolierung und der Stagnation zu setzen." (Mauss 1990: 181)
  
''Marcel Mauss im WWW:''
+
'''Marcel Mauss im WWW:'''
  
''https://web.archive.org/web/20060101012310/http://www.kfunigraz.ac.at/sozwww/agsoe/lexikon/klassiker/mauss/31bio.htm [https://web.archive.org/web/20060101012310/http://www.kfunigraz.ac.at/sozwww/agsoe/lexikon/klassiker/mauss/31bio.htm  &#91;3&#93;]''
+
'''https://web.archive.org/web/20060101012310/http://www.kfunigraz.ac.at/sozwww/agsoe/lexikon/klassiker/mauss/31bio.htm [https://web.archive.org/web/20060101012310/http://www.kfunigraz.ac.at/sozwww/agsoe/lexikon/klassiker/mauss/31bio.htm  &#91;3&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20070928061459/http://www.anthrobase.com/Dic/eng/pers/mauss_marcel.htm [https://web.archive.org/web/20070928061459/http://www.anthrobase.com/Dic/eng/pers/mauss_marcel.htm  &#91;4&#93;]''
+
'''https://web.archive.org/web/20070928061459/http://www.anthrobase.com/Dic/eng/pers/mauss_marcel.htm [https://web.archive.org/web/20070928061459/http://www.anthrobase.com/Dic/eng/pers/mauss_marcel.htm  &#91;4&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20051226202900/http://www.chez.com/sociol/socio/autob/mauss.htm [https://web.archive.org/web/20051226202900/http://www.chez.com/sociol/socio/autob/mauss.htm  &#91;5&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051226202900/http://www.chez.com/sociol/socio/autob/mauss.htm [https://web.archive.org/web/20051226202900/http://www.chez.com/sociol/socio/autob/mauss.htm  &#91;5&#93;]'''
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
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====4.2.2.2.1 Die Gabe====
 
====4.2.2.2.1 Die Gabe====
 
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'''"Die Gabe"''' ('Essai sur le don' 1923/24) ist einer der
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[[File:theogrundlagen-118_1.jpg|frame|right|Sitka Potlach (Tlingit Indianer, 1904 Potlatch in Sitka, Alaska.) Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg [https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg  &#91;2&#93;]''']]
 +
''"Die Gabe"'' ('Essai sur le don' 1923/24) ist einer der
 
einflussreichsten Aufsätze der Kultur- und Sozialanthropologie
 
einflussreichsten Aufsätze der Kultur- und Sozialanthropologie
 
schlechthin.
 
schlechthin.
  
''Mauss'' geht davon aus, dass das soziale Leben eine relativ autonome
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'''Mauss''' geht davon aus, dass das soziale Leben eine relativ autonome
 
Ebene der Untersuchung konstituiert. Die Gesellschaft entwickelt
 
Ebene der Untersuchung konstituiert. Die Gesellschaft entwickelt
 
strukturelle Vorkehrungen, mit deren Hilfe das menschliche Zusammenleben
 
strukturelle Vorkehrungen, mit deren Hilfe das menschliche Zusammenleben
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von Marcel Mauss, "Die Gabe".
 
von Marcel Mauss, "Die Gabe".
  
''Die Gabe im Mauss'schen Sinn ist ein "totales soziales Phänomen"'',
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'''Die Gabe im Mauss'schen Sinn ist ein "totales soziales Phänomen"''',
 
das alle Mitglieder einer Gesellschaft zueinander in Beziehung setzt und
 
das alle Mitglieder einer Gesellschaft zueinander in Beziehung setzt und
 
integriert. Er versteht dabei unter "Gabe" primär Phänomene
 
integriert. Er versteht dabei unter "Gabe" primär Phänomene
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Individuen und zwischen Gruppen ausgetauscht werden. Als klassische
 
Individuen und zwischen Gruppen ausgetauscht werden. Als klassische
 
Beispiele aus der Literatur zieht er dafür den "Kula-Austausch" unter
 
Beispiele aus der Literatur zieht er dafür den "Kula-Austausch" unter
den Trobriandern (''Malinowski's Argonauten[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie|[1]]]'') oder den von Boas in
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den Trobriandern ('''Malinowski's Argonauten[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie|[1]]]''') oder den von Boas in
 
vielen Arbeiten beschriebenen "Potlatch" bei nordamerikanischen
 
vielen Arbeiten beschriebenen "Potlatch" bei nordamerikanischen
 
Indianern heran. Anhand von zahlreichen weiteren Belegen aus
 
Indianern heran. Anhand von zahlreichen weiteren Belegen aus
 
unterschiedlichen, gut dokumentierten Gesellschaften entwickelt Mauss
 
unterschiedlichen, gut dokumentierten Gesellschaften entwickelt Mauss
das ''Reziprozitäts- und Tauschprinzip''.
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das '''Reziprozitäts- und Tauschprinzip'''.
  
[[File:theogrundlagen-118_1.jpg|frame|right|Sitka Potlach (Tlingit Indianer, 1904 Potlatch in Sitka, Alaska.) Quelle: ''https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg [https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg  &#91;2&#93;]'']]
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.1.1]]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg]<br/>
 
 
  
 
====4.2.2.2.1.1 Reziprozitäts- und Tauschprinzip====
 
====4.2.2.2.1.1 Reziprozitäts- und Tauschprinzip====
 
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Laut ''Marcel Mauss'' begründet die ''Gabe eine Schuld''; d.h., der
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[[File:theogrundlagen-119_1.gif|frame|right]]
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Laut '''Marcel Mauss''' begründet die '''Gabe eine Schuld'''; d.h., der
 
Beschenkte fühlt sich in der Schuld des Schenkenden. Er ist bestrebt,
 
Beschenkte fühlt sich in der Schuld des Schenkenden. Er ist bestrebt,
 
diese Schuld durch ein Gegengeschenk auszugleichen. Ist ihm dies aus
 
diese Schuld durch ein Gegengeschenk auszugleichen. Ist ihm dies aus
Line 3,888: Line 3,484:
 
Zeitraum zwischen Gabe und Gegengabe, so wird zwischen Schenkendem und
 
Zeitraum zwischen Gabe und Gegengabe, so wird zwischen Schenkendem und
 
Beschenktem ein soziales Band geknüpft, ein Band von gegenseitigen
 
Beschenktem ein soziales Band geknüpft, ein Band von gegenseitigen
Verpflichtungen. ''Genau dadurch wird die Gabe zu einem strukturellen
+
Verpflichtungen. '''Genau dadurch wird die Gabe zu einem strukturellen
 
Element, das den sozialen Zusammenhalt über große Distanzen hinweg und
 
Element, das den sozialen Zusammenhalt über große Distanzen hinweg und
auch außerhalb des vertrauten, intimen Familienkreises ermöglicht.''
+
auch außerhalb des vertrauten, intimen Familienkreises ermöglicht.'''
  
Mauss versucht nachzuweisen, dass das ''Reziprozitäts- und
+
Mauss versucht nachzuweisen, dass das '''Reziprozitäts- und
Tauschprinzip'' universell ist. Geben, Nehmen und Zurückerstatten werden
+
Tauschprinzip''' universell ist. Geben, Nehmen und Zurückerstatten werden
bei ihm -- unter Verwendung eines Begriffs von Durkheim -- zum ''"fait
+
bei ihm -- unter Verwendung eines Begriffs von Durkheim -- zum '''"fait
social total"'', zur totalen sozialen Tatsache, die über allem steht.
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social total"''', zur totalen sozialen Tatsache, die über allem steht.
 
Es gibt bei Mauss natürlich noch andere soziale Tatsachen, aber dieses
 
Es gibt bei Mauss natürlich noch andere soziale Tatsachen, aber dieses
 
Tauschprinzip ist das elementarste. Ohne dieses Tauschprinzip kann eine
 
Tauschprinzip ist das elementarste. Ohne dieses Tauschprinzip kann eine
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finden; und zwar religiöse, moralische, rechtliche und ökonomische
 
finden; und zwar religiöse, moralische, rechtliche und ökonomische
 
Institutionen.
 
Institutionen.
 
[[File:theogrundlagen-119_1.gif|frame|right]]
 
 
 
  
 
====4.2.2.2.1.2 Ökonomie und Philosophie der Gabe====
 
====4.2.2.2.1.2 Ökonomie und Philosophie der Gabe====
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Wie schon für ''Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1]]]'' ist auch für ''Mauss'' klar, dass
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Wie schon für '''Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1]]]''' ist auch für '''Mauss''' klar, dass
 
derartige systematische Elemente des sozialen Zusammenhalts wie die Gabe
 
derartige systematische Elemente des sozialen Zusammenhalts wie die Gabe
''nicht nur einen praktischen und einen Orientierungsaspekt haben,
+
'''nicht nur einen praktischen und einen Orientierungsaspekt haben,
sondern immer zugleich auch einen ideellen, einen mentalen Aspekt''.
+
sondern immer zugleich auch einen ideellen, einen mentalen Aspekt'''.
 
Durkheim spricht von Repräsentationen, die den sozialen Zusammenhalt
 
Durkheim spricht von Repräsentationen, die den sozialen Zusammenhalt
 
auch dort gewährleisten, wo die Arbeitsteilung noch nicht sehr stark
 
auch dort gewährleisten, wo die Arbeitsteilung noch nicht sehr stark
Line 3,927: Line 3,520:
 
nachher auch darüber nachdenken, was diese Handlungen zu bedeuten haben.
 
nachher auch darüber nachdenken, was diese Handlungen zu bedeuten haben.
 
Insofern gehen Handlungen, wie der Geschenkaustausch, immer auch mit
 
Insofern gehen Handlungen, wie der Geschenkaustausch, immer auch mit
''Klassifikationssystemen'' einher, mit Vorstellungssystemen, mit
+
'''Klassifikationssystemen''' einher, mit Vorstellungssystemen, mit
 
Ideengebäuden der jeweiligen Gesellschaft und müssen im Zusammenhang
 
Ideengebäuden der jeweiligen Gesellschaft und müssen im Zusammenhang
 
damit auch von der Kultur- und Sozialanthropologie untersucht werden.
 
damit auch von der Kultur- und Sozialanthropologie untersucht werden.
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hingewiesen, dass die Arbeitsteilung zwischen Gruppen -- die etwa
 
hingewiesen, dass die Arbeitsteilung zwischen Gruppen -- die etwa
 
Geschenke austauschen -- immer auch das Modell vorgibt, wie man sich den
 
Geschenke austauschen -- immer auch das Modell vorgibt, wie man sich den
Austausch der Gaben vorstellt. Die ''Arbeitsteilung ist also quasi die
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Austausch der Gaben vorstellt. Die '''Arbeitsteilung ist also quasi die
Vorlage, nach der der Geschenkaustausch gedacht wird''.
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Vorlage, nach der der Geschenkaustausch gedacht wird'''.
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
  
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===4.2.2.3 Mauss und Malinowski===
 
===4.2.2.3 Mauss und Malinowski===
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*  ''Malinowski'' hat im Kula-Tausch vor allem die soziale Funktion für
+
'''Malinowski''' hat im Kula-Tausch vor allem die soziale Funktion für den Einzelnen gesehen: Welche Stellung hat die einzelne Person im Netzwerk der Kula-Partner? Als junger Mann tauscht man sich in das Netzwerk hinein, baut dieses aus und verschafft sich mit der Zeit hohes Ansehen.
    den Einzelnen gesehen: Welche Stellung hat die einzelne Person im
+
'''Mauss''' interpretiert Malinowskis Daten nicht aus der Perspektive des Individuums, sondern aus jener der Gesellschaft. Er sieht Geben -- Annehmen -- Erwidern als den Mechanismus, der Menschen, die an sich autark sind, miteinander verbindet.
    Netzwerk der Kula-Partner? Als junger Mann tauscht man sich in das
 
    Netzwerk hinein, baut dieses aus und verschafft sich mit der Zeit
 
    hohes Ansehen.
 
*  ''Mauss'' interpretiert Malinowskis Daten nicht aus der Perspektive
 
    des Individuums, sondern aus jener der Gesellschaft. Er sieht Geben
 
    -- Annehmen -- Erwidern als den Mechanismus, der Menschen, die an
 
    sich autark sind, miteinander verbindet.
 
 
 
 
 
  
 
==4.2.3 Bibliographie und weiterführende Literatur==
 
==4.2.3 Bibliographie und weiterführende Literatur==
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2 Frühe VertreterInnen| Vorheriges Kapitel: 4.2 Frühe VertreterInnen]]<br/>
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'''[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2 Frühe VertreterInnen| Vorheriges Kapitel: 4.2 Frühe VertreterInnen]]'''<br/>
 
=4.3 Substantivisten=
 
=4.3 Substantivisten=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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==4.3.1 Karl Polanyi==
 
==4.3.1 Karl Polanyi==
  
[[File:theogrundlagen-271_1.jpg|frame|right|Quelle: ''https://web.archive.org/web/20070625223441/http://www2.carthage.edu/~brent/polanyi1.gif [https://web.archive.org/web/20070625223441/http://www2.carthage.edu/~brent/polanyi1.gif  &#91;1&#93;]'']]
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[[File:theogrundlagen-271_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20070625223441/http://www2.carthage.edu/~brent/polanyi1.gif [https://web.archive.org/web/20070625223441/http://www2.carthage.edu/~brent/polanyi1.gif  &#91;1&#93;]''']]
  
''Karl Polanyi (1886 -- 1964)''
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'''Karl Polanyi (1886 -- 1964)'''
  
 
1944: The Great Transformation
 
1944: The Great Transformation
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1979: Ökonomie und Gesellschaft
 
1979: Ökonomie und Gesellschaft
  
''Karl Polyanis'' These besagt, dass ''die neoklassische
+
'''Karl Polyanis''' These besagt, dass '''die neoklassische
 
Wirtschaftstheorie nur auf die moderne Marktwirtschaft
 
Wirtschaftstheorie nur auf die moderne Marktwirtschaft
industrialisierter Systeme anzuwenden'' ist. In dieser ist die
+
industrialisierter Systeme anzuwenden''' ist. In dieser ist die
 
Wirtschaft aus der Gesellschaft herausgelöst, wohingegen in früheren
 
Wirtschaft aus der Gesellschaft herausgelöst, wohingegen in früheren
 
oder weniger entwickelten Gesellschaften die ökonomischen Beziehungen im
 
oder weniger entwickelten Gesellschaften die ökonomischen Beziehungen im
 
Gesellschaftssystem eingebettet sind. Hier gibt es also nicht graduelle
 
Gesellschaftssystem eingebettet sind. Hier gibt es also nicht graduelle
 
Systemunterschiede ("große und kleine Äpfel"), wie Firth behauptet,
 
Systemunterschiede ("große und kleine Äpfel"), wie Firth behauptet,
sondern es ''variiert die Art'' ("Äpfel und Birnen") ''des
+
sondern es '''variiert die Art''' ("Äpfel und Birnen") '''des
wirtschaftlichen Handelns''. Im Gegensatz zu ''Firth[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth|[2]]]'' sieht
+
wirtschaftlichen Handelns'''. Im Gegensatz zu '''Firth[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth|[2]]]''' sieht
Polanyi ''die institutionellen Gegebenheiten ("substantial
+
Polanyi '''die institutionellen Gegebenheiten ("substantial
 
propositions") als universell gültig an, wohingegen die Art des
 
propositions") als universell gültig an, wohingegen die Art des
wirtschaftlichen Handelns variabel ist''.
+
wirtschaftlichen Handelns variabel ist'''.
 +
 
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20070625223441/http://www2.carthage.edu/~brent/polanyi1.gif  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20070625223441/http://www2.carthage.edu/~brent/polanyi1.gif]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20070625223441/http://www2.carthage.edu/~brent/polanyi1.gif  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20070625223441/http://www2.carthage.edu/~brent/polanyi1.gif]<br/>
 
[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth|[2] Siehe Kapitel 3.1]]<br/>
 
[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth|[2] Siehe Kapitel 3.1]]<br/>
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===4.3.1.1 The Great Transformation===
 
===4.3.1.1 The Great Transformation===
 +
----
  
 
*Wir vertreten die These, daß die Idee des selbstregulierenden Marktes
 
*Wir vertreten die These, daß die Idee des selbstregulierenden Marktes
 
eine krasse Utopie bedeutete.* (Polanyi 1978: 19)
 
eine krasse Utopie bedeutete.* (Polanyi 1978: 19)
  
''Polanyi geht davon aus, dass der selbstregulierende Markt in seiner
+
'''Polanyi geht davon aus, dass der selbstregulierende Markt in seiner
 
reinen Form Mensch und Gesellschaft zerstört. Staatliche und andere
 
reinen Form Mensch und Gesellschaft zerstört. Staatliche und andere
 
institutionelle Eingriffe in den Markt seien daher Selbstschutzmaßnahmen
 
institutionelle Eingriffe in den Markt seien daher Selbstschutzmaßnahmen
der Gesellschaft.''
+
der Gesellschaft.'''
  
 
Die 'Great Transformation' ist 1944 erstmals erschienen, also zu einem
 
Die 'Great Transformation' ist 1944 erstmals erschienen, also zu einem
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Zwischenkriegszeit geführt hatten.
 
Zwischenkriegszeit geführt hatten.
  
''Seine zentrale These lautet: Die Ursprünge der Katastrophe liegen im
+
'''Seine zentrale These lautet: Die Ursprünge der Katastrophe liegen im
 
utopischen Bemühen des Wirtschaftsliberalismus, ein selbstregulierendes
 
utopischen Bemühen des Wirtschaftsliberalismus, ein selbstregulierendes
Marktsystem zu errichten.''
+
Marktsystem zu errichten.'''
  
 
Marktsystem nach Polanyi:
 
Marktsystem nach Polanyi:
  
*  Was auch immer die tatsächliche Einkommensquelle einer Person ist,
+
*  Was auch immer die tatsächliche Einkommensquelle einer Person ist, sie ist das Ergebnis eines Verkaufs.
    sie ist das Ergebnis eines Verkaufs.
+
*  Marktwirtschaft: Dieses System müsse nach seiner Einführung sich selbst überlassen bleiben. Die Preise regulieren sich selbst.
*  Marktwirtschaft: Dieses System müsse nach seiner Einführung sich
+
*  Der Verkauf eines Kaufmanns umfasst nur Erzeugnisse. Dies hat noch keinen massiven Einfluss auf eine Gesellschaft.
    selbst überlassen bleiben. Die Preise regulieren sich selbst.
+
*  Einkauf im Marktsystem: Rohstoffe und Arbeitskraft, also Mensch und Natur. "Die maschinelle Produktion in einer kommerziellen Gesellschaft bedeutet letztlich nicht Geringeres als die Transformation der natürlichen und menschlichen Substanz der Gesellschaft in Waren." Polanyi 1978: 70
*  Der Verkauf eines Kaufmanns umfasst nur Erzeugnisse. Dies hat noch
+
*  Vor dem 19. Jahrhundert gab es keine Wirtschaftsform, die vom Markt gelenkt worden wäre. '''Adam Smiths[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[1]]]''homo oeconomicus' ist nicht als Analyse der Vergangenheit, sondern als Projektion in die Zukunft entstanden.
    keinen massiven Einfluss auf eine Gesellschaft.
+
*  Das Gemeinsame aller nicht-marktwirtschaftlichen Wirtschaftsformen besteht darin, daß sie in die Gesamtgesellschaft eingebettet sind. Der Mensch wurde als gesellschaftliches Wesen konstituiert.
*  Einkauf im Marktsystem: Rohstoffe und Arbeitskraft, also Mensch und
+
*  Die wirtschaftliche Tätigkeit des Menschen ist in seine Sozialbeziehungen eingebettet.
    Natur. "Die maschinelle Produktion in einer kommerziellen
+
*  Nicht individuelles Interesse an materiellem Besitz, sondern an der Sicherung des gesellschaftlichen Ranges, der gesellschaftlichen Ansprüche und Wertvorstellungen bestimmt sein Handeln. Die genauen Ausformungen sind sehr verschieden, aber das Wirtschaftssystem wird in jedem Fall von nicht-ökonomischen Motiven getragen.
    Gesellschaft bedeutet letztlich nicht Geringeres als die
+
 
    Transformation der natürlichen und menschlichen Substanz der
+
'''Verweise:'''
    Gesellschaft in Waren." Polanyi 1978: 70
 
*  Vor dem 19. Jahrhundert gab es keine Wirtschaftsform, die vom Markt
 
    gelenkt worden wäre. ''Adam Smiths[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[1]]]'''homo oeconomicus' ist
 
    nicht als Analyse der Vergangenheit, sondern als Projektion in die
 
    Zukunft entstanden.
 
*  Das Gemeinsame aller nicht-marktwirtschaftlichen Wirtschaftsformen
 
    besteht darin, daß sie in die Gesamtgesellschaft eingebettet sind.
 
    Der Mensch wurde als gesellschaftliches Wesen konstituiert.
 
*  Die wirtschaftliche Tätigkeit des Menschen ist in seine
 
    Sozialbeziehungen eingebettet.
 
*  Nicht individuelles Interesse an materiellem Besitz, sondern an der
 
    Sicherung des gesellschaftlichen Ranges, der gesellschaftlichen
 
    Ansprüche und Wertvorstellungen bestimmt sein Handeln. Die genauen
 
    Ausformungen sind sehr verschieden, aber das Wirtschaftssystem wird
 
    in jedem Fall von nicht-ökonomischen Motiven getragen.
 
  
''Verweise:''
 
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[1] Siehe Kapitel 1.3.2]]<br/>
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[1] Siehe Kapitel 1.3.2]]<br/>
  
  
  
 +
[[File:theogrundlagen-273_1.gif|frame|right]]
 
===4.3.1.2 Wirtschaftstypen nach Polanyi===
 
===4.3.1.2 Wirtschaftstypen nach Polanyi===
 
+
----
Polanyi postuliert ''vier Typen institutioneller wirtschaftlicher
+
Polanyi postuliert '''vier Typen institutioneller wirtschaftlicher
Gestaltungen'', wobei die ersten drei sich grundlegend vom vierten
+
Gestaltungen''', wobei die ersten drei sich grundlegend vom vierten
 
unterschieden:
 
unterschieden:
  
1. ''Reziprozität''
+
1. '''Reziprozität'''
  
2. ''Redistribution''
+
2. '''Redistribution'''
  
3. ''Haushaltung''
+
3. '''Haushaltung'''
  
4. ''Markttausch''.
+
4. '''Markttausch'''.
 
 
[[File:theogrundlagen-273_1.gif|frame|right]]
 
  
  
  
 
====4.3.1.2.1 Prinzip der Reziprozität====
 
====4.3.1.2.1 Prinzip der Reziprozität====
 
+
----
''Darunter versteht Polanyi alle Formen von Austausch, die auf der
+
[[File:theogrundlagen-274_1.jpg|frame|left|In Agrarritualen in den Anden wird ein reziprokes Verhältnis zwischen Menschen und Gottheiten angestrebt (Abb.: Alberdi 1992)]]
 +
'''Darunter versteht Polanyi alle Formen von Austausch, die auf der
 
sozialen Ebene in einer symmetrischen, äquivalenten Beziehung ablaufen,
 
sozialen Ebene in einer symmetrischen, äquivalenten Beziehung ablaufen,
wie Gabe und Gegengabe.''
+
wie Gabe und Gegengabe.'''
  
 
Dabei herrscht kein Gewinnstreben, kein Prinzip der Arbeit gegen
 
Dabei herrscht kein Gewinnstreben, kein Prinzip der Arbeit gegen
Line 4,197: Line 3,769:
 
jeder Mann zu allererst für seine Schwester und deren Kinder zu sorgen.
 
jeder Mann zu allererst für seine Schwester und deren Kinder zu sorgen.
  
''Reziprozität bedeutet also nicht, dass die Verpflichtung zur
+
'''Reziprozität bedeutet also nicht, dass die Verpflichtung zur
 
Erwiderung der Gabe dieselbe Person trifft, die etwas erhalten hat. Es
 
Erwiderung der Gabe dieselbe Person trifft, die etwas erhalten hat. Es
 
ist ein sehr viel abstrakteres Prinzip, das auf der Ebene der
 
ist ein sehr viel abstrakteres Prinzip, das auf der Ebene der
 
Gesamtgesellschaft wirkt und sich nicht auf die Interaktion zwischen
 
Gesamtgesellschaft wirkt und sich nicht auf die Interaktion zwischen
zwei konkreten Personen beschränken lässt'' (vgl. Polanyi 1978: 77ff).
+
zwei konkreten Personen beschränken lässt''' (vgl. Polanyi 1978: 77ff).
 
 
[[File:theogrundlagen-274_1.jpg|frame|right|In Agrarritualen in den Anden wird ein reziprokes Verhältnis zwischen Menschen und Gottheiten angestrebt (Abb.: Alberdi 1992)]]
 
 
 
 
 
  
 
====4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution====
 
====4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution====
 
+
----
''Dieses Prinzip bezieht sich auf wirtschaftliche Bewegungen in Richtung
+
[[File:theogrundlagen-275_1.jpg|frame|right|Tribute an den Großkönig. Relief aus Persepolis. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/ [https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/  &#91;1&#93;]''']]
 +
'''Dieses Prinzip bezieht sich auf wirtschaftliche Bewegungen in Richtung
 
auf ein Zentrum und zurück. Es beschreibt Güterflüsse in pyramidal
 
auf ein Zentrum und zurück. Es beschreibt Güterflüsse in pyramidal
 
geschichteten Gesellschaften. Redistribution ist ein Kennzeichen
 
geschichteten Gesellschaften. Redistribution ist ein Kennzeichen
 
feudaler Systeme, bezieht sich auf ein Territorium und ist damit Teil
 
feudaler Systeme, bezieht sich auf ein Territorium und ist damit Teil
des Bereichs der Politik.''
+
des Bereichs der Politik.'''
  
 
Tribute, Steuern, oder Arbeitsleistungen gehen vom "gemeinen Volk" zum
 
Tribute, Steuern, oder Arbeitsleistungen gehen vom "gemeinen Volk" zum
Line 4,223: Line 3,792:
 
Zentralgewalt abgegeben, die diese hortet und wieder umverteilt.
 
Zentralgewalt abgegeben, die diese hortet und wieder umverteilt.
  
''Das Prinzip der Redistribution gibt aber noch keinen Aufschluss über
+
'''Das Prinzip der Redistribution gibt aber noch keinen Aufschluss über
die Herrschaftsform'', diese kann despotisch und ausbeuterisch sein,
+
die Herrschaftsform''', diese kann despotisch und ausbeuterisch sein,
 
aber auch auf Konsens beruhen. Wesentlich ist die Orientierung an einem
 
aber auch auf Konsens beruhen. Wesentlich ist die Orientierung an einem
 
Zentrum, auf das sich Güter und Leistungen richten, und das diese wieder
 
Zentrum, auf das sich Güter und Leistungen richten, und das diese wieder
Line 4,232: Line 3,801:
 
Stadtstaaten.
 
Stadtstaaten.
  
*"Die Produktion und Distribution von Gütern wird hauptsächlich durch
+
<blockquote>Die Produktion und Distribution von Gütern wird hauptsächlich durch Einsammlung, Lagerung und Redistribution organisiert, wobei der Häuptling, der Tempel, der Despot oder der Lord im Mittelpunkt dieses Systems steht. Da das Verhältnis zwischen den Führenden und den Geführten, je nach der Grundlage der jeweiligen politischen Macht, verschieden ist, wird auch das Prinzip der Redistribution so völlig verschiedene individuelle Motivationen berücksichtigen wie die freiwillige Aufteilung der Beute durch die Jäger bis zur Angst vor Strafe, die den Fellachen zur Ablieferung einer Art Steuern, der Naturalabgaben, veranlaßt." (Polanyi 1978: 83f)</blockquote> 
Einsammlung, Lagerung und Redistribution organisiert, wobei der
 
Häuptling, der Tempel, der Despot oder der Lord im Mittelpunkt dieses
 
Systems steht. Da das Verhältnis zwischen den Führenden und den
 
Geführten, je nach der Grundlage der jeweiligen politischen Macht,
 
verschieden ist, wird auch das Prinzip der Redistribution so völlig
 
verschiedene individuelle Motivationen berücksichtigen wie die
 
freiwillige Aufteilung der Beute durch die Jäger bis zur Angst vor
 
Strafe, die den Fellachen zur Ablieferung einer Art Steuern, der
 
Naturalabgaben, veranlaßt."* (Polanyi 1978: 83f)
 
  
[[File:theogrundlagen-275_1.jpg|frame|right|Tribute an den Großkönig. Relief aus Persepolis. Quelle: ''https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/ [https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/  &#91;1&#93;]'']]
+
'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/]<br/>
 
 
  
 
====4.3.1.2.3 Prinzip der Haushaltung====
 
====4.3.1.2.3 Prinzip der Haushaltung====
 
+
----
''Darunter versteht Polanyi die Produktion des Eigenbedarfs der
+
[[File:theogrundlagen-276_1.jpg|frame|right|Gehöft von Bergbauern in Nepal, deren Wirtschaften stark auf den Eigenbedarf ausgerichtet ist. Foto: Elke Mader]]
Kleingruppe, die in sich möglichst geschlossen und autark ist.''
+
'''Darunter versteht Polanyi die Produktion des Eigenbedarfs der
 +
Kleingruppe, die in sich möglichst geschlossen und autark ist.'''
  
 
Wie diese Gruppe in sich organisiert ist, spielt dabei keine Rolle.
 
Wie diese Gruppe in sich organisiert ist, spielt dabei keine Rolle.
Line 4,262: Line 3,820:
 
und die Autarkie des Haushalts nicht gefährden würden.
 
und die Autarkie des Haushalts nicht gefährden würden.
  
*"Nur ein Genie der praktischen Vernunft konnte, wie er erkannt haben,
+
<blockquote>Nur ein Genie der praktischen Vernunft konnte, wie er erkannt haben, daß das Gewinnstreben ein für die Marktproduktion charakteristisches Motiv ist und daß der Geldfaktor ein neues Element einführte; daß aber das Prinzip der Produktion für den Gebrauch weiterhin funktionieren würde, solange Märkte und Geld bloß Anhängsel eines ansonsten autarken Haushalts blieben." (Polanyi 1978: 85)</blockquote> 
daß das Gewinnstreben ein für die Marktproduktion charakteristisches
 
Motiv ist und daß der Geldfaktor ein neues Element einführte; daß aber
 
das Prinzip der Produktion für den Gebrauch weiterhin funktionieren
 
würde, solange Märkte und Geld bloß Anhängsel eines ansonsten autarken
 
Haushalts blieben."* (Polanyi 1978: 85)
 
 
 
Diese drei Prinzipien unterscheiden sich aber grundsätzlich vom vierten,
 
denn:
 
 
 
*"Im weiteren Sinn gilt jedoch die These, dass alle uns bekannten
 
Wirtschaftssysteme bis zum Ende des Feudalismus in Westeuropa auf den
 
Prinzipien der Reziprozität oder Redistribution oder aber der
 
Haushaltung beziehungsweise einer Kombination dieser drei beruhte. Diese
 
Prinzipien waren mit Hilfe gesellschaftlicher Organisationen
 
institutionalisiert, die sich ''inter alia'' auch die Formen der
 
Symmetrie, der Zentrizität und der Autarkie zunutze machten. In diesem
 
Rahmen wurde die geordnete Produktion und Distribution von Gütern durch
 
eine Vielfalt von individuellen Motivationen gesichert, die ihrerseits
 
durch allgemeine Verhaltensnormen in Schranken gehalten wurden. Bei
 
diesen Motivationen spielte das Gewinnstreben keine hervorragende Rolle.
 
Brauch und Gesetz, Magie und Religion wirkten zusammen, um den einzelnen
 
zu Verhaltensnormen zu veranlassen, die letztlich seine Funktion
 
innerhalb des Wirtschaftssystems sicherten."* (Polanyi 1978: 86f)
 
 
 
Sowohl dort wo Reziprozität vorherrscht als auch dort, wo Redistribution
 
dominiert, ist das ökonomische System eine Funktion der
 
gesellschaftlichen Organisation.
 
  
[[File:theogrundlagen-276_1.jpg|frame|right|Gehöft von Bergbauern in Nepal, deren Wirtschaften stark auf den Eigenbedarf ausgerichtet ist. Foto: Elke Mader]]
+
Diese drei Prinzipien unterscheiden sich aber grundsätzlich vom vierten, denn:
  
 +
<blockquote>Im weiteren Sinn gilt jedoch die These, dass alle uns bekannten Wirtschaftssysteme bis zum Ende des Feudalismus in Westeuropa auf den Prinzipien der Reziprozität oder Redistribution oder aber der Haushaltung beziehungsweise einer Kombination dieser drei beruhte. Diese Prinzipien waren mit Hilfe gesellschaftlicher Organisationen institutionalisiert, die sich '''inter alia''' auch die Formen der Symmetrie, der Zentrizität und der Autarkie zunutze machten. In diesem Rahmen wurde die geordnete Produktion und Distribution von Gütern durch eine Vielfalt von individuellen Motivationen gesichert, die ihrerseits durch allgemeine Verhaltensnormen in Schranken gehalten wurden. Bei diesen Motivationen spielte das Gewinnstreben keine hervorragende Rolle. Brauch und Gesetz, Magie und Religion wirkten zusammen, um den einzelnen zu Verhaltensnormen zu veranlassen, die letztlich seine Funktion innerhalb des Wirtschaftssystems sicherten." (Polanyi 1978: 86f)</blockquote> 
  
 +
Sowohl dort wo Reziprozität vorherrscht als auch dort, wo Redistribution dominiert, ist das ökonomische System eine Funktion der gesellschaftlichen Organisation.
  
 
====4.3.1.2.4 Marktprinzip====
 
====4.3.1.2.4 Marktprinzip====
 
+
----
''Beim (Markt)Tausch handelt es sich um Transaktionen zwischen
+
[[File:theogrundlagen-277_1.jpg|frame|right|Altar umgeben von Pepsi-Cola Werbung, Nepal. Foto: Elke Mader]]
 +
'''Beim (Markt)Tausch handelt es sich um Transaktionen zwischen
 
Individuen nach dem Zufallsprinzip, die unabhängig von ihrer
 
Individuen nach dem Zufallsprinzip, die unabhängig von ihrer
 
gesellschaftlichen Beziehung sind. Nur diese beruhen auf rationaler
 
gesellschaftlichen Beziehung sind. Nur diese beruhen auf rationaler
Entscheidung und Nutzenmaximierung.''
+
Entscheidung und Nutzenmaximierung.'''
  
 
Was das Prinzip des Tauschhandels von den anderen fundamental
 
Was das Prinzip des Tauschhandels von den anderen fundamental
Line 4,337: Line 3,871:
 
nebeneinander.
 
nebeneinander.
  
''Die Nicht-Marktökonomien zeichnen sich durch folgende Prinzipien
+
'''Die Nicht-Marktökonomien zeichnen sich durch folgende Prinzipien
aus:''
+
aus:'''
  
 
*  es gibt kein Gewinnmotiv;
 
*  es gibt kein Gewinnmotiv;
 
*  keine Nutzenmaximierung durch die Einzelnen;
 
*  keine Nutzenmaximierung durch die Einzelnen;
*  es gibt keine Lohnarbeit und keine spezifisch ökonomischen
+
*  es gibt keine Lohnarbeit und keine spezifisch ökonomischen Institutionen.
    Institutionen.
 
  
 
Für Polanyi hat die kapitalistische Ökonomie Ende des 18. Jhds eine
 
Für Polanyi hat die kapitalistische Ökonomie Ende des 18. Jhds eine
Line 4,349: Line 3,882:
 
der gesamten vorherigen Menschheitsgeschichte keine Entsprechung hat.
 
der gesamten vorherigen Menschheitsgeschichte keine Entsprechung hat.
 
Und diese Organisationsform ist das Marktsystem.
 
Und diese Organisationsform ist das Marktsystem.
 
[[File:theogrundlagen-277_1.jpg|frame|right|Altar umgeben von Pepsi-Cola Werbung, Nepal. Foto: Elke Mader]]
 
 
 
  
 
===4.3.1.3 Polanyi und die Zerstörung der Gesellschaft durch den Markt===
 
===4.3.1.3 Polanyi und die Zerstörung der Gesellschaft durch den Markt===
 +
----
  
''Karl Polanyi hält das Marktprinzip für einen grundsätzlich die
+
'''Karl Polanyi hält das Marktprinzip für einen grundsätzlich die
Gesellschaft zerstörenden Faktor.'' Seine Argumentationslinie lässt sich
+
Gesellschaft zerstörenden Faktor.''' Seine Argumentationslinie lässt sich
 
diesbezüglich wie folgt zusammenfassen:
 
diesbezüglich wie folgt zusammenfassen:
  
Line 4,376: Line 3,906:
 
Marktes -- funktionieren kann.
 
Marktes -- funktionieren kann.
  
''Dieser sich selbst regulierende Markt entstand allerdings keineswegs
+
'''Dieser sich selbst regulierende Markt entstand allerdings keineswegs
 
einfach so aus sich selbst heraus. Er bedurfte und bedarf enormer
 
einfach so aus sich selbst heraus. Er bedurfte und bedarf enormer
Machtmittel, um ihn durchzusetzen und zu schützen.''
+
Machtmittel, um ihn durchzusetzen und zu schützen.'''
  
  
  
 
===4.3.1.4 Grundlagen des selbst regulierenden Marktes: Arbeit, Boden und Geld===
 
===4.3.1.4 Grundlagen des selbst regulierenden Marktes: Arbeit, Boden und Geld===
 
+
----
Die ''wesentlichste Voraussetzung für die Errichtung eines
+
[[File:theogrundlagen-279_1.jpg|frame|right|Warenangebot für TouristInnen, Nepal. Foto: Elke Mader]]
Marktsystems'', also eines selbst regulierenden Marktes, ''ist die
+
Die '''wesentlichste Voraussetzung für die Errichtung eines
 +
Marktsystems''', also eines selbst regulierenden Marktes, '''ist die
 
institutionelle Abtrennung der Sphäre der Wirtschaft aus den anderen
 
institutionelle Abtrennung der Sphäre der Wirtschaft aus den anderen
Institutionen der Gesellschaft''. Dies konnte nur erreicht werden durch
+
Institutionen der Gesellschaft'''. Dies konnte nur erreicht werden durch
 
die Transformation von Boden, Rohstoffen und Arbeit, also von Mensch und
 
die Transformation von Boden, Rohstoffen und Arbeit, also von Mensch und
 
Natur in Waren, deren Preise über den Markt sich selbst regeln. Dazu
 
Natur in Waren, deren Preise über den Markt sich selbst regeln. Dazu
 
müssen alle Elemente der wirtschaftlichen Tätigkeit -- auch Boden,
 
müssen alle Elemente der wirtschaftlichen Tätigkeit -- auch Boden,
 
Arbeit und Geld -- dem Marktsystem unterliegen. Dies war nach Polanyi
 
Arbeit und Geld -- dem Marktsystem unterliegen. Dies war nach Polanyi
vor dem Europa des 19. Jahrhunderts nie und nirgends der Fall. ''Waren
+
vor dem Europa des 19. Jahrhunderts nie und nirgends der Fall. '''Waren
 
sind nach Polanyi Objekte, die für den Verkauf auf dem Markt produziert
 
sind nach Polanyi Objekte, die für den Verkauf auf dem Markt produziert
werden. Sie unterliegen dem Angebots- und Nachfragemechanismus.''
+
werden. Sie unterliegen dem Angebots- und Nachfragemechanismus.'''
 
 
[[File:theogrundlagen-279_1.jpg|frame|right|Warenangebot für TouristInnen, Nepal. Foto: Elke Mader]]
 
 
 
 
 
  
 
===4.3.1.5 Formen des Handels nach Polanyi===
 
===4.3.1.5 Formen des Handels nach Polanyi===
 +
----
 +
[[File:theogrundlagen-280_1.jpg|frame|left|Chilis auf einem Markt in Burma. Foto: Elke Mader]]
 +
Dementsprechend gibt es für ihn auch '''drei Formen des Handels''':
  
Dementsprechend gibt es für ihn auch ''drei Formen des Handels'':
+
1. '''Gabenhandel''' (Reziprozität), ('gift trade'): Jegliche Form von
 
 
1. ''Gabenhandel'' (Reziprozität), ('gift trade'): Jegliche Form von
 
 
Gütertransaktion wird als Gabentausch inszeniert.
 
Gütertransaktion wird als Gabentausch inszeniert.
  
2. ''Verwalteter Handel'' (Redistribution), Preisregelung im
+
2. '''Verwalteter Handel''' (Redistribution), Preisregelung im
 
"verwalteten Handel": Festsetzung von Festpreisen entweder durch eine
 
"verwalteten Handel": Festsetzung von Festpreisen entweder durch eine
 
Gruppenentscheidung von Anbietern oder von der Marktbehörde im
 
Gruppenentscheidung von Anbietern oder von der Marktbehörde im
Line 4,427: Line 3,955:
 
Örtliches Marktgeschäft und Fernhandel sind streng voneinander getrennt.
 
Örtliches Marktgeschäft und Fernhandel sind streng voneinander getrennt.
  
3. ''Markthandel'' existiert seit Ende des 18. Jhds (in Europa und
+
3. '''Markthandel''' existiert seit Ende des 18. Jhds (in Europa und
 
Nordamerika). Reguliert sich selbst und jegliche Einflussnahme durch
 
Nordamerika). Reguliert sich selbst und jegliche Einflussnahme durch
 
Gesellschaft und Staat wirkt verfälschend auf die Preise und die
 
Gesellschaft und Staat wirkt verfälschend auf die Preise und die
 
Produktion.
 
Produktion.
  
[[File:theogrundlagen-280_1.jpg|frame|right|Chilis auf einem Markt in Burma. Foto: Elke Mader]]
+
==4.3.2 George Dalton==
 
+
[[File:theogrundlagen-281_1.jpg|frame|right|Maniok auf einem Markt in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski.]]
 
+
'''George Dalton war Schüler von Polanyi''', er promovierte in den 50er
 
 
==4.3.2 George Dalton==
 
 
 
''George Dalton war Schüler von Polanyi'', er promovierte in den 50er
 
 
Jahren an der Columbia University.
 
Jahren an der Columbia University.
  
 
'Economic Theory and Primitive Society' (1961) gilt als das theoretische
 
'Economic Theory and Primitive Society' (1961) gilt als das theoretische
Credo der substantivistischen Position. Er arbeite mit ''Paul Bohannan''
+
Credo der substantivistischen Position. Er arbeite mit '''Paul Bohannan'''
 
('spheres of exchange') zusammen, mit dem er, aufgrund von Forschungen
 
('spheres of exchange') zusammen, mit dem er, aufgrund von Forschungen
 
in afrikanischen Ländern, drei Gesellschaftsformen unterschied:
 
in afrikanischen Ländern, drei Gesellschaftsformen unterschied:
  
1. ''Marktlose Gesellschaften:''
+
1. '''Marktlose Gesellschaften:'''
  
 
Gekennzeichnet durch die Prinzipien der Reziprozität und -- seltener --
 
Gekennzeichnet durch die Prinzipien der Reziprozität und -- seltener --
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Ethnologie durch z.B. Malinowski, Firth und Herskovits.
 
Ethnologie durch z.B. Malinowski, Firth und Herskovits.
  
2. ''Gesellschaften mit peripheren Märkten:''
+
2. '''Gesellschaften mit peripheren Märkten:'''
  
 
Orientieren sich teilweise an Angebot und Nachfrage; die Preise sind an
 
Orientieren sich teilweise an Angebot und Nachfrage; die Preise sind an
Line 4,459: Line 3,983:
 
Kommunikationswert des Marktes ist wichtig.
 
Kommunikationswert des Marktes ist wichtig.
  
3. ''Westlich beeinflusste Gesellschaften (oder "soziale Situationen"
+
3. '''Westlich beeinflusste Gesellschaften (oder "soziale Situationen"
wie moderne Städte):''
+
wie moderne Städte):'''
  
 
Der Markt wird von abstrakten Preismechanismen, von Angebot und
 
Der Markt wird von abstrakten Preismechanismen, von Angebot und
 
Nachfrage bestimmt.
 
Nachfrage bestimmt.
 
[[File:theogrundlagen-281_1.jpg|frame|right|Maniok auf einem Markt in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski.]]
 
 
 
  
 
==4.3.3 Marshall Sahlins==
 
==4.3.3 Marshall Sahlins==
  
[[File:theogrundlagen-282_1.jpg|frame|right|Quelle: ''https://web.archive.org/web/20051228214111/http://www-news.uchicago.edu/releases/02/021014.sahlins.shtml [https://web.archive.org/web/20051228214111/http://www-news.uchicago.edu/releases/02/021014.sahlins.shtml  &#91;1&#93;]'']]
+
[[File:theogrundlagen-282_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051228214111/http://www-news.uchicago.edu/releases/02/021014.sahlins.shtml [https://web.archive.org/web/20051228214111/http://www-news.uchicago.edu/releases/02/021014.sahlins.shtml  &#91;1&#93;]''']]
  
''Marshall Sahlins (geb. 1930)''
+
'''Marshall Sahlins (geb. 1930)'''
  
 
Keiner quot;Schule" zuzuordnen
 
Keiner quot;Schule" zuzuordnen
  
''Relevante Werke:''
+
'''Relevante Werke:'''
  
 
1965: On the Sociology of Primitive Exchange
 
1965: On the Sociology of Primitive Exchange
Line 4,483: Line 4,003:
 
1972: Stone Age Economics
 
1972: Stone Age Economics
  
''Marshall Sahlins'' gilt als einer der einflussreichsten und
+
'''Marshall Sahlins''' gilt als einer der einflussreichsten und
 
originellsten amerikanischen Sozialanthropologen der Gegenwart
 
originellsten amerikanischen Sozialanthropologen der Gegenwart
 
(Barnard/Spencer 1996: 589). Er hat sich seit den 1960er Jahren zu einer
 
(Barnard/Spencer 1996: 589). Er hat sich seit den 1960er Jahren zu einer
Line 4,494: Line 4,014:
 
Sahlins aber keiner speziellen Schule zugeordnet werden. Er argumentiert
 
Sahlins aber keiner speziellen Schule zugeordnet werden. Er argumentiert
 
substantivistisch, formalistisch, strukturalistisch, marxistisch und
 
substantivistisch, formalistisch, strukturalistisch, marxistisch und
neoevolutionistisch. ''Seine Arbeiten spiegeln Öffnung bzw. das Ende der
+
neoevolutionistisch. '''Seine Arbeiten spiegeln Öffnung bzw. das Ende der
 
Debatte zwischen den festgelegten Lagern der Formalisten und
 
Debatte zwischen den festgelegten Lagern der Formalisten und
Substantivisten wider.''
+
Substantivisten wider.'''
  
''Sahlins im WWW:''
+
'''Sahlins im WWW:'''
  
''https://web.archive.org/web/20060111140726/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/pqrst/sahlins_marshall.html [https://web.archive.org/web/20060111140726/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/pqrst/sahlins_marshall.html  &#91;2&#93;]''
+
'''https://web.archive.org/web/20060111140726/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/pqrst/sahlins_marshall.html [https://web.archive.org/web/20060111140726/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/pqrst/sahlins_marshall.html  &#91;2&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20050309005312/http://anthropology.uchicago.edu/faculty/faculty_sahlins.shtml [https://web.archive.org/web/20050309005312/http://anthropology.uchicago.edu/faculty/faculty_sahlins.shtml  &#91;3&#93;]''
+
'''https://web.archive.org/web/20050309005312/http://anthropology.uchicago.edu/faculty/faculty_sahlins.shtml [https://web.archive.org/web/20050309005312/http://anthropology.uchicago.edu/faculty/faculty_sahlins.shtml  &#91;3&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20050209170842/http://home.tiscali.se/meditation/alternativ/sahlins.html [https://web.archive.org/web/20050209170842/http://home.tiscali.se/meditation/alternativ/sahlins.html  &#91;4&#93;]''
+
'''https://web.archive.org/web/20050209170842/http://home.tiscali.se/meditation/alternativ/sahlins.html [https://web.archive.org/web/20050209170842/http://home.tiscali.se/meditation/alternativ/sahlins.html  &#91;4&#93;]'''
 +
 
 +
'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20051228214111/http://www-news.uchicago.edu/releases/02/021014.sahlins.shtml  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051228214111/http://www-news.uchicago.edu/releases/02/021014.sahlins.shtml]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051228214111/http://www-news.uchicago.edu/releases/02/021014.sahlins.shtml  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051228214111/http://www-news.uchicago.edu/releases/02/021014.sahlins.shtml]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060111140726/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/pqrst/sahlins_marshall.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060111140726/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/pqrst/sahlins_marshall.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060111140726/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/pqrst/sahlins_marshall.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060111140726/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/pqrst/sahlins_marshall.html]<br/>
Line 4,515: Line 4,036:
  
 
===4.3.3.1 Beispiel Tausch===
 
===4.3.3.1 Beispiel Tausch===
 +
----
  
 
Ausgehend von einer substantivistischen Sicht der Ökonomie stellt
 
Ausgehend von einer substantivistischen Sicht der Ökonomie stellt
 
Sahlins in 'On the Sociology of Primitive Exchange' (1965/1972) die
 
Sahlins in 'On the Sociology of Primitive Exchange' (1965/1972) die
These auf, dass ''ein Tausch nicht ein eigenständiges Ereignis, sondern
+
These auf, dass '''ein Tausch nicht ein eigenständiges Ereignis, sondern
eine Momentaufnahme aus einer kontinuierlichen sozialen Beziehung ist''.
+
eine Momentaufnahme aus einer kontinuierlichen sozialen Beziehung ist'''.
 
Materielle Transaktionen sind Teil von sozialen Beziehungen, sie lassen
 
Materielle Transaktionen sind Teil von sozialen Beziehungen, sie lassen
 
sich nicht isoliert betrachten. "If friends make gifts, gifts make
 
sich nicht isoliert betrachten. "If friends make gifts, gifts make
 
friends" (1972: 186).
 
friends" (1972: 186).
  
Sahlins übernimmt ''Polanyis Begriffe'' der ''Reziprozität[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.1 Prinzip der Reziprozität|[1]]]'' und
+
Sahlins übernimmt '''Polanyis Begriffe''' der '''Reziprozität[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.1 Prinzip der Reziprozität|[1]]]''' und
der ''Redistribution[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution|[2]]]'' (oder 'pooling'), verfeinert sie jedoch und
+
der '''Redistribution[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution|[2]]]''' (oder 'pooling'), verfeinert sie jedoch und
 
erstellt eine detaillierte Klassifikation:
 
erstellt eine detaillierte Klassifikation:
  
 +
'''Reziprozität''' ist eine 'between relation', sie erfordert das
 +
Vorhandensein von zwei Parteien.
 
[[File:theogrundlagen-283_1.gif|frame|center]]
 
[[File:theogrundlagen-283_1.gif|frame|center]]
  
''Reziprozität'' ist eine 'between relation', sie erfordert das
 
Vorhandensein von zwei Parteien.
 
  
 +
'''Redistribution''' ist eine 'within relation', sie verlangt kollektive
 +
Handlungen innerhalb einer Gruppe.
 
[[File:theogrundlagen-283_2.gif|frame|center]]
 
[[File:theogrundlagen-283_2.gif|frame|center]]
  
''Redistribution'' ist eine 'within relation', sie verlangt kollektive
 
Handlungen innerhalb einer Gruppe.
 
  
''Verweise:''
+
'''Verweise:'''
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.1 Prinzip der Reziprozität|[1] Siehe Kapitel 4.3.1.2.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.1 Prinzip der Reziprozität|[1] Siehe Kapitel 4.3.1.2.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution|[2] Siehe Kapitel 4.3.1.2.2]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution|[2] Siehe Kapitel 4.3.1.2.2]]<br/>
Line 4,545: Line 4,068:
  
 
====4.3.3.1.1 Formen der Reziprozität nach Sahlins====
 
====4.3.3.1.1 Formen der Reziprozität nach Sahlins====
 +
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''Karl Polanyi'' war der Ansicht, dass die Interaktion in reziproken
+
'''Karl Polanyi''' war der Ansicht, dass die Interaktion in reziproken
 
Austauschbeziehungen grundsätzlich symmetrisch verlaufen würde.
 
Austauschbeziehungen grundsätzlich symmetrisch verlaufen würde.
''Sahlins'' bezweifelt das und ''unterscheidet in'':
+
'''Sahlins''' bezweifelt das und '''unterscheidet in''':
  
''Generalisierte Reziprozität, Balancierte Reziprozität, Negative
+
'''Generalisierte Reziprozität, Balancierte Reziprozität, Negative
Reziprozität.''
+
Reziprozität.'''
  
 
Diese Einteilung trifft er anhand von drei Kriterien
 
Diese Einteilung trifft er anhand von drei Kriterien
Line 4,559: Line 4,083:
 
*  Materielle und nicht-materielle Dimensionen des Austauschs.
 
*  Materielle und nicht-materielle Dimensionen des Austauschs.
  
1. ''Generalisierte Reziprozität:''
+
1. '''Generalisierte Reziprozität:'''
  
''A'' gibt eine Gabe/Leistung an ''B'', die Beziehung bleibt aufrecht,
+
'''A''' gibt eine Gabe/Leistung an '''B''', die Beziehung bleibt aufrecht,
auch wenn von ''B'' lange nichts zurückkommt. Typischer Fall: Beziehung
+
auch wenn von '''B''' lange nichts zurückkommt. Typischer Fall: Beziehung
 
zwischen Eltern und Kinder. Die Eltern bezahlen eine
 
zwischen Eltern und Kinder. Die Eltern bezahlen eine
 
"Versicherungsprämie" an die Kinder (Unterhalt, Ausbildung) und
 
"Versicherungsprämie" an die Kinder (Unterhalt, Ausbildung) und
 
erhalten die "Versicherungssumme" zurück, wenn sie alt und
 
erhalten die "Versicherungssumme" zurück, wenn sie alt und
 
pflegebedürftig sind.
 
pflegebedürftig sind.
 
[[File:theogrundlagen-284_1.gif|frame|right]]
 
  
 
Die "Gabe" erscheint "interesselos", der Zeitpunkt der Rückgabe ist
 
Die "Gabe" erscheint "interesselos", der Zeitpunkt der Rückgabe ist
Line 4,574: Line 4,096:
 
nicht-materielle Dimension des Austauschs (z.B. "Elternliebe") steht
 
nicht-materielle Dimension des Austauschs (z.B. "Elternliebe") steht
 
im Vordergrund.
 
im Vordergrund.
 +
[[File:theogrundlagen-284_1.gif|frame|center]]
 +
2. '''Balancierte Reziprozität:'''
  
2. ''Balancierte Reziprozität:''
+
Güter und Leistungen wandern symmetrisch und äquivalent von '''A''' zu
 
+
'''B''' und von '''B''' zu '''A'''.
Güter und Leistungen wandern symmetrisch und äquivalent von ''A'' zu
 
''B'' und von ''B'' zu ''A''.
 
 
 
[[File:theogrundlagen-284_2.gif|frame|right]]
 
  
 
Typischer Fall Tauschhandel:
 
Typischer Fall Tauschhandel:
Line 4,593: Line 4,113:
 
aus. Diese Art der Transaktion ist im Gegensatz zum Tauschhandel
 
aus. Diese Art der Transaktion ist im Gegensatz zum Tauschhandel
 
gänzlich nicht-ökonomisch.
 
gänzlich nicht-ökonomisch.
 +
[[File:theogrundlagen-284_2.gif|frame|center]]
 +
3. '''Negative Reziprozität:'''
  
3. ''Negative Reziprozität:''
+
'''A''' gibt unfreiwillig durch z.B. Raub oder Diebstahl, '''B''' gibt
 
 
''A'' gibt unfreiwillig durch z.B. Raub oder Diebstahl, ''B'' gibt
 
 
nichts (z. B. Stämme überfallen einander und rauben sich die Frauen und
 
nichts (z. B. Stämme überfallen einander und rauben sich die Frauen und
 
anderes).
 
anderes).
  
[[File:theogrundlagen-284_3.gif|frame|right]]
+
'''Negative Reziprozität ist im formalistischen Sinn am ökonomischsten''':
 
 
''Negative Reziprozität ist im formalistischen Sinn am ökonomischsten'':
 
 
In einer Situation gegensätzlicher Interessen versuchen Individuen oder
 
In einer Situation gegensätzlicher Interessen versuchen Individuen oder
 
Gruppen ihren Nutzen auf Kosten anderer zu maximieren.
 
Gruppen ihren Nutzen auf Kosten anderer zu maximieren.
 
+
[[File:theogrundlagen-284_3.gif|frame|center]]
''Sahlins geht nun davon aus, dass in den meisten Gesellschaften alle
+
'''Sahlins geht nun davon aus, dass in den meisten Gesellschaften alle
drei Formen gleichermaßen vorkommen'' und auch, dass es fließende
+
drei Formen gleichermaßen vorkommen''' und auch, dass es fließende
 
Übergänge zwischen ihnen gibt. Er ist auch der Ansicht, dass diese drei
 
Übergänge zwischen ihnen gibt. Er ist auch der Ansicht, dass diese drei
Formen überall moralisch bewertet sind: *"The extremes are notably
+
Formen überall moralisch bewertet sind:  
positive and negative in a moral sense. The intervals between them are
+
<blockquote>The extremes are notably positive and negative in a moral sense. The intervals between them are not merely so many gradations of material balance in exchange, they are intervals of sociability. The distance between poles of reciprocity is, among other things, social distance" (Sahlins 1972: 191).</blockquote>
not merely so many gradations of material balance in exchange, they are
 
intervals of sociability. The distance between poles of reciprocity is,
 
among other things, social distance"* (Sahlins 1972: 191).
 
 
 
 
 
  
 
====4.3.3.1.2 Reziprozität und soziale Entfernung nach Sahlins====
 
====4.3.3.1.2 Reziprozität und soziale Entfernung nach Sahlins====
 
+
----
 
Wenn alle Formen der Reziprozität in fast allen Gesellschaften inklusive
 
Wenn alle Formen der Reziprozität in fast allen Gesellschaften inklusive
 
unserer vorkommen, stellt sich die Frage, ob es Regelmäßigkeiten im
 
unserer vorkommen, stellt sich die Frage, ob es Regelmäßigkeiten im
Auftreten der drei Formen gibt. ''Sahlins meint'' ja: ''Die soziale
+
Auftreten der drei Formen gibt. '''Sahlins meint''' ja: '''Die soziale
Distanz bestimmt den Tauschmodus''.
+
Distanz bestimmt den Tauschmodus'''.
  
''==> Je enger das verwandtschaftliche Verhältnis und je geringer die
+
'''==> Je enger das verwandtschaftliche Verhältnis und je geringer die
räumliche Entfernung, umso generalisierter ist der Austausch.''
+
räumliche Entfernung, umso generalisierter ist der Austausch.'''
  
 
==> Sind keinerlei verwandtschaftliche, tribale oder räumliche
 
==> Sind keinerlei verwandtschaftliche, tribale oder räumliche
Line 4,631: Line 4,144:
 
Reziprozität um.
 
Reziprozität um.
  
[[File:theogrundlagen-285_1.gif|frame|right|Quelle: Sahlins (1972: 199)]]
+
'''Nach Sahlins inkludiert dies auch die Moral''': Moralische Normen sind
 
 
''Nach Sahlins inkludiert dies auch die Moral'': Moralische Normen sind
 
 
meist situativ und relativ, nicht abstrakt und universell. Handlungen
 
meist situativ und relativ, nicht abstrakt und universell. Handlungen
 
sind daher nicht "an sich" gut oder böse, sondern es hängt auch davon
 
sind daher nicht "an sich" gut oder böse, sondern es hängt auch davon
Line 4,639: Line 4,150:
 
den meisten Gesellschaften als schwere Verfehlung betrachtet, außerhalb
 
den meisten Gesellschaften als schwere Verfehlung betrachtet, außerhalb
 
der Gruppe aber bewundert.
 
der Gruppe aber bewundert.
 
+
[[File:theogrundlagen-285_1.gif|frame|center|Quelle: Sahlins (1972: 199)]]
 
 
  
 
====4.3.3.1.3 Kritik an Sahlins' Modell der abnehmenden generalisierten Reziprozität====
 
====4.3.3.1.3 Kritik an Sahlins' Modell der abnehmenden generalisierten Reziprozität====
 +
----
  
''Sahlins' Modell der mit wachsender sozialer und räumlicher Entfernung
+
'''Sahlins' Modell der mit wachsender sozialer und räumlicher Entfernung
 
abnehmenden generalisierten Reziprozität wurde z.B. von Tim Ingold
 
abnehmenden generalisierten Reziprozität wurde z.B. von Tim Ingold
(1986) kritisiert und weiter entwickelt.'' Ingold argumentiert, dass
+
(1986) kritisiert und weiter entwickelt.''' Ingold argumentiert, dass
 
negative Reziprozität unabhängig ist von verwandtschaftlicher
 
negative Reziprozität unabhängig ist von verwandtschaftlicher
 
Entfernung. Es lässt sich ethnographisch belegen, dass "positive" und
 
Entfernung. Es lässt sich ethnographisch belegen, dass "positive" und
Line 4,653: Line 4,164:
 
genau so wie es im Kontakt mit anderen Gesellschaften nicht nur den
 
genau so wie es im Kontakt mit anderen Gesellschaften nicht nur den
 
Diebstahl, sondern auch das Geschenk, den Vertrag, etc. gibt.
 
Diebstahl, sondern auch das Geschenk, den Vertrag, etc. gibt.
 
[[File:theogrundlagen-286_1.gif|frame|right|Quelle: Ingold (1986: 232)]]
 
  
 
Sowohl Sahlins' Modell als auch Ingolds Variation davon werden durch
 
Sowohl Sahlins' Modell als auch Ingolds Variation davon werden durch
Line 4,660: Line 4,169:
 
Hierarchisierung z.B. wirken auf die Tauschmodi ein und verändern sie in
 
Hierarchisierung z.B. wirken auf die Tauschmodi ein und verändern sie in
 
Richtung Redistributionsmodi (vgl.: Gregory 1998: 924f).
 
Richtung Redistributionsmodi (vgl.: Gregory 1998: 924f).
 
+
[[File:theogrundlagen-286_1.gif|frame|center|Quelle: Ingold (1986: 232)]]
 
 
  
 
===4.3.3.2 Beispiel: The original affluent society===
 
===4.3.3.2 Beispiel: The original affluent society===
 +
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 +
[[File:theogrundlagen-287_1.jpg|frame|right|!Kung San: JägerInnen und SammerInnen-Gemeinschaften im südlichen Afrika. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html [https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html  &#91;1&#93;]''']]
  
[[File:theogrundlagen-287_1.jpg|frame|right|!Kung San: JägerInnen und SammerInnen-Gemeinschaften im südlichen Afrika. Quelle: ''https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html [https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html  &#91;1&#93;]'']]
+
Als Angriff auf den 'homo oeconomicus' par excellence gilt '''Sahlins'
 
+
Aufsatz über die ursprüngliche Überflussgesellschaft''', in erster
Als Angriff auf den 'homo oeconomicus' par excellence gilt ''Sahlins'
 
Aufsatz über die ursprüngliche Überflussgesellschaft'', in erster
 
 
Fassung 1968 auf Französisch publiziert. Der Mainstream der
 
Fassung 1968 auf Französisch publiziert. Der Mainstream der
 
Anthropologie der damaligen Zeit war einhellig der Ansicht, dass Jäger-
 
Anthropologie der damaligen Zeit war einhellig der Ansicht, dass Jäger-
Line 4,679: Line 4,187:
 
beschränken.
 
beschränken.
  
''Argumentation:''
+
'''Argumentation:'''
  
*  Annahme seit ''Adam Smith[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2]]]'' und länger: Bedürfnisse sind
+
*  Annahme seit '''Adam Smith[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2]]]''' und länger: Bedürfnisse sind unendlich, aber die Mittel knapp.
    unendlich, aber die Mittel knapp.
 
  
```{=html}
+
*  Tragödie der Konsumgesellschaft: es sind so viele Güter verfügbar und nur wenige kann man erreichen. Jede Entscheidung für etwas, bedeutet gleichzeitig Verzicht auf etwas anderes.
<!-- -->
 
```
 
*  Tragödie der Konsumgesellschaft: es sind so viele Güter verfügbar
 
    und nur wenige kann man erreichen. Jede Entscheidung für etwas,
 
    bedeutet gleichzeitig Verzicht auf etwas anderes.
 
  
==> ''Sahlins dagegen:Was ist, wenn Bedürfnisse sehr beschränkt, die
+
==> '''Sahlins dagegen:Was ist, wenn Bedürfnisse sehr beschränkt, die
 
Mittel, diese zu befriedigen aber unendlich und im Überfluss vorhanden
 
Mittel, diese zu befriedigen aber unendlich und im Überfluss vorhanden
sind?''
+
sind?'''
 +
 
 +
'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html]<br/>
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2] Siehe Kapitel 1.3.2]]<br/>
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2] Siehe Kapitel 1.3.2]]<br/>
Line 4,702: Line 4,205:
  
 
====4.3.3.2.1 Mobilität und Besitz: die !Kung San====
 
====4.3.3.2.1 Mobilität und Besitz: die !Kung San====
 
+
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[[File:theogrundlagen-288_1.jpg|frame|right|!Kung San. Quelle: ''https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg [https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg  &#91;1&#93;]'']]
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[[File:theogrundlagen-288_1.jpg|frame|right|!Kung San. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg [https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg  &#91;1&#93;]''']]
  
 
Sahlins legt nun neues ethnographisches Material dar: Richard Lees
 
Sahlins legt nun neues ethnographisches Material dar: Richard Lees
 
Studien über die !Kung San in der Kalahari.
 
Studien über die !Kung San in der Kalahari.
  
''Lee begleitete 1969 vier Wochen lang ein Gruppe Dobe !Kung'' und
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'''Lee begleitete 1969 vier Wochen lang ein Gruppe Dobe !Kung''' und
 
zeichnete auf, welche Kalorienmenge in welcher Zeit erwirtschaftet und
 
zeichnete auf, welche Kalorienmenge in welcher Zeit erwirtschaftet und
 
verbraucht wurde.
 
verbraucht wurde.
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Wert.
 
Wert.
  
''Sahlins schließt daraus: Nomadismus ist keine Flucht vor Hunger!''
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'''Sahlins schließt daraus: Nomadismus ist keine Flucht vor Hunger!'''
 
Mobilität und Mäßigung bringen die Ziele der Jäger mit ihren technischen
 
Mobilität und Mäßigung bringen die Ziele der Jäger mit ihren technischen
 
Möglichkeiten zusammen (Sahlins 1972: 34).
 
Möglichkeiten zusammen (Sahlins 1972: 34).
  
''Verweise:''
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'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg]<br/>
  
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====4.3.3.2.2 Sahlins Conclusion====
 
====4.3.3.2.2 Sahlins Conclusion====
 
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''Jede technische Innovation hat nicht Arbeit erspart, sondern mehr
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[[File:theogrundlagen-300_1.jpg|frame|right|Leonard Holman "Homeless, San Francisco" (digital enhanced photography). Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html [https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html  &#91;1&#93;]''']]
Arbeit ermöglicht.'' Die Menge der Arbeit pro Kopf wächst mit der
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'''Jede technische Innovation hat nicht Arbeit erspart, sondern mehr
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Arbeit ermöglicht.''' Die Menge der Arbeit pro Kopf wächst mit der
 
Entwicklung der Kultur.
 
Entwicklung der Kultur.
  
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zur Natur und enteignend in Beziehung zum Menschen.
 
zur Natur und enteignend in Beziehung zum Menschen.
  
''Armut ist keine Beziehung zur Natur, sie ist ein Verhältnis zwischen
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'''Armut ist keine Beziehung zur Natur, sie ist ein Verhältnis zwischen
Menschen!''
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Menschen!'''
  
 
Polemisches Ende dieses Aufsatzes: Als die Kultur sich dem Höhepunkt der
 
Polemisches Ende dieses Aufsatzes: Als die Kultur sich dem Höhepunkt der
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das Unerreichbare: "'Infinite Needs'" (Sahlins 1972: 39).
 
das Unerreichbare: "'Infinite Needs'" (Sahlins 1972: 39).
  
[[File:theogrundlagen-300_1.jpg|frame|right|Leonard Holman "Homeless, San Francisco" (digital enhanced photography). Quelle: ''https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html [https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html  &#91;1&#93;]'']]
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html]<br/>
  
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====4.3.3.2.3 Armut, Mangel und einfache Bedürfnisse====
 
====4.3.3.2.3 Armut, Mangel und einfache Bedürfnisse====
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Sahlins' Portrait der ursprünglichen Überflussgesellschaften verleitet
 
Sahlins' Portrait der ursprünglichen Überflussgesellschaften verleitet
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werden z.B. über Afrika in Weltbank- und UNO-Berichten vertreten.
 
werden z.B. über Afrika in Weltbank- und UNO-Berichten vertreten.
  
''Gerd Spittler bringt beide Theorien auf den Punkt:''
+
'''Gerd Spittler bringt beide Theorien auf den Punkt:'''
  
*"Zwei Theorien stehen sich hier gegenüber, beide haben sie eine lange
+
<blockquote>Zwei Theorien stehen sich hier gegenüber, beide haben sie eine lange Tradition. Die eine geht davon aus, daß vorindustrielle Gesellschaften Mangelgesellschaften sind. Ihre geringe Güterausstattung verdammt sie zu Armut und Elend, und sie warten nur darauf, durch die Segnungen der Industrialisierung erlöst zu werden. Die andere Theorie geht von der Prämisse aus, daß die geringe Güterausstattung kein Ausdruck von Mangel ist, sonder den einfachen Bedürfnissen dieser Menschen entspricht." (Spittler 1991: 66)</blockquote>
Tradition. Die eine geht davon aus, daß vorindustrielle Gesellschaften
 
Mangelgesellschaften sind. Ihre geringe Güterausstattung verdammt sie zu
 
Armut und Elend, und sie warten nur darauf, durch die Segnungen der
 
Industrialisierung erlöst zu werden. Die andere Theorie geht von der
 
Prämisse aus, daß die geringe Güterausstattung kein Ausdruck von Mangel
 
ist, sonder den einfachen Bedürfnissen dieser Menschen entspricht."*
 
(Spittler 1991: 66)
 
  
''Spittler'' plädiert in der Folge für ein differenziertes Bild und für
+
'''Spittler''' plädiert in der Folge für ein differenziertes Bild und für
 
eine Unterscheidung der Sachverhalte:
 
eine Unterscheidung der Sachverhalte:
  
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d) Moderne Armut im Rahmen einer Bedürfnisexpansion
 
d) Moderne Armut im Rahmen einer Bedürfnisexpansion
  
''a) Einfache und begrenzte Bedürfnisse''
+
'''a) Einfache und begrenzte Bedürfnisse'''
  
 
Einfache Bedürfnisse entsprechen in etwa dem, was Sahlins in seiner
 
Einfache Bedürfnisse entsprechen in etwa dem, was Sahlins in seiner
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Bedürfnisse "werden begrenzt".
 
Bedürfnisse "werden begrenzt".
  
''b) Mangel, der aber nicht mit Armut gleichzusetzen ist''
+
'''b) Mangel, der aber nicht mit Armut gleichzusetzen ist'''
  
 
Mangel ohne Armut setzt Spittler mit Gesellschaften in Verbindung, die
 
Mangel ohne Armut setzt Spittler mit Gesellschaften in Verbindung, die
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Form gibt.
 
Form gibt.
  
''c) Armut im Rahmen von einfachen Bedürfnissen''
+
'''c) Armut im Rahmen von einfachen Bedürfnissen'''
  
 
Armut trotz einfacher Bedürfnisse tritt dann auf, wenn selbst einfache
 
Armut trotz einfacher Bedürfnisse tritt dann auf, wenn selbst einfache
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Not.
 
Not.
  
''d) Moderne Armut im Rahmen einer Bedürfnisexpansion''
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'''d) Moderne Armut im Rahmen einer Bedürfnisexpansion'''
  
 
Die moderne Armut beruht auf gestiegenen Ansprüchen ohne Aussicht auf
 
Die moderne Armut beruht auf gestiegenen Ansprüchen ohne Aussicht auf
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haben.
 
haben.
  
Spittler setzt dem entgegen: *"Ich vertrete die These, daß der Prozeß
+
Spittler setzt dem entgegen: <blockquote>Ich vertrete die These, daß der Prozeß umgekehrt verläuft, wie es Lerner postuliert. Es sind nicht durch Kommunikation bewirkte neue Bedürfnisse, die bei Nichterfüllung zu Armut und Marginalisierung führen, sondern der Prozeß beginnt mit der Marginalisierung. Dabei wird das traditionelle Wertesystem aufgelöst, und die neuen Bedürfnisse der modernen Welt werden übernommen." (Spittler 1991: 83)</blockquote>
umgekehrt verläuft, wie es Lerner postuliert. Es sind nicht durch
 
Kommunikation bewirkte neue Bedürfnisse, die bei Nichterfüllung zu Armut
 
und Marginalisierung führen, sondern der Prozeß beginnt mit der
 
Marginalisierung. Dabei wird das traditionelle Wertesystem aufgelöst,
 
und die neuen Bedürfnisse der modernen Welt werden übernommen."*
 
(Spittler 1991: 83)
 
  
 
Am Beispiel der Errichtung von Schulen zeigt er, dass plötzlich alle,
 
Am Beispiel der Errichtung von Schulen zeigt er, dass plötzlich alle,
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neuen Behörden und ihren sich vervielfachenden Verwaltungsakten
 
neuen Behörden und ihren sich vervielfachenden Verwaltungsakten
 
ausgesetzt!
 
ausgesetzt!
 
 
  
 
===4.3.3.3 Beispiel: Domestic Mode of Production===
 
===4.3.3.3 Beispiel: Domestic Mode of Production===
 
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''Marshall Sahlins(1972) zeigt weiters, dass in vielen kleinen,
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[[File:theogrundlagen-302_1.jpg|frame|right|Viele indigene Gemeinschaften des Amazonasraums (z.B. die Achuar) können dem "Domestic Mode of Production" zugeordnet werden. Foto: Elke Mader]]
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'''Marshall Sahlins(1972) zeigt weiters, dass in vielen kleinen,
 
überschaubaren (= wenig stratifizierten) Gesellschaften die
 
überschaubaren (= wenig stratifizierten) Gesellschaften die
Produktionsweise auf den Haushalt beschränkt ist.'' Dieser ist eine
+
Produktionsweise auf den Haushalt beschränkt ist.''' Dieser ist eine
 
Produktionseinheit von mehreren Generationen. In der Hausgemeinschaft
 
Produktionseinheit von mehreren Generationen. In der Hausgemeinschaft
 
gibt es Arbeitsteilung, jedoch nicht nach Kenntnissen, sondern nach
 
gibt es Arbeitsteilung, jedoch nicht nach Kenntnissen, sondern nach
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noch die Arbeitskraft werden voll ausgenützt. Arbeit und bearbeitete
 
noch die Arbeitskraft werden voll ausgenützt. Arbeit und bearbeitete
 
Fläche ändern sich im Verhältnis Produzenten zu Konsumenten ==>
 
Fläche ändern sich im Verhältnis Produzenten zu Konsumenten ==>
''Tschajanow's Gesetz''.
+
'''Tschajanow's Gesetz'''.
  
 
Nicht nur für russische Bauern der Zarenzeit gilt: Die Produktion passt
 
Nicht nur für russische Bauern der Zarenzeit gilt: Die Produktion passt
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Seither gab es verschiedene Versuche, den Eigenheiten der Häuslichen
 
Seither gab es verschiedene Versuche, den Eigenheiten der Häuslichen
Produktionsweise auf die Spur zu kommen ==> ''Peasant societies''.
+
Produktionsweise auf die Spur zu kommen ==> '''Peasant societies'''.
 
 
[[File:theogrundlagen-302_1.jpg|frame|right|Viele indigene Gemeinschaften des Amazonasraums (z.B. die Achuar) können dem "Domestic Mode of Production" zugeordnet werden. Foto: Elke Mader]]
 
 
 
 
 
  
 
==4.3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur==
 
==4.3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur==
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'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/> '''
+
'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>'''
 
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[[#4.3 Substantivisten|&uarr; Nach oben]]<br/>  
 
[[#4.3 Substantivisten|&uarr; Nach oben]]<br/>  
  
  
[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>  
+
'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]'''<br/>  
 
=5 Neomarxismus=
 
=5 Neomarxismus=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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<div><ul>
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-227_1.jpg|thumb|none|Produktion von Töpferwaren in Nepal. Foto: Elke Mader]] </li>
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-227_2.jpg|thumb|none|Produktion von Töpferwaren in Nepal. Foto: Elke Mader]] </li>
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</ul></div>
  
[[File:theogrundlagen-227_1.jpg|frame|left|Produktion von Töpferwaren in Nepal. Foto: Elke Mader]]
+
Im Zentrum einer '''Politischen Ökonomie aus marxistischer Perspektive'''
[[File:theogrundlagen-227_2.jpg|frame|right|Produktion von Töpferwaren in Nepal. Foto: Elke Mader]]
+
steht das Konzept der '''Produktionsweise'''. Daraus ergeben sich
 
+
einerseits die '''Fokussierung auf Produktion''' und andererseits die
Im Zentrum einer ''Politischen Ökonomie aus marxistischer Perspektive''
+
Betonung der '''Bedeutung von Geschichte'''. Die Politische Ökonomie ist
steht das Konzept der ''Produktionsweise''. Daraus ergeben sich
 
einerseits die ''Fokussierung auf Produktion'' und andererseits die
 
Betonung der ''Bedeutung von Geschichte''. Die Politische Ökonomie ist
 
 
Teil einer "'broad Enlightenment metanarrative of progress'" (Robotham
 
Teil einer "'broad Enlightenment metanarrative of progress'" (Robotham
 
2005: 41). Einzelne Gesellschaften werden in einem breiteren Kontext der
 
2005: 41). Einzelne Gesellschaften werden in einem breiteren Kontext der
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verpönt (Graeber 2001: 24).
 
verpönt (Graeber 2001: 24).
  
In Frankreich änderte sich dies durch den Philosophen ''Louis
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In Frankreich änderte sich dies durch den Philosophen '''Louis
Althusser'' in den 1960er Jahren. Er plädierte für eine flexiblere
+
Althusser''' in den 1960er Jahren. Er plädierte für eine flexiblere
 
Begrifflichkeit rund um das Marx'sche Konzept der Produktionsweisen.
 
Begrifflichkeit rund um das Marx'sche Konzept der Produktionsweisen.
Dies wurde von Sozialanthropologen wie ''Meillassoux[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.1 Claude Meillassoux|[1]]]'',
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Dies wurde von Sozialanthropologen wie '''Meillassoux[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.1 Claude Meillassoux|[1]]]''',
''Terray[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.3 Emmanuel Terray|[2]]]&&'' und ''Godelier&&[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.2 Maurice Godelier|[3]]]'' aufgegriffen und ausgebaut.
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'''Terray[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.3 Emmanuel Terray|[2]]]''''' und '''Godelier''[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.2 Maurice Godelier|[3]]]''' aufgegriffen und ausgebaut.
  
Aus dieser ''marxistischen Perspektive'' heraus argumentierten sie, dass
+
Aus dieser '''marxistischen Perspektive''' heraus argumentierten sie, dass
''sowohlFormalisten wie Substantivisten[[Neoklassik/Der_Grosse_Streit#3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit|[4]]]unrecht hätten'', da beide
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'''sowohlFormalisten wie Substantivisten[[Neoklassik/Der_Grosse_Streit#3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit|[4]]]unrecht hätten''', da beide
 
den Ausgangspunkt für ökonomisches Handeln im Austausch und der
 
den Ausgangspunkt für ökonomisches Handeln im Austausch und der
 
Distribution sehen.
 
Distribution sehen.
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Diese gingen von "einer Gesellschaft" aus, und stellten sich dann die
 
Diese gingen von "einer Gesellschaft" aus, und stellten sich dann die
 
Frage, wie diese Gesellschaft zusammen gehalten wird. Geschichte hatte
 
Frage, wie diese Gesellschaft zusammen gehalten wird. Geschichte hatte
für sie wenig Bedeutung. ''Marxistische Ansätze, die sich mit
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für sie wenig Bedeutung. '''Marxistische Ansätze, die sich mit
 
Produktionsweisen auseinander setzen, wollen immer auch die Geschichte
 
Produktionsweisen auseinander setzen, wollen immer auch die Geschichte
 
der Produktionsweisen, wie sich bestimmte Formen von Ausbeutung und
 
der Produktionsweisen, wie sich bestimmte Formen von Ausbeutung und
Herrschaft entwickelt haben, nachzeichnen'' (vgl. Graeber 2001: 24;
+
Herrschaft entwickelt haben, nachzeichnen''' (vgl. Graeber 2001: 24;
 
Robotham 2005).
 
Robotham 2005).
  
 
In den USA gingen insbesondere Schüler des Neoevolutionisten und
 
In den USA gingen insbesondere Schüler des Neoevolutionisten und
Kulturökologen ''Julian Steward'' (link) der Frage nach der Geschichte
+
Kulturökologen '''Julian Steward''' (link) der Frage nach der Geschichte
nicht-industrieller Produktionsweisen nach. Anthropologen wie ''Eric
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nicht-industrieller Produktionsweisen nach. Anthropologen wie '''Eric
Wolf[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[5]]]&&'' oder ''Sidney Mintz&&[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[6]]]'' stellten dabei die Verflechtungen
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Wolf[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[5]]]''''' oder '''Sidney Mintz''[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[6]]]''' stellten dabei die Verflechtungen
 
der kapitalistischen mit nicht-kapitalistischen Produktionsweisen in den
 
der kapitalistischen mit nicht-kapitalistischen Produktionsweisen in den
 
Vordergrund.
 
Vordergrund.
  
''Verweise:''
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'''Verweise:'''
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[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.1 Claude Meillassoux|[1] Siehe Kapitel 5.2.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.1 Claude Meillassoux|[1] Siehe Kapitel 5.2.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.3 Emmanuel Terray|[2] Siehe Kapitel 5.2.3]]<br/>
 
[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.3 Emmanuel Terray|[2] Siehe Kapitel 5.2.3]]<br/>
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:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt]]<br/>
 
::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff|5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff]]<br/>
 
::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff|5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff]]<br/>
:::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerischer Installation|5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerischer Installation]]<br/>
+
:::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerische Installation|5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerische Installation]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4 Warenströme|5.3.1.1.2.4 Warenströme]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4 Warenströme|5.3.1.1.2.4 Warenströme]]<br/>
 
::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika|5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika]]<br/>
 
::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika|5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika]]<br/>
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus|4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus|4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
 
[[Neomarxismus#5 Neomarxismus|5 Neomarxismus]]<br/>
 
[[Neomarxismus#5 Neomarxismus|5 Neomarxismus]]<br/>
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 +
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'''[[Neomarxismus/Vergleich#5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich| Nächstes Kapitel: 5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich]]<br/>'''
 
'''[[Neomarxismus/Vergleich#5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich| Nächstes Kapitel: 5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich]]<br/>'''
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[[Neomarxismus#5 Neomarxismus| Vorheriges Kapitel: 5 Neomarxismus]]<br/>
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'''[[Neomarxismus#5 Neomarxismus| Vorheriges Kapitel: 5 Neomarxismus]]'''<br/>
 
=5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich=
 
=5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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Frankreich und eine in Amerika (vgl. Wilk 1996: 92ff).
 
Frankreich und eine in Amerika (vgl. Wilk 1996: 92ff).
  
''Gemeinsamkeiten:''
+
'''Gemeinsamkeiten:'''
  
*  Ausgangspunkt: materielles System der Produktion und
+
*  Ausgangspunkt: materielles System der Produktion und Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel
    Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel
 
 
*  Fokus auf Fragen der Macht und der Ausbeutung
 
*  Fokus auf Fragen der Macht und der Ausbeutung
 
*  Auseinandersetzung mit Konflikt und Wandel
 
*  Auseinandersetzung mit Konflikt und Wandel
*  Analyse von Handlungen und Ereignissen als politische Machtkämpfe
+
*  Analyse von Handlungen und Ereignissen als politische Machtkämpfe zwischen sozialen Gruppen, die durch die Kontrolle über Eigentum entschieden werden
    zwischen sozialen Gruppen, die durch die Kontrolle über Eigentum
 
    entschieden werden
 
  
''Unterschiede:''
+
'''Unterschiede:'''
  
 
*  Frankreich: strukturalistisch beeinflusst
 
*  Frankreich: strukturalistisch beeinflusst
  
```{=html}
 
<!-- -->
 
```
 
 
*  USA: stark historisch orientiert
 
*  USA: stark historisch orientiert
  
Line 5,113: Line 4,599:
  
  
[[Neomarxismus/Vergleich#5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich| Vorheriges Kapitel: 5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich]]<br/>
+
'''[[Neomarxismus/Vergleich#5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich| Vorheriges Kapitel: 5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich]]'''<br/>
 
=5.2 Französische VertreterInnen=
 
=5.2 Französische VertreterInnen=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
Line 5,119: Line 4,605:
 
Die marxistisch orientierte Gruppe in Frankreich, zu der mit Ausnahme
 
Die marxistisch orientierte Gruppe in Frankreich, zu der mit Ausnahme
 
von Maurice Godelier vor allem Afrikaspezialisten gehören, wird aufgrund
 
von Maurice Godelier vor allem Afrikaspezialisten gehören, wird aufgrund
des ''starken Einflusses des Strukturalismus'* auch als '''Structural
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des '''starken Einflusses des Strukturalismus'* auch als ''Structural
 
Marxists'*' (Robotham 2005: 42f; Wilk 1996: 86) bezeichnet.
 
Marxists'*' (Robotham 2005: 42f; Wilk 1996: 86) bezeichnet.
  
Line 5,129: Line 4,615:
 
der 1960er Jahre versuchte man die ethnographischen Fakten in
 
der 1960er Jahre versuchte man die ethnographischen Fakten in
 
vorgefertigte theoretische Schemen zu pressen. Anthropologen wie
 
vorgefertigte theoretische Schemen zu pressen. Anthropologen wie
''Claude Meillassoux, Maurice Godelier, Emmanuel Terray, Pierre-Phillip
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'''Claude Meillassoux, Maurice Godelier, Emmanuel Terray, Pierre-Phillip
Rey, Georges Dupré oder Marc Augé'' sehen die Feldforschung als
+
Rey, Georges Dupré oder Marc Augé''' sehen die Feldforschung als
 
notwendigen Ausgangspunkt für Theorienbildung. Sie legen daher auch
 
notwendigen Ausgangspunkt für Theorienbildung. Sie legen daher auch
 
feinkörnige und detailreiche ethnographische Beschreibungen der
 
feinkörnige und detailreiche ethnographische Beschreibungen der
Line 5,158: Line 4,644:
 
==5.2.1 Claude Meillassoux==
 
==5.2.1 Claude Meillassoux==
  
[[File:theogrundlagen-230_1.jpg|frame|right|Quelle: ''https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm [https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm  &#91;1&#93;]'']]
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[[File:theogrundlagen-230_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm [https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm  &#91;1&#93;]''']]
  
''Claude Meillassoux (1925 -- 2005)''
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'''Claude Meillassoux (1925 -- 2005)'''
  
''Relevante Werke:''
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'''Relevante Werke:'''
  
 
1964: Anthropologie économique des Gouro de Côte d'Ivoire
 
1964: Anthropologie économique des Gouro de Côte d'Ivoire
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1975: Femmes, greniers et capitaux
 
1975: Femmes, greniers et capitaux
  
''Claude Meillassoux wird als Begründer der Ökonomischen Anthropologie
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'''Claude Meillassoux wird als Begründer der Ökonomischen Anthropologie
in Frankreich bezeichnet'' (vgl. Copans 2005: 1). Er studierte zuerst in
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in Frankreich bezeichnet''' (vgl. Copans 2005: 1). Er studierte zuerst in
 
den USA Ökonomie, dann bei Georges Balandier in Paris, welcher eine
 
den USA Ökonomie, dann bei Georges Balandier in Paris, welcher eine
 
gegenwartsbezogene, problemorientierte Afrikaforschung initiierte.
 
gegenwartsbezogene, problemorientierte Afrikaforschung initiierte.
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politischem Engagement (Schlemmer 2004; Copans 2005).
 
politischem Engagement (Schlemmer 2004; Copans 2005).
  
''Meillassoux geht davon aus, dass die Konzepte von Marx über
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'''Meillassoux geht davon aus, dass die Konzepte von Marx über
 
Ausbeutung, Ideologie und Macht gleichermaßen dazu verwendet werden
 
Ausbeutung, Ideologie und Macht gleichermaßen dazu verwendet werden
 
können, staatenlose Gesellschaften und Gesellschaften ohne elaborierte
 
können, staatenlose Gesellschaften und Gesellschaften ohne elaborierte
politische Hierarchien zu verstehen.'' Er argumentiert, dass
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politische Hierarchien zu verstehen.''' Er argumentiert, dass
 
Verwandtschaft Teil der politischen Ökonomie ist und dass auch in
 
Verwandtschaft Teil der politischen Ökonomie ist und dass auch in
 
egalitären Gesellschaften und Haushalten es Gruppen gibt, die andere
 
egalitären Gesellschaften und Haushalten es Gruppen gibt, die andere
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Ausbeutung zu verstecken und zu rechtfertigen.
 
Ausbeutung zu verstecken und zu rechtfertigen.
  
''Meillassoux im WWW:''
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'''Meillassoux im WWW:'''
  
''https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm [https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm  &#91;1&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm [https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm  &#91;1&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm [https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm  &#91;2&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm [https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm  &#91;2&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html [https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html  &#91;3&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html [https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html  &#91;3&#93;]'''
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm]<br/>
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===5.2.1.1 Verwandtschaft als Teil der Produktionsverhältnisse===
 
===5.2.1.1 Verwandtschaft als Teil der Produktionsverhältnisse===
 +
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Auf Basis seiner ''Feldforschung bei den Gouro an der Elfenbeinküste''
+
Auf Basis seiner '''Feldforschung bei den Gouro an der Elfenbeinküste'''
(Cote d'Ivoire) stellt ''Meillassoux'' fest, dass ''Verwandtschaft eng
+
(Cote d'Ivoire) stellt '''Meillassoux''' fest, dass '''Verwandtschaft eng
mit den Produktions- und Distributionsverhältnissen verknüpft'' ist.
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mit den Produktions- und Distributionsverhältnissen verknüpft''' ist.
 
Jagd, Viehzucht, Ackerbau für den eigenen Verbrauch, aber auch der Anbau
 
Jagd, Viehzucht, Ackerbau für den eigenen Verbrauch, aber auch der Anbau
 
von Cash-Crops sind entlang der Verwandtschaft organisiert.
 
von Cash-Crops sind entlang der Verwandtschaft organisiert.
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in der klassenlosen Gesellschaft der Gouro.
 
in der klassenlosen Gesellschaft der Gouro.
  
Meillassoux definiert eine ''häusliche Produktionsweise'' (*domestic
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Meillassoux definiert eine '''häusliche Produktionsweise''' (*domestic
 
mode of production*), in der die älteren Männer die jüngeren Männer und
 
mode of production*), in der die älteren Männer die jüngeren Männer und
 
die Frauen ausbeuten, in dem sie die Kontrolle über deren Arbeitskraft
 
die Frauen ausbeuten, in dem sie die Kontrolle über deren Arbeitskraft
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Heiraten der Töchter und Söhne, deren Brautpreis oder Mitgift.
 
Heiraten der Töchter und Söhne, deren Brautpreis oder Mitgift.
  
Während in der ''kapitalistischen Produktionsweise'' die Abschöpfung von
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Während in der '''kapitalistischen Produktionsweise''' die Abschöpfung von
 
Mehrwert über das Eigentum an Produktionsmittel erfolgt, sind in der
 
Mehrwert über das Eigentum an Produktionsmittel erfolgt, sind in der
 
häuslichen Produktionsweise die Abschöpfung von Mehrarbeit und
 
häuslichen Produktionsweise die Abschöpfung von Mehrarbeit und
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oder Tribute.
 
oder Tribute.
  
''Für Meillassoux und Godelier ist Verwandtschaft jedenfalls ein
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'''Für Meillassoux und Godelier ist Verwandtschaft jedenfalls ein
Machtsystem'', über das Arbeit organisiert und die Produkte von Arbeit
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Machtsystem''', über das Arbeit organisiert und die Produkte von Arbeit
 
gesteuert werden.
 
gesteuert werden.
 
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[[File:theogrundlagen-231_1.jpg|frame|left|Auf einer Hochzeit in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-231_1.jpg|thumb|none|Auf einer Hochzeit in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]] </li>
[[File:theogrundlagen-231_2.jpg|frame|right|Auf einer Hochzeit in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-231_2.jpg|thumb|none|Auf einer Hochzeit in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]] </li>
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===5.2.1.2 Reproduktion und die Entstehung von Ungleichheit===
 
===5.2.1.2 Reproduktion und die Entstehung von Ungleichheit===
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[[File:theogrundlagen-232_1.jpg|frame|right|"Cash and Carry Ventures", Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
 
[[File:theogrundlagen-232_1.jpg|frame|right|"Cash and Carry Ventures", Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
  
In den '''"Wilden Früchten der Frauen"''' (1978) arbeitet
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In den ''"Wilden Früchten der Frauen"'' (1978) arbeitet
''Meillassoux'' im ersten Teil heraus, wie Produktion und Reproduktion
+
'''Meillassoux''' im ersten Teil heraus, wie Produktion und Reproduktion
 
in verschiedenen Wirtschaftsweisen organisiert sind, insbesondere die
 
in verschiedenen Wirtschaftsweisen organisiert sind, insbesondere die
Spezifika der ''Haushaltswirtschaft in Getreidebaugesellschaften''.
+
Spezifika der '''Haushaltswirtschaft in Getreidebaugesellschaften'''.
 
Diese Produktionsform zieht ihre Stabilität aus der Fähigkeit, die
 
Diese Produktionsform zieht ihre Stabilität aus der Fähigkeit, die
 
Hausgemeinschaft über Generationen hinweg auf einer ständigen
 
Hausgemeinschaft über Generationen hinweg auf einer ständigen
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bleiben und wegen des Saatguts bis zur nächsten Aussaat.
 
bleiben und wegen des Saatguts bis zur nächsten Aussaat.
  
*"In dieser Sicht ist der landwirtschaftliche Zyklus von einer immer
+
<blockquote>In dieser Sicht ist der landwirtschaftliche Zyklus von einer immer wieder erneuerten Zirkulation von Vorschüssen und Rückzahlungen des Produkts zwischen den produzierenden Gruppen der aufeinander folgenden Jahreszeiten begleitet: Die Gesamtheit der Arbeiter einer Saison schießt denen der folgenden Saison Nahrung und Saatgut vor" (Meillassoux 1978: 55).</blockquote>
wieder erneuerten Zirkulation von Vorschüssen und Rückzahlungen des
 
Produkts zwischen den produzierenden Gruppen der aufeinander folgenden
 
Jahreszeiten begleitet: Die Gesamtheit der Arbeiter einer Saison schießt
 
denen der folgenden Saison Nahrung und Saatgut vor"* (Meillassoux 1978:
 
55).
 
  
 
Im Laufe der Zeit erfolgt ein Wechsel der Generationen, die Alten
 
Im Laufe der Zeit erfolgt ein Wechsel der Generationen, die Alten
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daraus, dass die Alten den Jungen immer etwas vorschießen.
 
daraus, dass die Alten den Jungen immer etwas vorschießen.
  
Dies entspricht auch der ''Mauss'schen[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.2 Marcel Mauss|[1]]]'' ''Logik der Gabe'', die
+
Dies entspricht auch der '''Mauss'schen[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.2 Marcel Mauss|[1]]]''' '''Logik der Gabe''', die
 
davon ausgeht, dass das Geschenk, die Gabe, immer eine Schuld begründet,
 
davon ausgeht, dass das Geschenk, die Gabe, immer eine Schuld begründet,
 
die den Nehmenden in eine untergeordnete Position gegenüber den Gebenden
 
die den Nehmenden in eine untergeordnete Position gegenüber den Gebenden
 
setzt.
 
setzt.
  
''Meillassoux sieht in den internen Dynamiken, die den Produktions- und
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'''Meillassoux sieht in den internen Dynamiken, die den Produktions- und
 
vor allem den Reproduktionsverhältnissen der Hauswirtschaften im
 
vor allem den Reproduktionsverhältnissen der Hauswirtschaften im
 
Ackerbau inhärent sind, das Potenzial für deren Ausbeutbarkeit
 
Ackerbau inhärent sind, das Potenzial für deren Ausbeutbarkeit
angelegt.'' Durch die Notwendigkeit, über das Jahr und über die
+
angelegt.''' Durch die Notwendigkeit, über das Jahr und über die
 
Generationen hinweg Vorräte zu erwirtschaften, die zur Risikominimierung
 
Generationen hinweg Vorräte zu erwirtschaften, die zur Risikominimierung
 
das Niveau des unbedingt Nötigen überschreiten müssen, wird Mehrarbeit
 
das Niveau des unbedingt Nötigen überschreiten müssen, wird Mehrarbeit
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abschöpfbar ist.
 
abschöpfbar ist.
  
''Verweise:''
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'''Verweise:'''
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.2 Marcel Mauss|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.2]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.2 Marcel Mauss|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.2]]<br/>
  
Line 5,296: Line 4,782:
  
 
===5.2.1.3 Reproduktion und die fortgesetzte "ursprüngliche Akkumulation"===
 
===5.2.1.3 Reproduktion und die fortgesetzte "ursprüngliche Akkumulation"===
 +
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[[File:theogrundlagen-233_1.jpg|frame|right|"Everything is step by step", Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
 
[[File:theogrundlagen-233_1.jpg|frame|right|"Everything is step by step", Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
  
 
Im zweiten Teil der 'Wilden Früchte der Frauen' überprüft
 
Im zweiten Teil der 'Wilden Früchte der Frauen' überprüft
''Meillassoux'' die ''Theorien des Lohns und der ursprünglichen
+
'''Meillassoux''' die '''Theorien des Lohns und der ursprünglichen
Akkumulation'' (Meillassoux 1978: 113ff).
+
Akkumulation''' (Meillassoux 1978: 113ff).
  
Die Phase der ursprünglichen ''Akkumulation'' wurde von Karl Marx als
+
Die Phase der ursprünglichen '''Akkumulation''' wurde von Karl Marx als
 
Übergangsphase aufgefasst, in der es im Bereich der kapitalistischen
 
Übergangsphase aufgefasst, in der es im Bereich der kapitalistischen
 
Produktionsweise zu einem besonders raschen Anwachsen des Kapitals
 
Produktionsweise zu einem besonders raschen Anwachsen des Kapitals
 
gekommen ist. Durch den ständigen Zustrom von Arbeitskräften aus den
 
gekommen ist. Durch den ständigen Zustrom von Arbeitskräften aus den
 
nicht kapitalisierten Bereichen konnten die Löhne unter den gesamten
 
nicht kapitalisierten Bereichen konnten die Löhne unter den gesamten
Reproduktionskosten der ''Arbeitskraft[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx|[1]]]'' gehalten werden.
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Reproduktionskosten der '''Arbeitskraft[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx|[1]]]''' gehalten werden.
  
Für die von diesen Prozessen ''betroffenen Menschen[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.1 Historischer Kontext|[2]]]'' bedeutete
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Für die von diesen Prozessen '''betroffenen Menschen[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.1 Historischer Kontext|[2]]]''' bedeutete
 
dies Verelendung, Enteignung, Migrationsdruck, Migration in rasch
 
dies Verelendung, Enteignung, Migrationsdruck, Migration in rasch
 
wachsende Städte, entfremdete Arbeit unter meist katastrophalen
 
wachsende Städte, entfremdete Arbeit unter meist katastrophalen
 
Bedingungen, Slumbildung.
 
Bedingungen, Slumbildung.
  
Zumindest die ''Produktion der Arbeitskraft'' als solche erfolgte im
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Zumindest die '''Produktion der Arbeitskraft''' als solche erfolgte im
 
vorkapitalistischen Sektor. Diese Phase der ursprünglichen Akkumulation
 
vorkapitalistischen Sektor. Diese Phase der ursprünglichen Akkumulation
 
wurde als Übergangszeit theoretisiert, die mit der vollständigen
 
wurde als Übergangszeit theoretisiert, die mit der vollständigen
 
Durchkapitalisierung abgeschlossen sein würde.
 
Durchkapitalisierung abgeschlossen sein würde.
  
Meillassoux (1978:116f) weist nun darauf hin, dass der ''Bereich der
+
Meillassoux (1978:116f) weist nun darauf hin, dass der '''Bereich der
 
bäuerlichen Hauswirtschaften keineswegs zur Gänze dem kapitalistischen
 
bäuerlichen Hauswirtschaften keineswegs zur Gänze dem kapitalistischen
Sektor unterworfen ist'' und auch hinreichend viel Spielraum erhält, um
+
Sektor unterworfen ist''' und auch hinreichend viel Spielraum erhält, um
 
selbst reproduktionsfähig zu sein. Bäuerliche Gesellschaften bleiben
 
selbst reproduktionsfähig zu sein. Bäuerliche Gesellschaften bleiben
qualitativ von der kapitalistischen Produktionsweise verschieden, aber
+
qualitativ von der kapitalistischen Produktionsweise verschieden, aber:
"*die allgemeinen Bedingungen der Reproduktion des sozialen Ganzen
+
<blockquote>die allgemeinen Bedingungen der Reproduktion des sozialen Ganzen dagegen hängen nicht mehr von den der häuslichen Produktionsweise innewohnenden Determinanten ab, sondern von im kapitalistischen Sektor getroffenen Entscheidungen. Durch diesen im Wesen widersprüchlichen Prozess wird die häusliche Produktionsweise sowohl erhalten wie zerstört: Erhalten als soziale Organisationsform, die für den Imperialismus Wert produziert; zerstört, da die Ausbeutung sie allmählich ihrer Reproduktionsmittel beraubt" (Meillassoux 1978: 116).</blockquote> 
dagegen hängen nicht mehr von den der häuslichen Produktionsweise
 
innewohnenden Determinanten ab, sondern von im kapitalistischen Sektor
 
getroffenen Entscheidungen. Durch diesen im Wesen widersprüchlichen
 
Prozess wird die häusliche Produktionsweise sowohl erhalten wie
 
zerstört: Erhalten als soziale Organisationsform, die für den
 
Imperialismus Wert produziert; zerstört, da die Ausbeutung sie
 
allmählich ihrer Reproduktionsmittel beraubt*" (Meillassoux 1978: 116).
 
  
Durch die mehr oder weniger künstliche Aufrechterhaltung eines nicht
+
Durch die mehr oder weniger künstliche Aufrechterhaltung eines nicht vollständig durchkapitalisierten Sektors lässt sich die '''ursprüngliche Akkumulation in ein permanentes Ausbeutungsverhältnis umwandeln''',
vollständig durchkapitalisierten Sektors lässt sich die ''ursprüngliche
 
Akkumulation in ein permanentes Ausbeutungsverhältnis umwandeln'',
 
 
insofern als es Regionen und gesellschaftliche Bereiche gibt, die
 
insofern als es Regionen und gesellschaftliche Bereiche gibt, die
 
Arbeitskräfte außerhalb der Zirkulationssphäre der reinen
 
Arbeitskräfte außerhalb der Zirkulationssphäre der reinen
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Meillassoux bezieht dieses Phänomen insbesondere auf
 
Meillassoux bezieht dieses Phänomen insbesondere auf
''Rotationswanderungen'', wie sie beispielsweise durch das
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'''Rotationswanderungen''', wie sie beispielsweise durch das
''südafrikanische Apartheidsystem'' erzwungen wurden. In den Homelands
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'''südafrikanische Apartheidsystem''' erzwungen wurden. In den Homelands
 
wurde die häusliche Produktionsweise künstlich aufrechterhalten, um den
 
wurde die häusliche Produktionsweise künstlich aufrechterhalten, um den
 
Minenarbeitern nicht die vollen Reproduktionskosten bezahlen zu müssen
 
Minenarbeitern nicht die vollen Reproduktionskosten bezahlen zu müssen
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Bevölkerungsgruppen gezwungen werden.
 
Bevölkerungsgruppen gezwungen werden.
  
''Meillassoux'' hat sich damit als ''einer der ersten Anthropologen mit
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'''Meillassoux''' hat sich damit als '''einer der ersten Anthropologen mit
Fragen der Arbeitsmigration'' und dem Verhältnis zwischen
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Fragen der Arbeitsmigration''' und dem Verhältnis zwischen
 
kapitalistischer und häuslicher Produktionsweise befasst. Die häusliche
 
kapitalistischer und häuslicher Produktionsweise befasst. Die häusliche
 
Produktionsweise geht durch die kapitalistische Produktionsweise nicht
 
Produktionsweise geht durch die kapitalistische Produktionsweise nicht
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Trotz Kritik in vielen Teilbereichen wurde diese Arbeit von Meillassoux
 
Trotz Kritik in vielen Teilbereichen wurde diese Arbeit von Meillassoux
sowohl in der ''feministischen Anthropologie'' als auch in der
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sowohl in der '''feministischen Anthropologie''' als auch in der
''Migrationsforschung'' und in der ''ökonomischen Anthropologie''
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'''Migrationsforschung''' und in der '''ökonomischen Anthropologie'''
 
rezipiert und weiter entwickelt.
 
rezipiert und weiter entwickelt.
  
''Verweise:''
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'''Verweise:'''
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx|[1] Siehe Kapitel 2.1.2.1]]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx|[1] Siehe Kapitel 2.1.2.1]]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.1 Historischer Kontext|[2] Siehe Kapitel 2.1.1]]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.1 Historischer Kontext|[2] Siehe Kapitel 2.1.1]]<br/>
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==5.2.2 Maurice Godelier==
 
==5.2.2 Maurice Godelier==
  
[[File:theogrundlagen-234_1.jpg|frame|right|Quelle: ''https://web.archive.org/web/20050216115222/http://europa.eu.int/comm/research/rtdinfo/37/article_61_en.html [https://web.archive.org/web/20050216115222/http://europa.eu.int/comm/research/rtdinfo/37/article_61_en.html  &#91;1&#93;]'']]
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[[File:theogrundlagen-234_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050216115222/http://europa.eu.int/comm/research/rtdinfo/37/article_61_en.html [https://web.archive.org/web/20050216115222/http://europa.eu.int/comm/research/rtdinfo/37/article_61_en.html  &#91;1&#93;]''']]
  
''Maurice Godelier (geb. 1934)''
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'''Maurice Godelier (geb. 1934)'''
  
''Relevante Werke:''
+
'''Relevante Werke:'''
  
 
1982: La production des Grands Hommes
 
1982: La production des Grands Hommes
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1984: L'idéel et le matériel
 
1984: L'idéel et le matériel
  
''Maurice Godelier'' studierte zuerst Philosophie, interessierte sich
+
'''Maurice Godelier''' studierte zuerst Philosophie, interessierte sich
dann für Ökonomie und kam durch ''Claude Lévi-Strauss'' zur
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dann für Ökonomie und kam durch '''Claude Lévi-Strauss''' zur
Sozialanthropologie. Als ''Schüler des marxistischen Philosophen Louis
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Sozialanthropologie. Als '''Schüler des marxistischen Philosophen Louis
Althusser'' und durch den Einfluss von Lévi-Strauss ist er stark
+
Althusser''' und durch den Einfluss von Lévi-Strauss ist er stark
 
strukturalistisch geprägt. Zwischen 1966 und 1988 führte Maurice
 
strukturalistisch geprägt. Zwischen 1966 und 1988 führte Maurice
 
Godelier mehrere Feldforschungen bei den Baruya im Hochland
 
Godelier mehrere Feldforschungen bei den Baruya im Hochland
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Über die intensive Beschäftigung mit klassenlosen Gesellschaften wie den
 
Über die intensive Beschäftigung mit klassenlosen Gesellschaften wie den
''Baruya'' kommt er zum Schluss, dass ''soziale Ungleichheit auch über
+
'''Baruya''' kommt er zum Schluss, dass '''soziale Ungleichheit auch über
 
das Verwandtschaftsverhältnis und die Ideologie hergestellt werden
 
das Verwandtschaftsverhältnis und die Ideologie hergestellt werden
kann''. Diese werden zum Produktionsverhältnis, das Alte und Junge,
+
kann'''. Diese werden zum Produktionsverhältnis, das Alte und Junge,
 
Männer und Frauen von einander trennt. Insbesondere die Frauen werden
 
Männer und Frauen von einander trennt. Insbesondere die Frauen werden
 
mit ideologischen Konstruktionen ihrer Produktionsmittel beraubt.
 
mit ideologischen Konstruktionen ihrer Produktionsmittel beraubt.
  
Es gibt nämlich ''keine Beziehung zwischen ökonomischer und politischer
+
Es gibt nämlich '''keine Beziehung zwischen ökonomischer und politischer
Macht in dieser klassenlosen Gesellschaft''. Manche Baruyamänner werden
+
Macht in dieser klassenlosen Gesellschaft'''. Manche Baruyamänner werden
 
zwar über den Salzhandel, den Gartenbau und die Jagd reich, sie können
 
zwar über den Salzhandel, den Gartenbau und die Jagd reich, sie können
 
aber diesen Reichtum nicht in Macht verwandeln und Chefs werden.
 
aber diesen Reichtum nicht in Macht verwandeln und Chefs werden.
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zuordnet.
 
zuordnet.
  
''Godelier im WWW:''
+
'''Godelier im WWW:'''
  
''https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Godelier [https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Godelier  &#91;2&#93;]''
+
'''https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Godelier [https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Godelier  &#91;2&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20051226022937/http://www.virginia.edu/anthropology/events/godelier-bio.html [https://web.archive.org/web/20051226022937/http://www.virginia.edu/anthropology/events/godelier-bio.html  &#91;3&#93;]''
+
'''https://web.archive.org/web/20051226022937/http://www.virginia.edu/anthropology/events/godelier-bio.html [https://web.archive.org/web/20051226022937/http://www.virginia.edu/anthropology/events/godelier-bio.html  &#91;3&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20050909002410/http://www.soc.hawaii.edu/asao/pacific/honoraryf/godelier.htm [https://web.archive.org/web/20050909002410/http://www.soc.hawaii.edu/asao/pacific/honoraryf/godelier.htm  &#91;4&#93;]''
+
'''https://web.archive.org/web/20050909002410/http://www.soc.hawaii.edu/asao/pacific/honoraryf/godelier.htm [https://web.archive.org/web/20050909002410/http://www.soc.hawaii.edu/asao/pacific/honoraryf/godelier.htm  &#91;4&#93;]'''
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20050216115222/http://europa.eu.int/comm/research/rtdinfo/37/article_61_en.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050216115222/http://europa.eu.int/comm/research/rtdinfo/37/article_61_en.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050216115222/http://europa.eu.int/comm/research/rtdinfo/37/article_61_en.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050216115222/http://europa.eu.int/comm/research/rtdinfo/37/article_61_en.html]<br/>
 
[https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Godelier  &#91;2&#93; https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Godelier]<br/>
 
[https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Godelier  &#91;2&#93; https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Godelier]<br/>
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===5.2.2.1 Die Produktion der Großen Männer===
 
===5.2.2.1 Die Produktion der Großen Männer===
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[[File:theogrundlagen-235_1.jpg|frame|right|"Großer Mann" der Baruya, Godelier 1986, Abb. 18.]]
 
[[File:theogrundlagen-235_1.jpg|frame|right|"Großer Mann" der Baruya, Godelier 1986, Abb. 18.]]
  
Die ''Baruya'', ein etwa 2000 Menschen zählender Stamm im Hochgebirge
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Die '''Baruya''', ein etwa 2000 Menschen zählender Stamm im Hochgebirge
 
Papua-Neuguineas, kamen 1951 erstmals mit Weißen "physisch" in
 
Papua-Neuguineas, kamen 1951 erstmals mit Weißen "physisch" in
 
Berührung, waren aber bereits ein Jahrzehnt früher von deren materiellen
 
Berührung, waren aber bereits ein Jahrzehnt früher von deren materiellen
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Godelier, der ab 1966 immer wieder lange und umfangreiche
 
Godelier, der ab 1966 immer wieder lange und umfangreiche
 
Feldforschungen bei ihnen durchführte, fasst sein Material 1982 unter
 
Feldforschungen bei ihnen durchführte, fasst sein Material 1982 unter
dem Titel '''Die Produktion der Großen Männer'*'. '''Macht und männliche
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dem Titel ''Die Produktion der Großen Männer'*'. ''Macht und männliche
 
Vorherrschaft bei den Baruya in Neuguinea'*' zusammen. Es geht ihm dabei
 
Vorherrschaft bei den Baruya in Neuguinea'*' zusammen. Es geht ihm dabei
 
explizit um die Analyse der Mechanismen und Vorstellungen, die in dieser
 
explizit um die Analyse der Mechanismen und Vorstellungen, die in dieser
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sein bedeutet nicht, dass es auch keine Ungleichheiten gibt:
 
sein bedeutet nicht, dass es auch keine Ungleichheiten gibt:
  
*"Ein Teil der Gesellschaft, die Männer, lenkte den anderen, die
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<blockquote>Ein Teil der Gesellschaft, die Männer, lenkte den anderen, die Frauen; sie regierten die Gesellschaft zwar nicht ohne die Frauen, aber gegen sie. Damit kommt der Fall der Baruya, einer klassenlosen Gesellschaft, zu all denen hinzu, die bereits deutlich davon zeugen, daß die Ungleichheit unter den Geschlechtern, die Unterordnung, Unterdrückung, ja Ausbeutung der Frauen gesellschaftliche Realitäten sind, die nicht erst mit dem Auftauchen der Klassen entstanden, sondern schon vorher existierten, auch wenn sich die Herrschaft der Männer mit den tausend Formen der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die den unseren vorausgingen, auf tausenderlei Arten gefestigt und erneuert hat." (Godelier 1987: 10)</blockquote> 
Frauen; sie regierten die Gesellschaft zwar nicht ohne die Frauen, aber
 
gegen sie. Damit kommt der Fall der Baruya, einer klassenlosen
 
Gesellschaft, zu all denen hinzu, die bereits deutlich davon zeugen, daß
 
die Ungleichheit unter den Geschlechtern, die Unterordnung,
 
Unterdrückung, ja Ausbeutung der Frauen gesellschaftliche Realitäten
 
sind, die nicht erst mit dem Auftauchen der Klassen entstanden, sondern
 
schon vorher existierten, auch wenn sich die Herrschaft der Männer mit
 
den tausend Formen der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die
 
den unseren vorausgingen, auf tausenderlei Arten gefestigt und erneuert
 
hat."* (Godelier 1987: 10)
 
  
Auch unter den Männern sind nicht alle gleich. Obwohl es keine soziale
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Auch unter den Männern sind nicht alle gleich. Obwohl es keine soziale Klasse gibt, die sich über eine andere erhebt, existieren doch eine Anzahl von Funktionen, verdient oder ererbt, die Große Männer hervorbringen.
Klasse gibt, die sich über eine andere erhebt, existieren doch eine
 
Anzahl von Funktionen, verdient oder ererbt, die Große Männer
 
hervorbringen.
 
  
 
"Die Produktion »Großer Männer« ist somit die unerläßliche Ergänzung
 
"Die Produktion »Großer Männer« ist somit die unerläßliche Ergänzung
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====5.2.2.1.1 Die Herrschaft der Männer über die Frauen bei den Baruya====
 
====5.2.2.1.1 Die Herrschaft der Männer über die Frauen bei den Baruya====
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Die ''Baruya'' leben in zwei Hochtälern im ''östlichen Hochland
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Die '''Baruya''' leben in zwei Hochtälern im '''östlichen Hochland
Neuguineas'' zwischen 1600 und 2300 Meter Seehöhe auf etwa 17 Dörfer
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Neuguineas''' zwischen 1600 und 2300 Meter Seehöhe auf etwa 17 Dörfer
 
verteilt. Es gibt keinen Häuptling, sondern 15 Clans, die wiederum in
 
verteilt. Es gibt keinen Häuptling, sondern 15 Clans, die wiederum in
 
Lineages und diese in Segmente unterteilt sind. Die soziale Organisation
 
Lineages und diese in Segmente unterteilt sind. Die soziale Organisation
 
der Clans und Untergruppen ist patrilinear und patrilokal.
 
der Clans und Untergruppen ist patrilinear und patrilokal.
  
Die wesentlichen ''Produktionszweige sind Brandrodungsfeldbau und der
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Die wesentlichen '''Produktionszweige sind Brandrodungsfeldbau und der
Anbau von Süßkartoffeln'' in dauerhaften Gärten, sowie die
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Anbau von Süßkartoffeln''' in dauerhaften Gärten, sowie die
 
Schweinezucht. Ergänzend kommen Jagd- und Sammelwirtschaft hinzu, die
 
Schweinezucht. Ergänzend kommen Jagd- und Sammelwirtschaft hinzu, die
 
von hohem zeremoniellen Wert aber geringem Subsistenzwert sind. Große
 
von hohem zeremoniellen Wert aber geringem Subsistenzwert sind. Große
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und später Stahläxte und Macheten eingetauscht wurde.
 
und später Stahläxte und Macheten eingetauscht wurde.
  
Alle Tätigkeiten unterliegen einer strengen ''gesellschaftlichen
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Alle Tätigkeiten unterliegen einer strengen '''gesellschaftlichen
Arbeitsteilung'' und sind einem bestimmten Geschlecht oder einer
+
Arbeitsteilung''' und sind einem bestimmten Geschlecht oder einer
 
Altersgruppe zugewiesen. Nur die Salzproduktion bildet ein
 
Altersgruppe zugewiesen. Nur die Salzproduktion bildet ein
 
spezialisiertes Handwerk, das auf technischen und magischen Geheimnissen
 
spezialisiertes Handwerk, das auf technischen und magischen Geheimnissen
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durchgeführt wird. Grund und Boden ist im Besitz einer männlichen
 
durchgeführt wird. Grund und Boden ist im Besitz einer männlichen
 
Abstammungsgruppe und kann von Frauen niemals ge- oder vererbt werden.
 
Abstammungsgruppe und kann von Frauen niemals ge- oder vererbt werden.
''Insgesamt sind Frauen vom Zugang zu den wichtigsten
+
'''Insgesamt sind Frauen vom Zugang zu den wichtigsten
Produktionsmitteln'' (Grund und Boden, die Herstellung von und Kontrolle
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Produktionsmitteln''' (Grund und Boden, die Herstellung von und Kontrolle
über Werkzeuge) ''und Destruktionsmitteln'' (Waffen), ''sowie von der
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über Werkzeuge) '''und Destruktionsmitteln''' (Waffen), '''sowie von der
Salzproduktion kategorisch ausgeschlossen''.
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Salzproduktion kategorisch ausgeschlossen'''.
  
 
Die Unterordnung der Frauen ist in der räumlichen Anordnung der Dörfer,
 
Die Unterordnung der Frauen ist in der räumlichen Anordnung der Dörfer,
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die Männer vorbeigehen, als wäre da niemand.
 
die Männer vorbeigehen, als wäre da niemand.
  
''Godelier fragt sich nun, worauf diese offensichtliche Herrschaft der
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'''Godelier fragt sich nun, worauf diese offensichtliche Herrschaft der
Männer über die Frauen begründet ist.''
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Männer über die Frauen begründet ist.'''
  
 
An der Arbeitsteilung kann es nicht liegen, weil diese die Unterordnung
 
An der Arbeitsteilung kann es nicht liegen, weil diese die Unterordnung
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verheirateten Männern gemeinsam gegessen.
 
verheirateten Männern gemeinsam gegessen.
  
*"Diese Entnahme und dieser kollektive Verzehr bezeugen deutlich die
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<blockquote>Diese Entnahme und dieser kollektive Verzehr bezeugen deutlich die männliche Herrschaft und bekräftigen die kollektive Kontrolle der Männer über ein Produkt, das sie im wesentlichen der Arbeit der Frauen verdanken." (Godelier 1987: 35f)</blockquote> 
männliche Herrschaft und bekräftigen die kollektive Kontrolle der Männer
 
über ein Produkt, das sie im wesentlichen der Arbeit der Frauen
 
verdanken."* (Godelier 1987: 35f)
 
 
 
  
  
 
====5.2.2.1.2 Die Ursachen der Ungleichheit====
 
====5.2.2.1.2 Die Ursachen der Ungleichheit====
 
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Nachdem ''Godelier'' die Subsistenzweise, die Produktions- und
+
[[File:theogrundlagen-237_1.jpg|frame|right|Während der Initiationszeremonie der Baruya, Godelier 1986, Abb. 16.]]
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Nachdem '''Godelier''' die Subsistenzweise, die Produktions- und
 
Arbeitsprozesse, die soziale Struktur der Baruya, die Rituale der Männer
 
Arbeitsprozesse, die soziale Struktur der Baruya, die Rituale der Männer
 
-- und Fraueninitiationen, die Vorstellungen über Körper und Sexualität
 
-- und Fraueninitiationen, die Vorstellungen über Körper und Sexualität
dargelegt hat, gelangt er zu folgenden Schlüssen: ''Es ist "die
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dargelegt hat, gelangt er zu folgenden Schlüssen: '''Es ist "die
 
Maschinerie der männlichen und weiblichen Initiationen", welche die
 
Maschinerie der männlichen und weiblichen Initiationen", welche die
 
"allgemeine, prinzipielle Herrschaft der Männer, aller Männer als
 
"allgemeine, prinzipielle Herrschaft der Männer, aller Männer als
 
solcher, über die Frauen, alle Frauen als solche, zu instituieren und zu
 
solcher, über die Frauen, alle Frauen als solche, zu instituieren und zu
legitimieren" vermag''. (Godelier 1987: 111)
+
legitimieren" vermag'''. (Godelier 1987: 111)
 
 
[[File:theogrundlagen-237_1.jpg|frame|right|Während der Initiationszeremonie der Baruya, Godelier 1986, Abb. 16.]]
 
  
 
Was passiert nun in der Knabeninitiation, die insgesamt zehn Jahre
 
Was passiert nun in der Knabeninitiation, die insgesamt zehn Jahre
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abgeschlossen ist:
 
abgeschlossen ist:
  
Die ''Knabeninitiation'' trennt die etwa zehn Jahre alten Buben von
+
Die '''Knabeninitiation''' trennt die etwa zehn Jahre alten Buben von
 
ihren Müttern und überführt sie ins Männerhaus, wo sie in einer
 
ihren Müttern und überführt sie ins Männerhaus, wo sie in einer
 
ausschließlichen Männerwelt bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr erzogen
 
ausschließlichen Männerwelt bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr erzogen
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Für die ältern Schwestern eines jüngeren Knaben wird dieser durch die
 
Für die ältern Schwestern eines jüngeren Knaben wird dieser durch die
Initiation zum älteren Bruder. *"Die männliche Initiation verwandelt
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Initiation zum älteren Bruder. <blockquote>Die männliche Initiation verwandelt folglich alle Frauen in die jüngeren Schwestern ihrer jüngeren Brüder und verschiebt aus politischen und ideologischen Gründen den Platz, den die Frauen innerhalb der Genealogien und Verwandtschaftsbeziehungen einnehmen, nach unten" (Godelier 1987: 111).</blockquote> 
folglich alle Frauen in die jüngeren Schwestern ihrer jüngeren Brüder
 
und verschiebt aus politischen und ideologischen Gründen den Platz, den
 
die Frauen innerhalb der Genealogien und Verwandtschaftsbeziehungen
 
einnehmen, nach unten"* (Godelier 1987: 111).
 
  
Die Schwelle zum Männerhaus bildet ein bemaltes Brett und dieses Brett
+
Die Schwelle zum Männerhaus bildet ein bemaltes Brett und dieses Brett ist das Symbol für den Körper aller Frauen, den jeder Initiant, jeder erwachsene Mann im Laufe seines Lebens viele hunderte Male überschreitet. Das Geheimnis dieser symbolischen Unterordnung der Frauen wird aber nicht den zehnjährigen Buben, die ins Männerhaus kommen,
ist das Symbol für den Körper aller Frauen, den jeder Initiant, jeder
 
erwachsene Mann im Laufe seines Lebens viele hunderte Male
 
überschreitet. Das Geheimnis dieser symbolischen Unterordnung der Frauen
 
wird aber nicht den zehnjährigen Buben, die ins Männerhaus kommen,
 
 
mitgeteilt, dieses Geheimnis erfahren sie erst kurz bevor sie mit etwas
 
mitgeteilt, dieses Geheimnis erfahren sie erst kurz bevor sie mit etwas
 
über zwanzig das Männerhaus verlassen, um dann als erster Frau ihrer
 
über zwanzig das Männerhaus verlassen, um dann als erster Frau ihrer
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die Abwertung und Unterordnung der Frauen.
 
die Abwertung und Unterordnung der Frauen.
  
Verstärkt wird dies durch die ''Mädcheninitiation'', die nach der ersten
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Verstärkt wird dies durch die '''Mädcheninitiation''', die nach der ersten
 
Menstruation durchgeführt wird, und in der alle Frauen dem jungen
 
Menstruation durchgeführt wird, und in der alle Frauen dem jungen
 
Mädchen nur eines versuchen zu vermitteln: Dass sie die Unterordnung
 
Mädchen nur eines versuchen zu vermitteln: Dass sie die Unterordnung
 
unter die Männer zu akzeptieren haben.
 
unter die Männer zu akzeptieren haben.
 
 
  
 
====5.2.2.1.3 Zur Beteiligung der Frauen an der Herrschaft der Männer====
 
====5.2.2.1.3 Zur Beteiligung der Frauen an der Herrschaft der Männer====
 
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Im letzten Teil der '''Produktion der Großen Männer''', den Godelier mit
+
[[File:theogrundlagen-238_1.gif|frame|right|Ritueller Übergang von der weiblichen zur männlichen Welt, Godelier 1986, Abb. 9.]]
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Im letzten Teil der ''Produktion der Großen Männer'', den Godelier mit
 
'Die Bauchrednermaschine' übertitelt, geht er auf die Beteiligung der
 
'Die Bauchrednermaschine' übertitelt, geht er auf die Beteiligung der
 
Frauen an der Herrschaft der Männer ein:
 
Frauen an der Herrschaft der Männer ein:
  
*"Dieser Glaube [an die Überlegenheit der Männer] aber wurde von
+
<blockquote>Dieser Glaube [an die Überlegenheit der Männer] aber wurde von beiden Geschlechtern geteilt, den eben diese gemeinsamen Vorstellungen bildeten die wichtigste, stumme und unsichtbare Kraft der männlichen Herrschaft" (Godelier 1987: 299).</blockquote> 
beiden Geschlechtern geteilt, den eben diese gemeinsamen Vorstellungen
 
bildeten die wichtigste, stumme und unsichtbare Kraft der männlichen
 
Herrschaft"* (Godelier 1987: 299).
 
  
Aber das Teilen der Ideen reicht nicht aus, Herrschaft funktioniert
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Aber das Teilen der Ideen reicht nicht aus, Herrschaft funktioniert überall dann am klaglosesten, wenn die Unterdrückten die Schuld am eigenen Schicksal tragen:
überall dann am klaglosesten, wenn die Unterdrückten die Schuld am
 
eigenen Schicksal tragen:
 
  
*"Und wir wissen, daß, was die Unterdrückung betrifft, die Herrschaft
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<blockquote>Und wir wissen, daß, was die Unterdrückung betrifft, die Herrschaft eines Teils der Gesellschaft über einen anderen (Geschlecht, Kaste, Klasse, Rasse) nur dann wirklich begründet, legitimiert ist, wenn die Opfer die schuldigen werden, wenn sie für das Los das sie erdulden, als erste verantwortlich sind." (Godelier 1987: 303f)</blockquote> 
eines Teils der Gesellschaft über einen anderen (Geschlecht, Kaste,
 
Klasse, Rasse) nur dann wirklich begründet, legitimiert ist, wenn die
 
Opfer die schuldigen werden, wenn sie für das Los das sie erdulden, als
 
erste verantwortlich sind."* (Godelier 1987: 303f)
 
  
Die einfachste Möglichkeit, einen gesellschaftlichen Unterschied zu
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Die einfachste Möglichkeit, einen gesellschaftlichen Unterschied zu legitimieren, besteht darin, ihn in der "Natur " fest zu machen, an natürlichen Unterschieden. Die Körper von Männer und Frauen unterscheiden sich und damit kann das gesellschaftliche Unterdrückungsverhältnis für alle evident gemacht werden. Die Frauen stimmen ihrem Schicksal zu, da sie ihren anderen Körper nicht zum
legitimieren, besteht darin, ihn in der "Natur " fest zu machen, an
 
natürlichen Unterschieden. Die Körper von Männer und Frauen
 
unterscheiden sich und damit kann das gesellschaftliche
 
Unterdrückungsverhältnis für alle evident gemacht werden. Die Frauen
 
stimmen ihrem Schicksal zu, da sie ihren anderen Körper nicht zum
 
 
Verschwinden bringen können (vgl. Godelier 1987: 304).
 
Verschwinden bringen können (vgl. Godelier 1987: 304).
  
Die ''Sexualität wirkt wie eine Bauchrednermaschine''. Sie spricht
+
Die '''Sexualität wirkt wie eine Bauchrednermaschine'''. Sie spricht
 
selbst nicht und doch wird ständig durch sie gesprochen. Durch sie wird
 
selbst nicht und doch wird ständig durch sie gesprochen. Durch sie wird
 
gezeigt, wo der Platz der Männer und wo jener der Frauen im
 
gezeigt, wo der Platz der Männer und wo jener der Frauen im
 
ideologischen System und im realen Leben der Baruya ist.
 
ideologischen System und im realen Leben der Baruya ist.
  
Diese Argumentationsweise Godelier's wurde von ''Nicole-Claude Mathieu''
+
Diese Argumentationsweise Godelier's wurde von '''Nicole-Claude Mathieu'''
(1985, vgl. auch Langheiter 1989) heftig ''kritisiert''. ''Die These der
+
(1985, vgl. auch Langheiter 1989) heftig '''kritisiert'''. '''Die These der
 
Zustimmung und des Mitmachens unterschätzt nämlich die Gewalt, der
 
Zustimmung und des Mitmachens unterschätzt nämlich die Gewalt, der
Frauen physisch wie symbolisch tagtäglich ausgesetzt sind.'' Obwohl man
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Frauen physisch wie symbolisch tagtäglich ausgesetzt sind.''' Obwohl man
 
nicht sagen kann, dass Godelier diese Gewalt gänzlich verleugnet, so
 
nicht sagen kann, dass Godelier diese Gewalt gänzlich verleugnet, so
 
schwächt er sie doch deutlich ab:
 
schwächt er sie doch deutlich ab:
  
*"In der männlichen Macht gibt es neben der Gewalt auch die List, den
+
<blockquote>In der männlichen Macht gibt es neben der Gewalt auch die List, den Betrug, das Geheimnis, bewußt eingesetzt, um den Abstand, der die Männer von den Frauen trennt und sie vor ihnen schützt und ihre Überlegenheit sichert, aufrecht zu erhalten und zu vertiefen." (Godelier 1987: 303)</blockquote>
Betrug, das Geheimnis, bewußt eingesetzt, um den Abstand, der die Männer
 
von den Frauen trennt und sie vor ihnen schützt und ihre Überlegenheit
 
sichert, aufrecht zu erhalten und zu vertiefen."* (Godelier 1987: 303)
 
 
 
[[File:theogrundlagen-238_1.gif|frame|right|Ritueller Übergang von der weiblichen zur männlichen Welt, Godelier 1986, Abb. 9.]]
 
 
 
 
 
  
 
===5.2.2.2 Marx, Durkheim und Lévi-Strauss bei Godelier===
 
===5.2.2.2 Marx, Durkheim und Lévi-Strauss bei Godelier===
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''Godelier'' verwendet eine marxistische Terminologie, gleichzeitig sind
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'''Godelier''' verwendet eine marxistische Terminologie, gleichzeitig sind
seine Ansichten in hohem Ausmaß von ''Durkheim'' und ''Lévi-Strauss''
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seine Ansichten in hohem Ausmaß von '''Durkheim''' und '''Lévi-Strauss'''
 
geprägt. Ein Beispiel für diese Synthese bietet folgendes Zitat:
 
geprägt. Ein Beispiel für diese Synthese bietet folgendes Zitat:
  
*"Und was eigentlich besagt das Inzesttabu? Grundsätzlich ist es in
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<blockquote>Und was eigentlich besagt das Inzesttabu? Grundsätzlich ist es in jeder Gesellschaft die Anwesenheit eines Ordnungsgesetzes, einer grundlegenden Eigenschaft des menschlichen Daseins. Weil die Menschen im Unterschied zu den geselligen Tieren und ihren Vettern, den Schimpansen und Pavianen -- ungeachtet der Soziologen und Anthropologen -, nicht nur in Gesellschaft leben, sondern auch Gesellschaft produzieren, um leben zu können. Und eben dieses Ordnungsgesetz zeigt sich und wirkt durch das Inzesttabu und weit darüber hinaus. Das wurde von Lévi-Strauss ausgezeichnet gesehen und gesagt. Doch woran liegt es, daß der Mensch sich nicht damit zufrieden gibt, in Gesellschaft zu leben, sondern seine Gesellschaft auch produziert und verändert, um leben zu können, wenn nicht an einem objektiven, unumgänglichen Faktum, das nicht von seinem Willen abhängt: nämlich an der Tatsache, daß er die ihn umgebende Natur verändern und damit seine eigene Natur verändern kann? Das Inzestverbot, das den Wunsch des Individuums von denjenigen ablenkt, die zusammengearbeitet haben, um ihm das Leben zu schenken (und nicht nur seine nahen Angehörigen), bekräftigt tagtäglich und überall, daß das Individuum, so groß es auch sei, niemals der Ausgangspunkt der Gesellschaft ist, daß kein Individuum und keine Gruppe aus sich selbst, in der Isolierung und der Autarkie alle Bedingungen finden kann, die notwendig sind, um real, das heißt gesellschaftlich zu existieren." (Godelier 1987: 308f)</blockquote>
jeder Gesellschaft die Anwesenheit eines Ordnungsgesetzes, einer
 
grundlegenden Eigenschaft des menschlichen Daseins. Weil die Menschen im
 
Unterschied zu den geselligen Tieren und ihren Vettern, den Schimpansen
 
und Pavianen -- ungeachtet der Soziologen und Anthropologen -, nicht nur
 
in Gesellschaft leben, sondern auch Gesellschaft produzieren, um leben
 
zu können. Und eben dieses Ordnungsgesetz zeigt sich und wirkt durch das
 
Inzesttabu und weit darüber hinaus. Das wurde von Lévi-Strauss
 
ausgezeichnet gesehen und gesagt. Doch woran liegt es, daß der Mensch
 
sich nicht damit zufrieden gibt, in Gesellschaft zu leben, sondern seine
 
Gesellschaft auch produziert und verändert, um leben zu können, wenn
 
nicht an einem objektiven, unumgänglichen Faktum, das nicht von seinem
 
Willen abhängt: nämlich an der Tatsache, daß er die ihn umgebende Natur
 
verändern und damit seine eigene Natur verändern kann? Das Inzestverbot,
 
das den Wunsch des Individuums von denjenigen ablenkt, die
 
zusammengearbeitet haben, um ihm das Leben zu schenken (und nicht nur
 
seine nahen Angehörigen), bekräftigt tagtäglich und überall, daß das
 
Individuum, so groß es auch sei, niemals der Ausgangspunkt der
 
Gesellschaft ist, daß kein Individuum und keine Gruppe aus sich selbst,
 
in der Isolierung und der Autarkie alle Bedingungen finden kann, die
 
notwendig sind, um real, das heißt gesellschaftlich zu existieren."*
 
(Godelier 1987: 308f)
 
  
Durch den ''Produktionsprozess[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus|[1]]]'' verändert der Mensch die Natur um
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Durch den '''Produktionsprozess[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus|[1]]]''' verändert der Mensch die Natur um
 
sich und damit auch sich selbst. Da er ein grundsätzlich
 
sich und damit auch sich selbst. Da er ein grundsätzlich
gesellschaftliches Wesen ist, produziert er auch ''Gesellschaft[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2]]]''.
+
gesellschaftliches Wesen ist, produziert er auch '''Gesellschaft[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2]]]'''.
 
Gesellschaft wird damit zur Existenzbedingung von Menschen, die nicht
 
Gesellschaft wird damit zur Existenzbedingung von Menschen, die nicht
 
auf dem Willen von Individuen beruht. Der Beweis dafür ist das
 
auf dem Willen von Individuen beruht. Der Beweis dafür ist das
 
Inzesttabu als Ordnungsgesetz, das in jeder Gesellschaft "tagtäglich
 
Inzesttabu als Ordnungsgesetz, das in jeder Gesellschaft "tagtäglich
und überall" wirkt (vgl. ''Lévi-Strauss [[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Strukturale_Anthropologie#3.3 Strukturale Anthropologie in Traurigen Tropen: Claude Lévi-Strauss in Lateinamerika|[3]]]'').
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und überall" wirkt (vgl. '''Lévi-Strauss [[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Strukturale_Anthropologie#3.3 Strukturale Anthropologie in Traurigen Tropen: Claude Lévi-Strauss in Lateinamerika|[3]]]''').
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus|[1] Siehe Kapitel 2]]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus|[1] Siehe Kapitel 2]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
[[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Strukturale_Anthropologie#3.3 Strukturale Anthropologie in Traurigen Tropen: Claude Lévi-Strauss in Lateinamerika|[3] Siehe Kapitel 3.3 in der Lernunterlage ''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung'']]
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[[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Strukturale_Anthropologie#3.3 Strukturale Anthropologie in Traurigen Tropen: Claude Lévi-Strauss in Lateinamerika|[3] Siehe Kapitel 3.3 in der Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung''']]
  
  
 
==5.2.3 Emmanuel Terray==
 
==5.2.3 Emmanuel Terray==
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[[File:theogrundlagen-240_1.jpg|frame|right|Romuald Hazoumé, "Citoyenne", 1997, Foto: Pascal Maître. Quelle: Zinsou 2005.]]
 +
'''Emmanuel Terray geb. 1935'''
  
''Emmanuel Terray geb. 1935''
+
'''Relevante Werke:'''
 
 
''Relevante Werke:''
 
  
 
1974 Zur politischen Ökonomie der 'primitiven' Gesellschaften
 
1974 Zur politischen Ökonomie der 'primitiven' Gesellschaften
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the Abron Kingdom of Gyaman
 
the Abron Kingdom of Gyaman
  
Als ''Schüler von Louis Althusser'' geht ''Terray'' davon aus, dass die
+
Als '''Schüler von Louis Althusser''' geht '''Terray''' davon aus, dass die
 
Inhalte, Widersprüche und Antagonismen einer Produktionsweise für jede
 
Inhalte, Widersprüche und Antagonismen einer Produktionsweise für jede
 
Gesellschaft einzeln bestimmt werden können, wobei immer eine
 
Gesellschaft einzeln bestimmt werden können, wobei immer eine
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Seine methodisch - theoretischen Überlegungen sind ursächlich mit seinen
 
Seine methodisch - theoretischen Überlegungen sind ursächlich mit seinen
''Forschungen in Westafrika, im Senegal (Dida) und in der Elfenbeinküste
+
'''Forschungen in Westafrika, im Senegal (Dida) und in der Elfenbeinküste
(Abron)'', verbunden, da gerade das postkoloniale Afrika von tief
+
(Abron)''', verbunden, da gerade das postkoloniale Afrika von tief
 
greifenden Widersprüchen zwischen politischer Form und materieller Basis
 
greifenden Widersprüchen zwischen politischer Form und materieller Basis
 
geprägt ist. Für die ökonomische Anthropologie ist sein Ansatz von
 
geprägt ist. Für die ökonomische Anthropologie ist sein Ansatz von
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methodischen Umgang mit sozialer Dynamik operationalisiert.
 
methodischen Umgang mit sozialer Dynamik operationalisiert.
  
Das Gesamtwerk von Terray ist von einem ''anhaltenden Interesse an den
+
Das Gesamtwerk von Terray ist von einem '''anhaltenden Interesse an den
 
Antagonismen zwischen Staat und Ökonomie, Fragen zu Macht, Gewalt und
 
Antagonismen zwischen Staat und Ökonomie, Fragen zu Macht, Gewalt und
politischer Aktion'' geprägt. Seit den 1990er Jahren beschäftigt er sich
+
politischer Aktion''' geprägt. Seit den 1990er Jahren beschäftigt er sich
 
unter großem persönlichem Engagement (Terray und Goussault 1990)
 
unter großem persönlichem Engagement (Terray und Goussault 1990)
 
vorwiegend mit europäischer Politik, Menschenrechten, Asyl und
 
vorwiegend mit europäischer Politik, Menschenrechten, Asyl und
 
Migration.
 
Migration.
 
[[File:theogrundlagen-240_1.jpg|frame|right|Romuald Hazoumé, "Citoyenne", 1997, Foto: Pascal Maître. Quelle: Zinsou 2005.]]
 
  
  
  
 
===5.2.3.1 Terrays Operationalisierung des Produktionsweisenkonzeptes===
 
===5.2.3.1 Terrays Operationalisierung des Produktionsweisenkonzeptes===
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In Terrays Analysezugang ist die "Produktionsweise" die zentrale
 
In Terrays Analysezugang ist die "Produktionsweise" die zentrale
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3) ideologischer Überbau
 
3) ideologischer Überbau
  
Anders als ''Meillassoux[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.1 Claude Meillassoux|[1]]]'' sieht ''Emmanuel TerrayVerwandtschaft
+
Anders als '''Meillassoux[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.1 Claude Meillassoux|[1]]]''' sieht '''Emmanuel TerrayVerwandtschaft
nicht als Teil der Ökonomie'', die wiederum bei ihm die eigentlich
+
nicht als Teil der Ökonomie''', die wiederum bei ihm die eigentlich
 
determinierende gesellschaftliche Instanz ist. Verwandtschaft, Politik,
 
determinierende gesellschaftliche Instanz ist. Verwandtschaft, Politik,
 
Religion, Recht sind Instanzen des Überbaus, in welchem sie auf
 
Religion, Recht sind Instanzen des Überbaus, in welchem sie auf
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Analyseschritte vor:
 
Analyseschritte vor:
  
*  erstens die ''Bestimmung der Arbeitsprozesse'', die Rohstoffe in
+
*  erstens die '''Bestimmung der Arbeitsprozesse''', die Rohstoffe in Produkte verwandeln;
    Produkte verwandeln;
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*  zweitens die '''Verteilung der Produkte''', daraus folgt der Zugang zu den Produktionsverhältnissen, die wiederum über die Distribution die Konsumption regeln.
*  zweitens die ''Verteilung der Produkte'', daraus folgt der Zugang zu
 
    den Produktionsverhältnissen, die wiederum über die Distribution die
 
    Konsumption regeln.
 
  
 
Subjekte des Arbeitsprozesses sind die Produktionseinheiten, die
 
Subjekte des Arbeitsprozesses sind die Produktionseinheiten, die
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(Lohnarbeiter und Kapitaleigner).
 
(Lohnarbeiter und Kapitaleigner).
  
Alle ''drei Ebenen der Produktionsweise'' spielen in einem einzelnen
+
Alle '''drei Ebenen der Produktionsweise''' spielen in einem einzelnen
 
sozioökonomischen Phänomen eine Rolle und sind in einer *causalité
 
sozioökonomischen Phänomen eine Rolle und sind in einer *causalité
 
triplement complex*, einer dreifach komplexen Kausalität, miteinander
 
triplement complex*, einer dreifach komplexen Kausalität, miteinander
verwoben. Eine ''Produktionseinheit'' (Ebene 1) kann z.B. zugleich
+
verwoben. Eine '''Produktionseinheit''' (Ebene 1) kann z.B. zugleich
''Verwandtschaftseinheit'' (Ebene 2) sein, wie auch gleichzeitig eine
+
'''Verwandtschaftseinheit''' (Ebene 2) sein, wie auch gleichzeitig eine
''religiöse Gruppe'' (Ebene 3) konstituieren. Terray besteht darauf,
+
'''religiöse Gruppe''' (Ebene 3) konstituieren. Terray besteht darauf,
 
dass gerade in der Sozialanthropologie immer alle drei Ebenen einer
 
dass gerade in der Sozialanthropologie immer alle drei Ebenen einer
 
Erscheinung oder Handlung analytisch zu trennen und für sich zu
 
Erscheinung oder Handlung analytisch zu trennen und für sich zu
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Koexistenz mehrerer Produktionsweisen gleichzeitig möglich ist.
 
Koexistenz mehrerer Produktionsweisen gleichzeitig möglich ist.
  
Heftige ''Kritik'' erfährt Terray ''von Pierre-Philippe Rey'', der ihm
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Heftige '''Kritik''' erfährt Terray '''von Pierre-Philippe Rey''', der ihm
 
theoretisch unzulängliche Vernachlässigung der Ausbeutungs- und
 
theoretisch unzulängliche Vernachlässigung der Ausbeutungs- und
 
Klassenverhältnisse bei nicht-kapitalistischen Formationen vorwirft (Rey
 
Klassenverhältnisse bei nicht-kapitalistischen Formationen vorwirft (Rey
1975). Eine weitere Kritik kommt von feministischer Seite von ''Maxine
+
1975). Eine weitere Kritik kommt von feministischer Seite von '''Maxine
Molyneux'', die seine ökonomischen Schlussfolgerungen aufgrund seiner
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Molyneux''', die seine ökonomischen Schlussfolgerungen aufgrund seiner
 
androzentristischen Perspektive als verfälscht und damit ungültig
 
androzentristischen Perspektive als verfälscht und damit ungültig
 
ansieht (Molyneux 1977).
 
ansieht (Molyneux 1977).
  
''Verweise:''
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'''Verweise:'''
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[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.1 Claude Meillassoux|[1] Siehe Kapitel 5.2.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.1 Claude Meillassoux|[1] Siehe Kapitel 5.2.1]]<br/>
  
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[[Neomarxismus/Frankreich#5.2 Französische VertreterInnen| Vorheriges Kapitel: 5.2 Französische VertreterInnen]]<br/>
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'''[[Neomarxismus/Frankreich#5.2 Französische VertreterInnen| Vorheriges Kapitel: 5.2 Französische VertreterInnen]]'''<br/>
 
=5.3 VertreterInnen in den USA=
 
=5.3 VertreterInnen in den USA=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
  
In den ''USA entwickelte sich ebenfalls eine marxistisch orientierte
+
In den '''USA entwickelte sich ebenfalls eine marxistisch orientierte
Politische Ökonomie'', die sich mit Fragen nach den Zusammenhängen und
+
Politische Ökonomie''', die sich mit Fragen nach den Zusammenhängen und
 
Abhängigkeiten zwischen Weltregionen befasst (Narotzky 2005: 84f).
 
Abhängigkeiten zwischen Weltregionen befasst (Narotzky 2005: 84f).
 
Wichtige Werke in diesem Zusammenhang sind '*Eric Wolf's'Europe and the
 
Wichtige Werke in diesem Zusammenhang sind '*Eric Wolf's'Europe and the
People without History''' (1982) und ''Sidney Mintz's'Sweetness and
+
People without History'' (1982) und '''Sidney Mintz's'Sweetness and
 
Power'*' (1985). Anhand der Produktion, Distribution und Konsumtion von
 
Power'*' (1985). Anhand der Produktion, Distribution und Konsumtion von
 
Gütern versuchen beide globale historische Entwicklungen im ökonomischen
 
Gütern versuchen beide globale historische Entwicklungen im ökonomischen
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::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt]]<br/>
 
::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff|5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff|5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff]]<br/>
::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerischer Installation|5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerischer Installation]]<br/>
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::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerische Installation|5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerische Installation]]<br/>
 
::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4 Warenströme|5.3.1.1.2.4 Warenströme]]<br/>
 
::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4 Warenströme|5.3.1.1.2.4 Warenströme]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika|5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika|5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika]]<br/>
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[[File:theogrundlagen-243_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-243_1.gif|frame|right]]
  
''Eric Wolf (1923-1999)''
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'''Eric Wolf (1923-1999)'''
  
 
*My primary interest is to explain something out there that impinges me,
 
*My primary interest is to explain something out there that impinges me,
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im Interview mit Friedman, 1987:144)
 
im Interview mit Friedman, 1987:144)
  
''Relevante Werke:''
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'''Relevante Werke:'''
  
 
1966: Peasants.
 
1966: Peasants.
Line 5,868: Line 5,280:
 
1982: Europe and the People without History
 
1982: Europe and the People without History
  
''Eric Wolf'' wurde 1923 als Sohn jüdischer Eltern in Wien geboren. Er
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'''Eric Wolf''' wurde 1923 als Sohn jüdischer Eltern in Wien geboren. Er
 
verbrachte seine Kindheit in Böhmen bevor seine Eltern auf der Flucht
 
verbrachte seine Kindheit in Böhmen bevor seine Eltern auf der Flucht
 
vor dem Nationalsozialismus über Großbritannien in die USA
 
vor dem Nationalsozialismus über Großbritannien in die USA
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Südtirol/Trentino zu beforschen (Cole/Wolf 1974/1995).
 
Südtirol/Trentino zu beforschen (Cole/Wolf 1974/1995).
  
1946 nahm er sein Ph.D. Studium der Anthropologie bei ''Ruth Benedict''
+
1946 nahm er sein Ph.D. Studium der Anthropologie bei '''Ruth Benedict'''
und ''Julian Steward'' auf. Insbesondere Steward mit seiner
+
und '''Julian Steward''' auf. Insbesondere Steward mit seiner
 
Kulturökologie und seinem 'cultural materialism' (Harris 2001/1968: 654)
 
Kulturökologie und seinem 'cultural materialism' (Harris 2001/1968: 654)
 
übte nachhaltigen Einfluss auf Eric Wolf aus. Er nahm -- wie auch
 
übte nachhaltigen Einfluss auf Eric Wolf aus. Er nahm -- wie auch
''Sidney Mintz'' -- in den späten 1940er Jahren an Steward's Puerto Rico
+
'''Sidney Mintz''' -- in den späten 1940er Jahren an Steward's Puerto Rico
Forschungsprojekt teil und beschäftigte sich ab dann mit '''Peasants'''
+
Forschungsprojekt teil und beschäftigte sich ab dann mit ''Peasants''
 
(è link), Macht und Klassen. Dabei richtete er seine Aufmerksamkeit
 
(è link), Macht und Klassen. Dabei richtete er seine Aufmerksamkeit
 
immer auf historische Prozesse und kritisierte eine Anthropologie,
 
immer auf historische Prozesse und kritisierte eine Anthropologie,
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Realität." (Wolf 1991: 17)
 
Realität." (Wolf 1991: 17)
  
''Eric Wolf'' leistete wesentliche Beiträge zu vielen Forschungsfeldern
+
'''Eric Wolf''' leistete wesentliche Beiträge zu vielen Forschungsfeldern
 
der Kultur- und Sozialanthropologie.
 
der Kultur- und Sozialanthropologie.
  
*  Im Rahmen der allgemeinen Theorienbildung dieses Faches bildet sein
+
*  Im Rahmen der allgemeinen Theorienbildung dieses Faches bildet sein Werk eine wichtige Grundlage für eine Reihe von theoretischen Ansätzen in Bezug auf '''transkulturelle bzw. transnationale Beziehungen und Globalisierung''' (Wolf 1982).
    Werk eine wichtige Grundlage für eine Reihe von theoretischen
+
*  In Bezug auf '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas [[Kultur-_und_Sozialanthropologie_Lateinamerikas_-_Eine_Einführung#Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas - Eine Einführung|[1]]]''' entwickelte er Modelle zur Analyse der '''Verflechtungen[[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Eric_Wolf#3.4 Komplexe Gesellschaft, Verflechtungen und Macht bei Eric Wolf|[2]]] ökonomischer, sozialer und historischer Faktoren''', welche die komplexe Gesellschaft Lateinamerikas prägen. Im Mittelpunkt seiner Untersuchungen steht immer wieder die Frage nach den historischen Prozessen sowie nach den Machtverhältnissen und ihren Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Personen und Gruppen.
    Ansätzen in Bezug auf ''transkulturelle bzw. transnationale
 
    Beziehungen und Globalisierung'' (Wolf 1982).
 
*  In Bezug auf ''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas [[Kultur-_und_Sozialanthropologie_Lateinamerikas_-_Eine_Einführung#Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas - Eine Einführung|[1]]]''
 
    entwickelte er Modelle zur Analyse der ''Verflechtungen[[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Eric_Wolf#3.4 Komplexe Gesellschaft, Verflechtungen und Macht bei Eric Wolf|[2]]] ökonomischer, sozialer und historischer Faktoren'', welche die
 
    komplexe Gesellschaft Lateinamerikas prägen. Im Mittelpunkt seiner
 
    Untersuchungen steht immer wieder die Frage nach den historischen
 
    Prozessen sowie nach den Machtverhältnissen und ihren Auswirkungen
 
    auf die Beziehungen zwischen Personen und Gruppen.
 
  
Für die ''ökonomische Anthropologe'' leistet er u.a. wesentliche
+
Für die '''ökonomische Anthropologe''' leistet er u.a. wesentliche
 
Beiträge zur Analyse von
 
Beiträge zur Analyse von
  
 
*  Wirtschaft und Gesellschaft von Bauern
 
*  Wirtschaft und Gesellschaft von Bauern
*  dem Konzept der ''Produktionsweisen[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.3.3 Produktionsweisen|[3]]]''
+
*  dem Konzept der '''Produktionsweisen[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.3.3 Produktionsweisen|[3]]]'''
*  kulturellen, ökonomischen und politischen Verflechtungen in der
+
*  kulturellen, ökonomischen und politischen Verflechtungen in der Neuzeit
    Neuzeit
 
  
''Eric Wolf im WWW:''
+
'''Eric Wolf im WWW:'''
  
''https://web.archive.org/web/20051111074710/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/uvwxyz/wolf_eric.html [https://web.archive.org/web/20051111074710/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/uvwxyz/wolf_eric.html  &#91;4&#93;]''
+
'''https://web.archive.org/web/20051111074710/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/uvwxyz/wolf_eric.html [https://web.archive.org/web/20051111074710/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/uvwxyz/wolf_eric.html  &#91;4&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20051112110639/http://www.indiana.edu/~wanthro/wolf.htm [https://web.archive.org/web/20051112110639/http://www.indiana.edu/~wanthro/wolf.htm  &#91;5&#93;]''
+
'''https://web.archive.org/web/20051112110639/http://www.indiana.edu/~wanthro/wolf.htm [https://web.archive.org/web/20051112110639/http://www.indiana.edu/~wanthro/wolf.htm  &#91;5&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20110607105352/http://www.univie.ac.at/alumni.ethnologie/journal/volltxt/Artikel%203%20_Kreff.pdf [https://web.archive.org/web/20110607105352/http://www.univie.ac.at/alumni.ethnologie/journal/volltxt/Artikel%203%20_Kreff.pdf  &#91;6&#93;]''
+
'''https://web.archive.org/web/20110607105352/http://www.univie.ac.at/alumni.ethnologie/journal/volltxt/Artikel%203%20_Kreff.pdf [https://web.archive.org/web/20110607105352/http://www.univie.ac.at/alumni.ethnologie/journal/volltxt/Artikel%203%20_Kreff.pdf  &#91;6&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20060208093805/http://www.vanderbilt.edu/AnS/Anthro/Anth234/wolf.htm [https://web.archive.org/web/20060208093805/http://www.vanderbilt.edu/AnS/Anthro/Anth234/wolf.htm  &#91;7&#93;]''
+
'''https://web.archive.org/web/20060208093805/http://www.vanderbilt.edu/AnS/Anthro/Anth234/wolf.htm [https://web.archive.org/web/20060208093805/http://www.vanderbilt.edu/AnS/Anthro/Anth234/wolf.htm  &#91;7&#93;]'''
  
''Verweise:''
+
'''Verweise:'''
[[Kultur-_und_Sozialanthropologie_Lateinamerikas_-_Eine_Einführung#Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas - Eine Einführung|[1] Siehe Lernunterlage ''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas: Eine Einführung'']][http://www.lateinamerika-studien.at/content/kultur/ethnologie/ethnologie-163.html  [2] Siehe Kapitel %%chapter-id%% der Lernunterlage ''Lernunterlagen-title'']<br/>
+
 
[[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Eric_Wolf#3.4 Komplexe Gesellschaft, Verflechtungen und Macht bei Eric Wolf|[2] Siehe Kapitel 3.4 der Lernunterlage ''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung'']]<br/>
+
[[Kultur-_und_Sozialanthropologie_Lateinamerikas_-_Eine_Einführung#Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas - Eine Einführung|[1] Siehe Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas: Eine Einführung''']][http://www.lateinamerika-studien.at/content/kultur/ethnologie/ethnologie-163.html  [2] Siehe Kapitel %%chapter-id%% der Lernunterlage '''Lernunterlagen-title''']<br/>
 +
[[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Eric_Wolf#3.4 Komplexe Gesellschaft, Verflechtungen und Macht bei Eric Wolf|[2] Siehe Kapitel 3.4 der Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung''']]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.3.3 Produktionsweisen|[3] Siehe Kapitel 2.1.2.3.3]]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.3.3 Produktionsweisen|[3] Siehe Kapitel 2.1.2.3.3]]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051111074710/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/uvwxyz/wolf_eric.html  &#91;4&#93; https://web.archive.org/web/20051111074710/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/uvwxyz/wolf_eric.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051111074710/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/uvwxyz/wolf_eric.html  &#91;4&#93; https://web.archive.org/web/20051111074710/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/uvwxyz/wolf_eric.html]<br/>
Line 5,937: Line 5,341:
  
 
===5.3.1.1 "Die Völker ohne Geschichte" Kulturelle Verflechtungen und Politische Ökonomie===
 
===5.3.1.1 "Die Völker ohne Geschichte" Kulturelle Verflechtungen und Politische Ökonomie===
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[[File:theogrundlagen-244_1.jpg|frame|right|Allegorie Europas, die von den anderen Erdteilen gehuldigt wird. B.Picart 1719. Quelle: Kohl 1982.]]
 
[[File:theogrundlagen-244_1.jpg|frame|right|Allegorie Europas, die von den anderen Erdteilen gehuldigt wird. B.Picart 1719. Quelle: Kohl 1982.]]
  
Das bekannteste und einflussreichste Werk von ''Eric Wolf'' bildet sein
+
Das bekannteste und einflussreichste Werk von '''Eric Wolf''' bildet sein
Buch: '*"'Die Völker ohne Geschichte. Europa und die andere Welt seit
+
Buch: ''Die Völker ohne Geschichte. Europa und die andere Welt seit
1400'"*' (1986). Er versteht es als einen Beitrag zu einer analytischen
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1400'' (1986). Er versteht es als einen Beitrag zu einer analytischen
 
Geschichtsbetrachtung, welche "die Wurzeln der Gegenwart in der
 
Geschichtsbetrachtung, welche "die Wurzeln der Gegenwart in der
 
Vergangenheit" aufdecken will.
 
Vergangenheit" aufdecken will.
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durchdacht.
 
durchdacht.
  
''Dabei überschreitet Wolf die gängigen Darstellungsweisen der
+
'''Dabei überschreitet Wolf die gängigen Darstellungsweisen der
Geschichte der westlichen Welt.'' Er geht davon aus, dass weltweite
+
Geschichte der westlichen Welt.''' Er geht davon aus, dass weltweite
 
historische und ökonomische Prozesse die verschiedenen Völker
 
historische und ökonomische Prozesse die verschiedenen Völker
 
miteinander verknüpfen. Unterschiedlichste Gesellschaften waren an
 
miteinander verknüpfen. Unterschiedlichste Gesellschaften waren an
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Konzepten der Politischen Ökonomie.
 
Konzepten der Politischen Ökonomie.
  
''Das Studium von Kultur und Geschichte ist demnach aufs Engste mit dem
+
'''Das Studium von Kultur und Geschichte ist demnach aufs Engste mit dem
Studium von ökonomischen und politischen Verhältnissen verbunden.''
+
Studium von ökonomischen und politischen Verhältnissen verbunden.'''
 
Durch die Betrachtung der Welt "als ganze, als Totalität, als System",
 
Durch die Betrachtung der Welt "als ganze, als Totalität, als System",
 
will das Buch dazu beitragen Grenzen zwischen westlicher und
 
will das Buch dazu beitragen Grenzen zwischen westlicher und
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====5.3.1.1.1 Produktionsweisen und Kulturen in Interaktion====
 
====5.3.1.1.1 Produktionsweisen und Kulturen in Interaktion====
 
+
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Die Grundlagen der ''Politischen Ökonomie[[Internationale_Politische_Oekonomie#Internationale Politische Ökonomie - Eine Einführung|[1]]]'' bilden in ''Eric
+
[[File:theogrundlagen-245_1.jpg|frame|left]]
Wolf's'''"Die Völker ohne Geschichte"' den analytischen Rahmen für die
+
Die Grundlagen der '''Politischen Ökonomie[[Internationale_Politische_Oekonomie#Internationale Politische Ökonomie - Eine Einführung|[1]]]''' bilden in '''Eric
 +
Wolf's''"Die Völker ohne Geschichte"' den analytischen Rahmen für die
 
Untersuchung historischer, kultureller und ökonomischer Verflechtungen.
 
Untersuchung historischer, kultureller und ökonomischer Verflechtungen.
  
Die Basis bildet die ''These von Karl Marx'', dass keine Trennung
+
Die Basis bildet die '''These von Karl Marx''', dass keine Trennung
 
zwischen sozialen und ökonomischen Prozessen besteht. Wie Marx vertritt
 
zwischen sozialen und ökonomischen Prozessen besteht. Wie Marx vertritt
 
Eric Wolf einen ganzheitlichen Ansatz der Wissenschaft vom Menschen:
 
Eric Wolf einen ganzheitlichen Ansatz der Wissenschaft vom Menschen:
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treten.
 
treten.
  
[[File:theogrundlagen-245_1.jpg|frame|right]]
+
Diese Betrachtungsweise impliziert einen '''Kulturbegriff, der sich vom
 
+
Konzept einer eigenständigen und integralen Kultur''' - das aus den
Diese Betrachtungsweise impliziert einen ''Kulturbegriff, der sich vom
 
Konzept einer eigenständigen und integralen Kultur'' - das aus den
 
 
politischen Bestrebungen des Nationalismus des 19.Jahrhunderts erwachsen
 
politischen Bestrebungen des Nationalismus des 19.Jahrhunderts erwachsen
ist - ''unterscheidet''.
+
ist - '''unterscheidet'''.
 
 
*"Wenn wir demgegenüber die Realität von Gesellschaft in historisch
 
wandelbaren, nicht endgültig abgegrenzten, vielfältigen und
 
aufgefächerten gesellschaftlichen Formationen verorten, wird damit
 
allerdings die Vorstellung einer ein für allemal feststehenden innerlich
 
geschlossenen und deutlich nach außen abgegrenzten Kultur abgelöst durch
 
ein Gespür für die Unbeständigkeit und Durchlässigkeit kultureller
 
Gebilde."* (Wolf 1991: 534)
 
  
''Verweise:''
+
<blockquote>Wenn wir demgegenüber die Realität von Gesellschaft in historisch wandelbaren, nicht endgültig abgegrenzten, vielfältigen und aufgefächerten gesellschaftlichen Formationen verorten, wird damit allerdings die Vorstellung einer ein für allemal feststehenden innerlich geschlossenen und deutlich nach außen abgegrenzten Kultur abgelöst durch ein Gespür für die Unbeständigkeit und Durchlässigkeit kultureller Gebilde." (Wolf 1991: 534)</blockquote>
[[Internationale_Politische_Oekonomie#Internationale Politische Ökonomie - Eine Einführung|[1] Siehe Lernunterlage ''Internationale Politische Ökonomie - Eine Einführung'']]<br/>
 
  
 +
'''Verweise:'''
 +
 +
[[Internationale_Politische_Oekonomie#Internationale Politische Ökonomie - Eine Einführung|[1] Siehe Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie - Eine Einführung''']]<br/>
  
 
====5.3.1.1.2 Menschen und Ökonomien im weltweiten "Geflecht von Zusammenhängen"====
 
====5.3.1.1.2 Menschen und Ökonomien im weltweiten "Geflecht von Zusammenhängen"====
 +
----
  
 
[[File:theogrundlagen-246_1.jpg|frame|right|Romuald Hazoumé, "Dogon", 1996, Foto Pascal Maître. Quelle: Zinsou 2005.]]
 
[[File:theogrundlagen-246_1.jpg|frame|right|Romuald Hazoumé, "Dogon", 1996, Foto Pascal Maître. Quelle: Zinsou 2005.]]
Line 6,027: Line 5,426:
 
regionaler Verknüpfungen und Zusammenhänge aufweist:
 
regionaler Verknüpfungen und Zusammenhänge aufweist:
  
*"Aber erst das Ausgreifen der Europäer über die Ozeane hinweg hat
+
<blockquote>Aber erst das Ausgreifen der Europäer über die Ozeane hinweg hat diese regional geknüpften Verbindungsnetzwerke zu einer globalen Partitur vereint und sie einem weltumspannenden Rhythmus unterworfen. Von diesen Kräften wurden Menschen von ganz unterschiedlicher Herkunft und aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnissen in gleichartige Tätigkeiten hineingezogen und dazu gedrängt, sich am Aufbau einer einzigen gemeinsamen Welt zu beteiligen. [...] Die Gesellschaften und Kulturen all dieser Menschen machten während dieses Prozesses entscheidende Veränderungen durch." (Wolf 1991: 531-532)</blockquote> 
diese regional geknüpften Verbindungsnetzwerke zu einer globalen
 
Partitur vereint und sie einem weltumspannenden Rhythmus unterworfen.
 
Von diesen Kräften wurden Menschen von ganz unterschiedlicher Herkunft
 
und aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnissen in
 
gleichartige Tätigkeiten hineingezogen und dazu gedrängt, sich am Aufbau
 
einer einzigen gemeinsamen Welt zu beteiligen. [...] Die
 
Gesellschaften und Kulturen all dieser Menschen machten während dieses
 
Prozesses entscheidende Veränderungen durch."* (Wolf 1991: 531-532)
 
  
''Eric Wolf'' (1986) untersucht diese Prozesse an Hand von vielfältigen
+
'''Eric Wolf''' (1986) untersucht diese Prozesse an Hand von vielfältigen Beispielen. Er analysiert u.a.:
Beispielen. Er analysiert u.a.:
 
  
*  ''Die politischen und ökonomischen Bedingungen und Ziele der
+
'''Die politischen und ökonomischen Bedingungen und Ziele der europäischen Expansion in der Neuzeit''' und erarbeitet Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf einzelne Staaten oder Verbände (Spanien, Portugal, England, Frankreich, Niederlande).
    europäischen Expansion in der Neuzeit'' und erarbeitet
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'''Die "Jagd nach den Reichtümern der Welt"''': Hier verortet Wolf die diversen Unternehmungen in verschiedenen Regionen in einem immer stärker weltumspannenden Gefüge von Produktion, Zirkulation und Macht. Die Kolonisation Lateinamerikas durch die Iberer, der Pelzhandel in Nordamerika, der Sklavenhandel sowie Handel- und Eroberungspolitik in Asien zeigen verschiedene Facetten dieser Prozesse und ihrer Auswirkungen auf die Menschen.
    Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf einzelne Staaten oder
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'''Die industrielle Revolution und der aufstrebende Kapitalismus''' prägen im 19.Jahrhundert die sozioökonomischen Bedingungen der diversen Verflechtungen. Diese wirken sich auf die verschiedenen Abschnitte des ökonomischen Prozesses (Produktion, Zirkulation, Konsumtion) aus. Sie bedingen z.B. die Entstehung neuer Warenströme sowie der neuer Arbeiter, Arbeitsmärkte und des Handels mit Arbeitskräften (z.B. chinesische Arbeitskräfte in Amerika) und binden immer wieder andere regionale Kulturen und Ökonomien in das weltumspannende Netzwerk ein.
    Verbände (Spanien, Portugal, England, Frankreich, Niederlande).
 
*  ''Die "Jagd nach den Reichtümern der Welt"'': Hier verortet Wolf
 
    die diversen Unternehmungen in verschiedenen Regionen in einem immer
 
    stärker weltumspannenden Gefüge von Produktion, Zirkulation und
 
    Macht. Die Kolonisation Lateinamerikas durch die Iberer, der
 
    Pelzhandel in Nordamerika, der Sklavenhandel sowie Handel- und
 
    Eroberungspolitik in Asien zeigen verschiedene Facetten dieser
 
    Prozesse und ihrer Auswirkungen auf die Menschen.
 
*  ''Die industrielle Revolution und der aufstrebende Kapitalismus''
 
    prägen im 19.Jahrhundert die sozioökonomischen Bedingungen der
 
    diversen Verflechtungen. Diese wirken sich auf die verschiedenen
 
    Abschnitte des ökonomischen Prozesses (Produktion, Zirkulation,
 
    Konsumtion) aus. Sie bedingen z.B. die Entstehung neuer Warenströme
 
    sowie der neuer Arbeiter, Arbeitsmärkte und des Handels mit
 
    Arbeitskräften (z.B. chinesische Arbeitskräfte in Amerika) und
 
    binden immer wieder andere regionale Kulturen und Ökonomien in das
 
    weltumspannende Netzwerk ein.
 
  
 
Auf den folgenden Seiten werden aus der Fülle der Analysen von Eric Wolf
 
Auf den folgenden Seiten werden aus der Fülle der Analysen von Eric Wolf
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====5.3.1.1.2.1 Silberökonomie und Hacienda====
 
====5.3.1.1.2.1 Silberökonomie und Hacienda====
 
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Die ''Conquista'', die Eroberung und Kolonisation der indianischen
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[[File:theogrundlagen-247_1.jpg|frame|right|Bergbau im kolonialen Südamerika. Stich von de Bry 1601. Quelle: Kohl 1982.]]
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Die '''Conquista''', die Eroberung und Kolonisation der indianischen
 
Gesellschaften in Mittel- und Südamerika durch Spanien und Portugal
 
Gesellschaften in Mittel- und Südamerika durch Spanien und Portugal
 
etablierte das erste große Kolonialsystem der Neuzeit (èlink). Die
 
etablierte das erste große Kolonialsystem der Neuzeit (èlink). Die
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Element in diesem Gefüge war der Handel:
 
Element in diesem Gefüge war der Handel:
  
*"Spanien bezog aus der Neuen Welt Silber, Gold, Kakao, Koschenille und
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<blockquote>Spanien bezog aus der Neuen Welt Silber, Gold, Kakao, Koschenille und Indigo, in umgekehrter Richtung lieferte es teure Manufaktur- und Luxusprodukte. Ein großer, wenn nicht der größte Teil dieser Produkte stammte nicht aus Spanien selber, sondern vor allem aus Nordwesteuropa." (Wolf 1991: 204)</blockquote> 
Indigo, in umgekehrter Richtung lieferte es teure Manufaktur- und
 
Luxusprodukte. Ein großer, wenn nicht der größte Teil dieser Produkte
 
stammte nicht aus Spanien selber, sondern vor allem aus
 
Nordwesteuropa."* (Wolf 1991: 204)
 
  
Die ''Ökonomie der spanischen Kronländer'' beruhte zu einem guten Teil
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Die '''Ökonomie der spanischen Kronländer''' beruhte zu einem guten Teil auf der Gewinnung von Edelmetallen. Zwischen 1503 und 1660 trafen in Sevilla knapp 3,5 Millionen Kilo amerikanischen Silbers ein, wodurch sich die europäischen Silbervorräte verdreifachten. Die '''"Silberökonomie"''' (besonders ausgeprägt in Mexiko, Peru und Bolivien) band durch transkontinentalen Handel mit Europa und Asien
auf der Gewinnung von Edelmetallen. Zwischen 1503 und 1660 trafen in
 
Sevilla knapp 3,5 Millionen Kilo amerikanischen Silbers ein, wodurch
 
sich die europäischen Silbervorräte verdreifachten. Die
 
''"Silberökonomie"'' (besonders ausgeprägt in Mexiko, Peru und
 
Bolivien) band durch transkontinentalen Handel mit Europa und Asien
 
 
lokale (indianische) Gemeinschaften in ein großräumiges ökonomisches
 
lokale (indianische) Gemeinschaften in ein großräumiges ökonomisches
 
Gefüge ein.
 
Gefüge ein.
  
[[File:theogrundlagen-247_1.jpg|frame|right|Bergbau im kolonialen Südamerika. Stich von de Bry 1601. Quelle: Kohl 1982.]]
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Wolf spricht in diesem Zusammenhang von '''"erzwungenem Handel"'''
 
 
Wolf spricht in diesem Zusammenhang von ''"erzwungenem Handel"''
 
 
(erzwungen durch die einseitige Nachfrage auf europäischer Seite), der
 
(erzwungen durch die einseitige Nachfrage auf europäischer Seite), der
 
zwei unterschiedliche kommerzielle Kreisläufe umfasste: einen
 
zwei unterschiedliche kommerzielle Kreisläufe umfasste: einen
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amerikanischen Waren (Wolf 1991: 205).
 
amerikanischen Waren (Wolf 1991: 205).
  
''Die sozioökonomische Organisation des kolonialen Lateinamerikas
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'''Die sozioökonomische Organisation des kolonialen Lateinamerikas
beruhte auf feudalen Strukturen'', die eng mit der
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beruhte auf feudalen Strukturen''', die eng mit der
 
(land)wirtschaftlichen Produktion verbunden sind. Besonders deutlich
 
(land)wirtschaftlichen Produktion verbunden sind. Besonders deutlich
 
kommt dies in der Institution der 'encomienda' und später der
 
kommt dies in der Institution der 'encomienda' und später der
'''hacienda''' (èlink) zum Ausdruck, welche der Herrschaft über die
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''hacienda'' (èlink) zum Ausdruck, welche der Herrschaft über die
 
lokale Bevölkerung und der Aneignung und Kontrolle ihrer Arbeitskraft
 
lokale Bevölkerung und der Aneignung und Kontrolle ihrer Arbeitskraft
 
diente. Eine 'encomienda' war ein zeitlich begrenzter treuhänderischer
 
diente. Eine 'encomienda' war ein zeitlich begrenzter treuhänderischer
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der Besitzer über ('hacienda'), die Leibeigenschaft der indianischen
 
der Besitzer über ('hacienda'), die Leibeigenschaft der indianischen
 
Bewohner blieb jedoch in vielen Regionen (z.B. Ecuador, Peru) erhalten.
 
Bewohner blieb jedoch in vielen Regionen (z.B. Ecuador, Peru) erhalten.
Das '''Hacienda'-System'' war in einigen Andenländern bis ca. 1960 in
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Das ''Hacienda'-System''' war in einigen Andenländern bis ca. 1960 in
 
Kraft und prägt bis heute das sozioökonomische Gefüge vieler Regionen
 
Kraft und prägt bis heute das sozioökonomische Gefüge vieler Regionen
 
Lateinamerikas (vgl. Wolf 1991: 192-216).
 
Lateinamerikas (vgl. Wolf 1991: 192-216).
 
 
  
 
====5.3.1.1.2.2 Handelsplätze und Plantagen====
 
====5.3.1.1.2.2 Handelsplätze und Plantagen====
 
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In ''Brasilien'' war die frühe koloniale Ökonomie durch weitreichende
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[[File:theogrundlagen-248_1.jpg|frame|right|Zuckerverarbeitung in Brasiien. Gemälde von M.Rugendas 1835, Quelle Kohl 1982.]]
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In '''Brasilien''' war die frühe koloniale Ökonomie durch weitreichende
 
Handels- und Tauschbeziehungen geprägt (z.B. im Rahmen des Handels mit
 
Handels- und Tauschbeziehungen geprägt (z.B. im Rahmen des Handels mit
 
Brasil-Holz und Gewürzen), welche im Rahmen einer Kolonisationsgrenze
 
Brasil-Holz und Gewürzen), welche im Rahmen einer Kolonisationsgrenze
 
('colonial frontier') verschiedene indianische und europäische Gruppen
 
('colonial frontier') verschiedene indianische und europäische Gruppen
 
und Akteure (Portugiesen, Franzosen, Deutsche) in einem komplexen
 
und Akteure (Portugiesen, Franzosen, Deutsche) in einem komplexen
Geflecht von ''Handelsplätzen[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.5 Formen des Handels nach Polanyi|[1]]]'', Handelsketten, Allianzen, und
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Geflecht von '''Handelsplätzen[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.5 Formen des Handels nach Polanyi|[1]]]''', Handelsketten, Allianzen, und
''Feindschaften [[Chronisten_und_Missionare/Hans_Staden#1.4 Hans Staden bei den "Menschenfresser-Leuten"|[2]]]'' vernetzt.
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'''Feindschaften [[Chronisten_und_Missionare/Hans_Staden#1.4 Hans Staden bei den "Menschenfresser-Leuten"|[2]]]''' vernetzt.
  
''Kulturelle und ökonomische Verflechtungen'' ergaben sich auch im Zuge
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'''Kulturelle und ökonomische Verflechtungen''' ergaben sich auch im Zuge
 
der Aneignung und Verbreitung von Nahrungspflanzen. Pflanzen
 
der Aneignung und Verbreitung von Nahrungspflanzen. Pflanzen
 
indianischer Züchtung wurden in anderen Teilen der Welt verbreitet und
 
indianischer Züchtung wurden in anderen Teilen der Welt verbreitet und
 
beeinflussten deren (Eß-) Kulturen und Ökonomien nachhaltig - u.a.
 
beeinflussten deren (Eß-) Kulturen und Ökonomien nachhaltig - u.a.
Kartoffel, ''Mais [[Mais_-_Ernährung_und_Kolonialismus_in_Lateinamerika|[3]]]'', Tomate, Kakao, Tabak, Maniok und Kürbis. Zu
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Kartoffel, '''Mais [[Mais_-_Ernährung_und_Kolonialismus_in_Lateinamerika|[3]]]''', Tomate, Kakao, Tabak, Maniok und Kürbis. Zu
 
Nahrungspflanzen aus Asien, die über Europa nach Lateinamerika
 
Nahrungspflanzen aus Asien, die über Europa nach Lateinamerika
gelangten, zählen u.a. ''Zuckerrohr[[Neomarxismus/USA#5.3.2.1 Süße Macht: Sidney Mintz und die Geschichte des Zuckers|[4]]]'', Kaffee, Reis und Bananen.
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gelangten, zählen u.a. '''Zuckerrohr[[Neomarxismus/USA#5.3.2.1 Süße Macht: Sidney Mintz und die Geschichte des Zuckers|[4]]]''', Kaffee, Reis und Bananen.
Sie prägten maßgeblich ''Subsistenz und Ernährungsgewohnheiten'' (link
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Sie prägten maßgeblich '''Subsistenz und Ernährungsgewohnheiten''' (link
 
Maria?) lokaler Gemeinschaften sowie nationale und globale ökonomische
 
Maria?) lokaler Gemeinschaften sowie nationale und globale ökonomische
 
Prozesse.
 
Prozesse.
  
[[File:theogrundlagen-248_1.jpg|frame|right|Zuckerverarbeitung in Brasiien. Gemälde von M.Rugendas 1835, Quelle Kohl 1982.]]
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Eric Wolf behandelt vor allem die '''Entwicklung der Zuckerökonomie in
 
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Brasilien und der Karibik''' (1986: 217-227). Im Nord-Osten Brasiliens
Eric Wolf behandelt vor allem die ''Entwicklung der Zuckerökonomie in
 
Brasilien und der Karibik'' (1986: 217-227). Im Nord-Osten Brasiliens
 
 
wurden im 16. Jahrhundert die ersten Zuckerrohrplantagen angelegt:
 
wurden im 16. Jahrhundert die ersten Zuckerrohrplantagen angelegt:
  
*"...wurde damit eine Agrikultur in die Neue Welt verpflanzt, die
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<blockquote>...wurde damit eine Agrikultur in die Neue Welt verpflanzt, die schon lange im östlichen Mittelmeer zuhause war, wo die Araber sie gegen Ende des ersten Jahrtausends n.Chr. eingeführt hatten. In den Jahrhunderten vor der Eroberung der Neuen Welt hatte sich der Zuckeranbau über die Mittelmeerinseln langsam nach Westen vorgeschoben." (Wolf 1991: 217)</blockquote> 
schon lange im östlichen Mittelmeer zuhause war, wo die Araber sie gegen
 
Ende des ersten Jahrtausends n.Chr. eingeführt hatten. In den
 
Jahrhunderten vor der Eroberung der Neuen Welt hatte sich der
 
Zuckeranbau über die Mittelmeerinseln langsam nach Westen
 
vorgeschoben."* (Wolf 1991: 217)
 
  
Die ''Zuckerproduktion'' wurde von mehreren Staaten und ihren
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Die '''Zuckerproduktion''' wurde von mehreren Staaten und ihren Handelsagenturen dominiert. In Brasilien bestimmten die Portugiesen die Produktion, während Flamen und Holländer die Verbreitung des Produkts und die Finanzierung des Transports bewerkstelligten. So wurden Antwerpen und Amsterdam zu den wichtigsten Zentren der Zuckerraffinerien, wie auch zu Finanzzentren des portugiesischen
Handelsagenturen dominiert. In Brasilien bestimmten die Portugiesen die
 
Produktion, während Flamen und Holländer die Verbreitung des Produkts
 
und die Finanzierung des Transports bewerkstelligten. So wurden
 
Antwerpen und Amsterdam zu den wichtigsten Zentren der
 
Zuckerraffinerien, wie auch zu Finanzzentren des portugiesischen
 
 
Zuckerhandels (Wolf 1991: 218).
 
Zuckerhandels (Wolf 1991: 218).
  
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Arbeitskräften führte zur Versklavung der lokalen indianischen
 
Arbeitskräften führte zur Versklavung der lokalen indianischen
 
Gemeinschaften. Die Sklavenjagden im Amazonasgebiet und im heutigen
 
Gemeinschaften. Die Sklavenjagden im Amazonasgebiet und im heutigen
Paraguay wurden teilweise von den ''Jesuiten [[Chronisten_und_Missionare/Heilige_Experimente#1.6 "Heilige Experimente" und Ethnographie: Die österreichischen Jesuiten in Lateinamerika|[5]]]'' militärisch
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Paraguay wurden teilweise von den '''Jesuiten [[Chronisten_und_Missionare/Heilige_Experimente#1.6 "Heilige Experimente" und Ethnographie: Die österreichischen Jesuiten in Lateinamerika|[5]]]''' militärisch
 
gebremst, die den Indianern Schutz gewährten. Sie siedelten einen Teil
 
gebremst, die den Indianern Schutz gewährten. Sie siedelten einen Teil
der indianischen Gemeinschaften in '''reduccionen' [[Chronisten_und_Missionare/Poma_de_Alaya#1.5.1 Herrscher und Untertanen|[6]]]'' an und
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der indianischen Gemeinschaften in ''reduccionen' [[Chronisten_und_Missionare/Poma_de_Alaya#1.5.1 Herrscher und Untertanen|[6]]]''' an und
 
unterzogen sie einer intensiven Missionierung und Europäisierung.
 
unterzogen sie einer intensiven Missionierung und Europäisierung.
  
 
Die relativ kleine indianische Bevölkerung konnte jedoch den Bedarf an
 
Die relativ kleine indianische Bevölkerung konnte jedoch den Bedarf an
Sklaven keineswegs decken. ''So sind Zuckerproduktion und andere Formen
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Sklaven keineswegs decken. '''So sind Zuckerproduktion und andere Formen
der Plantagenwirtschaft aufs Engste mit dem transatlantischen''
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der Plantagenwirtschaft aufs Engste mit dem transatlantischen'''
''Sklavenhandel[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|[7]]]'' ''verbunden'', der das kulturelle und soziale
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'''Sklavenhandel[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|[7]]]''' '''verbunden''', der das kulturelle und soziale
Gefüge in ''Brasilien[[Brasilien_1889_-_1985|[8]]]'', der Karibik und den USA maßgeblich prägte.
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Gefüge in '''Brasilien[[Brasilien_1889_-_1985|[8]]]''', der Karibik und den USA maßgeblich prägte.
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.5 Formen des Handels nach Polanyi|[1] Siehe Kapitel 4.3.1.5]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.5 Formen des Handels nach Polanyi|[1] Siehe Kapitel 4.3.1.5]]<br/>
[[Chronisten_und_Missionare/Hans_Staden#1.4 Hans Staden bei den "Menschenfresser-Leuten"|[2] Siehe Kapitel 1.4 der Lernunterlage ''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung'']]<br/>
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[[Chronisten_und_Missionare/Hans_Staden#1.4 Hans Staden bei den "Menschenfresser-Leuten"|[2] Siehe Kapitel 1.4 der Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung''']]<br/>
[[Mais_-_Ernährung_und_Kolonialismus_in_Lateinamerika|[3] Siehe die Lernunterlage ''Mais - Ernährung und Kolonialismus in Lateinamerika'']]<br/>
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[[Mais_-_Ernährung_und_Kolonialismus_in_Lateinamerika|[3] Siehe die Lernunterlage '''Mais - Ernährung und Kolonialismus in Lateinamerika''']]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.2.1 Süße Macht: Sidney Mintz und die Geschichte des Zuckers|[4] Siehe Kapitel 5.3.2.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.2.1 Süße Macht: Sidney Mintz und die Geschichte des Zuckers|[4] Siehe Kapitel 5.3.2.1]]<br/>
[[Chronisten_und_Missionare/Heilige_Experimente#1.6 "Heilige Experimente" und Ethnographie: Die österreichischen Jesuiten in Lateinamerika|[5] Siehe Kapitel 1.6 der Lernunterlage ''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung'']]<br/>
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[[Chronisten_und_Missionare/Heilige_Experimente#1.6 "Heilige Experimente" und Ethnographie: Die österreichischen Jesuiten in Lateinamerika|[5] Siehe Kapitel 1.6 der Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung''']]<br/>
[[Chronisten_und_Missionare/Poma_de_Alaya#1.5.1 Herrscher und Untertanen|[6] Siehe Kapitel 1.5.1 der Lernunterlage ''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung'']]<br/>
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[[Chronisten_und_Missionare/Poma_de_Alaya#1.5.1 Herrscher und Untertanen|[6] Siehe Kapitel 1.5.1 der Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung''']]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|[7] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.3]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|[7] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.3]]<br/>
[[Brasilien_1889_-_1985|[8] Siehe die Lernunterlage ''Brasilien 1889 - 1985: Von der Ersten Republik bis zum Ende der Militärdiktatur'']]<br/>
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[[Brasilien_1889_-_1985|[8] Siehe die Lernunterlage '''Brasilien 1889 - 1985: Von der Ersten Republik bis zum Ende der Militärdiktatur''']]<br/>
 
 
  
 
====5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt====
 
====5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt====
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[[File:theogrundlagen-249_1.jpg|frame|right|Sklaven auf dem Weg in die Neue Welt. Quelle: Assogba (1990: 29).]]
 
[[File:theogrundlagen-249_1.jpg|frame|right|Sklaven auf dem Weg in die Neue Welt. Quelle: Assogba (1990: 29).]]
  
Eric Wolf ordnet den ''Sklavenhandel'' im Zuge der aggressiven Expansion
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Eric Wolf ordnet den '''Sklavenhandel''' im Zuge der aggressiven Expansion
 
Europas als wesentlichen Bestandteil in der Konstituierung des
 
Europas als wesentlichen Bestandteil in der Konstituierung des
internationalen Handelsnetzes und des ''Aufstiegs Europas zur
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internationalen Handelsnetzes und des '''Aufstiegs Europas zur
Weltmacht'' ein.
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Weltmacht''' ein.
  
 
Wenn auch Sklaverei und Sklavenhandel keine historischen
 
Wenn auch Sklaverei und Sklavenhandel keine historischen
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versklavte Menschen, wurden damit zur wichtigsten Exportware Afrikas.
 
versklavte Menschen, wurden damit zur wichtigsten Exportware Afrikas.
  
Die Portugiesen initiierten den ''transatlantischen Sklavenhandel'' im
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Die Portugiesen initiierten den '''transatlantischen Sklavenhandel''' im
 
Zuge ihrer Erkundungsfahrten und Kolonialisierungen entlang der
 
Zuge ihrer Erkundungsfahrten und Kolonialisierungen entlang der
 
afrikanischen Küsten, sie erhielten bald Konkurrenz durch die Holländer,
 
afrikanischen Küsten, sie erhielten bald Konkurrenz durch die Holländer,
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pazifischen Raum.
 
pazifischen Raum.
  
''Der transatlantische Sklavenhandel durchlief mehrere Phasen:''
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'''Der transatlantische Sklavenhandel durchlief mehrere Phasen:'''
  
Im ''15. und 16. Jahrhundert'' wurden die Sklaven in der Neuen Welt
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Im '''15. und 16. Jahrhundert''' wurden die Sklaven in der Neuen Welt
 
hauptsächlich für den Minenabbau von Silber, Gold und anderen Metallen
 
hauptsächlich für den Minenabbau von Silber, Gold und anderen Metallen
 
eingesetzt, ab dem 17. Jahrhundert dominierte der Zuckerrohranbau auf
 
eingesetzt, ab dem 17. Jahrhundert dominierte der Zuckerrohranbau auf
 
den karibischen Inseln und der Tabakanbau in Nordamerika und damit wurde
 
den karibischen Inseln und der Tabakanbau in Nordamerika und damit wurde
 
Plantagensklaverei die zentrale Produktionsweise der Neuen Welt. Das
 
Plantagensklaverei die zentrale Produktionsweise der Neuen Welt. Das
''18. Jahrhundert'' bezeichnet Wolf als "Goldenes Zeitalter der
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'''18. Jahrhundert''' bezeichnet Wolf als "Goldenes Zeitalter der
 
Sklaverei", mit Jamaica und Haiti als ökonomischen Zentren. Obwohl die
 
Sklaverei", mit Jamaica und Haiti als ökonomischen Zentren. Obwohl die
 
Sklaverei um die Jahrhundertwende von den meisten am transatlantischen
 
Sklaverei um die Jahrhundertwende von den meisten am transatlantischen
 
Handel beteiligten Mächten offiziell abgeschafft wurde, gelangten laut
 
Handel beteiligten Mächten offiziell abgeschafft wurde, gelangten laut
Wolf ''bis 1870 noch über 2 Mill. afrikanische Sklaven auf den Markt'',
+
Wolf '''bis 1870 noch über 2 Mill. afrikanische Sklaven auf den Markt''',
 
wobei 80% davon in die Neue Welt importiert wurden, ein großer Teil
 
wobei 80% davon in die Neue Welt importiert wurden, ein großer Teil
 
davon nach Kuba als zentraler Zuckerproduzent des 19. Jahrhundert.
 
davon nach Kuba als zentraler Zuckerproduzent des 19. Jahrhundert.
  
Wolf beschäftigt sich mit dem ''historischen Verlauf der Involvierung
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Wolf beschäftigt sich mit dem '''historischen Verlauf der Involvierung
der europäischen und afrikanischen Mächte und Regionen'', wobei sein
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der europäischen und afrikanischen Mächte und Regionen''', wobei sein
 
Hauptinteresse auf den politisch-ökonomischen Motivationen und
 
Hauptinteresse auf den politisch-ökonomischen Motivationen und
 
Auswirkungen des Handels liegt. Als einer der ersten im Bereich der
 
Auswirkungen des Handels liegt. Als einer der ersten im Bereich der
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Beteiligten:
 
Beteiligten:
  
*"Die Aufgabe, die Sklaven zu ergreifen, zu versorgen und innerhalb
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<blockquote>Die Aufgabe, die Sklaven zu ergreifen, zu versorgen und innerhalb Afrikas zu transportieren, lag in afrikanischen Händen; die Europäer hingegen sorgten anschließend dafür, daß sie nach Übersee verfrachtet, dort akklimatisiert bzw. 'gebrochen' und abschließend an die Sklavenhalter verkauft wurden. Um die amerikanische Nachfrage befriedigen zu können, war der Sklavehandel darauf angewiesen, daß Menschenaufkäufer und Menschenlieferanten aktiv zusammenarbeiteten und daß diese Aktivitäten von beiden Seiten subtil aufeinander abgestimmt waren". (Wolf 1991: 322f)</blockquote> 
Afrikas zu transportieren, lag in afrikanischen Händen; die Europäer
 
hingegen sorgten anschließend dafür, daß sie nach Übersee verfrachtet,
 
dort akklimatisiert bzw. 'gebrochen' und abschließend an die
 
Sklavenhalter verkauft wurden. Um die amerikanische Nachfrage
 
befriedigen zu können, war der Sklavehandel darauf angewiesen, daß
 
Menschenaufkäufer und Menschenlieferanten aktiv zusammenarbeiteten und
 
daß diese Aktivitäten von beiden Seiten subtil aufeinander abgestimmt
 
waren"*. (Wolf 1991: 322f)
 
  
In Auseinandersetzung mit den Thesen von Eric Williams zu frühem
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In Auseinandersetzung mit den Thesen von Eric Williams zu frühem Kapitalismus und Industrialisierung Europas (Williams 1996), in denen er erläutert, dass England aufgrund seiner Dominanz im transatlantischen Handel die führende Position in der ökonomisch-technologischen Entwicklung einnahm, '''sieht Wolf den Sklavenhandel nicht als einziges Element, wohl aber als den "maßgeblichen dynamischen Faktor" der
Kapitalismus und Industrialisierung Europas (Williams 1996), in denen er
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wirtschaftlichen Transformationen und des Aufstiegs Europas an'''.
erläutert, dass England aufgrund seiner Dominanz im transatlantischen
 
Handel die führende Position in der ökonomisch-technologischen
 
Entwicklung einnahm, ''sieht Wolf den Sklavenhandel nicht als einziges
 
Element, wohl aber als den "maßgeblichen dynamischen Faktor" der
 
wirtschaftlichen Transformationen und des Aufstiegs Europas an''.
 
  
 
Der transatlantische Sklavenhandel hatte auf alle Beteiligten, ob
 
Der transatlantische Sklavenhandel hatte auf alle Beteiligten, ob
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====5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff====
 
====5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff====
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[[File:theogrundlagen-307_1.gif|frame|right|Aufriss des Sklavenschiffs "La Vigilante", Fassungsvermögen 227 Männer und 120 Frauen, ca 1822. Quelle: Assogba (1990: 31).]]
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[[File:theogrundlagen-307_1.gif|frame|center|Aufriss des Sklavenschiffs "La Vigilante", Fassungsvermögen 227 Männer und 120 Frauen, ca 1822. Quelle: Assogba (1990: 31).]]
 
 
 
 
 
 
====5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerischer Installation====
 
 
 
[[File:theogrundlagen-308_1.jpg|frame|right|Bouche du roi. Installation von Romuald Hazoumé (2005), Houston, Texas: The Menil Collection.Quelle: Zinsou (2005: 83).]]
 
  
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====5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerische Installation====
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[[File:theogrundlagen-308_1.jpg|frame|center|Bouche du roi. Installation von Romuald Hazoumé (2005), Houston, Texas: The Menil Collection.Quelle: Zinsou (2005: 83).]]
  
 
====5.3.1.1.2.4 Warenströme====
 
====5.3.1.1.2.4 Warenströme====
 
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[[File:theogrundlagen-250_1.jpg|frame|right|Romuald Hazoumé, "Porta via" (Installation), 2002, Foto Philippe Roudy. Quelle: Zinsou 2005.]]
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[[File:theogrundlagen-250_1.jpg|frame|left|Romuald Hazoumé, "Porta via" (Installation), 2002, Foto Philippe Roudy. Quelle: Zinsou 2005.]]
 
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Im '''19. Jahrhundert erhöhte sich in Europa die Nachfrage nach
Im ''19. Jahrhundert erhöhte sich in Europa die Nachfrage nach
+
Rohstoffen und Nahrungsmitteln''' und ließ einen stark erweiterten Markt
Rohstoffen und Nahrungsmitteln'' und ließ einen stark erweiterten Markt
 
 
von weltweiten Dimensionen entstehen.
 
von weltweiten Dimensionen entstehen.
  
*"Ganze Regionen spezialisierten sich auf die Produktion einiger
+
<blockquote>Ganze Regionen spezialisierten sich auf die Produktion einiger weniger Rohstoffe oder landwirtschaftlich erzeugter Nahrungs- und Genussmittel. Ein solche regionale Spezialisierung hatte sich zum Teil schon unter der Ägide des Handels entwickelt - ein Beispiel ist die Zuckerproduktion in der karibischen Region. In anderen Fällen - das gilt z.B. für die Baumwollanbauregionen der Vereinigten Staaten, Ägyptens und Indiens - war die Spezialisierung die Antwort auf die Anfänge der kapitalistischen Entwicklung." (Wolf 1991: 432)</blockquote> 
weniger Rohstoffe oder landwirtschaftlich erzeugter Nahrungs- und
 
Genussmittel. Ein solche regionale Spezialisierung hatte sich zum Teil
 
schon unter der Ägide des Handels entwickelt - ein Beispiel ist die
 
Zuckerproduktion in der karibischen Region. In anderen Fällen - das gilt
 
z.B. für die Baumwollanbauregionen der Vereinigten Staaten, Ägyptens und
 
Indiens - war die Spezialisierung die Antwort auf die Anfänge der
 
kapitalistischen Entwicklung."* (Wolf 1991: 432)
 
  
Diese Entwicklungen ''intensivierten den Warentausch'' zwischen
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Diese Entwicklungen '''intensivierten den Warentausch''' zwischen unterschiedlichen kulturellen und ökonomischen Gefügen bzw.
unterschiedlichen kulturellen und ökonomischen Gefügen bzw.
 
 
Produktionsweisen. Wolf bezeichnet diesen Markt als "eine Arena, in der
 
Produktionsweisen. Wolf bezeichnet diesen Markt als "eine Arena, in der
 
sich die widerstreitenden Produktionsweisen - auf der Ebene des
 
sich die widerstreitenden Produktionsweisen - auf der Ebene des
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umgekrempelt" (Wolf 1991: 433).
 
umgekrempelt" (Wolf 1991: 433).
  
''Warenströme prägen bis heute maßgeblich die ökonomischen und
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'''Warenströme prägen bis heute maßgeblich die ökonomischen und
kulturellen Prozesse'' und werden meist in Zusammenhang mit
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kulturellen Prozesse''' und werden meist in Zusammenhang mit
 
Fragestellungen der Globalisierung (link maria) und/oder des
 
Fragestellungen der Globalisierung (link maria) und/oder des
 
transkulturellen Konsums untersucht (link maria). Da Waren bzw. Dinge
 
transkulturellen Konsums untersucht (link maria). Da Waren bzw. Dinge
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verfügen, fließen Warenströme und Kulturströme ('cultural flows') oft
 
verfügen, fließen Warenströme und Kulturströme ('cultural flows') oft
 
mit- und ineinander (vgl. z.B. Appadurai 2001, Spittler 2002).
 
mit- und ineinander (vgl. z.B. Appadurai 2001, Spittler 2002).
 
 
  
 
====5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika====
 
====5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika====
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[[File:theogrundlagen-251_1.gif|frame|right|Routen für den Nordamerikanischen Pelzhandel. Quelle: Wolf (1997), Karte: 162.]]<blockquote>Über drei Jahrhunderte lang blühte und expandierte der Pelzhandel in Nordamerika und zog ständig neue Gruppen der Ureinwohner in die immer weiter aufgreifende Kreisläufe des Warentausches, der sich zwischen den hereinströmenden Europäern und ihren eingeborenen Handelpartnern angebahnt hatte. (Wolf 1991: 274)</blockquote> 
  
*"Über drei Jahrhunderte lang blühte und expandierte der Pelzhandel in
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'''Native Americans''' (USA, Kanada) lieferten seit dem 17. Jahrhundert durch eine Intensivierung der Jagd vor allem Biberpelze für den europäischen Hutmarkt und erwarben dafür diverse Produkte aus landwirtschaftlicher und industrieller Produktion. Neben den Hackbau treibenden Gruppen der Ostküste waren vor allem Jäger und Sammler-Gemeinschaften in die Handelsnetzwerke involviert. Der
Nordamerika und zog ständig neue Gruppen der Ureinwohner in die immer
 
weiter aufgreifende Kreisläufe des Warentausches, der sich zwischen den
 
hereinströmenden Europäern und ihren eingeborenen Handelpartnern
 
angebahnt hatte.*" (Wolf 1991: 274)
 
 
 
''Native Americans'' (USA, Kanada) lieferten seit dem 17. Jahrhundert
 
durch eine Intensivierung der Jagd vor allem Biberpelze für den
 
europäischen Hutmarkt und erwarben dafür diverse Produkte aus
 
landwirtschaftlicher und industrieller Produktion. Neben den Hackbau
 
treibenden Gruppen der Ostküste waren vor allem Jäger und
 
Sammler-Gemeinschaften in die Handelsnetzwerke involviert. Der
 
 
Pelzhandel und die europäischen Händler wanderten im Laufe der nächsten
 
Pelzhandel und die europäischen Händler wanderten im Laufe der nächsten
 
Jahrhunderte von Neufundland bis an die kanadische Pazifikküste, da die
 
Jahrhunderte von Neufundland bis an die kanadische Pazifikküste, da die
 
Biber-Bestände nach und nach ausgerottet wurden (Wolf 1986: 232).
 
Biber-Bestände nach und nach ausgerottet wurden (Wolf 1986: 232).
 
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[[File:theogrundlagen-251_2.jpg|frame|left|Kwakiutl Chief, Ethnologisches Museum, Berlin, Foto JohnsonQuelle: '''https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html [https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html  &#91;1&#93;]''']]
[[File:theogrundlagen-251_1.gif|frame|right|Routen für den Nordamerikanischen Pelzhandel. Quelle: Wolf (1997), Karte: 162.]]
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An der '''kanadischen Pazifikküste''' bei den Kwakiutl, Tlingit, Haida und
 
 
An der ''kanadischen Pazifikküste'' bei den Kwakiutl, Tlingit, Haida und
 
 
Tsimian bildeten im 18. und 19. Jahrhundert Seeotterfelle eine wichtige
 
Tsimian bildeten im 18. und 19. Jahrhundert Seeotterfelle eine wichtige
 
Handelsware, die gegen Metallgegenstände, Stoffe, Decken, Rum, Tabak und
 
Handelsware, die gegen Metallgegenstände, Stoffe, Decken, Rum, Tabak und
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die als lokale Händler fungierten und dadurch Macht über die neuen Güter
 
die als lokale Händler fungierten und dadurch Macht über die neuen Güter
 
besaßen. Diese Personen nutzten ihre führende Rolle im Pelzhandel u.a.
 
besaßen. Diese Personen nutzten ihre führende Rolle im Pelzhandel u.a.
*"zur Aufstockung ihres ''potlatch - Vermögens'' (link Jäger und
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"zur Aufstockung ihres '''potlatch - Vermögens''' (link Jäger und
 
Sammler), zum Ausbau ihrer Verwandtschaftsbeziehungen durch gezielte
 
Sammler), zum Ausbau ihrer Verwandtschaftsbeziehungen durch gezielte
 
Heiratspolitik, zur Ausweitung ihres Handelsnetzwerkes und zur Stärkung
 
Heiratspolitik, zur Ausweitung ihres Handelsnetzwerkes und zur Stärkung
ihrer gesellschaftlichen Vorrechte"* (Wolf 1991: 269).
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ihrer gesellschaftlichen Vorrechte" (Wolf 1991: 269).
 
 
[[File:theogrundlagen-251_2.jpg|frame|right|Kwakiutl Chief, Ethnologisches Museum, Berlin, Foto JohnsonQuelle: ''https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html [https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html  &#91;1&#93;]'']]
 
  
Die ''wachsende Konservenindustrie'' (Lachs) in der Region beschäftigte
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Die '''wachsende Konservenindustrie''' (Lachs) in der Region beschäftigte
 
im 19. Jahrhundert Männer der Kwakiutl als Fischer und Frauen als
 
im 19. Jahrhundert Männer der Kwakiutl als Fischer und Frauen als
 
Arbeiterinnen. In dieser Zeit ging die Bevölkerungszahl in
 
Arbeiterinnen. In dieser Zeit ging die Bevölkerungszahl in
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Autonomie halten bis heute an.
 
Autonomie halten bis heute an.
  
''Kwakiutl im WWW:''
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'''Kwakiutl im WWW:'''
  
''https://web.archive.org/web/20051231225705/http://college.hmco.com/history/readerscomp/naind/html/na_019100_kwakiutl.htm [https://web.archive.org/web/20051231225705/http://college.hmco.com/history/readerscomp/naind/html/na_019100_kwakiutl.htm  &#91;2&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051231225705/http://college.hmco.com/history/readerscomp/naind/html/na_019100_kwakiutl.htm [https://web.archive.org/web/20051231225705/http://college.hmco.com/history/readerscomp/naind/html/na_019100_kwakiutl.htm  &#91;2&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20050904102029/http://www.bcfn.org/profile/kwakiutl.htm [https://web.archive.org/web/20050904102029/http://www.bcfn.org/profile/kwakiutl.htm  &#91;3&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20050904102029/http://www.bcfn.org/profile/kwakiutl.htm [https://web.archive.org/web/20050904102029/http://www.bcfn.org/profile/kwakiutl.htm  &#91;3&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20050220121215/http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=kwk [https://web.archive.org/web/20050220121215/http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=kwk  &#91;4&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20050220121215/http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=kwk [https://web.archive.org/web/20050220121215/http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=kwk  &#91;4&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20051201025745/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/kwa.html [https://web.archive.org/web/20051201025745/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/kwa.html  &#91;5&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051201025745/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/kwa.html [https://web.archive.org/web/20051201025745/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/kwa.html  &#91;5&#93;]'''
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051231225705/http://college.hmco.com/history/readerscomp/naind/html/na_019100_kwakiutl.htm  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20051231225705/http://college.hmco.com/history/readerscomp/naind/html/na_019100_kwakiutl.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051231225705/http://college.hmco.com/history/readerscomp/naind/html/na_019100_kwakiutl.htm  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20051231225705/http://college.hmco.com/history/readerscomp/naind/html/na_019100_kwakiutl.htm]<br/>
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[https://web.archive.org/web/20050220121215/http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=kwk  &#91;4&#93; https://web.archive.org/web/20050220121215/http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=kwk]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050220121215/http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=kwk  &#91;4&#93; https://web.archive.org/web/20050220121215/http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=kwk]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051201025745/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/kwa.html  &#91;5&#93; https://web.archive.org/web/20051201025745/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/kwa.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051201025745/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/kwa.html  &#91;5&#93; https://web.archive.org/web/20051201025745/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/kwa.html]<br/>
 
 
  
 
====5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee====
 
====5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee====
 
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''Warenströme kennzeichnen Handel und Eroberungspolitik'' in Asien im
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[[File:theogrundlagen-252_1.jpg|frame|left|Opiumkonsum in China. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html [https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html  &#91;2&#93;]''']][[File:theogrundlagen-252_2.jpg|frame|right|Karikatur über Kolonialpolitik des 19.Jh. in China. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/ [https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/  &#91;3&#93;]''']]
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'''Warenströme kennzeichnen Handel und Eroberungspolitik''' in Asien im
 
18. und 19. Jahrhundert. Seit dem Beginn der europäischen Expansion in
 
18. und 19. Jahrhundert. Seit dem Beginn der europäischen Expansion in
diesem Raum besteht ein ''Naheverhältnis von Handel'' (z.B.
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diesem Raum besteht ein '''Naheverhältnis von Handel''' (z.B.
 
Gewürzhandel) und der Ausdehnung des Machtgefüges verschiedener
 
Gewürzhandel) und der Ausdehnung des Machtgefüges verschiedener
 
europäischer Staaten (Portugal, Niederlande, England). So galt den
 
europäischer Staaten (Portugal, Niederlande, England). So galt den
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finanzierte, bestand aus
 
finanzierte, bestand aus
  
*  Baumwolllieferungen von Indien nach China, die in Silber an
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*  Baumwolllieferungen von Indien nach China, die in Silber an regionale Händler bezahlt wurden,
    regionale Händler bezahlt wurden,
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*  die Händler kauften mit diesem Silber Kreditbriefe der East India Company,
*  die Händler kauften mit diesem Silber Kreditbriefe der East India
 
    Company,
 
 
*  die East India Company kaufte mit dem Silber Tee in China.
 
*  die East India Company kaufte mit dem Silber Tee in China.
  
 
Der Dreieckshandel konnte jedoch den Tee-Import nicht ausreichend
 
Der Dreieckshandel konnte jedoch den Tee-Import nicht ausreichend
 
finanzieren, und immer größere Mengen des amerikanischen
 
finanzieren, und immer größere Mengen des amerikanischen
''Silbers[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.1 Silberökonomie und Hacienda|[1]]]'' mussten in den Handel investiert werden. Es kam zu
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'''Silbers[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.1 Silberökonomie und Hacienda|[1]]]''' mussten in den Handel investiert werden. Es kam zu
einem ''Abfluss an Edelmetallen'' - eine Dynamik, die seit dem römischen
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einem '''Abfluss an Edelmetallen''' - eine Dynamik, die seit dem römischen
 
Reich immer wieder den europäischen Handel mit Indien und China
 
Reich immer wieder den europäischen Handel mit Indien und China
 
gekennzeichnet hat.
 
gekennzeichnet hat.
 
[[File:theogrundlagen-252_1.jpg|frame|right|Opiumkonsum in China. Quelle: ''https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html [https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html  &#91;2&#93;]'']]
 
  
 
Um diesen Kreislauf zu ihrem Vorteil zu unterbrechen, begann die schwer
 
Um diesen Kreislauf zu ihrem Vorteil zu unterbrechen, begann die schwer
verschuldete 'East India Company' mit dem ''massiven Verkauf von
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verschuldete 'East India Company' mit dem '''massiven Verkauf von
indischem Opium in China'', ein illegales doch äußerst profitables
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indischem Opium in China''', ein illegales doch äußerst profitables
 
Geschäft. Der Bedarf an Opium stieg mit der raschen Verbreitung des
 
Geschäft. Der Bedarf an Opium stieg mit der raschen Verbreitung des
 
Suchtmittels und nach einigen Jahrzehnten setzten bengalische, englische
 
Suchtmittels und nach einigen Jahrzehnten setzten bengalische, englische
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357-360, 475-480).
 
357-360, 475-480).
  
[[File:theogrundlagen-252_2.jpg|frame|right|Karikatur über Kolonialpolitik des 19.Jh. in China. Quelle: ''https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/ [https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/  &#91;3&#93;]'']]
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.1 Silberökonomie und Hacienda|[1] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.1 Silberökonomie und Hacienda|[1] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.1]]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/  &#91;3&#93; https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/  &#91;3&#93; https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/]<br/>
 
 
  
 
====5.3.1.1.2.4.3 Der Kautschukboom im Amazonasgebiet====
 
====5.3.1.1.2.4.3 Der Kautschukboom im Amazonasgebiet====
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Die ''Warenströme im 19. Jahrhundert'' beinhalteten auch pflanzliche
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Die '''Warenströme im 19. Jahrhundert''' beinhalteten auch pflanzliche
 
Produkte für gewerbliche Zwecke. Dazu zählte der Kautschuk, der als
 
Produkte für gewerbliche Zwecke. Dazu zählte der Kautschuk, der als
 
industrieller Grundstoff nach der Erfindung der Vulkanisierungstechnik
 
industrieller Grundstoff nach der Erfindung der Vulkanisierungstechnik
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[[File:theogrundlagen-253_1.jpg|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-253_1.jpg|frame|right]]
  
Kautschuk
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'''Kautschuk'''
  
 
(das Harz des Baums 'Hevea Brasliliensis') wurde während des größten
 
(das Harz des Baums 'Hevea Brasliliensis') wurde während des größten
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und Indonesien zum Erliegen. In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde
 
und Indonesien zum Erliegen. In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde
 
Kautschuk als Rohmaterial zum Großteil durch Kunststoffe abgelöst.
 
Kautschuk als Rohmaterial zum Großteil durch Kunststoffe abgelöst.
 
+
<div><ul>
[[File:theogrundlagen-253_2.jpg|frame|right|Kautschukbearbeitung und Transport im Amazonasgebiet.]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-253_2.jpg|thumb|none|Kautschukbearbeitung und Transport im Amazonasgebiet.]] </li>
[[File:theogrundlagen-253_3.jpg|frame|right|Kautschukbearbeitung und Transport im Amazonasgebiet.]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-253_3.jpg|thumb|none|Kautschukbearbeitung und Transport im Amazonasgebiet.]] </li>
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</ul></div>
  
 
Kautschuk wurde im Amazonasgebiet von Indianern und Siedlern gesammelt,
 
Kautschuk wurde im Amazonasgebiet von Indianern und Siedlern gesammelt,
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durch die entsprechenden Mengen an Kautschuk abgegolten werden musste.
 
durch die entsprechenden Mengen an Kautschuk abgegolten werden musste.
 
Das Prinzip setzte sich (mit immer schlechter werdenden Konditionen) bis
 
Das Prinzip setzte sich (mit immer schlechter werdenden Konditionen) bis
zu den Kautschuksammlern fort und etablierte ein ''brutales System von
+
zu den Kautschuksammlern fort und etablierte ein '''brutales System von
Schuldknechtschaft und Zwangsarbeit''.
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Schuldknechtschaft und Zwangsarbeit'''.
  
Der ''Kautschukboom'' hatte weitreichende Folgen für die Bevölkerung des
+
Der '''Kautschukboom''' hatte weitreichende Folgen für die Bevölkerung des
 
Amazonasgebiets, er wird von Santos-Granero (1996) als zweite Welle der
 
Amazonasgebiets, er wird von Santos-Granero (1996) als zweite Welle der
 
Kolonisation bezeichnet (nach Conquista und Missionsherrschaft im 17.
 
Kolonisation bezeichnet (nach Conquista und Missionsherrschaft im 17.
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*  Genozid (etwa in der Region des Rio Putumayo in Kolumbien)
 
*  Genozid (etwa in der Region des Rio Putumayo in Kolumbien)
 
*  Zwangsumsiedlungen (z.B. Quechua in Ecuador und Peru)
 
*  Zwangsumsiedlungen (z.B. Quechua in Ecuador und Peru)
*  Hungersnöte (durch die erzwungene Vernachlässigung der
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*  Hungersnöte (durch die erzwungene Vernachlässigung der Subsistenztätigkeiten)
    Subsistenztätigkeiten)
 
 
*  massiver Bevölkerungsrückgang durch eingeschleppte Krankheiten
 
*  massiver Bevölkerungsrückgang durch eingeschleppte Krankheiten
 
*  großräumige Migrationsbewegungen
 
*  großräumige Migrationsbewegungen
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*  kulturelle Hybridisierung
 
*  kulturelle Hybridisierung
 
*  Genese neuer kultureller und sozialer Gefüge
 
*  Genese neuer kultureller und sozialer Gefüge
*  verschiedene Transformationen der bestehenden sozialen und
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*  verschiedene Transformationen der bestehenden sozialen und ökonomischen Ordnung einzelner Gruppen
    ökonomischen Ordnung einzelner Gruppen
 
 
 
 
 
  
 
====5.3.1.1.2.4.4 Kautschukgewinnung bei den Mundurucú (Brasilien)====
 
====5.3.1.1.2.4.4 Kautschukgewinnung bei den Mundurucú (Brasilien)====
 
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[[File:theogrundlagen-254_1.jpg|frame|right|Marilda Castanha. Die Schöpfung der Welt in der Mythologie der MundurukuQuelle: '''https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html [https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html  &#91;1&#93;]''']]
 
Aufbauend auf den Studien von Robert Murphy (1960) erörtert Wolf
 
Aufbauend auf den Studien von Robert Murphy (1960) erörtert Wolf
 
Veränderungsprozesse der bestehenden sozialen und ökonomischen Ordnung
 
Veränderungsprozesse der bestehenden sozialen und ökonomischen Ordnung
am Beispiel der Mundurucú in Brasilien. ''Die Kautschukgewinnung
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am Beispiel der Mundurucú in Brasilien. '''Die Kautschukgewinnung
beeinflusste dort Siedlungsstruktur, Mobilität (link) und Subsistenz'':
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beeinflusste dort Siedlungsstruktur, Mobilität (link) und Subsistenz''':
 
Die traditionelle Subsistenz der Mundurucú ist eine Form der "tropical
 
Die traditionelle Subsistenz der Mundurucú ist eine Form der "tropical
 
forest horticulture" (link) und umfasste Pflanzungen (primär Maniok),
 
forest horticulture" (link) und umfasste Pflanzungen (primär Maniok),
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Austauschbeziehungen (Wolf 1991: 453-456).
 
Austauschbeziehungen (Wolf 1991: 453-456).
  
[[File:theogrundlagen-254_1.jpg|frame|right|Marilda Castanha. Die Schöpfung der Welt in der Mythologie der MundurukuQuelle: ''https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html [https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html  &#91;1&#93;]'']]
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html]<br/>
 
 
  
 
==5.3.2 Sidney Mintz==
 
==5.3.2 Sidney Mintz==
  
[[File:theogrundlagen-255_1.jpg|frame|right|Quelle: ''http://www.mc.vanderbilt.edu/reporter/reporter_jpgs/reporter_4.10.98_3.jpg [http://www.mc.vanderbilt.edu/reporter/reporter_jpgs/reporter_4.10.98_3.jpg  &#91;1&#93;]'']]
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[[File:theogrundlagen-255_1.jpg|frame|right|Quelle: '''http://www.mc.vanderbilt.edu/reporter/reporter_jpgs/reporter_4.10.98_3.jpg [http://www.mc.vanderbilt.edu/reporter/reporter_jpgs/reporter_4.10.98_3.jpg  &#91;1&#93;]''']]
  
''Sidney Mintz (*1922)''
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'''Sidney Mintz (*1922)'''
  
''Relevante Werke:''
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'''Relevante Werke:'''
  
 
1960: Worker in the Cane
 
1960: Worker in the Cane
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1985: Sweetness and Power
 
1985: Sweetness and Power
  
''Sidney Mintz'' studierte gleichzeitig mit ''Eric Wolf'' an der
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'''Sidney Mintz''' studierte gleichzeitig mit '''Eric Wolf''' an der
Columbia University und gehörte wie dieser zum engeren ''Schülerkreis
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Columbia University und gehörte wie dieser zum engeren '''Schülerkreis
von Julian Steward''. Ab den späten 1940er Jahren beschäftigte er sich
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von Julian Steward'''. Ab den späten 1940er Jahren beschäftigte er sich
mit der ''Zuckerproduktion in der Karibik'', arbeite die inneren
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mit der '''Zuckerproduktion in der Karibik''', arbeite die inneren
 
Widersprüche der Plantagensklaverei und deren ökonomische Verflechtung
 
Widersprüche der Plantagensklaverei und deren ökonomische Verflechtung
 
mit der Arbeiterklasse in englischen Fabriken auf (vgl. Durrenberger
 
mit der Arbeiterklasse in englischen Fabriken auf (vgl. Durrenberger
 
2005: 131; Robotham 2005: 46).
 
2005: 131; Robotham 2005: 46).
  
Mit Eric Wolf teilt er auch sein ''intensives Interesse für historische
+
Mit Eric Wolf teilt er auch sein '''intensives Interesse für historische
Prozesse und Verbindungen''. Auf theoretischer Ebene versucht er
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Prozesse und Verbindungen'''. Auf theoretischer Ebene versucht er
 
kulturanthropologische Ansätze mit historisch- materialistischen
 
kulturanthropologische Ansätze mit historisch- materialistischen
 
Konzepten zu verbinden. Regional liegt sein Fokus auf der Karibik und
 
Konzepten zu verbinden. Regional liegt sein Fokus auf der Karibik und
 
thematisch konzentriert er sich nach Sweetness and Power (1985)
 
thematisch konzentriert er sich nach Sweetness and Power (1985)
zunehmend auf eine ''Anthropologie der Ernährung''.
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zunehmend auf eine '''Anthropologie der Ernährung'''.
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'''Sidney Mintz im WWW:'''
  
''Sidney Mintz im WWW:''
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'''https://web.archive.org/web/20060524225423/http://anthropology.jhu.edu/Sidney%20Mintz/ [https://web.archive.org/web/20060524225423/http://anthropology.jhu.edu/Sidney%20Mintz/  &#91;2&#93;]'''
  
''https://web.archive.org/web/20060524225423/http://anthropology.jhu.edu/Sidney%20Mintz/ [https://web.archive.org/web/20060524225423/http://anthropology.jhu.edu/Sidney%20Mintz/  &#91;2&#93;]''
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'''Verweise:'''
  
''Verweise:''
 
 
[http://www.mc.vanderbilt.edu/reporter/reporter_jpgs/reporter_4.10.98_3.jpg  &#91;1&#93; http://www.mc.vanderbilt.edu/reporter/reporter_jpgs/reporter_4.10.98_3.jpg]<br/>
 
[http://www.mc.vanderbilt.edu/reporter/reporter_jpgs/reporter_4.10.98_3.jpg  &#91;1&#93; http://www.mc.vanderbilt.edu/reporter/reporter_jpgs/reporter_4.10.98_3.jpg]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060524225423/http://anthropology.jhu.edu/Sidney%20Mintz/  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060524225423/http://anthropology.jhu.edu/Sidney%20Mintz/]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060524225423/http://anthropology.jhu.edu/Sidney%20Mintz/  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060524225423/http://anthropology.jhu.edu/Sidney%20Mintz/]<br/>
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===5.3.2.1 Süße Macht: Sidney Mintz und die Geschichte des Zuckers===
 
===5.3.2.1 Süße Macht: Sidney Mintz und die Geschichte des Zuckers===
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[[File:theogrundlagen-256_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-256_1.gif|frame|right]]
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(Mintz 1987: 13)
 
(Mintz 1987: 13)
  
''"Die süße Macht"'' (Mintz 1987) analysiert diese Prozesse am
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'''"Die süße Macht"''' (Mintz 1987) analysiert diese Prozesse am
 
Beispiel des Zuckers. Das Buch beschäftigt sich mit verschiedenen
 
Beispiel des Zuckers. Das Buch beschäftigt sich mit verschiedenen
 
Elementen bzw. Stadien im Zuge der "Biographie" (Kopytoff 1986) dieses
 
Elementen bzw. Stadien im Zuge der "Biographie" (Kopytoff 1986) dieses
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*  Plantagenwirtschaft und Sklaverei in der Karibik
 
*  Plantagenwirtschaft und Sklaverei in der Karibik
 
*  Geschichte des Konsums von Zucker im Abendland
 
*  Geschichte des Konsums von Zucker im Abendland
*  Bedeutung von Zucker für die moderne Gesellschaft - Umstände,
+
*  Bedeutung von Zucker für die moderne Gesellschaft - Umstände, Zusammenhänge, Ursachen
    Zusammenhänge, Ursachen
 
  
  
  
 
====5.3.2.1.1 Die Süße und der Konsum von Zucker====
 
====5.3.2.1.1 Die Süße und der Konsum von Zucker====
 
+
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Der ''anthropologische Blick auf Essen und Ernährung als Teilstück einer
+
[[File:theogrundlagen-257_1.gif|frame|right]]
Anthropologie des modernen Lebens'' fokussiert sich im ersten Abschnitt
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Der '''anthropologische Blick auf Essen und Ernährung als Teilstück einer
 +
Anthropologie des modernen Lebens''' fokussiert sich im ersten Abschnitt
 
des Buches von Mintz (1987) das Süße: Süße ist ein Geschmack und eine
 
des Buches von Mintz (1987) das Süße: Süße ist ein Geschmack und eine
 
Qualität, die von allen Menschen empfunden wird, jedoch in
 
Qualität, die von allen Menschen empfunden wird, jedoch in
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ökonomischen Prozessen eingebunden.
 
ökonomischen Prozessen eingebunden.
  
[[File:theogrundlagen-257_1.gif|frame|right]]
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'''Mintz analysiert die Bedeutung der Süße''' im Rahmen der Geschichte der
 
 
''Mintz analysiert die Bedeutung der Süße'' im Rahmen der Geschichte der
 
 
Nahrung in Europa.
 
Nahrung in Europa.
  
*"Wenngleich Fürchte und Honig für die Engländer vor 1650 die
+
<blockquote>Wenngleich Fürchte und Honig für die Engländer vor 1650 die Hauptquelle für Süße darstellten, scheinen sie in der englischen Kost keine wesentliche Rolle gespielt zu haben. Zucker, gewonnen aus dem Saft des Zuckerrohrs, erreichte England in kleinen Mengen etwa ums Jahr 1100; während der folgenden 500 Jahre stieg die Menge des verfügbaren Rohrzuckers ohne Zweifel an, aber nur langsam und keineswegs stetig. (Mintz 1987:26)</blockquote>
Hauptquelle für Süße darstellten, scheinen sie in der englischen Kost
 
keine wesentliche Rolle gespielt zu haben. Zucker, gewonnen aus dem Saft
 
des Zuckerrohrs, erreichte England in kleinen Mengen etwa ums Jahr 1100;
 
während der folgenden 500 Jahre stieg die Menge des verfügbaren
 
Rohrzuckers ohne Zweifel an, aber nur langsam und keineswegs stetig.*"
 
(Mintz 1987:26)
 
  
''Ab dem 16. Jahrhundert kommt es zu einer erheblichen Steigerung des
+
'''Ab dem 16. Jahrhundert kommt es zu einer erheblichen Steigerung des
Konsums von Süßen'', und zwar in erster Linie von Zucker, ein Prozess,
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Konsums von Süßen''', und zwar in erster Linie von Zucker, ein Prozess,
 
der im 19.Jahrhundert extrem akzeleriert und im 20.Jahrhundert seinen
 
der im 19.Jahrhundert extrem akzeleriert und im 20.Jahrhundert seinen
 
Höhepunkt erreicht. Heute stellt Zucker einen unentbehrlichen
 
Höhepunkt erreicht. Heute stellt Zucker einen unentbehrlichen
 
Bestandteil der Ernährung in Europa (und anderswo) dar.
 
Bestandteil der Ernährung in Europa (und anderswo) dar.
 
 
  
 
====5.3.2.1.2 Bedeutung und Politische Ökonomie des Zuckers====
 
====5.3.2.1.2 Bedeutung und Politische Ökonomie des Zuckers====
 
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 +
[[File:theogrundlagen-258_1.jpg|frame|left|Zuckerwatte am Wiener Christkindlmarkt. Foto: Elke Mader]]
 
In Anbetracht der geringen Relevanz von Zucker bzw. Süßem für die
 
In Anbetracht der geringen Relevanz von Zucker bzw. Süßem für die
 
europäischen Ernährungsgewohnheiten bis zum 19. Jahrhundert, wo Zucker
 
europäischen Ernährungsgewohnheiten bis zum 19. Jahrhundert, wo Zucker
 
zu einem festen Bestandteil der Ernährung wurde, analysiert Mintz (1987)
 
zu einem festen Bestandteil der Ernährung wurde, analysiert Mintz (1987)
 
die verschiedenen Gründe für diese Veränderungen. Eine zentrale Frage
 
die verschiedenen Gründe für diese Veränderungen. Eine zentrale Frage
beschäftigt sich mit der ''Bedeutung des Zuckers''.
+
beschäftigt sich mit der '''Bedeutung des Zuckers'''.
 
 
*"Die »Bedeutung« läßt sich in diesem Fall nicht einfach »ablesen« oder
 
»entziffern«, sie erwächst vielmehr aus dem kulturellen Gebrauch, den
 
der Zucker von sich machen ließ, aus den Verwendungen, denen er
 
zugeführt wurde. Kurz, die Bedeutung ist eine Konsequenz einer
 
Aktivität. Das heißt nicht, Kultur sei nichts als eine Art von Verhalten
 
(oder lasse sich alleine darauf reduzieren). Aber nicht danach zu
 
fragen, wie die Bedeutung in das Verhalten hineingelangt, das Produkt
 
ohne Kenntnis seiner Produktion erfassen zu wollen, heißt die Geschichte
 
- wieder einmal - auszublenden, sie zu ignorieren. [...] Es gilt den
 
Prozess der Kodifizierung und nicht nur den Kode selbst zu
 
entschlüsseln.*" (Mintz 1987: 41)
 
 
 
''Mintz'' widmet sich demnach primär einer ''politischen Ökonomie der
 
Bedeutungen des Zuckers'', die eng mit der Untersuchung der
 
sozio-ökonomischen Dynamik von Produktion, Zirkulation und Konsum
 
verflochten ist.
 
 
 
[[File:theogrundlagen-258_1.jpg|frame|right|Zuckerwatte am Wiener Christkindlmarkt. Foto: Elke Mader]]
 
  
 +
<blockquote>Die »Bedeutung« läßt sich in diesem Fall nicht einfach »ablesen« oder »entziffern«, sie erwächst vielmehr aus dem kulturellen Gebrauch, den der Zucker von sich machen ließ, aus den Verwendungen, denen er zugeführt wurde. Kurz, die Bedeutung ist eine Konsequenz einer Aktivität. Das heißt nicht, Kultur sei nichts als eine Art von Verhalten (oder lasse sich alleine darauf reduzieren). Aber nicht danach zu fragen, wie die Bedeutung in das Verhalten hineingelangt, das Produkt ohne Kenntnis seiner Produktion erfassen zu wollen, heißt die Geschichte - wieder einmal - auszublenden, sie zu ignorieren. [...] Es gilt den Prozess der Kodifizierung und nicht nur den Kode selbst zu entschlüsseln. (Mintz 1987: 41)</blockquote> 
  
 +
'''Mintz''' widmet sich demnach primär einer '''politischen Ökonomie der Bedeutungen des Zuckers''', die eng mit der Untersuchung der sozio-ökonomischen Dynamik von Produktion, Zirkulation und Konsum verflochten ist.
  
 
====5.3.2.1.3 Zucker und Sklaverei====
 
====5.3.2.1.3 Zucker und Sklaverei====
 
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''Zuckerrohr'' wurde erstmals (ca. 8000 v. Chr.) in Neuguinea als
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[[File:theogrundlagen-259_1.gif|frame|right]]
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'''Zuckerrohr''' wurde erstmals (ca. 8000 v. Chr.) in Neuguinea als
 
Kulturpflanze angebaut und verbreitete sich von dort in mehreren Wellen
 
Kulturpflanze angebaut und verbreitete sich von dort in mehreren Wellen
 
durch Asien, nach Europa und schließlich nach Amerika. Die frühesten
 
durch Asien, nach Europa und schließlich nach Amerika. Die frühesten
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1987: 47-53).
 
1987: 47-53).
  
[[File:theogrundlagen-259_1.gif|frame|right]]
+
'''In seiner langen Geschichte war Zucker nie ein Grundnahrungsmittel'''
 
 
''In seiner langen Geschichte war Zucker nie ein Grundnahrungsmittel''
 
 
gewesen, in Europa stellte er bis ins 18.Jahrhundert einen Luxusartikel
 
gewesen, in Europa stellte er bis ins 18.Jahrhundert einen Luxusartikel
 
dar, nach dem jedoch zunehmende Nachfrage bestand. Die drastischen
 
dar, nach dem jedoch zunehmende Nachfrage bestand. Die drastischen
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einer bestimmten Produktionsweise des Zuckers, nämlich mit
 
einer bestimmten Produktionsweise des Zuckers, nämlich mit
 
Plantagenwirtschaft und Sklaverei. Es bildeten sich
 
Plantagenwirtschaft und Sklaverei. Es bildeten sich
''Handelsdreiecke[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|[1]]]'' heraus, die im 17. Jahrhundert entstanden und
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'''Handelsdreiecke[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|[1]]]''' heraus, die im 17. Jahrhundert entstanden und
 
im 18. Jahrhundert zur Blüte gelangten:
 
im 18. Jahrhundert zur Blüte gelangten:
  
*"Das erste und berühmtere Dreieck verband Britannien mit Afrika und
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<blockquote>Das erste und berühmtere Dreieck verband Britannien mit Afrika und der Neuen Welt: Fertigwaren wurden an Afrika verkauft, afrikanische Sklaven an beide Amerikas und amerikanische tropische Produkte (insbesondere Zucker) an das englische Mutterland und seine auf Importe angewiesenen Nachbarn. (Mintz 1987: 71)</blockquote> 
der Neuen Welt: Fertigwaren wurden an Afrika verkauft, afrikanische
 
Sklaven an beide Amerikas und amerikanische tropische Produkte
 
(insbesondere Zucker) an das englische Mutterland und seine auf Importe
 
angewiesenen Nachbarn.*" (Mintz 1987: 71)
 
  
*"Eine wichtige Besonderheit dieser beiden Dreiecke bestand darin, daß
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Eine wichtige Besonderheit dieser beiden Dreiecke bestand darin, daß menschliches Frachtgut in ihrem Funktionszusammenhang eine entscheidend wichtige Rolle spielte. Es war nicht nur so, daß Zucker, Rum und Melasse nicht direkt gegen europäische Fertigwaren ausgetauscht wurden; in beiden transatlantischen Dreiecken gab es eine »falsche Ware« - die aber für das System absolut unentbehrlich war - sie bestand in menschlichen Wesen, in Menschen. Sklaven waren deshalb eine »falsche Ware«, weil der Mensch kein Gegenstand ist, selbst wenn er als solcher behandelt wird. (Mintz 1987: 72)</blockquote>  '''Die Geschichte der Produktion von Zucker in der Neuzeit ist also aufs Engste mit dem Kolonialismus und insbesondere mit dem transatlantischen Sklavenhandel verflochten.''' Die Steigerung des Absatzes bzw. des Konsums von Zucker steht wiederum in Zusammenhang mit den Transformationen der Ökonomie und der Arbeitswelt in Europa.
menschliches Frachtgut in ihrem Funktionszusammenhang eine entscheidend
 
wichtige Rolle spielte. Es war nicht nur so, daß Zucker, Rum und Melasse
 
nicht direkt gegen europäische Fertigwaren ausgetauscht wurden; in
 
beiden transatlantischen Dreiecken gab es eine »falsche Ware« - die aber
 
für das System absolut unentbehrlich war - sie bestand in menschlichen
 
Wesen, in Menschen. Sklaven waren deshalb eine »falsche Ware«, weil der
 
Mensch kein Gegenstand ist, selbst wenn er als solcher behandelt
 
wird.*" (Mintz 1987: 72)
 
  
''Die Geschichte der Produktion von Zucker in der Neuzeit ist also aufs
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'''Verweise:'''
Engste mit dem Kolonialismus und insbesondere mit dem transatlantischen
 
Sklavenhandel verflochten.'' Die Steigerung des Absatzes bzw. des
 
Konsums von Zucker steht wiederum in Zusammenhang mit den
 
Transformationen der Ökonomie und der Arbeitswelt in Europa.
 
  
''Verweise:''
 
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|[1] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.3]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|[1] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.3]]<br/>
 
 
  
 
====5.3.2.1.4 Zucker, Konsum und Macht====
 
====5.3.2.1.4 Zucker, Konsum und Macht====
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*"Der Zucker durchdrang das soziale Verhalten und wurde, indem er neuen
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<blockquote>Der Zucker durchdrang das soziale Verhalten und wurde, indem er neuen Verwendungsarten zugeführt und mit neuen Bedeutungen versehen wurde, von einer Kuriosität und einem Luxusgut in einen alltäglichen, notwendigen Gebrauchsartikel transformiert. Das Verhältnis von Produktion und Konsumtion findet möglicherweise sogar eine Parallele in dem Verhältnis von Verwendung und Bedeutung." (Mintz 1987: 27)</blockquote> 
Verwendungsarten zugeführt und mit neuen Bedeutungen versehen wurde, von
 
einer Kuriosität und einem Luxusgut in einen alltäglichen, notwendigen
 
Gebrauchsartikel transformiert. Das Verhältnis von Produktion und
 
Konsumtion findet möglicherweise sogar eine Parallele in dem Verhältnis
 
von Verwendung und Bedeutung."* (Mintz 1987: 27)
 
  
''Mintz betrachtet die Veränderungen von Verwendung und Bedeutung von
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'''Mintz betrachtet die Veränderungen von Verwendung und Bedeutung von Zucker''' im Kontext der sozio-ökonomischen Veränderungen in Europa im 18. und 19. Jahrhundert. Durch die umfangreiche Produktion in den Zuckerkolonien mit Sklaverei wurde Zucker billiger und war reichlicher vorhanden, dementsprechend nahm sein Potential als Machtsymbol ab.
Zucker'' im Kontext der sozio-ökonomischen Veränderungen in Europa im
 
18. und 19. Jahrhundert. Durch die umfangreiche Produktion in den
 
Zuckerkolonien mit Sklaverei wurde Zucker billiger und war reichlicher
 
vorhanden, dementsprechend nahm sein Potential als Machtsymbol ab.
 
 
Zucker wandelte sich von einer prestigereichen Zierde am Tisch des Adels
 
Zucker wandelte sich von einer prestigereichen Zierde am Tisch des Adels
 
und der Oberschicht zum Kapital. Der symbolische Prestigeverlust von
 
und der Oberschicht zum Kapital. Der symbolische Prestigeverlust von
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Quelle von Profit.
 
Quelle von Profit.
  
*"Im 18. Jahrhundert wurde das Geschäft mit dem Zucker, ob es sich um
+
<blockquote>Im 18. Jahrhundert wurde das Geschäft mit dem Zucker, ob es sich um die Produktion, den Transport, das Raffinieren oder die Besteuerung handelte, insofern zu einer viel effektiveren Machtquelle für die Herrschenden, als die Geldsummen, um die es ging, nun sehr viel größer waren." (Mintz 1987: 125)</blockquote> 
die Produktion, den Transport, das Raffinieren oder die Besteuerung
 
handelte, insofern zu einer viel effektiveren Machtquelle für die
 
Herrschenden, als die Geldsummen, um die es ging, nun sehr viel größer
 
waren."* (Mintz 1987: 125)
 
  
Die gestiegene Verwendung von Zucker stand auch in Zusammenhang mit drei
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Die gestiegene Verwendung von Zucker stand auch in Zusammenhang mit drei anderen exotischen Importgütern - Tee, Kaffee und Kakao. Sie stammen ebenfalls aus den Tropen und ihre Produktion, Zirkulation und Konsumption ist wiederum aufs engste mit dem Kolonialismus verbunden (z.B. der '''Teehandel[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee|[1]]]''' mit der britischen Expansion in Asien).
anderen exotischen Importgütern - Tee, Kaffee und Kakao. Sie stammen
 
ebenfalls aus den Tropen und ihre Produktion, Zirkulation und
 
Konsumption ist wiederum aufs engste mit dem Kolonialismus verbunden
 
(z.B. der ''Teehandel[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee|[1]]]'' mit der britischen Expansion in Asien).
 
 
Alle drei stimulierenden Getränke sind bitter und ihre rapide
 
Alle drei stimulierenden Getränke sind bitter und ihre rapide
 
Verbreitung in Europa seit dem 18. Jahrhundert geht Hand in Hand mit der
 
Verbreitung in Europa seit dem 18. Jahrhundert geht Hand in Hand mit der
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geht diese Entwicklung weiter und Zucker nimmt (z.B. in Gestalt des
 
geht diese Entwicklung weiter und Zucker nimmt (z.B. in Gestalt des
 
"Power-Riegels") immer neue Formen und Bedeutungen an.
 
"Power-Riegels") immer neue Formen und Bedeutungen an.
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-260_1.jpg|thumb|none|Zucker in einem Wiener Supermarkt. Foto: Elke Mader]] </li>
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-260_2.jpg|thumb|none|Zucker in einem Wiener Supermarkt. Foto: Elke Mader]] </li>
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[[File:theogrundlagen-260_1.jpg|frame|left|Zucker in einem Wiener Supermarkt. Foto: Elke Mader]]
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'''Für die Entwicklung des Kapitalismus war der Zucker (ebenso wie Tee
[[File:theogrundlagen-260_2.jpg|frame|right|Zucker in einem Wiener Supermarkt. Foto: Elke Mader]]
+
und Kaffee) eine geradezu ideale Substanz:'''
  
''Für die Entwicklung des Kapitalismus war der Zucker (ebenso wie Tee
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<blockquote>Ein arbeitsreiches Leben sah mit seiner Hilfe weniger aufreibend aus; in der Erfrischungspause erleichterte er tatsächlich oder scheinbar den Übergang von Arbeit zur Erholung und umgekehrt; er sorgte schneller für Völle - oder Sattheitsgefühle als komplexe Kohlehydrate dies vermochten; er ließ sich leicht mit anderen Nahrungsmitteln verbinden, deren Bestandteil er bisweilen war ( wie z.B. bei Tee und Keksen, Kaffee und Brötchen, Kakao und Marmeladebrot). [...] Kein Wunder, daß die Reichen und Mächtigen ihn so liebten, und kein Wunder, daß auch die Armen ihn lieben lernten." (Mintz 1987: 220)</blockquote> 
und Kaffee) eine geradezu ideale Substanz:''
 
  
*"Ein arbeitsreiches Leben sah mit seiner Hilfe weniger aufreibend aus;
+
'''Verweise:'''
in der Erfrischungspause erleichterte er tatsächlich oder scheinbar den
+
Übergang von Arbeit zur Erholung und umgekehrt; er sorgte schneller für
 
Völle - oder Sattheitsgefühle als komplexe Kohlehydrate dies vermochten;
 
er ließ sich leicht mit anderen Nahrungsmitteln verbinden, deren
 
Bestandteil er bisweilen war ( wie z.B. bei Tee und Keksen, Kaffee und
 
Brötchen, Kakao und Marmeladebrot). [...] Kein Wunder, daß die
 
Reichen und Mächtigen ihn so liebten, und kein Wunder, daß auch die
 
Armen ihn lieben lernten."* (Mintz 1987: 220)
 
 
 
''Verweise:''
 
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee|[1] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.4.2]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee|[1] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.4.2]]<br/>
  
Line 6,815: Line 6,050:
 
==5.3.3 Sidney Mintz und Eric Wolf: Verflechtungen, Politische Ökonomie und Konstruktion von Bedeutung==
 
==5.3.3 Sidney Mintz und Eric Wolf: Verflechtungen, Politische Ökonomie und Konstruktion von Bedeutung==
  
''"'Die süße Macht'"*' (Mintz 1987) und ''"'Die Völker ohne
+
'''"'Die süße Macht'"' (Mintz 1987) und '''"'Die Völker ohne
Geschichte'"*' (Wolf 1991) gehören der selben Forschungsrichtung an und
+
Geschichte'"' (Wolf 1991) gehören der selben Forschungsrichtung an und
weisen viele gemeinsame Ansätze und Fragestellungen auf. ''Die
+
weisen viele gemeinsame Ansätze und Fragestellungen auf. '''Die
 
theoretische und thematische Ausrichtung beider Werke fokussiert auf
 
theoretische und thematische Ausrichtung beider Werke fokussiert auf
 
Verflechtungen zwischen Menschen bzw. Kulturen durch Flüsse von Ideen
 
Verflechtungen zwischen Menschen bzw. Kulturen durch Flüsse von Ideen
und Gütern.'' Die ökonomischen Grundlagen dieser Verflechtungen und ihre
+
und Gütern.''' Die ökonomischen Grundlagen dieser Verflechtungen und ihre
 
Auswirkungen auf verschiedene Facetten der Gesellschaft in verschiedenen
 
Auswirkungen auf verschiedene Facetten der Gesellschaft in verschiedenen
 
Weltgegenden stehen im Mittelpunkt der Betrachtung.
 
Weltgegenden stehen im Mittelpunkt der Betrachtung.
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der Konstruktion von Bedeutungen eines Produkts.
 
der Konstruktion von Bedeutungen eines Produkts.
  
''Beide Werke sind historisch orientiert und beschäftigen sich mit
+
'''Beide Werke sind historisch orientiert und beschäftigen sich mit
Aspekten der europäischen Expansion.'' So umfasst die "Kulturgeschichte
+
Aspekten der europäischen Expansion.''' So umfasst die "Kulturgeschichte
 
des Zuckers" den Zeitraum zwischen der Entstehung des Welthandels in
 
des Zuckers" den Zeitraum zwischen der Entstehung des Welthandels in
 
der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Beide
 
der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Beide
 
Werke gegen von folgenden Ansätzen aus:
 
Werke gegen von folgenden Ansätzen aus:
  
*  das Studium von Kultur und Geschichte ist aufs Engste mit dem
+
*  das Studium von Kultur und Geschichte ist aufs Engste mit dem Studium von ökonomischen und politischen Verhältnissen verbunden;
    Studium von ökonomischen und politischen Verhältnissen verbunden;
 
 
*  die Welt ist "als ganze, als Totalität, als System" zu betrachten;
 
*  die Welt ist "als ganze, als Totalität, als System" zu betrachten;
*  die verschiedenen Teile des Systems sind auf komplexe Weise
+
*  die verschiedenen Teile des Systems sind auf komplexe Weise miteinander verflochten;
    miteinander verflochten;
+
*  das Augenmerk gilt der Unbeständigkeit und Durchlässigkeit kultureller Gebilde;
*  das Augenmerk gilt der Unbeständigkeit und Durchlässigkeit
+
*  für die Analyse von komplexen gesellschaftlichen Gefügen ist die Untersuchung der '''Machtverhältnisse [[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Eric_Wolf#3.4 Komplexe Gesellschaft, Verflechtungen und Macht bei Eric Wolf|[1]]]''' sowie der historischen Prozesse von grundlegender Bedeutung (vgl. auch Wolf 1991).
    kultureller Gebilde;
 
*  für die Analyse von komplexen gesellschaftlichen Gefügen ist die
 
    Untersuchung der ''Machtverhältnisse [[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Eric_Wolf#3.4 Komplexe Gesellschaft, Verflechtungen und Macht bei Eric Wolf|[1]]]'' sowie der historischen
 
    Prozesse von grundlegender Bedeutung (vgl. auch Wolf 1991).
 
  
''Verweise:''
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'''Verweise:'''
[[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Eric_Wolf#3.4 Komplexe Gesellschaft, Verflechtungen und Macht bei Eric Wolf|[1] Siehe Kapitel 3.4 der Lernunterlage ''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung'']]<br/>
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[[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Eric_Wolf#3.4 Komplexe Gesellschaft, Verflechtungen und Macht bei Eric Wolf|[1] Siehe Kapitel 3.4 der Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung''']]<br/>
  
  
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[[File:theogrundlagen-262_1.jpg|frame|right|Phone Shop in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
 
[[File:theogrundlagen-262_1.jpg|frame|right|Phone Shop in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
  
Der ''Weltsystemansatz'' entstand in den 1970er Jahren und ist eng mit
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Der '''Weltsystemansatz''' entstand in den 1970er Jahren und ist eng mit
dem Namen ''Immanuel Wallerstein'' verbunden. Aufbauend auf der aus dem
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dem Namen '''Immanuel Wallerstein''' verbunden. Aufbauend auf der aus dem
Funktionalismus entstandenen, ''Systemtheorie'' wird dabei der weltweite
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Funktionalismus entstandenen, '''Systemtheorie''' wird dabei der weltweite
Kapitalismus als ''einheitliches System [[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.3 Weltsystemansatz|[1]]]'' betrachtet. Die
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Kapitalismus als '''einheitliches System [[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.3 Weltsystemansatz|[1]]]''' betrachtet. Die
 
Weltsystemtheorie wurden in der Folge in verschiedenen Fachdisziplinen
 
Weltsystemtheorie wurden in der Folge in verschiedenen Fachdisziplinen
 
und Forschungsfeldern rezipiert, kritisiert und weiterentwickelt, u.a.
 
und Forschungsfeldern rezipiert, kritisiert und weiterentwickelt, u.a.
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Entwicklungssoziologie und der historischen Forschung.
 
Entwicklungssoziologie und der historischen Forschung.
  
Die ''zentralen Thesen von Wallerstein'' betreffen
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Die '''zentralen Thesen von Wallerstein''' betreffen
  
 
*  die systematische Ganzheit des Weltsystems in der modernen Welt
 
*  die systematische Ganzheit des Weltsystems in der modernen Welt
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*  Macht und Wirkungspotential der einzelnen Zonen
 
*  Macht und Wirkungspotential der einzelnen Zonen
  
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[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.3 Weltsystemansatz|[1] Siehe Kapitel 2.4.4.3 der Lernunterlage ''Internationale Politische Ökonomie'']]<br/>
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===5.3.4.1 Die Welt als System===
 
===5.3.4.1 Die Welt als System===
 
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"Leaving aside the now defunct mini-systems, the only kind of social
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<blockquote>"Leaving aside the now defunct mini-systems, the only kind of social system is a world-system, which we define quite simply as a unit with a single division of labor and multiple cultural systems. it follows logically that there can, however, be two varieties of such world-systems, one with a common political system and one without. We shall designate these respectively as world-empires and world-economies." (Wallerstein 2004: 63)</blockquote>
system is a world-system, which we define quite simply as a unit with a
 
single division of labor and multiple cultural systems. It follows
 
logically that there can, however, be two varieties of such
 
world-systems, one with a common political system and one without. We
 
shall designate these respectively as world-empires and
 
world-economies."
 
(Wallerstein 2004: 63)
 
  
 
Ausgehend von der These des Funktionalismus, die Sozialwissenschaft
 
Ausgehend von der These des Funktionalismus, die Sozialwissenschaft
solle soziale Ganzheiten studieren, argumentiert ''Wallerstein'', dass
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solle soziale Ganzheiten studieren, argumentiert '''Wallerstein''', dass
 
in der modernen Welt nur noch eine soziale Einheit existiert: das
 
in der modernen Welt nur noch eine soziale Einheit existiert: das
Weltsystem. ''Das Weltsystem ist ökonomisch integriert, nicht aber
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Weltsystem. '''Das Weltsystem ist ökonomisch integriert, nicht aber
 
politisch, d.h. Staaten können politisch voneinander unabhängig sein,
 
politisch, d.h. Staaten können politisch voneinander unabhängig sein,
ökonomisch sind sie jedenfalls interdependent.''
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ökonomisch sind sie jedenfalls interdependent.'''
  
 
Der Weltsystemansatz steht in enger Verbindung mit der
 
Der Weltsystemansatz steht in enger Verbindung mit der
''Dependenztheorie[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.2 Dependenztheorie|[1]]]'', die eine ''Abhängigkeit (Dependenz) zwischen
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'''Dependenztheorie[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.2 Dependenztheorie|[1]]]''', die eine '''Abhängigkeit (Dependenz) zwischen
dominanten und ausgebeuteten Räumen'', seien dies Kontinente, Nationen
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dominanten und ausgebeuteten Räumen''', seien dies Kontinente, Nationen
 
oder Regionen und die damit verbundenen Machtverhältnisse ins Zentrum
 
oder Regionen und die damit verbundenen Machtverhältnisse ins Zentrum
 
ihrer Untersuchungen stellt.
 
ihrer Untersuchungen stellt.
  
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[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.2 Dependenztheorie|[1] Siehe Kapitel 2.4.4.2 der Lernunterlage ''Internationale Politische Ökonomie'']]<br/>
 
  
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===5.3.4.2 Zentrum und Peripherie===
 
===5.3.4.2 Zentrum und Peripherie===
 
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[[File:theogrundlagen-264_1.jpg|frame|right|Graffiti in Akra (Ghana). Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
 
[[File:theogrundlagen-264_1.jpg|frame|right|Graffiti in Akra (Ghana). Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
  
''Laut Immanuel Wallerstein ist das Weltsystem ökonomisch differenziert
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'''Laut Immanuel Wallerstein ist das Weltsystem ökonomisch differenziert
in''
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in'''
  
*  ''Zentren'' (cores) = USA und Westeuropa
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'''Zentren''' (cores) = USA und Westeuropa
*  ''Peripherie'' = 3. Welt
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'''Peripherie''' = 3. Welt
*  ''Semiperipherie'' = Pufferstaaten wie Mexiko, Südafrika,
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'''Semiperipherie''' = Pufferstaaten wie Mexiko, Südafrika, "Tiger-Staaten" etc.
    "Tiger-Staaten" etc.
 
  
 
Zwischen den verschiedenen Zonen besteht Ungleichheit, die als
 
Zwischen den verschiedenen Zonen besteht Ungleichheit, die als
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*  Aufrechterhaltung der Erfordernisse des Systems als Ganzes
 
*  Aufrechterhaltung der Erfordernisse des Systems als Ganzes
  
''Wallersteins Theorie wurde vor allem aufgrund ihres statischen Modells
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'''Wallersteins Theorie wurde vor allem aufgrund ihres statischen Modells
kritisiert:'' So werden nur die Zentren als aktiv und bestimmend für das
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kritisiert:''' So werden nur die Zentren als aktiv und bestimmend für das
 
Weltsystem erachtet, die Ökonomie im Zentrum gilt als Maßstab für die
 
Weltsystem erachtet, die Ökonomie im Zentrum gilt als Maßstab für die
 
ganze Welt. Die Peripherie wird ausschließlich als passiv - als Opfer
 
ganze Welt. Die Peripherie wird ausschließlich als passiv - als Opfer
 
bzw. Vollstrecker der Entwicklungen im Zentrum - betrachtet.
 
bzw. Vollstrecker der Entwicklungen im Zentrum - betrachtet.
  
Während ''Eric Wolf[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[1]]]&&'' und ''Sidney Mintz&&[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[2]]]'' die komplexen
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Während '''Eric Wolf[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[1]]]''''' und '''Sidney Mintz''[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[2]]]''' die komplexen
 
Vernetzungen von kulturellen, ökonomischen und politischen Prozessen im
 
Vernetzungen von kulturellen, ökonomischen und politischen Prozessen im
 
Weltsystem herausarbeiten (Mintz 1987, Wolf 1991), kann das Modell
 
Weltsystem herausarbeiten (Mintz 1987, Wolf 1991), kann das Modell
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110f).
 
110f).
  
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[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[2] Siehe Kapitel 5.3.2]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[2] Siehe Kapitel 5.3.2]]<br/>
 
 
  
 
==5.3.5 Ökonomische und kulturelle Verflechtungen: Weltsystem, Globalisierung und Diversität==
 
==5.3.5 Ökonomische und kulturelle Verflechtungen: Weltsystem, Globalisierung und Diversität==
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[[File:theogrundlagen-265_1.jpg|frame|right|Airport Vienna. Foto: Elke Mader]]
 
[[File:theogrundlagen-265_1.jpg|frame|right|Airport Vienna. Foto: Elke Mader]]
  
''Menschen, Kulturen und Ökonomien stehen und standen nie für sich
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'''Menschen, Kulturen und Ökonomien stehen und standen nie für sich
allein.'' Sie sind immer auch durch Kontakte und Verflechtungen
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allein.''' Sie sind immer auch durch Kontakte und Verflechtungen
 
gekennzeichnet, die zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen
 
gekennzeichnet, die zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen
Regionen mehr oder weniger intensiv verlaufen. ''Im Zeitalter der
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Regionen mehr oder weniger intensiv verlaufen. '''Im Zeitalter der
Globalisierung gewinnen solche Interaktionen besonders an Bedeutung'',
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Globalisierung gewinnen solche Interaktionen besonders an Bedeutung''',
 
sie erfolgen schneller, weiträumiger (globaler), intensiver und wirken
 
sie erfolgen schneller, weiträumiger (globaler), intensiver und wirken
 
sich auf mehr Menschen gleichzeitig aus als bisher. Hauser-Schäublin und
 
sich auf mehr Menschen gleichzeitig aus als bisher. Hauser-Schäublin und
 
Braukämper beschreiben diese Prozesse folgendermaßen:
 
Braukämper beschreiben diese Prozesse folgendermaßen:
  
*"Weltweite Verflechtungen, Verflechtungen verschiedenster Art und von
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<blockquote>Weltweite Verflechtungen, Verflechtungen verschiedenster Art und von verschiedenster Qualität, Verflechtungen die in unterschiedlichste Richtungen verlaufen, Verflechtungen mittels verschiedenster Medien, Verflechtungen von Menschen und ihren Handlungen, von Gütern, Ideen und Systemen, Verflechtungen, die mit unterschiedlichster Macht ausgestattet sind und Verflechtungen, die zur Erringung von Herrschaft und/oder Profit unterschiedlichster Gruppen dienen. (Hauser-Schäublin, Braukämper 2002: 10)</blockquote> 
verschiedenster Qualität, Verflechtungen die in unterschiedlichste
 
Richtungen verlaufen, Verflechtungen mittels verschiedenster Medien,
 
Verflechtungen von Menschen und ihren Handlungen, von Gütern, Ideen und
 
Systemen, Verflechtungen, die mit unterschiedlichster Macht ausgestattet
 
sind und Verflechtungen, die zur Erringung von Herrschaft und/oder
 
Profit unterschiedlichster Gruppen dienen.*" (Hauser-Schäublin,
 
Braukämper 2002: 10)
 
  
''Die Dynamik der Verflechtungen prägt viele ökonomische Prozesse und
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'''Die Dynamik der Verflechtungen prägt viele ökonomische Prozesse und ihre Untersuchung umfasst verschiedene Forschungsfelder''', wie z.B.:
ihre Untersuchung umfasst verschiedene Forschungsfelder'', wie z.B.:
 
  
*  Analysen des ''Weltsystems[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.3 Weltsystemansatz|[1]]]'' und seiner Interaktionen mit
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*  Analysen des '''Weltsystems[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.3 Weltsystemansatz|[1]]]''' und seiner Interaktionen mit lokalen ökonomischen und kulturellen Gefügen (u.a. '''Eric Wolf[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[2]]]''''', '''Sidney Mintz''[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[3]]]''''', '''Immanuel Wallerstein''[[Neomarxismus/USA#5.3.4 Immanuel Wallerstein: Weltsystemtheorie und Dependenz|[4]]]''')
    lokalen ökonomischen und kulturellen Gefügen (u.a. ''Eric
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*  Warenströme und das "soziale Leben der Dinge" (u.a. '''Sidney Mintz[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[5]]]''', Arjun Appadurai, Igor Kopytoff, '''Gerd Spittler [https://web.archive.org/web/20050507084508/http://www.uni-bayreuth.de/departments/ethnologie/spittler.html  &#91;6&#93;]''')
    Wolf[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[2]]]&&'', ''Sidney Mintz&&[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[3]]]&&'', ''Immanuel Wallerstein&&[[Neomarxismus/USA#5.3.4 Immanuel Wallerstein: Weltsystemtheorie und Dependenz|[4]]]'')
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'''Globalisierung [[Kultur_und_Globalisierung#7 Kultur und Globalisierung|[7]]]''' (u.a. '''Ulrich Beck[https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Beck  &#91;8&#93;]''', '''Arjun Appadurai [https://web.archive.org/web/20051028064735/http://www.appadurai.com/  &#91;9&#93;]''')
*  Warenströme und das "soziale Leben der Dinge" (u.a. ''Sidney Mintz[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[5]]]'', Arjun Appadurai, Igor Kopytoff, ''Gerd
 
    Spittler [https://web.archive.org/web/20050507084508/http://www.uni-bayreuth.de/departments/ethnologie/spittler.html  &#91;6&#93;]'')
 
*  ''Globalisierung [[Kultur_und_Globalisierung#7 Kultur und Globalisierung|[7]]]'' (u.a. ''Ulrich Beck[https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Beck  &#91;8&#93;]'', ''Arjun
 
    Appadurai [https://web.archive.org/web/20051028064735/http://www.appadurai.com/  &#91;9&#93;]'')
 
  
''Verweise:''
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'''Verweise:'''
[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.3 Weltsystemansatz|[1] Siehe Kapitel 2.4.4.3 der Lernunterlage ''Internationale Politische Ökonomie'']]<br/>[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[2] Siehe Kapitel 5.3.1]]<br/>
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[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.3 Weltsystemansatz|[1] Siehe Kapitel 2.4.4.3 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[2] Siehe Kapitel 5.3.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[3] Siehe Kapitel 5.3.2]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[3] Siehe Kapitel 5.3.2]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.4 Immanuel Wallerstein: Weltsystemtheorie und Dependenz|[4] Siehe Kapitel 5.3.4]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.4 Immanuel Wallerstein: Weltsystemtheorie und Dependenz|[4] Siehe Kapitel 5.3.4]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[5] Siehe Kapitel 5.3.2]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[5] Siehe Kapitel 5.3.2]]<br/>
 
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[https://web.archive.org/web/20050507084508/http://www.uni-bayreuth.de/departments/ethnologie/spittler.html  &#91;6&#93; https://web.archive.org/web/20050507084508/http://www.uni-bayreuth.de/departments/ethnologie/spittler.html]<br/>
[[Kultur_und_Globalisierung#7 Kultur und Globalisierung|[7] Siehe Kapitel 7 der Lernunterlage ''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung'']]<br/>
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[[Kultur_und_Globalisierung#7 Kultur und Globalisierung|[7] Siehe Kapitel 7 der Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung''']]<br/>
 
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=5.4 Bibliographie und weiterführende Literatur=
 
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<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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Copans, Jean 2005: "Claude Meillassoux (1925-2005)." *Cahiers d'études
 
Copans, Jean 2005: "Claude Meillassoux (1925-2005)." *Cahiers d'études
 
africanes*. Online:
 
africanes*. Online:
''https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html [https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html  &#91;1&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html [https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html  &#91;1&#93;]'''
 
(02.08.2005)
 
(02.08.2005)
  
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Paris: Mouton.
 
Paris: Mouton.
  
--- 1978: *"Die wilden Früchte der Frau". Über häusliche Produktion
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--- 1978: "Die wilden Früchte der Frau". Über häusliche Produktion
 
und kapitalistische Wirtschaft*. Frankfurt/Main: Suhrkamp (=1975:
 
und kapitalistische Wirtschaft*. Frankfurt/Main: Suhrkamp (=1975:
 
Femmes, greniers et capitaux).
 
Femmes, greniers et capitaux).
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Schlemmer, Bernhard 2004: "Hommage à Claude Meillassoux." Online:
 
Schlemmer, Bernhard 2004: "Hommage à Claude Meillassoux." Online:
''https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm [https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm  &#91;2&#93;]''
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'''https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm [https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm  &#91;2&#93;]'''
 
(02.08.2005).
 
(02.08.2005).
  
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Zinsou, Marie-Cécile 2005: 'Romuald Hazoumé'. Fondation Zinsou.
 
Zinsou, Marie-Cécile 2005: 'Romuald Hazoumé'. Fondation Zinsou.
  
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[https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm]<br/>
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'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>'''
 
'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>'''
 
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[[#5.4 Bibliographie und weiterführende Literatur]]<br/>
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[[#5.4 Bibliographie und weiterführende Literatur|&uarr; Nach oben]]<br/>-->

Latest revision as of 09:53, 13 October 2020

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Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie

Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader, Universität Wien

OEKU-Online: Finanziert durch den Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank (Projekt 10707, Jubiläumsfonds).

In verschiedenen Projekten, an denen das Institut für Kultur- und Sozialanthropologie beteiligt war, entstanden 2005 und 2006 hypermediale Lehr- und Lernunterlagen, die online genutzt werden können. 2019 und 2020 wurden diese von Marlies Madzar und Clemens Schmid in ein aktuelles Wikiformat überführt. Für Anregungen, Hinweise und Kommentare, schreiben Sie bitte ein Mail an eksa(at)univie.ac.at

  • Theogrundlagen 1.jpg
  • Theogrundlagen 2.jpg
  • Theogrundlagen 3.jpg

Die aktuellen Modelle und Ansätze der Ökonomischen Anthropologie speisen sich aus zwei Quellen:

  • den Wirtschaftswissenschaften und
  • der Sozial- und Kulturanthropologie

Kapitel dieser Lernunterlage

1 Vorläufer
2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus
3 Neoklassik oder Rational Choice
4 Institutionalismus und Substantivismus
5 Neomarxismus


Kapitelübersicht

Theogrundlagen 4.gif

1 Vorläufer

1.1 Merkantilismus
1.2 Physiokratie
1.3 Klassische ökonomische Theorie
1.3.1 Historischer Kontext
1.3.2 Adam Smith
1.3.2.1 Wert bei Adam Smith
1.3.2.2 Smith's moralische Ableitung des Marktprinzips
1.3.3 David Ricardo
1.3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur

2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus

2.1 Karl Marx
2.1.1 Historischer Kontext
2.1.2 Zum Gesamtwerk von Marx und Engels
2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx
2.1.2.1.1 Güter und Waren
2.1.2.1.2 Warenproduktion
2.1.2.1.3 Gebrauchswert und Tauschwert
2.1.2.1.4 Gebrauchswert und Tauschwert der Ware Arbeitskraft
2.1.2.1.5 Mehrwert und Kapital
2.1.2.1.6 Wert einer Ware bei Marx
2.1.2.1.7 Mehrwertproduktion im Kapitalismus
2.1.2.2 Arbeitsprozess und Produktionsprozess
2.1.2.3 Sozioökonomische Formationen: Begriffe
2.1.2.3.1 Produktivkräfte
2.1.2.3.2 Produktionsverhältnisse
2.1.2.3.3 Produktionsweisen
2.1.2.3.4 Sozioökonomische Formationen als historische Abfolge von Produktionsweisen
2.1.2.3.4.1 Kritik, Weiterentwicklung
2.2 Evolutionismus
2.2.1 Grundgedanken des unilinearen Evolutionismus
2.2.2 Lewis H. Morgans "Urgesellschaft"
2.2.3 Kritik am Evolutionismus
2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen
2.4 Bibliographie und weiterführende Literatur

3 Neoklassik oder Rational Choice

3.1 Raymond Firth
3.1.1 Allgemeine Gesetzmäßigkeiten und spezifische ökonomische Systeme bei Firth
3.2 Melville J. Herskovits
3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit
3.3.1 Der Angriff der Substantivisten
3.3.2 Die Reaktion der Formalisten
3.3.3 Kritik an den Formalisten
3.3.3.1 Kritik am homo oeconomicus aus nicht-formalistischer Perspektive
3.3.3.2 Revisionen der formalistischen Theorie: Ian Prattis und sein strategising man
3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur

4 Institutionalismus und Substantivismus

4.1 Vordenker
4.1.1 Émile Durkheim
4.1.1.1 Anti-Utilitarismus: Soziale und ökonomische Solidarität
4.1.1.2 Von der sozialen Teilung der Arbeit
4.1.1.3 Anti-Individualismus und Kollektive Repräsentationen
4.1.1.4 Wert, Gesellschaft, Symbol
4.1.1.5 Kontrollierte Bedürfnisse, kontrollierte Ökonomie
4.1.1.6 Typologischer Evolutionismus: Organische und mechanische Solidarität
4.1.2 Max Weber
4.1.2.1 Kultur und Wert
4.1.2.2 Wirtschaft, Werte, Religion: "Die protestantische Ethik und der "Geist" des Kapitalismus"
4.1.2.3 Form und "Geist" des Kapitalismus
4.1.2.4 Wirkungsweisen und geistige Ursachen des Kapitalismus
4.1.2.5 Askese und wirtschaftliches Handeln
4.1.2.6 Berufsidee und Gnadenwahllehre
4.1.2.7 Zeit ist Geld
4.1.2.8 Geistige und materielle Grundlagen des Kapitalismus
4.1.2.9 Ökonomie und Weltbild
4.1.3 Weber und Durkheim
4.1.3.1 Religiöse Weltbilder und die "Entzauberung der Welt"
4.1.4 Bibliographie und weiterführende Literatur
4.2 Frühe VertreterInnen
4.2.1 Richard Thurnwald
4.2.2 Tausch und Gabe: Frühe Beiträge zur ökonomischen Anthropologie
4.2.2.1 Bronislaw Malinowski
4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie
4.2.2.1.2 Kula
4.2.2.1.2.1 Kula-Objekte und Tauschbeziehungen
4.2.2.1.2.2 Andere Tausch-Objekte
4.2.2.1.2.3 Von Person zu Person, von Insel zu Insel
4.2.2.1.2.4 Ruhm, Macht und Reichtum
4.2.2.1.2.5 Ökonomie, Gesellschaft, Symbol
4.2.2.1.2.6 Kula, Reziprozität und "primitive" Ökonomie
4.2.2.2 Marcel Mauss
4.2.2.2.1 Die Gabe
4.2.2.2.1.1 Reziprozitäts- und Tauschprinzip
4.2.2.2.1.2 Ökonomie und Philosophie der Gabe
4.2.2.3 Mauss und Malinowski
4.2.3 Bibliographie und weiterführende Literatur
4.3 Substantivisten
4.3.1 Karl Polanyi
4.3.1.1 The Great Transformation
4.3.1.2 Wirtschaftstypen nach Polanyi
4.3.1.2.1 Prinzip der Reziprozität
4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution
4.3.1.2.3 Prinzip der Haushaltung
4.3.1.2.4 Marktprinzip
4.3.1.3 Polanyi und die Zerstörung der Gesellschaft durch den Markt
4.3.1.4 Grundlagen des selbst regulierenden Marktes: Arbeit, Boden und Geld
4.3.1.5 Formen des Handels nach Polanyi
4.3.2 George Dalton
4.3.3 Marshall Sahlins
4.3.3.1 Beispiel Tausch
4.3.3.1.1 Formen der Reziprozität nach Sahlins
4.3.3.1.2 Reziprozität und soziale Entfernung nach Sahlins
4.3.3.1.3 Kritik an Sahlins' Modell der abnehmenden generalisierten Reziprozität
4.3.3.2 Beispiel: The original affluent society
4.3.3.2.1 Mobilität und Besitz: die !Kung San
4.3.3.2.2 Sahlins Conclusion
4.3.3.2.3 Armut, Mangel und einfache Bedürfnisse
4.3.3.3 Beispiel: Domestic Mode of Production
4.3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur

5 Neomarxismus

5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich
5.2 Französische VertreterInnen
5.2.1 Claude Meillassoux
5.2.1.1 Verwandtschaft als Teil der Produktionsverhältnisse
5.2.1.2 Reproduktion und die Entstehung von Ungleichheit
5.2.1.3 Reproduktion und die fortgesetzte "ursprüngliche Akkumulation"
5.2.2 Maurice Godelier
5.2.2.1 Die Produktion der Großen Männer
5.2.2.1.1 Die Herrschaft der Männer über die Frauen bei den Baruya
5.2.2.1.2 Die Ursachen der Ungleichheit
5.2.2.1.3 Zur Beteiligung der Frauen an der Herrschaft der Männer
5.2.2.2 Marx, Durkheim und Lévi-Strauss bei Godelier
5.2.3 Emmanuel Terray
5.2.3.1 Terrays Operationalisierung des Produktionsweisenkonzeptes
5.3 VertreterInnen in den USA
5.3.1 Eric Wolf
5.3.1.1 "Die Völker ohne Geschichte" Kulturelle Verflechtungen und Politische Ökonomie
5.3.1.1.1 Produktionsweisen und Kulturen in Interaktion
5.3.1.1.2 Menschen und Ökonomien im weltweiten "Geflecht von Zusammenhängen"
5.3.1.1.2.1 Silberökonomie und Hacienda
5.3.1.1.2.2 Handelsplätze und Plantagen
5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt
5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff
5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerische Installation
5.3.1.1.2.4 Warenströme
5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika
5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee
5.3.1.1.2.4.3 Der Kautschukboom im Amazonasgebiet
5.3.1.1.2.4.4 Kautschukgewinnung bei den Mundurucú (Brasilien)
5.3.2 Sidney Mintz
5.3.2.1 Süße Macht: Sidney Mintz und die Geschichte des Zuckers
5.3.2.1.1 Die Süße und der Konsum von Zucker
5.3.2.1.2 Bedeutung und Politische Ökonomie des Zuckers
5.3.2.1.3 Zucker und Sklaverei
5.3.2.1.4 Zucker, Konsum und Macht
5.3.3 Sidney Mintz und Eric Wolf: Verflechtungen, Politische Ökonomie und Konstruktion von Bedeutung
5.3.4 Immanuel Wallerstein: Weltsystemtheorie und Dependenz
5.3.4.1 Die Welt als System
5.3.4.2 Zentrum und Peripherie
5.3.5 Ökonomische und kulturelle Verflechtungen: Weltsystem, Globalisierung und Diversität
5.4 Bibliographie und weiterführende Literatur


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