Difference between revisions of "Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie"

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In verschiedenen Projekten, an denen das Institut für Kultur- und Sozialanthropologie beteiligt war, entstanden 2005 und 2006 hypermediale Lehr- und Lernunterlagen, die online genutzt werden können. 2019 und 2020 wurden diese von Marlies Madzar und Clemens Schmid in ein aktuelles Wikiformat überführt. Für Anregungen, Hinweise und Kommentare, schreiben Sie bitte ein Mail an eksa(at)univie.ac.at  
 
In verschiedenen Projekten, an denen das Institut für Kultur- und Sozialanthropologie beteiligt war, entstanden 2005 und 2006 hypermediale Lehr- und Lernunterlagen, die online genutzt werden können. 2019 und 2020 wurden diese von Marlies Madzar und Clemens Schmid in ein aktuelles Wikiformat überführt. Für Anregungen, Hinweise und Kommentare, schreiben Sie bitte ein Mail an eksa(at)univie.ac.at  
  
 
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Die aktuellen Modelle und Ansätze der Ökonomischen Anthropologie speisen sich aus zwei Quellen:
 
Die aktuellen Modelle und Ansätze der Ökonomischen Anthropologie speisen sich aus zwei Quellen:
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*  der Sozial- und Kulturanthropologie
 
*  der Sozial- und Kulturanthropologie
  
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus|2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus]]<br/>
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[[Neoklassik#3 Neoklassik oder Rational Choice|3 Neoklassik oder Rational Choice]]<br/>
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==Kapitelübersicht==
 
==Kapitelübersicht==
 
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:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt]]<br/>
 
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::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika|5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika]]<br/>
 
::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika|5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika]]<br/>
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=1 Vorläufer=
 
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<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
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Die '''Wirtschaftslehre als Einzelwissenschaft''' entstand vor etwas mehr
 
Die '''Wirtschaftslehre als Einzelwissenschaft''' entstand vor etwas mehr
 
als 200 Jahren, mit Wirtschaft beschäftigte man sich aber schon viel
 
als 200 Jahren, mit Wirtschaft beschäftigte man sich aber schon viel
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gedacht, sondern als Komponente der gesellschaftlichen Basiseinheit, des
 
gedacht, sondern als Komponente der gesellschaftlichen Basiseinheit, des
 
Haushalts. Dies geht auf die griechische Antike zurück.
 
Haushalts. Dies geht auf die griechische Antike zurück.
 
[[File:theogrundlagen-25_1.jpg|frame|right|Quelle: '''http://www.geisteskind.de/Bilder/Aristoteles.jpg [http://www.geisteskind.de/Bilder/Aristoteles.jpg  &#91;1&#93;]''']]
 
  
 
'''Aristoteles (384 -- 322 v. Chr.):'''
 
'''Aristoteles (384 -- 322 v. Chr.):'''
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus|4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
 
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[[Neomarxismus#5 Neomarxismus|5 Neomarxismus]]<br/>
 
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'''[[Vorlaeufer/Merkantilismus#1.1 Merkantilismus| Nächstes Kapitel: 1.1 Merkantilismus]]<br/>'''
 
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[[Vorlaeufer#1 Vorläufer| Vorheriges Kapitel: 1 Vorläufer]]<br/>
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=1.1 Merkantilismus=
 
=1.1 Merkantilismus=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
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[[File:theogrundlagen-26_1.gif|frame|right|Weltkarte aus der Ptolemäus-Ausgabe vom Jahre 1548. Nach Konrad Kretschmer. Quelle: Krämer ca. 1900, Band IV: 47]]
 
Der Begriff Merkantilismus stammt von '''Adam Smith'''. Er bezeichnete
 
Der Begriff Merkantilismus stammt von '''Adam Smith'''. Er bezeichnete
 
damit eine wirtschaftpolitische Ideenrichtung, die von Fürsten und
 
damit eine wirtschaftpolitische Ideenrichtung, die von Fürsten und
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*  Kampf der europäischen Staaten untereinander um Kolonien; Staaten brauchen Geld für Streitkräfte
 
*  Kampf der europäischen Staaten untereinander um Kolonien; Staaten brauchen Geld für Streitkräfte
 
*  Zeit der Herausbildung der ersten Nationalstaaten Frankreich und England.
 
*  Zeit der Herausbildung der ersten Nationalstaaten Frankreich und England.
 
[[File:theogrundlagen-26_1.gif|frame|right|Weltkarte aus der Ptolemäus-Ausgabe vom Jahre 1548. Nach Konrad Kretschmer. Quelle: Krämer ca. 1900, Band IV: 47]]
 
  
 
'''Hauptlehren:'''
 
'''Hauptlehren:'''
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*  Bevorzugung inländischer Unternehmer
 
*  Bevorzugung inländischer Unternehmer
  
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Eine starke Abgrenzung der Staaten untereinander wird gefordert. Dies
 
Eine starke Abgrenzung der Staaten untereinander wird gefordert. Dies
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Dabei zeigt sich deutlich, dass eine Wirtschaftslehre mit dem Umfeld --
 
Dabei zeigt sich deutlich, dass eine Wirtschaftslehre mit dem Umfeld --
 
den ökonomischen und politischen Interessen -- verbunden ist.
 
den ökonomischen und politischen Interessen -- verbunden ist.
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[[Vorlaeufer/Merkantilismus#1.1 Merkantilismus| Vorheriges Kapitel: 1.1 Merkantilismus]]<br/>
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'''[[Vorlaeufer/Merkantilismus#1.1 Merkantilismus| Vorheriges Kapitel: 1.1 Merkantilismus]]'''<br/>
 
=1.2 Physiokratie=
 
=1.2 Physiokratie=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
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Das Wirtschaftsmodell der Physiokratie im 17. -- 18. Jahrhundert gilt
 
Das Wirtschaftsmodell der Physiokratie im 17. -- 18. Jahrhundert gilt
 
als erstes theoretisches System der Volkswirtschaftslehre. Es ist als
 
als erstes theoretisches System der Volkswirtschaftslehre. Es ist als
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Die Wirtschaft wurde als geordnetes System gesehen, das analog der Natur
 
Die Wirtschaft wurde als geordnetes System gesehen, das analog der Natur
 
aufgebaut ist und das der "Herrschaft der Natur" entspricht.
 
aufgebaut ist und das der "Herrschaft der Natur" entspricht.
 
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'''Intellektueller Hintergrund:'''
 
'''Intellektueller Hintergrund:'''
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[[Vorlaeufer/Physiokratie#1.2 Physiokratie| Vorheriges Kapitel: 1.2 Physiokratie]]<br/>
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'''[[Vorlaeufer/Physiokratie#1.2 Physiokratie| Vorheriges Kapitel: 1.2 Physiokratie]]'''<br/>
 
=1.3 Klassische ökonomische Theorie=
 
=1.3 Klassische ökonomische Theorie=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
 
[[File:theogrundlagen-28_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-28_1.gif|frame|right]]
 
 
Die "klassische" und ab 1870 die "neoklassische" ökonomische Theorie
 
Die "klassische" und ab 1870 die "neoklassische" ökonomische Theorie
 
prägen bis heute die Grundannahmen der Volkswirtschaftlehre
 
prägen bis heute die Grundannahmen der Volkswirtschaftlehre
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'''Zeit zwischen 1770 und 1830:'''
 
'''Zeit zwischen 1770 und 1830:'''
 
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Die Phase der 'enclosures', der Einfriedungen ist in England nach etwa
 
Die Phase der 'enclosures', der Einfriedungen ist in England nach etwa
 
drei Jahrhunderten Auseinandersetzung zwischen Lords/Grundherrn und
 
drei Jahrhunderten Auseinandersetzung zwischen Lords/Grundherrn und
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*  Beginn der Industrialisierung in England wird von Eric Wolf auf etwa 1780 datiert (erste maschinelle Spinnereien und Webereien mit Dampfantrieb).
 
*  Beginn der Industrialisierung in England wird von Eric Wolf auf etwa 1780 datiert (erste maschinelle Spinnereien und Webereien mit Dampfantrieb).
 
*  Agrarquote in Europa um 1800 durchschnittlich noch bei 80 %; beginnende Agrarrevolution: z.B. Josef II führt in Österreich die 4-Felderwirtschaft und den Kleeanbau ein: Vervielfachung des Bodenertrags.
 
*  Agrarquote in Europa um 1800 durchschnittlich noch bei 80 %; beginnende Agrarrevolution: z.B. Josef II führt in Österreich die 4-Felderwirtschaft und den Kleeanbau ein: Vervielfachung des Bodenertrags.
 
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*  Institut der Leibeigenschaft ist durchwegs in Kraft: In den meisten europäischen Ländern darf die Landbevölkerung die Grenzen ihrer Gemeinden nur mit Zustimmung der Grundherrschaft verlassen.
 
*  Institut der Leibeigenschaft ist durchwegs in Kraft: In den meisten europäischen Ländern darf die Landbevölkerung die Grenzen ihrer Gemeinden nur mit Zustimmung der Grundherrschaft verlassen.
 
*  Bevölkerungswachstum beginnt rapide zu steigen; die Kartoffel wird aus Amerika importiert und beginnt ihre Verwandlung von einer Schnittblume in Klostergärten zu einer effizienten Nahrungsquelle; 1780 existiert noch keine Arbeiterklasse im Sinne einer größeren Gruppe von Menschen, die ihre Arbeitskraft gegen einen Geldlohn verkauft; die Landarmut ist in manchen Gebieten extrem.
 
*  Bevölkerungswachstum beginnt rapide zu steigen; die Kartoffel wird aus Amerika importiert und beginnt ihre Verwandlung von einer Schnittblume in Klostergärten zu einer effizienten Nahrungsquelle; 1780 existiert noch keine Arbeiterklasse im Sinne einer größeren Gruppe von Menschen, die ihre Arbeitskraft gegen einen Geldlohn verkauft; die Landarmut ist in manchen Gebieten extrem.
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Die Industrialisierung wird daher auch als ungeheurer '''Prozess der
 
Die Industrialisierung wird daher auch als ungeheurer '''Prozess der
 
Beschleunigung''' beschrieben.
 
Beschleunigung''' beschrieben.
 
 
  
 
==1.3.2 Adam Smith==
 
==1.3.2 Adam Smith==
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20050303124515/http://www.econ.duke.edu/Economists/Gifs/Smith.gif  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050303124515/http://www.econ.duke.edu/Economists/Gifs/Smith.gif]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050303124515/http://www.econ.duke.edu/Economists/Gifs/Smith.gif  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050303124515/http://www.econ.duke.edu/Economists/Gifs/Smith.gif]<br/>
  
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===1.3.2.1 Wert bei Adam Smith===
 
===1.3.2.1 Wert bei Adam Smith===
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Smith präsentiert zwei Werttheorien, die er nicht zueinander in Bezug
 
Smith präsentiert zwei Werttheorien, die er nicht zueinander in Bezug
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genannten "Wasser-Diamanten-Paradoxon":
 
genannten "Wasser-Diamanten-Paradoxon":
  
<blockquote>"The word value, it is to be observed, has two different meanings, and
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<blockquote>"The word value, it is to be observed, has two different meanings, and sometimes expresses the utility of some particular object, and sometimes the power of purchasing other goods which the possession of that object conveys. The one may be called 'value in use'; the other 'value in exchange'". The things which have the greatest value in use have frequently little or no value in exchange; and, on the contrary, those which have the greatest value in exchange have frequently little or no value in use. Nothing is more useful than water: but it will purchase scarce anything; scarce anything can be had in exchange for it. A diamond , on the contrary, has scarce any value in use; but a very great quantity of other goods may frequently be had in exchange for it."(Smith 1776: 28)</blockquote>
sometimes expresses the utility of some particular object, and sometimes
 
the power of purchasing other goods which the possession of that object
 
conveys. The one may be called 'value in use'; the other 'value in
 
exchang'". The things which have the greatest value in use have
 
frequently little or no value in exchange; and, on the contrary, those
 
which have the greatest value in exchange have frequently little or no
 
value in use. Nothing is more useful than water: but it will purchase
 
scarce anything; scarce anything can be had in exchange for it. A
 
diamond , on the contrary, has scarce any value in use; but a very great
 
quantity of other goods may frequently be had in exchange for it."</blockquote>
 
(Smith 1776: 28)
 
  
 
In ökonomischen Standardlehrbüchern wird häufig darauf hingewiesen, dass
 
In ökonomischen Standardlehrbüchern wird häufig darauf hingewiesen, dass
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===1.3.2.2 Smith's moralische Ableitung des Marktprinzips===
 
===1.3.2.2 Smith's moralische Ableitung des Marktprinzips===
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'''Wirtschaftender Akteur: Homo oeconomicus'''
 
'''Wirtschaftender Akteur: Homo oeconomicus'''
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maximale Bedürfnisbefriedigung erreichen. Eigennutz ist die Triebfeder
 
maximale Bedürfnisbefriedigung erreichen. Eigennutz ist die Triebfeder
 
für den freien Wettbewerb.
 
für den freien Wettbewerb.
 
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[[File:theogrundlagen-32_1.jpg|frame|left|Obstverkauf in London. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-32_1.jpg|thumb|none|Obstverkauf in London. Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-32_2.jpg|frame|right|Obstverkauf in Kathmandu. Foto: Elke Mader]]
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Rationalitätsprinzip (Wirtschaftlichkeitsprinzip)
 
Rationalitätsprinzip (Wirtschaftlichkeitsprinzip)
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20050415185341/http://web.utk.edu/~hnguyen7/economics/ricardo_biography.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050415185341/http://web.utk.edu/~hnguyen7/economics/ricardo_biography.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050415185341/http://web.utk.edu/~hnguyen7/economics/ricardo_biography.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050415185341/http://web.utk.edu/~hnguyen7/economics/ricardo_biography.html]<br/>
  
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Wolf, Eric R. 1991 (1982): *Die Völker ohne Geschichte. Europa und die
 
Wolf, Eric R. 1991 (1982): *Die Völker ohne Geschichte. Europa und die
 
andere Welt seit 1400*. Frankfurt/New York: Campus Verlag.
 
andere Welt seit 1400*. Frankfurt/New York: Campus Verlag.
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'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>'''
 
'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>'''
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[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>  
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'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
 
=2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus=
 
=2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
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[[File:theogrundlagen-35_1.jpg|frame|right|Feldarbeit in den ecuadorianischen Anden. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-35_1.jpg|thumb|none|Feldarbeit in den ecuadorianischen Anden. Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-35_2.jpg|frame|right|Fischer am Inle-See in Burma. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-35_2.jpg|thumb|none|Fischer am Inle-See in Burma. Foto: Elke Mader]] </li>
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Eine Denktradition, die großen Einfluss auf die ökonomische
 
Eine Denktradition, die großen Einfluss auf die ökonomische
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus| Vorheriges Kapitel: 2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus]]<br/>
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'''[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus| Vorheriges Kapitel: 2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus]]'''<br/>
 
=2.1 Karl Marx=
 
=2.1 Karl Marx=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20050613192631/http://academic.brooklyn.cuny.edu/history/virtual/portrait/marx.jpg  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050613192631/http://academic.brooklyn.cuny.edu/history/virtual/portrait/marx.jpg]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050613192631/http://academic.brooklyn.cuny.edu/history/virtual/portrait/marx.jpg  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050613192631/http://academic.brooklyn.cuny.edu/history/virtual/portrait/marx.jpg]<br/>
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2] Siehe Kapitel 1.3.2]]<br/>
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2] Siehe Kapitel 1.3.2]]<br/>
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==2.1.1 Historischer Kontext==
 
==2.1.1 Historischer Kontext==
 
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[[File:theogrundlagen-37_1.gif|frame|right]]
 
Die sozialen und ökonomischen Verhältnisse haben sich seit der Zeit von
 
Die sozialen und ökonomischen Verhältnisse haben sich seit der Zeit von
 
Adam Smith und David Ricardo stark verändert:
 
Adam Smith und David Ricardo stark verändert:
  
 
*  Die Jahrhundertmitte war von der '''1848er Revolution''' und deren Nachwirkungen in fast allen Ländern Europas geprägt. Karl Marx und Friedrich Engels verfassten in diesem Kontext das '''Kommunistische Manifest''' (1848). Eine rasche und tief greifende '''Industrialisierung''' hatte weite Teile Europas erfasst und ging einher mit dem Untergang der Heimindustrie, Hungerrevolten und Maschinenstürmerei, wie dem Aufstand der schlesischen Weber 1844, der besonders blutig niedergeschlagen wurde.
 
*  Die Jahrhundertmitte war von der '''1848er Revolution''' und deren Nachwirkungen in fast allen Ländern Europas geprägt. Karl Marx und Friedrich Engels verfassten in diesem Kontext das '''Kommunistische Manifest''' (1848). Eine rasche und tief greifende '''Industrialisierung''' hatte weite Teile Europas erfasst und ging einher mit dem Untergang der Heimindustrie, Hungerrevolten und Maschinenstürmerei, wie dem Aufstand der schlesischen Weber 1844, der besonders blutig niedergeschlagen wurde.
 
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[[File:theogrundlagen-37_2.gif|frame|left]]  
[[File:theogrundlagen-37_1.gif|frame|right]]
 
 
 
 
*  Die '''Abschaffung der Leibeigenschaft''' setzte ungeheure Mengen an '''Arbeitskräften aus der Landwirtschaft''' frei, diese strömen aus den Hungergebieten der Heimindustrie in sich '''rasant entwickelnde Städte''' -- es handelte sich dabei um sehr ähnliche Prozesse, wie sie heute in vielen Teilen der so genannten "Dritten Welt" unter dem Titel Globalisierung stattfinden. Polanyi schreibt:  
 
*  Die '''Abschaffung der Leibeigenschaft''' setzte ungeheure Mengen an '''Arbeitskräften aus der Landwirtschaft''' frei, diese strömen aus den Hungergebieten der Heimindustrie in sich '''rasant entwickelnde Städte''' -- es handelte sich dabei um sehr ähnliche Prozesse, wie sie heute in vielen Teilen der so genannten "Dritten Welt" unter dem Titel Globalisierung stattfinden. Polanyi schreibt:  
<blockquote>"Schriftsteller aller Richtungen und Parteien, Konservative ebenso wie Liberale, Kapitalisten ebenso wie Sozialisten, bezeichneten immer wieder die sozialen Verhältnisse in der Zeit der Industriellen Revolution als eine wahre Hölle menschlicher Erniedrigung" (Polanyi 1978:67).</blockquote>
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<blockquote>"Schriftsteller aller Richtungen und Parteien, Konservative ebenso wie Liberale, Kapitalisten ebenso wie Sozialisten, bezeichneten immer wieder die sozialen Verhältnisse in der Zeit der Industriellen Revolution als eine wahre Hölle menschlicher Erniedrigung" (Polanyi 1978:67).</blockquote>
 
 
[[File:theogrundlagen-37_2.gif|frame|right]]
 
  
 
*  Kinderarbeit, Zusammenbruch der Familien, unvorstellbare Klassengegensätze, niedrige Lebenserwartung und katastrophale Wohnverhältnisse der unteren Schichten stellten die Schattenseite der Revolutionierung der Wirtschaft durch Textil- und Stahlindustrie, Eisenbahnbau, Beschleunigung des Transportwesen, etc dar.
 
*  Kinderarbeit, Zusammenbruch der Familien, unvorstellbare Klassengegensätze, niedrige Lebenserwartung und katastrophale Wohnverhältnisse der unteren Schichten stellten die Schattenseite der Revolutionierung der Wirtschaft durch Textil- und Stahlindustrie, Eisenbahnbau, Beschleunigung des Transportwesen, etc dar.
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die damalige Zeit - unglaublichen '''europaweiten Vernetzung'''.
 
die damalige Zeit - unglaublichen '''europaweiten Vernetzung'''.
  
 
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==2.1.2 Zum Gesamtwerk von Marx und Engels==
 
 
==2.1.2 Zum Gesamtwerk von Marx und Engels==
 
  
 
Das Gesamtwerk von Marx und Engels hat viele Aspekte. Es gründet sich
 
Das Gesamtwerk von Marx und Engels hat viele Aspekte. Es gründet sich
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===2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx===
 
===2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx===
 
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[[File:theogrundlagen-39_1.gif|frame|right|Bearbeitung von goldführendem Gestein im alten Ägypten. Quelle: Krämer ca. 1900, Bd. V: 112]]
 
[[File:theogrundlagen-39_1.gif|frame|right|Bearbeitung von goldführendem Gestein im alten Ägypten. Quelle: Krämer ca. 1900, Bd. V: 112]]
  
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====2.1.2.1.1 Güter und Waren====
 
====2.1.2.1.1 Güter und Waren====
 
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[[File:theogrundlagen-40_1.jpg|frame|left|Verkauf von Opfergaben bei einem hinduistischen Tempel. Foto: Elke Mader]]
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[[File:theogrundlagen-40_2.jpg|frame|center| Süßwaren im Supermarkt. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-40_1.jpg|thumb|none|Verkauf von Opfergaben bei einem hinduistischen Tempel. Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-40_3.jpg|frame|right|Obst und Zigarretten in Indonesien. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-40_2.jpg|thumb|none| Süßwaren im Supermarkt. Foto: Elke Mader]] </li>
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-40_3.jpg|thumb|none|Obst und Zigarretten in Indonesien. Foto: Elke Mader]] </li>
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Marx unterscheidet zwischen Gütern und Waren. Güter zeichnen sich
 
Marx unterscheidet zwischen Gütern und Waren. Güter zeichnen sich
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====2.1.2.1.2 Warenproduktion====
 
====2.1.2.1.2 Warenproduktion====
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'''Warenproduktion''': Der Kapitalist investiert Geld in die '''Herstellung
 
'''Warenproduktion''': Der Kapitalist investiert Geld in die '''Herstellung
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====2.1.2.1.3 Gebrauchswert und Tauschwert====
 
====2.1.2.1.3 Gebrauchswert und Tauschwert====
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Die '''Ausgangsbasis für die Werttheorie von Marx''' ist die
 
Die '''Ausgangsbasis für die Werttheorie von Marx''' ist die
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[[File:theogrundlagen-42_1.jpg|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-42_1.jpg|frame|right]]
 
 
Wobei für Marx das '''Komplizierte im Tauschwert''' und somit im
 
Wobei für Marx das '''Komplizierte im Tauschwert''' und somit im
 
Warencharakter besteht:
 
Warencharakter besteht:
  
<blockquote>"Eine Ware scheint auf den ersten Blick ein selbstverständliches,
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<blockquote>"Eine Ware scheint auf den ersten Blick ein selbstverständliches, triviales Ding. Ihre Analyse ergibt, daß sie ein sehr vertracktes Ding ist, voll metaphysischer Spitzfindigkeit und theologischer Mucken. Soweit sie Gebrauchswert, ist nichts Mysteriöses an ihr, ob ich sie nun unter dem Gesichtspunkt betrachte, daß sie durch ihre Eigenschaften menschliche Bedürfnisse befriedigt oder diese Eigenschaften erst als Produkt menschlicher Arbeit erhält. Es ist sinnenklar, daß der Mensch durch seine Tätigkeit die Formen der Naturstoffe in einer ihm nützlichen Weise verändert. Die Form des Holzes z.B. wird verändert, wenn man aus ihm einen Tisch macht. Nichtsdestoweniger bleibt der Tisch Holz, ein ordinäres sinnliches Ding. Aber sobald er als Ware auftritt, verwandelt er sich in ein sinnlich übersinnliches Ding. Er steht nicht nur mit seinen Füßen auf dem Boden, sondern er stellt sich allen andren Waren gegenüber auf den Kopf und entwickelt aus seinem Holzkopf Grillen, viel wunderlicher, als wenn er aus freien Stücken zu tanzen begänne." (Marx 1977: 85)</blockquote> Ein ganz wichtiger Moment, der den Tauschwert so kompliziert macht, ist die '''Arbeitskraft als Ware'''.
triviales Ding. Ihre Analyse ergibt, daß sie ein sehr vertracktes Ding
 
ist, voll metaphysischer Spitzfindigkeit und theologischer Mucken.
 
Soweit sie Gebrauchswert, ist nichts Mysteriöses an ihr, ob ich sie nun
 
unter dem Gesichtspunkt betrachte, daß sie durch ihre Eigenschaften
 
menschliche Bedürfnisse befriedigt oder diese Eigenschaften erst als
 
Produkt menschlicher Arbeit erhält. Es ist sinnenklar, daß der Mensch
 
durch seine Tätigkeit die Formen der Naturstoffe in einer ihm nützlichen
 
Weise verändert. Die Form des Holzes z.B. wird verändert, wenn man aus
 
ihm einen Tisch macht. Nichtsdestoweniger bleibt der Tisch Holz, ein
 
ordinäres sinnliches Ding. Aber sobald er als Ware auftritt, verwandelt
 
er sich in ein sinnlich übersinnliches Ding. Er steht nicht nur mit
 
seinen Füßen auf dem Boden, sondern er stellt sich allen andren Waren
 
gegenüber auf den Kopf und entwickelt aus seinem Holzkopf Grillen, viel
 
wunderlicher, als wenn er aus freien Stücken zu tanzen begänne." (Marx
 
1977: 85)</blockquote>
 
 
 
Ein ganz wichtiger Moment, der den Tauschwert so kompliziert macht, ist
 
die '''Arbeitskraft als Ware'''.
 
 
 
 
 
  
 
====2.1.2.1.4 Gebrauchswert und Tauschwert der Ware Arbeitskraft====
 
====2.1.2.1.4 Gebrauchswert und Tauschwert der Ware Arbeitskraft====
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Das Spezifische am Kapitalismus ist die Trennung von Arbeit und Kapital.
 
Das Spezifische am Kapitalismus ist die Trennung von Arbeit und Kapital.
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.1 Historischer Kontext|[1] Siehe Kapitel 1.3.1]]<br/>
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.1 Historischer Kontext|[1] Siehe Kapitel 1.3.1]]<br/>
  
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====2.1.2.1.5 Mehrwert und Kapital====
 
====2.1.2.1.5 Mehrwert und Kapital====
 
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[[File:theogrundlagen-44_1.jpg|frame|right|Werttheorie von Marx. Grafik: Getraud Seiser und Elke Mader]]
 
Der entscheidende Schluss bei Marx lautet nun: '''Die angekaufte Ware
 
Der entscheidende Schluss bei Marx lautet nun: '''Die angekaufte Ware
 
Arbeitskraft schafft für den Kapitalisten Werte''', diese Werte sind aber
 
Arbeitskraft schafft für den Kapitalisten Werte''', diese Werte sind aber
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Infolge dieses Prozesses wird '''Geld zu Kapital''':
 
Infolge dieses Prozesses wird '''Geld zu Kapital''':
  
<blockquote>" Indem der Kapitalist Geld in Waren verwandelt, die als Stoffbildner
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<blockquote>" Indem der Kapitalist Geld in Waren verwandelt, die als Stoffbildner eines neuen Produkts oder als Faktoren des Arbeitsprozesses dienen, indem er ihrer toten Gegenständlichkeit lebendige Arbeitskraft einverleibt, verwandelt er Wert, vergangne, vergegenständlichte, tote Arbeit in Kapital, sich selbst verwertenden Wert, ein beseeltes Ungeheuer, das zu ‚arbeiten' beginnt, als hätt' es Lieb' im Leibe." (Marx 1977: 209)</blockquote>
eines neuen Produkts oder als Faktoren des Arbeitsprozesses dienen,
 
indem er ihrer toten Gegenständlichkeit lebendige Arbeitskraft
 
einverleibt, verwandelt er Wert, vergangne, vergegenständlichte, tote
 
Arbeit in Kapital, sich selbst verwertenden Wert, ein beseeltes
 
Ungeheuer, das zu ‚arbeiten' beginnt, als hätt' es Lieb' im Leibe."
 
(Marx 1977: 209)</blockquote>
 
 
 
[[File:theogrundlagen-44_1.jpg|frame|right|Werttheorie von Marx. Grafik: Getraud Seiser und Elke Mader]]
 
 
 
 
 
  
 
====2.1.2.1.6 Wert einer Ware bei Marx====
 
====2.1.2.1.6 Wert einer Ware bei Marx====
 
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[[File:theogrundlagen-45_1.jpg|frame|right|Supermarkt in Wien. Foto: Elke Mader]]
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[[File:theogrundlagen-45_1.jpg|frame|left|Supermarkt in Wien. Foto: Elke Mader]]
  
 
Der Warenwert setzt sich aus drei Größen zusammen:
 
Der Warenwert setzt sich aus drei Größen zusammen:
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Der Tauschwert einer Ware bildet sich also in ihrer Produktion, über
 
Der Tauschwert einer Ware bildet sich also in ihrer Produktion, über
 
ihren realisierten Preis entscheidet die Zirkulation.
 
ihren realisierten Preis entscheidet die Zirkulation.
 
 
  
 
====2.1.2.1.7 Mehrwertproduktion im Kapitalismus====
 
====2.1.2.1.7 Mehrwertproduktion im Kapitalismus====
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Diese Theorie der Mehrwertproduktion setzt voraus, dass die Unternehmer
 
Diese Theorie der Mehrwertproduktion setzt voraus, dass die Unternehmer
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.2 Grundstruktur des Kapitalismus|[1] Siehe Kapitel 2.4.2 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 
[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.2 Grundstruktur des Kapitalismus|[1] Siehe Kapitel 2.4.2 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 
  
 
===2.1.2.2 Arbeitsprozess und Produktionsprozess===
 
===2.1.2.2 Arbeitsprozess und Produktionsprozess===
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<blockquote>"Der Arbeitsprozess, wie wir ihn in seinen einfachen und abstrakten
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<blockquote>"Der Arbeitsprozess, wie wir ihn in seinen einfachen und abstrakten Momenten dargestellt haben, ist zweckmäßige Tätigkeit zur Herstellung von Gebrauchswerten, Aneignung des Natürlichen für menschliche Bedürfnisse, allgemeine Bedingung des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens und daher unabhängig von jeder Form dieses Lebens, vielmehr allen seinen Gesellschaftsformen gleich gemeinsam." (Marx 1977: 198)</blockquote>
Momenten dargestellt haben, ist zweckmäßige Tätigkeit zur Herstellung
 
von Gebrauchswerten, Aneignung des Natürlichen für menschliche
 
Bedürfnisse, allgemeine Bedingung des Stoffwechsels zwischen Mensch und
 
Natur, ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens und daher unabhängig
 
von jeder Form dieses Lebens, vielmehr allen seinen Gesellschaftsformen
 
gleich gemeinsam." (Marx 1977: 198)</blockquote>
 
  
[[File:theogrundlagen-47_1.gif|frame|right]]
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[[File:theogrundlagen-47_1.gif|frame|right]]  
  
 
Gleichzeitig ist die '''Arbeit immer gesellschaftlich''', weil die
 
Gleichzeitig ist die '''Arbeit immer gesellschaftlich''', weil die
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dem Kopf''', darin unterscheidet sich der Mensch von anderen Lebewesen:
 
dem Kopf''', darin unterscheidet sich der Mensch von anderen Lebewesen:
  
<blockquote>"Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen
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<blockquote>"Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war." (Marx 1977: 193)</blockquote>  
ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen
 
des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer
 
Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den
 
schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er
 
die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende
 
des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn
 
desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell
 
vorhanden war." (Marx 1977: 193)</blockquote>
 
 
 
 
 
  
 
===2.1.2.3 Sozioökonomische Formationen: Begriffe===
 
===2.1.2.3 Sozioökonomische Formationen: Begriffe===
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Karl Marx fühlte sich einem '''Universalismus''' verpflichtet und sah
 
Karl Marx fühlte sich einem '''Universalismus''' verpflichtet und sah
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====2.1.2.3.1 Produktivkräfte====
 
====2.1.2.3.1 Produktivkräfte====
 
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[[File:theogrundlagen-49_1.gif|frame|right]]
 
'''Unter Produktivkräften versteht Marx die Gesamtheit der menschlichen
 
'''Unter Produktivkräften versteht Marx die Gesamtheit der menschlichen
 
und gegenständlichen Faktoren des Produktionsprozesses und die
 
und gegenständlichen Faktoren des Produktionsprozesses und die
 
Wechselwirkung der Faktoren.''' Die Produktivkräfte beziehen sich auf den
 
Wechselwirkung der Faktoren.''' Die Produktivkräfte beziehen sich auf den
 
Arbeitsprozess und die Form der Aneignung (Bearbeitung) der Natur.
 
Arbeitsprozess und die Form der Aneignung (Bearbeitung) der Natur.
 
[[File:theogrundlagen-49_1.gif|frame|right]]
 
  
 
Der Entwicklungsstand der Produktivkräfte ist bei Marx von
 
Der Entwicklungsstand der Produktivkräfte ist bei Marx von
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konkreten Arbeitsprozeß" (Hindess/Hirst 1981: 29).
 
konkreten Arbeitsprozeß" (Hindess/Hirst 1981: 29).
  
<blockquote>"Im Arbeitsprozeß bewirkt also die Tätigkeit des Menschen durch das
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<blockquote>"Im Arbeitsprozeß bewirkt also die Tätigkeit des Menschen durch das Arbeitsmittel eine von vornherein bezweckte Veränderung des Arbeitsgegenstandes. Der Prozeß erlischt im Produkt. Sein Produkt ist ein Gebrauchswert, ein durch Formveränderung menschlichen Bedürfnissen angeeigneter Naturstoff." (Marx 1977: 195)</blockquote>
Arbeitsmittel eine von vornherein bezweckte Veränderung des
 
Arbeitsgegenstandes. Der Prozeß erlischt im Produkt. Sein Produkt ist
 
ein Gebrauchswert, ein durch Formveränderung menschlichen Bedürfnissen
 
angeeigneter Naturstoff." (Marx 1977: 195)</blockquote>
 
 
 
 
 
  
 
====2.1.2.3.2 Produktionsverhältnisse====
 
====2.1.2.3.2 Produktionsverhältnisse====
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Die '''Gesamtheit der konkret-historischen gesellschaftlichen
 
Die '''Gesamtheit der konkret-historischen gesellschaftlichen
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Arbeitskraft beschränkt sind.
 
Arbeitskraft beschränkt sind.
  
<blockquote>"Das Kapital produziert als soziales Verhältnis eine Gesellschaft,
+
<blockquote>"Das Kapital produziert als soziales Verhältnis eine Gesellschaft, dessen Strukturen auf die Menschen zurückwirken, indem sie diese erziehen, unternehmerisch zu handeln, ständig zu kaufen und zu verkaufen -- und sei es nur die eignen Arbeitskraft. Diese produzierten Strukturen treten den Menschen somit als verdinglicht und unabänderlich gegenüber. Die Welt erscheint als mächtige Objektivität, der sich die Einzelnen zu beugen haben. Sie erschient als Ansammlung optimierender Individuen, für die die Anderen jeweils bloße Objekte von Austausch und Begierde sind." (Novy 2003: 2.4.2.1)</blockquote>
dessen Strukturen auf die Menschen zurückwirken, indem sie diese
 
erziehen, unternehmerisch zu handeln, ständig zu kaufen und zu verkaufen
 
-- und sei es nur die eignen Arbeitskraft. Diese produzierten Strukturen
 
treten den Menschen somit als verdinglicht und unabänderlich gegenüber.
 
Die Welt erscheint als mächtige Objektivität, der sich die Einzelnen zu
 
beugen haben. Sie erschient als Ansammlung optimierender Individuen, für
 
die die Anderen jeweils bloße Objekte von Austausch und Begierde
 
sind." (Novy 2003: 2.4.2.1)</blockquote>
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx|[1] Siehe Kapitel 2.1.2.1]]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx|[1] Siehe Kapitel 2.1.2.1]]<br/>
  
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====2.1.2.3.3 Produktionsweisen====
 
====2.1.2.3.3 Produktionsweisen====
 
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[[File:theogrundlagen-51_1.gif|frame|right]]
 
'''Produktionsverhältnisse und Produktivkräfte''' ergeben zusammen eine
 
'''Produktionsverhältnisse und Produktivkräfte''' ergeben zusammen eine
 
konkrete Produktionsweise. Damit ist ein spezifisches, historisch
 
konkrete Produktionsweise. Damit ist ein spezifisches, historisch
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Materialismus''':
 
Materialismus''':
  
<blockquote>"In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen
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<blockquote>"In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt." (Marx 1974(1859): 15)</blockquote> '''Die Produktionsweise ist die wirtschaftliche Basis, auf der sich ein sozialer, politischer und religiöser Überbau erhebt.'''
bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein,
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Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer
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materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser
 
Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der
 
Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und
 
politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche
 
Bewußseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen
 
Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß
 
überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein,
 
sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein
 
bestimmt." (Marx 1974(1859): 15)</blockquote>
 
 
 
'''Die Produktionsweise ist die wirtschaftliche Basis, auf der sich ein
 
sozialer, politischer und religiöser Überbau erhebt.'''
 
 
 
[[File:theogrundlagen-51_1.gif|frame|right]]
 
 
 
 
 
  
 
====2.1.2.3.4 Sozioökonomische Formationen als historische Abfolge von Produktionsweisen====
 
====2.1.2.3.4 Sozioökonomische Formationen als historische Abfolge von Produktionsweisen====
 
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[[File:theogrundlagen-52_1.gif|frame|right]]
 
Basis und Überbau zusammen ergeben auf einer abstrakten Ebene
 
Basis und Überbau zusammen ergeben auf einer abstrakten Ebene
 
'''sozioökonomische Formationen''', die Marx in eine '''evolutionistische
 
'''sozioökonomische Formationen''', die Marx in eine '''evolutionistische
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aber dann nach jenen Gesellschaftsformationen, die dem Kapitalismus
 
aber dann nach jenen Gesellschaftsformationen, die dem Kapitalismus
 
vorangehen (Wicker o.J.: 29):
 
vorangehen (Wicker o.J.: 29):
 
[[File:theogrundlagen-52_1.gif|frame|right]]
 
  
 
*  '''Urgemeinschaftliche GF:''' "Natürliches" Gemeinwesen, die Menschen verfügen über ihre Produktionsmittel, niemand schöpft eine Mehrarbeit oder ein Mehrprodukt ab. Die Auflösung dieser Gesellschaftsformation hat zu zwei verschiedenen Formen von Klassengesellschaften geführt, die asiatische und die antike GF.
 
*  '''Urgemeinschaftliche GF:''' "Natürliches" Gemeinwesen, die Menschen verfügen über ihre Produktionsmittel, niemand schöpft eine Mehrarbeit oder ein Mehrprodukt ab. Die Auflösung dieser Gesellschaftsformation hat zu zwei verschiedenen Formen von Klassengesellschaften geführt, die asiatische und die antike GF.
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*  '''Feudale GF:''' Ein ländlicher Feudaladel schöpft das Mehrprodukt über Naturalabgaben und Fronarbeit ab, während sich in den Städten eine urbane Schicht aus Handwerkern, Händlern und anderen Dienstleistern zu einem Städtebürgertum mit immer stärkeren Emanzipationsbestrebungen entwickelt. Dieses Städtebürgertum schafft die Voraussetzungen für die Entstehung des Kapitalismus.
 
*  '''Feudale GF:''' Ein ländlicher Feudaladel schöpft das Mehrprodukt über Naturalabgaben und Fronarbeit ab, während sich in den Städten eine urbane Schicht aus Handwerkern, Händlern und anderen Dienstleistern zu einem Städtebürgertum mit immer stärkeren Emanzipationsbestrebungen entwickelt. Dieses Städtebürgertum schafft die Voraussetzungen für die Entstehung des Kapitalismus.
 
*  '''Kapitalistische GF:''' Mit Mehrwertabschöpfung über die Lohnarbeit und der Entwicklung der Arbeitskraft zur Ware.
 
*  '''Kapitalistische GF:''' Mit Mehrwertabschöpfung über die Lohnarbeit und der Entwicklung der Arbeitskraft zur Ware.
 
 
  
 
====2.1.2.3.4.1 Kritik, Weiterentwicklung====
 
====2.1.2.3.4.1 Kritik, Weiterentwicklung====
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Marx wird häufig unterstellt, dass er die einzelnen sozioökonomischen
 
Marx wird häufig unterstellt, dass er die einzelnen sozioökonomischen
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Marx aus ihm einen unilinearen Evolutionisten gemacht hatte:
 
Marx aus ihm einen unilinearen Evolutionisten gemacht hatte:
  
<blockquote>"In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden die
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<blockquote>"In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden die Periodisierungsversuche von Marx in der Sowjetunion stalinisiert, d.h. in ein dogmatisches Schema gegossen und damit der wissenschaftlichen Diskussion entzogen" (Wicker o.J: 29).</blockquote>
Periodisierungsversuche von Marx in der Sowjetunion stalinisiert, d.h.
 
in ein dogmatisches Schema gegossen und damit der wissenschaftlichen
 
Diskussion entzogen" (Wicker o.J: 29).</blockquote>
 
  
Im '''Neomarxismus''' hat man sich von diesen schematischen
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Im '''Neomarxismus''' hat man sich von diesen schematischen evolutionistischen Darstellungen emanzipiert und die Gesellschaftsformationen und Produktionsweisen zu '''fruchtbaren Analysewerkzeugen für gesellschaftliche Wandlungsprozesse'''
evolutionistischen Darstellungen emanzipiert und die
 
Gesellschaftsformationen und Produktionsweisen zu '''fruchtbaren
 
Analysewerkzeugen für gesellschaftliche Wandlungsprozesse'''
 
 
uminterpretiert (vgl.: '''Eric Wolf[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[1]]]''''', '''Sidney Mintz''[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[2]]]''',
 
uminterpretiert (vgl.: '''Eric Wolf[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[1]]]''''', '''Sidney Mintz''[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[2]]]''',
 
'''Maurice Godelier[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.2 Maurice Godelier|[3]]]''').
 
'''Maurice Godelier[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.2 Maurice Godelier|[3]]]''').
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[1] Siehe Kapitel 5.3.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[1] Siehe Kapitel 5.3.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[2] Siehe Kapitel 5.3.2]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[2] Siehe Kapitel 5.3.2]]<br/>
Line 1,378: Line 1,296:
  
  
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1 Karl Marx| Vorheriges Kapitel: 2.1 Karl Marx]]<br/>
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'''[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1 Karl Marx| Vorheriges Kapitel: 2.1 Karl Marx]]'''<br/>
 
=2.2 Evolutionismus=
 
=2.2 Evolutionismus=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
 
[[File:theogrundlagen-54_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-54_1.gif|frame|right]]
  
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Subsistenzweise, Familienorganisation oder religiöse Vorstellungen.
 
Subsistenzweise, Familienorganisation oder religiöse Vorstellungen.
  
<blockquote>"But unilinear evolutionists, in general, believed that these
+
<blockquote>"But unilinear evolutionists, in general, believed that these phenomena are interrelated, and that therefore changes, say in means of subsistence, create evolutionary changes in kinship organization, religious belief and practice, and so on." (Barnard 2000: 29f)</blockquote>
phenomena are interrelated, and that therefore changes, say in means of
 
subsistence, create evolutionary changes in kinship organization,
 
religious belief and practice, and so on." (Barnard 2000: 29f)</blockquote>
 
 
 
'''Gemeinsamkeiten der Evolutionisten:'''
 
  
 +
'''Gemeinsamkeiten der Evolutionisten:'''
 
'''1.''' Vergleichende Methode, mit der bestimmte Kultur- und
 
'''1.''' Vergleichende Methode, mit der bestimmte Kultur- und
 
Sozialphänomene isoliert und klassifiziert werden;
 
Sozialphänomene isoliert und klassifiziert werden;
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==2.2.3 Kritik am Evolutionismus==
 
==2.2.3 Kritik am Evolutionismus==
 
+
[[File:theogrundlagen-57_2.gif|frame|left]]
 
[[File:theogrundlagen-57_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-57_1.gif|frame|right]]
  
Line 1,554: Line 1,467:
 
Entwicklung wird immer bewertet, im Sinne von einer Entwicklung vom
 
Entwicklung wird immer bewertet, im Sinne von einer Entwicklung vom
 
"primitiven" zum "höchststehenden".
 
"primitiven" zum "höchststehenden".
 
[[File:theogrundlagen-57_2.gif|frame|right]]
 
 
  
  
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Evolutionismus#2.2 Evolutionismus| Vorheriges Kapitel: 2.2 Evolutionismus]]<br/>
+
'''[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Evolutionismus#2.2 Evolutionismus| Vorheriges Kapitel: 2.2 Evolutionismus]]'''<br/>
 
=2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen=
 
=2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marxismus#2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen| Vorheriges Kapitel: 2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen]]<br/>
+
'''[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marxismus#2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen| Vorheriges Kapitel: 2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen]]'''<br/>
 
=2.4 Bibliographie und weiterführende Literatur=
 
=2.4 Bibliographie und weiterführende Literatur=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.2.1 Kapital|[1] Siehe Kapitel 2.4.2.1 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 
[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.2.1 Kapital|[1] Siehe Kapitel 2.4.2.1 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 
[https://boris.unibe.ch/101498/1/Leitfaden%20Wirtschaftsanthropologie.pdf  &#91;2&#93; https://boris.unibe.ch/101498/1/Leitfaden%20Wirtschaftsanthropologie.pdf]<br/>
 
[https://boris.unibe.ch/101498/1/Leitfaden%20Wirtschaftsanthropologie.pdf  &#91;2&#93; https://boris.unibe.ch/101498/1/Leitfaden%20Wirtschaftsanthropologie.pdf]<br/>
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[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>  
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'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>  
 
=3 Neoklassik oder Rational Choice=
 
=3 Neoklassik oder Rational Choice=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
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[[File:theogrundlagen-61_1.jpg|frame|left|Geschäft in Nepal. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-61_1.jpg|thumb|none|Geschäft in Nepal. Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-61_2.jpg|frame|center|Bauernhof in Nepal. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-61_2.jpg|thumb|none|Bauernhof in Nepal. Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-61_3.jpg|frame|right|"Art Service" in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
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Die '''neoklassische Wirtschaftstheorie''' geht davon aus, dass es nur
 
Die '''neoklassische Wirtschaftstheorie''' geht davon aus, dass es nur
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'''Verweise:'''
 
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[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.1 Methodologischer Individualismus|[1] Siehe Kapitel 2.2.5.1 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.1 Methodologischer Individualismus|[1] Siehe Kapitel 2.2.5.1 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.4 Grenzdenken|[2] Siehe Kapitel 2.2.5.4 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.4 Grenzdenken|[2] Siehe Kapitel 2.2.5.4 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus|4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus|4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
 
[[Neomarxismus#5 Neomarxismus|5 Neomarxismus]]<br/>
 
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'''[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth| Nächstes Kapitel: 3.1 Raymond Firth]]<br/>'''
 
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[[Neoklassik#3 Neoklassik oder Rational Choice| Vorheriges Kapitel: 3 Neoklassik oder Rational Choice]]<br/>
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=3.1 Raymond Firth=
 
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<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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'''Verweise:'''
 
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[https://web.archive.org/web/20050222090952im_/http://petersearle.com/sirraymondfirth.jpg  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050222090952im_/http://petersearle.com/sirraymondfirth.jpg]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050222090952im_/http://petersearle.com/sirraymondfirth.jpg  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050222090952im_/http://petersearle.com/sirraymondfirth.jpg]<br/>
[[Glossar_Mythen/Funktionalismu#13.4 Funktionalismus|[2] Siehe Kapitel 13.4 der Lernunterlage '''Mythen in Lateinamerika und Ethnologische Mythenforschung''']]
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[[Glossar_Mythen/Funktionalismu#13.4 Funktionalismus|[2] Siehe Kapitel 13.4 der Lernunterlage '''Mythen in Lateinamerika und Ethnologische Mythenforschung''']]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie|[3] Siehe Kapitel 4.2.2.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie|[3] Siehe Kapitel 4.2.2.1.1]]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20090306050830/http://www.aps-pub.com/proceedings/1481/480109.pdf  &#91;4&#93; https://web.archive.org/web/20090306050830/http://www.aps-pub.com/proceedings/1481/480109.pdf]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20090306050830/http://www.aps-pub.com/proceedings/1481/480109.pdf  &#91;4&#93; https://web.archive.org/web/20090306050830/http://www.aps-pub.com/proceedings/1481/480109.pdf]<br/>
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''Formal propositions''
 
''Formal propositions''
  
<blockquote>"On the basic principles of choice in the use of resources and
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<blockquote>"On the basic principles of choice in the use of resources and perceptions of relative worth in an exchange, there is a continuum of behaviour over the whole range of human economic systems." (Firth 1967a: 6)</blockquote>
perceptions of relative worth in an exchange, there is a continuum of
 
behaviour over the whole range of human economic systems." (Firth
 
1967a: 6)</blockquote>
 
  
Bei den ''formal propositions'' handelt es sich um generelle
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Bei den ''formal propositions'' handelt es sich um generelle Gesetzmäßigkeiten, die uneingeschränkt weltweit gelten. Hierzu zählt nach Firth insbesondere das Motivationsprinzip jedes Individuums, in einer Entscheidungssituation mit mehreren Optionen seinen Nutzen zu maximieren.
Gesetzmäßigkeiten, die uneingeschränkt weltweit gelten. Hierzu zählt
 
nach Firth insbesondere das Motivationsprinzip jedes Individuums, in
 
einer Entscheidungssituation mit mehreren Optionen seinen Nutzen zu
 
maximieren.
 
  
 
Im Fall des '''Kula-Tauschrings[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.2 Kula|[1]]]''' versuchen z.B. die Beteiligten,
 
Im Fall des '''Kula-Tauschrings[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.2 Kula|[1]]]''' versuchen z.B. die Beteiligten,
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''Substantial propositions''
 
''Substantial propositions''
  
<blockquote>"To an anthropologist the recognition that any specific economic
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<blockquote>"To an anthropologist the recognition that any specific economic system has a corresponding set of moral values is taken for granted." (Firth 1967a: 5)</blockquote>  
system has a corresponding set of moral values is taken for granted."
 
(Firth 1967a: 5)</blockquote>
 
  
 
Die ''substantial propositions'' sind kulturspezifische
 
Die ''substantial propositions'' sind kulturspezifische
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'''Verweise:'''
 
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.2 Kula|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.1.2]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.2 Kula|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.1.2]]<br/>
  
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[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth| Vorheriges Kapitel: 3.1 Raymond Firth]]<br/>
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'''[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth| Vorheriges Kapitel: 3.1 Raymond Firth]]'''<br/>
 
=3.2 Melville J. Herskovits=
 
=3.2 Melville J. Herskovits=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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entstammen:
 
entstammen:
  
<blockquote>It can also be taken as cross-culturally acceptable that, on the
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<blockquote>It can also be taken as cross-culturally acceptable that, on the whole, the individual tends to maximize his satisfactions in terms of the choices he makes. Where the gap between utility and disutility is appreciable, and the producer or consumer of a good or service is free to make his choice, then, other things being equal, he will make his choice in terms of utility rather than disutility." (Herskovits 1952: 18)</blockquote>  
whole, the individual tends to maximize his satisfactions in terms of
 
the choices he makes. Where the gap between utility and disutility is
 
appreciable, and the producer or consumer of a good or service is free
 
to make his choice, then, other things being equal, he will make his
 
choice in terms of utility rather than disutility." (Herskovits 1952:
 
18)</blockquote>
 
  
 
Halperin (1994: 20) klassifiziert Herskovits Werk als "hard-core,
 
Halperin (1994: 20) klassifiziert Herskovits Werk als "hard-core,
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'''Verweise:'''
 
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[http://www.library.northwestern.edu/africana/herskovits.html  &#91;1&#93; http://www.library.northwestern.edu/africana/herskovits.html]<br/>
 
[http://www.library.northwestern.edu/africana/herskovits.html  &#91;1&#93; http://www.library.northwestern.edu/africana/herskovits.html]<br/>
  
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[[Neoklassik/Herskovits#3.2 Melville J. Herskovits| Vorheriges Kapitel: 3.2 Melville J. Herskovits]]<br/>
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'''[[Neoklassik/Herskovits#3.2 Melville J. Herskovits| Vorheriges Kapitel: 3.2 Melville J. Herskovits]]'''<br/>
 
=3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit=
 
=3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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===3.3.3.1 Kritik am homo oeconomicus aus nicht-formalistischer Perspektive===
 
===3.3.3.1 Kritik am homo oeconomicus aus nicht-formalistischer Perspektive===
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Bis heute ist der ''homo oeconomicus'' der Formalisten Gegenstand von
 
Bis heute ist der ''homo oeconomicus'' der Formalisten Gegenstand von
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heute noch genau so kritisiert wie in den 1960er Jahren:
 
heute noch genau so kritisiert wie in den 1960er Jahren:
  
<blockquote>If you are sufficiently determined, you can always identify something
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<blockquote>If you are sufficiently determined, you can always identify something that people try to maximize. But if all maximizing models are really arguing is that 'people will always seek to maximize something,' then they obviously can't predict anything, which means employing them can hardly be said to make anthropology more scientific. All they really add to analysis is a set of assumptions about human nature. The assumption, most of all, that no one ever does anything primarily out of concern for others; that whatever one does, one is only trying to get something out of it for oneself. In common English, there is a word for this attitude. It's called 'cynicism.' Most of us try to avoid people who take it too much to heart. In economics, apparently, they call it 'science'." (Graeber 2001: 8) </blockquote>
that people try to maximize. But if all maximizing models are really
 
arguing is that 'people will always seek to maximize something,' then
 
they obviously can't predict anything, which means employing them can
 
hardly be said to make anthropology more scientific. All they really add
 
to analysis is a set of assumptions about human nature. The assumption,
 
most of all, that no one ever does anything primarily out of concern for
 
others; that whatever one does, one is only trying to get something out
 
of it for oneself. In common English, there is a word for this attitude.
 
It's called 'cynicism.' Most of us try to avoid people who take it too
 
much to heart. In economics, apparently, they call it 'science'."
 
(Graeber 2001: 8)
 
 
 
  
  
 
===3.3.3.2 Revisionen der formalistischen Theorie: Ian Prattis und sein strategising man===
 
===3.3.3.2 Revisionen der formalistischen Theorie: Ian Prattis und sein strategising man===
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Einen Versuch, diesem Dilemma zu entkommen und trotzdem im
 
Einen Versuch, diesem Dilemma zu entkommen und trotzdem im
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.3.3 Optimierung|[1] Siehe Kapitel 2.2.5.3.3 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2.5.3.3 Optimierung|[1] Siehe Kapitel 2.2.5.3.3 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
  
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[[Neoklassik/Der_Grosse_Streit#3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit| Vorheriges Kapitel: 3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit]]<br/>
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'''[[Neoklassik/Der_Grosse_Streit#3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit| Vorheriges Kapitel: 3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit]]'''<br/>
 
=3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur=
 
=3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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'''Verweise:'''
 
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[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2 Neoklassik|[1] Siehe Kapitel 2.2 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 
[[Oekonomische Theorien/Neoklassik#2.2 Neoklassik|[1] Siehe Kapitel 2.2 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
  
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[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>  
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'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>  
 
=4 Institutionalismus und Substantivismus=
 
=4 Institutionalismus und Substantivismus=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
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[[File:theogrundlagen-74_1.jpg|frame|right|Rinderopfer bei Hochzeitsfest der Toraja (Indonesien). Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-74_1.jpg|thumb|none|Rinderopfer bei Hochzeitsfest der Toraja (Indonesien). Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-74_2.jpg|frame|right|Festessen in einem Dorf der Shuar (Ecuador). Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-74_2.jpg|thumb|none|Festessen in einem Dorf der Shuar (Ecuador). Foto: Elke Mader]] </li>
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Unter '''Institutionalismus''' oder spezifischer '''Substantivismus''' wird
 
Unter '''Institutionalismus''' oder spezifischer '''Substantivismus''' wird
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[[Neoklassik#3 Neoklassik oder Rational Choice|3 Neoklassik oder Rational Choice]]<br/>
 
[[Neoklassik#3 Neoklassik oder Rational Choice|3 Neoklassik oder Rational Choice]]<br/>
 
[[Neomarxismus#5 Neomarxismus|5 Neomarxismus]]<br/>
 
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'''[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1 Vordenker| Nächstes Kapitel: 4.1 Vordenker]]<br/>'''
 
'''[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1 Vordenker| Nächstes Kapitel: 4.1 Vordenker]]<br/>'''
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus| Vorheriges Kapitel: 4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
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'''[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus| Vorheriges Kapitel: 4 Institutionalismus und Substantivismus]]'''<br/>
 
=4.1 Vordenker=
 
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<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
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[[File:theogrundlagen-75_1.jpg|frame|right]]
 
Wesentliche Grundlagen des Institutionalismus bzw. des Substantivismus
 
Wesentliche Grundlagen des Institutionalismus bzw. des Substantivismus
 
in der Ökonomischen Anthropologie wurden von '''Begründern der Soziologie
 
in der Ökonomischen Anthropologie wurden von '''Begründern der Soziologie
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Weltbilds bzw. der Religion und seiner Bedeutung für soziales und
 
Weltbilds bzw. der Religion und seiner Bedeutung für soziales und
 
ökonomisches Handeln.
 
ökonomisches Handeln.
 
[[File:theogrundlagen-75_1.jpg|frame|right]]
 
  
 
==Inhalt==
 
==Inhalt==
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'''Verweise:'''
 
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[https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20080224184023/http://durkheim.itgo.com/main.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051219045913/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/Biography.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20051219045913/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/Biography.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051219045913/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/Biography.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20051219045913/http://www.relst.uiuc.edu/durkheim/Biography.html]<br/>
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===4.1.1.1 Anti-Utilitarismus: Soziale und ökonomische Solidarität===
 
===4.1.1.1 Anti-Utilitarismus: Soziale und ökonomische Solidarität===
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[[File:theogrundlagen-77_1.jpg|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-77_1.jpg|frame|right]]
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die Gesellschaft durch ein System von Werten und Gefühlen:
 
die Gesellschaft durch ein System von Werten und Gefühlen:
  
<blockquote>Wenn sich eine Gruppe zu einem gemeinsamen Ziel zusammenschließt,
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<blockquote>Wenn sich eine Gruppe zu einem gemeinsamen Ziel zusammenschließt, wenn ihre Mitglieder ein Gefühl der Gemeinsamkeit verspüren, so stellen sie ihre eigenen persönlichen Interessen zurück, um der gemeinsamen Sache zu dienen." (Durkheim 1899 in Wilk 1996: 78, Übersetzung: Gertraud Seiser).</blockquote>
wenn ihre Mitglieder ein Gefühl der Gemeinsamkeit verspüren, so stellen
 
sie ihre eigenen persönlichen Interessen zurück, um der gemeinsamen
 
Sache zu dienen." (Durkheim 1899 in Wilk 1996: 78, Übersetzung:
 
Gertraud Seiser).</blockquote>
 
  
Auf diese Weise entsteht '''Solidarität''': Solidarität im Bereich der
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Auf diese Weise entsteht '''Solidarität''': Solidarität im Bereich der Wirtschaft ist ein Produkt des sozialen Lebens. Daraus ergeben sich folgende Thesen:
Wirtschaft ist ein Produkt des sozialen Lebens. Daraus ergeben sich
 
folgende Thesen:
 
  
 
*  Wirtschaft und Gesellschaft sind eng miteinander verflochten.
 
*  Wirtschaft und Gesellschaft sind eng miteinander verflochten.
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===4.1.1.2 Von der sozialen Teilung der Arbeit===
 
===4.1.1.2 Von der sozialen Teilung der Arbeit===
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[[File:theogrundlagen-78_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-78_1.gif|frame|right]]
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===4.1.1.3 Anti-Individualismus und Kollektive Repräsentationen===
 
===4.1.1.3 Anti-Individualismus und Kollektive Repräsentationen===
 
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[[File:theogrundlagen-79_1.jpg|frame|right|Palmsonntag in Ecuador. Foto: Elke Mader]]
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<div><ul>
[[File:theogrundlagen-79_2.jpg|frame|right|Osterfest der Tarahumara. Foto: Evelyne Puchegger-Ebner]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-79_1.jpg|thumb|none|Palmsonntag in Ecuador. Foto: Elke Mader]] </li>
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-79_2.jpg|thumb|none|Osterfest der Tarahumara. Foto: Evelyne Puchegger-Ebner]] </li>
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</ul></div>
  
 
Das Entscheidende für die Herausbildung der industriellen Arbeitswelt
 
Das Entscheidende für die Herausbildung der industriellen Arbeitswelt
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===4.1.1.4 Wert, Gesellschaft, Symbol===
 
===4.1.1.4 Wert, Gesellschaft, Symbol===
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[[File:theogrundlagen-85_1.jpg|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-85_1.jpg|frame|right]]
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===4.1.1.5 Kontrollierte Bedürfnisse, kontrollierte Ökonomie===
 
===4.1.1.5 Kontrollierte Bedürfnisse, kontrollierte Ökonomie===
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Die gesellschaftliche Konstruktion von Wert macht die Menschen
 
Die gesellschaftliche Konstruktion von Wert macht die Menschen
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===4.1.1.6 Typologischer Evolutionismus: Organische und mechanische Solidarität===
 
===4.1.1.6 Typologischer Evolutionismus: Organische und mechanische Solidarität===
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[[File:theogrundlagen-87_1.jpg|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-87_1.jpg|frame|right]]
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'''Verweise:'''
 
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Evolutionismus#2.2 Evolutionismus|[1] Siehe Kapitel 2.2]]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Evolutionismus#2.2 Evolutionismus|[1] Siehe Kapitel 2.2]]<br/>
  
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'''Verweise:'''
 
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[https://web.archive.org/web/20050922063640/http://www.uni-heidelberg.de/presse/news04/2412weber.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050922063640/http://www.uni-heidelberg.de/presse/news04/2412weber.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050922063640/http://www.uni-heidelberg.de/presse/news04/2412weber.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050922063640/http://www.uni-heidelberg.de/presse/news04/2412weber.html]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
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===4.1.2.1 Kultur und Wert===
 
===4.1.2.1 Kultur und Wert===
 
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[[File:theogrundlagen-91_1.jpg|frame|right]]
 
Weber geht davon aus, dass '''Ideen und Werte in spezifischen
 
Weber geht davon aus, dass '''Ideen und Werte in spezifischen
 
historischen Kontexten''' entstehen und das Handeln der Menschen
 
historischen Kontexten''' entstehen und das Handeln der Menschen
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'''Auswirkungen des hinduistischen Kastensystems auf die (lokale)
 
'''Auswirkungen des hinduistischen Kastensystems auf die (lokale)
 
Ökonomie'''.
 
Ökonomie'''.
 
[[File:theogrundlagen-91_1.jpg|frame|right]]
 
  
 
Eine seiner Thesen in diesem Zusammenhang lautet, dass das Kastensystem
 
Eine seiner Thesen in diesem Zusammenhang lautet, dass das Kastensystem
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europäischer Geistesströmungen und ihrer Implikationen für ökonomisches
 
europäischer Geistesströmungen und ihrer Implikationen für ökonomisches
 
Handeln dar.
 
Handeln dar.
 
 
  
 
===4.1.2.2 Wirtschaft, Werte, Religion: "Die protestantische Ethik und der "Geist" des Kapitalismus"===
 
===4.1.2.2 Wirtschaft, Werte, Religion: "Die protestantische Ethik und der "Geist" des Kapitalismus"===
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Die ''Protestantische Ethik und der "Geist" des Kapitalismus''
 
Die ''Protestantische Ethik und der "Geist" des Kapitalismus''
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===4.1.2.3 Form und "Geist" des Kapitalismus===
 
===4.1.2.3 Form und "Geist" des Kapitalismus===
 
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[[File:theogrundlagen-93_1.jpg|frame|right|Puritaner in den USA (historische Performance). Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html [https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html  &#91;1&#93;]''']]
 
Max Weber trifft eine vorläufige Unterscheidung zwischen:
 
Max Weber trifft eine vorläufige Unterscheidung zwischen:
  
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*  '''"Geist" des Kapitalismus''', der "[...] den Charakter einer ethisch gefärbten Maxime der Lebensführung [...]" (Weber 1988: 33) annimmt. Dieser "Geist" stellt sozusagen die qualitative Dimension des modernen Kapitalismus dar, bietet ihm den Nährboden zu seiner Ausbreitung, wie auch der "Geist" im Kapitalismus seine entsprechende Daseinsmöglichkeit findet. Der reine Selbstzweck des Gelderwerbs steht hier im Vordergrund, denn Erwerb von Geld erfolgt in diesem Zusammenhang unter strikter Vermeidung von jedweden Genuss. Im erfolgreichen Gelderwerb zeigt sich lediglich die "'Nützlichkeit' der Tugend" (Weber 1988: 35) als eine Folge der '''protestantischen Berufsethik'''.
 
*  '''"Geist" des Kapitalismus''', der "[...] den Charakter einer ethisch gefärbten Maxime der Lebensführung [...]" (Weber 1988: 33) annimmt. Dieser "Geist" stellt sozusagen die qualitative Dimension des modernen Kapitalismus dar, bietet ihm den Nährboden zu seiner Ausbreitung, wie auch der "Geist" im Kapitalismus seine entsprechende Daseinsmöglichkeit findet. Der reine Selbstzweck des Gelderwerbs steht hier im Vordergrund, denn Erwerb von Geld erfolgt in diesem Zusammenhang unter strikter Vermeidung von jedweden Genuss. Im erfolgreichen Gelderwerb zeigt sich lediglich die "'Nützlichkeit' der Tugend" (Weber 1988: 35) als eine Folge der '''protestantischen Berufsethik'''.
  
[[File:theogrundlagen-93_1.jpg|frame|right|Puritaner in den USA (historische Performance). Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html [https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html  &#91;1&#93;]''']]
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050831215601/http://www.seuss.org/pics/valhgroups.html]<br/>
 
 
  
 
===4.1.2.4 Wirkungsweisen und geistige Ursachen des Kapitalismus===
 
===4.1.2.4 Wirkungsweisen und geistige Ursachen des Kapitalismus===
 
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[[File:theogrundlagen-94_1.jpg|frame|right|Siedlung der Puritaner in Northampton, Massachusetts, USA.Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html [https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html  &#91;1&#93;]''']]
 
Weber versteht unter "Geist" des Kapitalismus '''nicht das vom
 
Weber versteht unter "Geist" des Kapitalismus '''nicht das vom
 
Kapitalismus "Bewirkte"''', sondern erachtet diesen als eine,
 
Kapitalismus "Bewirkte"''', sondern erachtet diesen als eine,
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verschiedene Aspekte der '''Ethik des Protestantismus'''.
 
verschiedene Aspekte der '''Ethik des Protestantismus'''.
  
[[File:theogrundlagen-94_1.jpg|frame|right|Siedlung der Puritaner in Northampton, Massachusetts, USA.Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html [https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html  &#91;1&#93;]''']]
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'''Verweise:'''
  
'''Verweise:'''
 
 
[https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051106060310/http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/apocalypse/explanation/puritans.html]<br/>
 
 
  
 
===4.1.2.5 Askese und wirtschaftliches Handeln===
 
===4.1.2.5 Askese und wirtschaftliches Handeln===
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Zentral am "Geist" des Kapitalismus ist der für die
 
Zentral am "Geist" des Kapitalismus ist der für die
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===4.1.2.6 Berufsidee und Gnadenwahllehre===
 
===4.1.2.6 Berufsidee und Gnadenwahllehre===
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[[File:theogrundlagen-96_1.jpg|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-96_1.jpg|frame|right]]
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*  '''Die Pflicht, sich für erwählt zu halten und'''
 
*  '''Die Pflicht, sich für erwählt zu halten und'''
  
```{=html}
 
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```
 
 
*  '''ruhelose Berufsarbeit, um sich der Gewissheit des Gnadenstandes zu versichern'''.
 
*  '''ruhelose Berufsarbeit, um sich der Gewissheit des Gnadenstandes zu versichern'''.
  
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20051119155737/http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0039/ch07.htm  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051119155737/http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0039/ch07.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051119155737/http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0039/ch07.htm  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051119155737/http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0039/ch07.htm]<br/>
  
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===4.1.2.7 Zeit ist Geld===
 
===4.1.2.7 Zeit ist Geld===
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[[File:theogrundlagen-97_1.jpg|frame|right|Quelle: '''www.three18.com/ p_faq.html[www.three18.com/ p_faq.html [1]]]''']]
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[[File:theogrundlagen-97_1.jpg|frame|right|Quelle: '''www.three18.com/ p_faq.html[www.three18.com/ p_faq.html &#91;1&#93;]''']]
  
 
Bei den Vertretern des Puritanismus findet man eine aus der
 
Bei den Vertretern des Puritanismus findet man eine aus der
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[www.three18.com/ p_faq.html  &#91;1&#93; www.three18.com/ p_faq.html]<br/>
 
[www.three18.com/ p_faq.html  &#91;1&#93; www.three18.com/ p_faq.html]<br/>
  
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===4.1.2.8 Geistige und materielle Grundlagen des Kapitalismus===
 
===4.1.2.8 Geistige und materielle Grundlagen des Kapitalismus===
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Die protestantische Ethik greift einerseits mit voller Wucht den
 
Die protestantische Ethik greift einerseits mit voller Wucht den
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===4.1.2.9 Ökonomie und Weltbild===
 
===4.1.2.9 Ökonomie und Weltbild===
 
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[[File:theogrundlagen-99_1.jpg|frame|left|Rituelle Waren: Christbaumschmuck. Foto:
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<div><ul>
Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-99_1.jpg|thumb|none|Rituelle Waren: Christbaumschmuck. Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-99_2.jpg|frame|center|Rituelle Waren: Gebetsfahnen. Foto:
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-99_2.jpg|thumb|none|Rituelle Waren: Gebetsfahnen. Foto: Elke Mader]] </li>
Elke Mader]]
+
<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-99_3.jpg|thumb|none|Rituelle Waren: Santa Claus. Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-99_3.jpg|frame|right|Rituelle Waren: Santa Claus. Foto:
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</ul></div>
Elke Mader]]
 
  
 
Wenngleich viele Aspekte der Arbeiten von Max Weber immer wieder
 
Wenngleich viele Aspekte der Arbeiten von Max Weber immer wieder
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==4.1.3 Weber und Durkheim==
 
==4.1.3 Weber und Durkheim==
 
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[[File:theogrundlagen-100_1.jpg|frame|right]]
 
Weber und Durkheim dürften einander persönlich nicht gekannt, aber
 
Weber und Durkheim dürften einander persönlich nicht gekannt, aber
 
registriert haben. Beide werfen (Durkheim vom Standpunkt der Soziologie
 
registriert haben. Beide werfen (Durkheim vom Standpunkt der Soziologie
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In Bezug auf Fragen der ökonomischen Anthropologie verfügen die beiden
 
In Bezug auf Fragen der ökonomischen Anthropologie verfügen die beiden
 
Wissenschafter über folgende Gemeinsamkeiten:
 
Wissenschafter über folgende Gemeinsamkeiten:
 
[[File:theogrundlagen-100_1.jpg|frame|right]]
 
 
  
  
 
===4.1.3.1 Religiöse Weltbilder und die "Entzauberung der Welt"===
 
===4.1.3.1 Religiöse Weltbilder und die "Entzauberung der Welt"===
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'''Durkheim''' wurde im Elsaß als Sohn einer jüdischen, streng religiösen
 
'''Durkheim''' wurde im Elsaß als Sohn einer jüdischen, streng religiösen
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hervorgebracht. Weber bezeichnet diesen europäischen Sonderweg als die
 
hervorgebracht. Weber bezeichnet diesen europäischen Sonderweg als die
 
'''"Entzauberung der Welt"'''.
 
'''"Entzauberung der Welt"'''.
 
 
  
 
==4.1.4 Bibliographie und weiterführende Literatur==
 
==4.1.4 Bibliographie und weiterführende Literatur==
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1 Vordenker| Vorheriges Kapitel: 4.1 Vordenker]]<br/>
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'''[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1 Vordenker| Vorheriges Kapitel: 4.1 Vordenker]]'''<br/>
 
=4.2 Frühe VertreterInnen=
 
=4.2 Frühe VertreterInnen=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Neoklassik/Der_Grosse_Streit#3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit|[1] Siehe Kapitel 3.3]]<br/>
 
[[Neoklassik/Der_Grosse_Streit#3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit|[1] Siehe Kapitel 3.3]]<br/>
  
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So schreibt Marcel Mauss in seiner berühmten Gabe:
 
So schreibt Marcel Mauss in seiner berühmten Gabe:
  
<blockquote>Das Buch von Malinowski, wie das von Thurnwald, zeugt von der
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<blockquote>Das Buch von Malinowski, wie das von Thurnwald, zeugt von der meisterhaften Beobachtung eines wirklichen Soziologen. Es sind im übrigen die Beobachtungen von Thurnwald über das mamoko (...), die uns auf die Spur eines Teils dieser Fakten gebracht haben." (Mauss 1990: 65, FN 60)</blockquote>  
meisterhaften Beobachtung eines wirklichen Soziologen. Es sind im
 
übrigen die Beobachtungen von Thurnwald über das mamoko (...), die uns
 
auf die Spur eines Teils dieser Fakten gebracht haben." (Mauss 1990:
 
65, FN 60)</blockquote>
 
  
 
Thurnwald lehnte sowohl den Evolutionismus als auch die Kulturkreislehre
 
Thurnwald lehnte sowohl den Evolutionismus als auch die Kulturkreislehre
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==4.2.2 Tausch und Gabe: Frühe Beiträge zur ökonomischen Anthropologie==
 
==4.2.2 Tausch und Gabe: Frühe Beiträge zur ökonomischen Anthropologie==
 
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[[File:theogrundlagen-106_1.jpg|frame|right]]
 
Die VertreterInnen der '''ökonomischen Anthropologie''' gehen prinzipiell
 
Die VertreterInnen der '''ökonomischen Anthropologie''' gehen prinzipiell
 
von einer '''starken Vernetzung von Gesellschaft bzw. Kultur und
 
von einer '''starken Vernetzung von Gesellschaft bzw. Kultur und
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*  '''Bronislaw Malinowski''' liefert eine genaue '''ethnographische Beschreibung''' der Institution ''Kula'' in all ihren Dimensionen und analysiert sie im Rahmen des Funktionalismus. Seine Erkenntnisse basieren auf langjährigen Feldforschungen auf den Trobriand Inseln.
 
*  '''Bronislaw Malinowski''' liefert eine genaue '''ethnographische Beschreibung''' der Institution ''Kula'' in all ihren Dimensionen und analysiert sie im Rahmen des Funktionalismus. Seine Erkenntnisse basieren auf langjährigen Feldforschungen auf den Trobriand Inseln.
 
*  '''Marcel Mauss''' erstellt '''vergleichende Analysen und theoretische Überlegungen zum Konzept des Tausches''' bzw. der Gabe, wobei er (aufbauend auf der Arbeit von Malinowski) Kula zu anderen Formen von Austausch in verschiedenen Regionen und historischen Epochen (z.B. Potlatch in Nordwestamerika, Geschenksaustausch in Polynesien, Neuseeland und auf den Andamanen sowie im alten römischen und germanischen Recht) in Beziehung setzt.
 
*  '''Marcel Mauss''' erstellt '''vergleichende Analysen und theoretische Überlegungen zum Konzept des Tausches''' bzw. der Gabe, wobei er (aufbauend auf der Arbeit von Malinowski) Kula zu anderen Formen von Austausch in verschiedenen Regionen und historischen Epochen (z.B. Potlatch in Nordwestamerika, Geschenksaustausch in Polynesien, Neuseeland und auf den Andamanen sowie im alten römischen und germanischen Recht) in Beziehung setzt.
 
[[File:theogrundlagen-106_1.jpg|frame|right]]
 
  
  
  
 
===4.2.2.1 Bronislaw Malinowski===
 
===4.2.2.1 Bronislaw Malinowski===
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[[File:theogrundlagen-107_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm [https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm  &#91;1&#93;]''']]
 
[[File:theogrundlagen-107_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm [https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm  &#91;1&#93;]''']]
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051113133547/http://perso.wanadoo.fr/geza.roheim/html/malinow.htm]<br/>
 
[http://en.wikipedia.org/wiki/Alfred_Reginald_Radcliffe-Brown  &#91;2&#93; http://en.wikipedia.org/wiki/Alfred_Reginald_Radcliffe-Brown]<br/>
 
[http://en.wikipedia.org/wiki/Alfred_Reginald_Radcliffe-Brown  &#91;2&#93; http://en.wikipedia.org/wiki/Alfred_Reginald_Radcliffe-Brown]<br/>
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====4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie====
 
====4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie====
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[[File:theogrundlagen-108_1.jpg|frame|right|Anhäufen von Yams, Foto: Bronislaw Malinowski. Quelle: Young 1997, Abb. 5.]]
 
[[File:theogrundlagen-108_1.jpg|frame|right|Anhäufen von Yams, Foto: Bronislaw Malinowski. Quelle: Young 1997, Abb. 5.]]
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth|[2] Siehe Kapitel 3.1]]<br/>
 
[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth|[2] Siehe Kapitel 3.1]]<br/>
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====4.2.2.1.2 Kula====
 
====4.2.2.1.2 Kula====
 
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[[File:theogrundlagen-110_1.gif|frame|right|Der Kula-Ring. Quelle: Malinowski (1984), Karte V: 82.]]
 
'''Kula ist ein Tauschsystem''' und erstreckt sich auf 14 Inselgruppen vor
 
'''Kula ist ein Tauschsystem''' und erstreckt sich auf 14 Inselgruppen vor
 
'''Ost-Papua Neuguinea''' (Trobriand). Es stellt keineswegs die einzige
 
'''Ost-Papua Neuguinea''' (Trobriand). Es stellt keineswegs die einzige
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mwali (weiße Armbänder aus Kegelschnecken). In diesem Sinne spricht man
 
mwali (weiße Armbänder aus Kegelschnecken). In diesem Sinne spricht man
 
auch vom "Kula Ring".
 
auch vom "Kula Ring".
 
[[File:theogrundlagen-110_1.gif|frame|right|Der Kula-Ring. Quelle: Malinowski (1984), Karte V: 82.]]
 
  
 
Der Tausch der Kula-Objekte ist in ein '''komplexes Gefüge von sozialen
 
Der Tausch der Kula-Objekte ist in ein '''komplexes Gefüge von sozialen
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zwischen Personen und Gruppen werden geschlossen oder in Frage gestellt.
 
zwischen Personen und Gruppen werden geschlossen oder in Frage gestellt.
  
<blockquote>Every movement of the Kula articles, every detail of the transactions
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<blockquote>Every movement of the Kula articles, every detail of the transactions is fixed and regulated by a set of traditional rules and conventions, and some acts of the Kula are accompanied by an elaborate magical ritual and public ceremonies." (Malinowski 1922: 81)</blockquote>
is fixed and regulated by a set of traditional rules and conventions,
 
and some acts of the Kula are accompanied by an elaborate magical ritual
 
and public ceremonies." (Malinowski 1922: 81)</blockquote>
 
  
 
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====4.2.2.1.2.1 Kula-Objekte und Tauschbeziehungen====
 
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====4.2.2.1.2.1 Kula-Objekte und Tauschbeziehungen====
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-111_1.jpg|thumb|none|Kula-Tauschobjekte. Quelle: Leach & Leach 1983.]] </li>
[[File:theogrundlagen-111_1.jpg|frame|left|Kula-Tauschobjekte. Quelle: Leach & Leach 1983.]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-111_2.jpg|thumb|none|Kula-Tauschobjekte. Quelle: Leach & Leach 1983.]] </li>
[[File:theogrundlagen-111_2.jpg|frame|right|Kula-Tauschobjekte. Quelle: Leach & Leach 1983.]]
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</ul></div>
  
 
Im Rahmen des Kula werden soulawa (rote Hufmuschel - Halsketten) und
 
Im Rahmen des Kula werden soulawa (rote Hufmuschel - Halsketten) und
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'''Tauschpartnerschaften'''.
 
'''Tauschpartnerschaften'''.
  
<blockquote> ... thus no man keeps any of the articles for any length of time in
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<blockquote> ... thus no man keeps any of the articles for any length of time in his possession. One transaction does not finish the Kula relationship, the rule being 'once in the Kula, always in the Kula'", and a partnership between two men is a permanent and lifelong affair." (Malinowski 1922: 81)</blockquote>
his possession. One transaction does not finish the Kula relationship,
 
the rule being 'once in the Kula, always in the Kula'", and a
 
partnership between two men is a permanent and lifelong affair."
 
(Malinowski 1922: 81)</blockquote>
 
  
 
Wenn eine Person z.B. 'soulawa' - Ketten erhält, so muss sie eine
 
Wenn eine Person z.B. 'soulawa' - Ketten erhält, so muss sie eine
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====4.2.2.1.2.2 Andere Tausch-Objekte====
 
====4.2.2.1.2.2 Andere Tausch-Objekte====
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<blockquote>Side by side with the Kula, the subsidiary trade goes on, the
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<blockquote>Side by side with the Kula, the subsidiary trade goes on, the visitors acquiring a great number of articles of minor value, but of great utility, some of them unprocurable in Kiriwina, as, for instance, rattan, fibre, belts, cassowary feathers, certain kinds of spear wood, obsidian, red ochre and many other articles." (Malinowski 1922: 105).</blockquote>
visitors acquiring a great number of articles of minor value, but of
 
great utility, some of them unprocurable in Kiriwina, as, for instance,
 
rattan, fibre, belts, cassowary feathers, certain kinds of spear wood,
 
obsidian, red ochre and many other articles." (Malinowski 1922: 105).</blockquote>
 
  
'''Kula-Transaktionen''' beschränken sich nicht auf den Tausch der
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'''Kula-Transaktionen''' beschränken sich nicht auf den Tausch der Kula-Objekte im engeren Sinn ('soulawa' und 'mwali'). Sie beinhalten -
Kula-Objekte im engeren Sinn ('soulawa' und 'mwali'). Sie beinhalten -
 
 
wie aus der obigen Beschreibung einer Kula-Expedition hervorgeht - ein
 
wie aus der obigen Beschreibung einer Kula-Expedition hervorgeht - ein
 
breites Spektrum von "sekundären Tauschartikeln" bzw. Handelsgütern.
 
breites Spektrum von "sekundären Tauschartikeln" bzw. Handelsgütern.
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====4.2.2.1.2.3 Von Person zu Person, von Insel zu Insel====
 
====4.2.2.1.2.3 Von Person zu Person, von Insel zu Insel====
 
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[[File:theogrundlagen-113_1.jpg|frame|right|Segelschiff, Foto: Bronislaw Malinowski.Quelle: Young 1997, Abb. 5.]]
 
Kula-Tausch findet in '''verschiedenen sozialen und geographischen
 
Kula-Tausch findet in '''verschiedenen sozialen und geographischen
 
Räumen''' statt. Eine Person verfügt immer über mehrere
 
Räumen''' statt. Eine Person verfügt immer über mehrere
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*  '''Übersee-Kula''': Getauscht wird zwischen Inseln bzw. Inselgruppen. Die Transaktionen auf dieser Ebene erfordern groß angelegte Schiffsreisen, die Tauschpartner sind Personen mit hohem sozialen Status bzw. politische Führer. Der Kula ist auf dieser Ebene mit weitreichenden sozialen und politischen Allianzen verbunden.
 
*  '''Übersee-Kula''': Getauscht wird zwischen Inseln bzw. Inselgruppen. Die Transaktionen auf dieser Ebene erfordern groß angelegte Schiffsreisen, die Tauschpartner sind Personen mit hohem sozialen Status bzw. politische Führer. Der Kula ist auf dieser Ebene mit weitreichenden sozialen und politischen Allianzen verbunden.
  
<blockquote>Thus the Kula partnership provides every man within its ring with a
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<blockquote>Thus the Kula partnership provides every man within its ring with a few friends near at hand, and with some friendly allies in the far- away, dangerous foreign districts. ... We see that all around the ring of Kula there is a network of relationsships, and that naturally the whole forms one interwoven fabric." (Malinowski 1922:92)</blockquote>
few friends near at hand, and with some friendly allies in the far-
 
away, dangerous foreign districts. ... We see that all around the ring
 
of Kula there is a network of relationsships, and that naturally the
 
whole forms one interwoven fabric." (Malinowski 1922:92)</blockquote>
 
 
 
[[File:theogrundlagen-113_1.jpg|frame|right|Segelschiff, Foto: Bronislaw Malinowski.Quelle: Young 1997, Abb. 5.]]
 
 
 
 
 
  
 
====4.2.2.1.2.4 Ruhm, Macht und Reichtum====
 
====4.2.2.1.2.4 Ruhm, Macht und Reichtum====
 
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[[File:theogrundlagen-114_1.jpg|frame|right|Männer bei Kula-Tausch, Foto: Bronislaw Malinowski.Quelle: Young 1997, Abb. 7.]]
 
[[File:theogrundlagen-114_1.jpg|frame|right|Männer bei Kula-Tausch, Foto: Bronislaw Malinowski.Quelle: Young 1997, Abb. 7.]]
  
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*  '''Reichtum''': Je höher der Rang einer Person ist, je mehr Tauschpartner sie hat, umso mehr Güter befinden sich (temporär) in ihrem Besitz. Das wesentliche am Besitz ist die Möglichkeit, ihn an Andere zu verteilen. Jeder, der etwas besitzt, ist dazu verpflichtet, es zu teilen - je höher sein Rang ist, umso größer ist diese Verpflichtung. Großzügigkeit bei der Verteilung von Gütern bringt wiederum Prestige.
 
*  '''Reichtum''': Je höher der Rang einer Person ist, je mehr Tauschpartner sie hat, umso mehr Güter befinden sich (temporär) in ihrem Besitz. Das wesentliche am Besitz ist die Möglichkeit, ihn an Andere zu verteilen. Jeder, der etwas besitzt, ist dazu verpflichtet, es zu teilen - je höher sein Rang ist, umso größer ist diese Verpflichtung. Großzügigkeit bei der Verteilung von Gütern bringt wiederum Prestige.
  
<blockquote>Thus the main symptom of being powerful is to be wealthy, and of
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<blockquote>Thus the main symptom of being powerful is to be wealthy, and of wealth is to be generous." (Malinowski 1922: 97)</blockquote>
wealth is to be generous." (Malinowski 1922: 97)</blockquote>
 
 
 
 
 
  
 
====4.2.2.1.2.5 Ökonomie, Gesellschaft, Symbol====
 
====4.2.2.1.2.5 Ökonomie, Gesellschaft, Symbol====
 
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[[File:theogrundlagen-115_1.jpg|frame|right|Frauen tragen Kula-Halsketten, Foto: Bronislaw Malinowski. Quelle: Young 1997, Abb. 6.]]
 
'''Bronislaw Malinowski''' bezeichnet '''ökonomische Aktivitäten explizit
 
'''Bronislaw Malinowski''' bezeichnet '''ökonomische Aktivitäten explizit
 
als soziales Phänomen'''; er schließt hiermit an '''Èmile Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1]]]'''
 
als soziales Phänomen'''; er schließt hiermit an '''Èmile Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1]]]'''
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*  Malinowski stellt die universelle Gültigkeit der Prinzipien neoklassischer Ökonomie in Frage oder lehnt sie generell ab. '''Das Prinzip des Eigeninteresses im ökonomischen System der Trobriander erachtet er als irrelevant'*, den Begriff eines universellen 'homo economicus* ("Primitive Economic Man") hält er für unbrauchbar, um das ökonomische Handeln in verschiedenen Gesellschaften zu erklären. Eine Dominanz des utilitaristischen Handelns ist laut Malinowski weder für die Trobriander noch für den westlichen Kapitalismus zutreffend: Beide Systeme sind "voll von Magie und Symbolismus" (Malinowksi 1931: 636), handlungsleitend für ökonomische Aktivitäten sind generell Fragen von Prestige und Macht, von Glauben und Magie. In diesem Sinne - sowie in Hinblick auf das Konzept von Kultur - steht Malinowski auch in der Tradition von '''Max Weber[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.2 Max Weber|[2]]]''' (vgl. Rössler 1999:77, Wilk 1996:113-114).
 
*  Malinowski stellt die universelle Gültigkeit der Prinzipien neoklassischer Ökonomie in Frage oder lehnt sie generell ab. '''Das Prinzip des Eigeninteresses im ökonomischen System der Trobriander erachtet er als irrelevant'*, den Begriff eines universellen 'homo economicus* ("Primitive Economic Man") hält er für unbrauchbar, um das ökonomische Handeln in verschiedenen Gesellschaften zu erklären. Eine Dominanz des utilitaristischen Handelns ist laut Malinowski weder für die Trobriander noch für den westlichen Kapitalismus zutreffend: Beide Systeme sind "voll von Magie und Symbolismus" (Malinowksi 1931: 636), handlungsleitend für ökonomische Aktivitäten sind generell Fragen von Prestige und Macht, von Glauben und Magie. In diesem Sinne - sowie in Hinblick auf das Konzept von Kultur - steht Malinowski auch in der Tradition von '''Max Weber[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.2 Max Weber|[2]]]''' (vgl. Rössler 1999:77, Wilk 1996:113-114).
  
[[File:theogrundlagen-115_1.jpg|frame|right|Frauen tragen Kula-Halsketten, Foto: Bronislaw Malinowski. Quelle: Young 1997, Abb. 6.]]
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'''Verweise:'''
  
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.2 Max Weber|[2] Siehe Kapitel 4.1.2]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.2 Max Weber|[2] Siehe Kapitel 4.1.2]]<br/>
 
 
  
 
====4.2.2.1.2.6 Kula, Reziprozität und "primitive" Ökonomie====
 
====4.2.2.1.2.6 Kula, Reziprozität und "primitive" Ökonomie====
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Die Institution des Kula steht im Mittelpunkt vieler sozial- und
 
Die Institution des Kula steht im Mittelpunkt vieler sozial- und
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'''Verweise:'''
 
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.2 Marcel Mauss|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.2]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.2 Marcel Mauss|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.2]]<br/>
[[Die_Struktur_der_Mythen/Methodische_Elemente#10.3 Methodische Elemente der strukturalen Mythologie von Claude Lévi-Strauss|[2] Siehe Kapitel 10.3 der Lernunterlage '''Mythen in Lateinamerika und Ethnologische Mythenforschung''']]<br/>[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1 Karl Polanyi|[3] Siehe Kapitel 4.3.1]]<br/>
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[[Die_Struktur_der_Mythen/Methodische_Elemente#10.3 Methodische Elemente der strukturalen Mythologie von Claude Lévi-Strauss|[2] Siehe Kapitel 10.3 der Lernunterlage '''Mythen in Lateinamerika und Ethnologische Mythenforschung''']]<br/>
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1 Karl Polanyi|[3] Siehe Kapitel 4.3.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.3 Marshall Sahlins|[4] Siehe Kapitel 4.3.3]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.3 Marshall Sahlins|[4] Siehe Kapitel 4.3.3]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1 Karl Polanyi|[5] Siehe Kapitel 4.3.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1 Karl Polanyi|[5] Siehe Kapitel 4.3.1]]<br/>
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===4.2.2.2 Marcel Mauss===
 
===4.2.2.2 Marcel Mauss===
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[[File:theogrundlagen-117_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html [https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html  &#91;1&#93;]''']]
 
[[File:theogrundlagen-117_1.jpg|frame|right|Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html [https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html  &#91;1&#93;]''']]
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1923/24: Essai sur le don, dt.: Die Gabe
 
1923/24: Essai sur le don, dt.: Die Gabe
  
<blockquote>In der skandinavischen und in vielen anderen Kulturen finden
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<blockquote>In der skandinavischen und in vielen anderen Kulturen finden Austausch und Verträge in Form von Geschenken statt, die theoretisch freiwillig sind, in Wirklichkeit jedoch immer gegeben und erwidert werden müssen.[ ... ] Und da wir feststellen werden, dass diese Moral und diese Ökonomie sozusagen unterschwellig auch noch in unseren eigenen Gesellschaften wirken und da wir glauben, hier einen der Felsen gefunden zu haben, auf denen unsere Gesellschaften ruhen, können wir daraus einige moralische Schlußfolgerungen bezüglich einiger Probleme ziehen, vor die uns die Krise unseres Rechts und unserer Wirtschaft stellt." (Mauss 1990: 17;19)</blockquote>  
Austausch und Verträge in Form von Geschenken statt, die theoretisch
 
freiwillig sind, in Wirklichkeit jedoch immer gegeben und erwidert
 
werden müssen.[ ... ] Und da wir feststellen werden, dass diese Moral
 
und diese Ökonomie sozusagen unterschwellig auch noch in unseren eigenen
 
Gesellschaften wirken und da wir glauben, hier einen der Felsen gefunden
 
zu haben, auf denen unsere Gesellschaften ruhen, können wir daraus
 
einige moralische Schlußfolgerungen bezüglich einiger Probleme ziehen,
 
vor die uns die Krise unseres Rechts und unserer Wirtschaft stellt."
 
(Mauss 1990: 17;19)</blockquote>
 
  
 
Der '''französische Sozialwissenschafter Marcel Mauss''', Neffe von
 
Der '''französische Sozialwissenschafter Marcel Mauss''', Neffe von
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051201024417/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mauss_marcel.html]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
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====4.2.2.2.1 Die Gabe====
 
====4.2.2.2.1 Die Gabe====
 
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[[File:theogrundlagen-118_1.jpg|frame|right|Sitka Potlach (Tlingit Indianer, 1904 Potlatch in Sitka, Alaska.) Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg [https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg  &#91;2&#93;]''']]
 
''"Die Gabe"'' ('Essai sur le don' 1923/24) ist einer der
 
''"Die Gabe"'' ('Essai sur le don' 1923/24) ist einer der
 
einflussreichsten Aufsätze der Kultur- und Sozialanthropologie
 
einflussreichsten Aufsätze der Kultur- und Sozialanthropologie
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das '''Reziprozitäts- und Tauschprinzip'''.
 
das '''Reziprozitäts- und Tauschprinzip'''.
  
[[File:theogrundlagen-118_1.jpg|frame|right|Sitka Potlach (Tlingit Indianer, 1904 Potlatch in Sitka, Alaska.) Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg [https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg  &#91;2&#93;]''']]
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'''Verweise:'''
  
'''Verweise:'''
 
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.1.1]]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20051026144055/http://www.library.state.ak.us/hist/cent/020-0055.jpg]<br/>
 
 
  
 
====4.2.2.2.1.1 Reziprozitäts- und Tauschprinzip====
 
====4.2.2.2.1.1 Reziprozitäts- und Tauschprinzip====
 
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[[File:theogrundlagen-119_1.gif|frame|right]]
 
Laut '''Marcel Mauss''' begründet die '''Gabe eine Schuld'''; d.h., der
 
Laut '''Marcel Mauss''' begründet die '''Gabe eine Schuld'''; d.h., der
 
Beschenkte fühlt sich in der Schuld des Schenkenden. Er ist bestrebt,
 
Beschenkte fühlt sich in der Schuld des Schenkenden. Er ist bestrebt,
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finden; und zwar religiöse, moralische, rechtliche und ökonomische
 
finden; und zwar religiöse, moralische, rechtliche und ökonomische
 
Institutionen.
 
Institutionen.
 
[[File:theogrundlagen-119_1.gif|frame|right]]
 
 
 
  
 
====4.2.2.2.1.2 Ökonomie und Philosophie der Gabe====
 
====4.2.2.2.1.2 Ökonomie und Philosophie der Gabe====
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Wie schon für '''Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1]]]''' ist auch für '''Mauss''' klar, dass
 
Wie schon für '''Durkheim[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1]]]''' ist auch für '''Mauss''' klar, dass
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[1] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
  
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===4.2.2.3 Mauss und Malinowski===
 
===4.2.2.3 Mauss und Malinowski===
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*  '''Malinowski''' hat im Kula-Tausch vor allem die soziale Funktion für den Einzelnen gesehen: Welche Stellung hat die einzelne Person im Netzwerk der Kula-Partner? Als junger Mann tauscht man sich in das Netzwerk hinein, baut dieses aus und verschafft sich mit der Zeit hohes Ansehen.
 
*  '''Malinowski''' hat im Kula-Tausch vor allem die soziale Funktion für den Einzelnen gesehen: Welche Stellung hat die einzelne Person im Netzwerk der Kula-Partner? Als junger Mann tauscht man sich in das Netzwerk hinein, baut dieses aus und verschafft sich mit der Zeit hohes Ansehen.
 
*  '''Mauss''' interpretiert Malinowskis Daten nicht aus der Perspektive des Individuums, sondern aus jener der Gesellschaft. Er sieht Geben -- Annehmen -- Erwidern als den Mechanismus, der Menschen, die an sich autark sind, miteinander verbindet.
 
*  '''Mauss''' interpretiert Malinowskis Daten nicht aus der Perspektive des Individuums, sondern aus jener der Gesellschaft. Er sieht Geben -- Annehmen -- Erwidern als den Mechanismus, der Menschen, die an sich autark sind, miteinander verbindet.
 
 
  
 
==4.2.3 Bibliographie und weiterführende Literatur==
 
==4.2.3 Bibliographie und weiterführende Literatur==
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2 Frühe VertreterInnen| Vorheriges Kapitel: 4.2 Frühe VertreterInnen]]<br/>
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'''[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2 Frühe VertreterInnen| Vorheriges Kapitel: 4.2 Frühe VertreterInnen]]'''<br/>
 
=4.3 Substantivisten=
 
=4.3 Substantivisten=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20070625223441/http://www2.carthage.edu/~brent/polanyi1.gif  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20070625223441/http://www2.carthage.edu/~brent/polanyi1.gif]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20070625223441/http://www2.carthage.edu/~brent/polanyi1.gif  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20070625223441/http://www2.carthage.edu/~brent/polanyi1.gif]<br/>
 
[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth|[2] Siehe Kapitel 3.1]]<br/>
 
[[Neoklassik/Firth#3.1 Raymond Firth|[2] Siehe Kapitel 3.1]]<br/>
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===4.3.1.1 The Great Transformation===
 
===4.3.1.1 The Great Transformation===
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*Wir vertreten die These, daß die Idee des selbstregulierenden Marktes
 
*Wir vertreten die These, daß die Idee des selbstregulierenden Marktes
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[1] Siehe Kapitel 1.3.2]]<br/>
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[1] Siehe Kapitel 1.3.2]]<br/>
  
  
  
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[[File:theogrundlagen-273_1.gif|frame|right]]
 
===4.3.1.2 Wirtschaftstypen nach Polanyi===
 
===4.3.1.2 Wirtschaftstypen nach Polanyi===
 
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Polanyi postuliert '''vier Typen institutioneller wirtschaftlicher
 
Polanyi postuliert '''vier Typen institutioneller wirtschaftlicher
 
Gestaltungen''', wobei die ersten drei sich grundlegend vom vierten
 
Gestaltungen''', wobei die ersten drei sich grundlegend vom vierten
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4. '''Markttausch'''.
 
4. '''Markttausch'''.
 
[[File:theogrundlagen-273_1.gif|frame|right]]
 
  
  
  
 
====4.3.1.2.1 Prinzip der Reziprozität====
 
====4.3.1.2.1 Prinzip der Reziprozität====
 
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[[File:theogrundlagen-274_1.jpg|frame|left|In Agrarritualen in den Anden wird ein reziprokes Verhältnis zwischen Menschen und Gottheiten angestrebt (Abb.: Alberdi 1992)]]
 
'''Darunter versteht Polanyi alle Formen von Austausch, die auf der
 
'''Darunter versteht Polanyi alle Formen von Austausch, die auf der
 
sozialen Ebene in einer symmetrischen, äquivalenten Beziehung ablaufen,
 
sozialen Ebene in einer symmetrischen, äquivalenten Beziehung ablaufen,
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Gesamtgesellschaft wirkt und sich nicht auf die Interaktion zwischen
 
Gesamtgesellschaft wirkt und sich nicht auf die Interaktion zwischen
 
zwei konkreten Personen beschränken lässt''' (vgl. Polanyi 1978: 77ff).
 
zwei konkreten Personen beschränken lässt''' (vgl. Polanyi 1978: 77ff).
 
[[File:theogrundlagen-274_1.jpg|frame|right|In Agrarritualen in den Anden wird ein reziprokes Verhältnis zwischen Menschen und Gottheiten angestrebt (Abb.: Alberdi 1992)]]
 
 
 
  
 
====4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution====
 
====4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution====
 
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[[File:theogrundlagen-275_1.jpg|frame|right|Tribute an den Großkönig. Relief aus Persepolis. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/ [https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/  &#91;1&#93;]''']]
 
'''Dieses Prinzip bezieht sich auf wirtschaftliche Bewegungen in Richtung
 
'''Dieses Prinzip bezieht sich auf wirtschaftliche Bewegungen in Richtung
 
auf ein Zentrum und zurück. Es beschreibt Güterflüsse in pyramidal
 
auf ein Zentrum und zurück. Es beschreibt Güterflüsse in pyramidal
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Stadtstaaten.
 
Stadtstaaten.
  
<blockquote>Die Produktion und Distribution von Gütern wird hauptsächlich durch
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<blockquote>Die Produktion und Distribution von Gütern wird hauptsächlich durch Einsammlung, Lagerung und Redistribution organisiert, wobei der Häuptling, der Tempel, der Despot oder der Lord im Mittelpunkt dieses Systems steht. Da das Verhältnis zwischen den Führenden und den Geführten, je nach der Grundlage der jeweiligen politischen Macht, verschieden ist, wird auch das Prinzip der Redistribution so völlig verschiedene individuelle Motivationen berücksichtigen wie die freiwillige Aufteilung der Beute durch die Jäger bis zur Angst vor Strafe, die den Fellachen zur Ablieferung einer Art Steuern, der Naturalabgaben, veranlaßt." (Polanyi 1978: 83f)</blockquote>
Einsammlung, Lagerung und Redistribution organisiert, wobei der
 
Häuptling, der Tempel, der Despot oder der Lord im Mittelpunkt dieses
 
Systems steht. Da das Verhältnis zwischen den Führenden und den
 
Geführten, je nach der Grundlage der jeweiligen politischen Macht,
 
verschieden ist, wird auch das Prinzip der Redistribution so völlig
 
verschiedene individuelle Motivationen berücksichtigen wie die
 
freiwillige Aufteilung der Beute durch die Jäger bis zur Angst vor
 
Strafe, die den Fellachen zur Ablieferung einer Art Steuern, der
 
Naturalabgaben, veranlaßt." (Polanyi 1978: 83f)</blockquote>
 
  
[[File:theogrundlagen-275_1.jpg|frame|right|Tribute an den Großkönig. Relief aus Persepolis. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/ [https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/  &#91;1&#93;]''']]
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'''Verweise:'''
  
'''Verweise:'''
 
 
[https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050726235305/http://employees.oneonta.edu/]<br/>
 
 
  
 
====4.3.1.2.3 Prinzip der Haushaltung====
 
====4.3.1.2.3 Prinzip der Haushaltung====
 
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[[File:theogrundlagen-276_1.jpg|frame|right|Gehöft von Bergbauern in Nepal, deren Wirtschaften stark auf den Eigenbedarf ausgerichtet ist. Foto: Elke Mader]]
 
'''Darunter versteht Polanyi die Produktion des Eigenbedarfs der
 
'''Darunter versteht Polanyi die Produktion des Eigenbedarfs der
 
Kleingruppe, die in sich möglichst geschlossen und autark ist.'''
 
Kleingruppe, die in sich möglichst geschlossen und autark ist.'''
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und die Autarkie des Haushalts nicht gefährden würden.
 
und die Autarkie des Haushalts nicht gefährden würden.
  
<blockquote>Nur ein Genie der praktischen Vernunft konnte, wie er erkannt haben,
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<blockquote>Nur ein Genie der praktischen Vernunft konnte, wie er erkannt haben, daß das Gewinnstreben ein für die Marktproduktion charakteristisches Motiv ist und daß der Geldfaktor ein neues Element einführte; daß aber das Prinzip der Produktion für den Gebrauch weiterhin funktionieren würde, solange Märkte und Geld bloß Anhängsel eines ansonsten autarken Haushalts blieben." (Polanyi 1978: 85)</blockquote>
daß das Gewinnstreben ein für die Marktproduktion charakteristisches
 
Motiv ist und daß der Geldfaktor ein neues Element einführte; daß aber
 
das Prinzip der Produktion für den Gebrauch weiterhin funktionieren
 
würde, solange Märkte und Geld bloß Anhängsel eines ansonsten autarken
 
Haushalts blieben." (Polanyi 1978: 85)</blockquote>
 
 
 
Diese drei Prinzipien unterscheiden sich aber grundsätzlich vom vierten,
 
denn:
 
 
 
<blockquote>Im weiteren Sinn gilt jedoch die These, dass alle uns bekannten
 
Wirtschaftssysteme bis zum Ende des Feudalismus in Westeuropa auf den
 
Prinzipien der Reziprozität oder Redistribution oder aber der
 
Haushaltung beziehungsweise einer Kombination dieser drei beruhte. Diese
 
Prinzipien waren mit Hilfe gesellschaftlicher Organisationen
 
institutionalisiert, die sich '''inter alia''' auch die Formen der
 
Symmetrie, der Zentrizität und der Autarkie zunutze machten. In diesem
 
Rahmen wurde die geordnete Produktion und Distribution von Gütern durch
 
eine Vielfalt von individuellen Motivationen gesichert, die ihrerseits
 
durch allgemeine Verhaltensnormen in Schranken gehalten wurden. Bei
 
diesen Motivationen spielte das Gewinnstreben keine hervorragende Rolle.
 
Brauch und Gesetz, Magie und Religion wirkten zusammen, um den einzelnen
 
zu Verhaltensnormen zu veranlassen, die letztlich seine Funktion
 
innerhalb des Wirtschaftssystems sicherten." (Polanyi 1978: 86f)</blockquote>
 
 
 
Sowohl dort wo Reziprozität vorherrscht als auch dort, wo Redistribution
 
dominiert, ist das ökonomische System eine Funktion der
 
gesellschaftlichen Organisation.
 
  
[[File:theogrundlagen-276_1.jpg|frame|right|Gehöft von Bergbauern in Nepal, deren Wirtschaften stark auf den Eigenbedarf ausgerichtet ist. Foto: Elke Mader]]
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Diese drei Prinzipien unterscheiden sich aber grundsätzlich vom vierten, denn:
  
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<blockquote>Im weiteren Sinn gilt jedoch die These, dass alle uns bekannten Wirtschaftssysteme bis zum Ende des Feudalismus in Westeuropa auf den Prinzipien der Reziprozität oder Redistribution oder aber der Haushaltung beziehungsweise einer Kombination dieser drei beruhte. Diese Prinzipien waren mit Hilfe gesellschaftlicher Organisationen institutionalisiert, die sich '''inter alia''' auch die Formen der Symmetrie, der Zentrizität und der Autarkie zunutze machten. In diesem Rahmen wurde die geordnete Produktion und Distribution von Gütern durch eine Vielfalt von individuellen Motivationen gesichert, die ihrerseits durch allgemeine Verhaltensnormen in Schranken gehalten wurden. Bei diesen Motivationen spielte das Gewinnstreben keine hervorragende Rolle. Brauch und Gesetz, Magie und Religion wirkten zusammen, um den einzelnen zu Verhaltensnormen zu veranlassen, die letztlich seine Funktion innerhalb des Wirtschaftssystems sicherten." (Polanyi 1978: 86f)</blockquote> 
  
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Sowohl dort wo Reziprozität vorherrscht als auch dort, wo Redistribution dominiert, ist das ökonomische System eine Funktion der gesellschaftlichen Organisation.
  
 
====4.3.1.2.4 Marktprinzip====
 
====4.3.1.2.4 Marktprinzip====
 
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[[File:theogrundlagen-277_1.jpg|frame|right|Altar umgeben von Pepsi-Cola Werbung, Nepal. Foto: Elke Mader]]
 
'''Beim (Markt)Tausch handelt es sich um Transaktionen zwischen
 
'''Beim (Markt)Tausch handelt es sich um Transaktionen zwischen
 
Individuen nach dem Zufallsprinzip, die unabhängig von ihrer
 
Individuen nach dem Zufallsprinzip, die unabhängig von ihrer
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der gesamten vorherigen Menschheitsgeschichte keine Entsprechung hat.
 
der gesamten vorherigen Menschheitsgeschichte keine Entsprechung hat.
 
Und diese Organisationsform ist das Marktsystem.
 
Und diese Organisationsform ist das Marktsystem.
 
[[File:theogrundlagen-277_1.jpg|frame|right|Altar umgeben von Pepsi-Cola Werbung, Nepal. Foto: Elke Mader]]
 
 
 
  
 
===4.3.1.3 Polanyi und die Zerstörung der Gesellschaft durch den Markt===
 
===4.3.1.3 Polanyi und die Zerstörung der Gesellschaft durch den Markt===
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'''Karl Polanyi hält das Marktprinzip für einen grundsätzlich die
 
'''Karl Polanyi hält das Marktprinzip für einen grundsätzlich die
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===4.3.1.4 Grundlagen des selbst regulierenden Marktes: Arbeit, Boden und Geld===
 
===4.3.1.4 Grundlagen des selbst regulierenden Marktes: Arbeit, Boden und Geld===
 
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[[File:theogrundlagen-279_1.jpg|frame|right|Warenangebot für TouristInnen, Nepal. Foto: Elke Mader]]
 
Die '''wesentlichste Voraussetzung für die Errichtung eines
 
Die '''wesentlichste Voraussetzung für die Errichtung eines
 
Marktsystems''', also eines selbst regulierenden Marktes, '''ist die
 
Marktsystems''', also eines selbst regulierenden Marktes, '''ist die
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sind nach Polanyi Objekte, die für den Verkauf auf dem Markt produziert
 
sind nach Polanyi Objekte, die für den Verkauf auf dem Markt produziert
 
werden. Sie unterliegen dem Angebots- und Nachfragemechanismus.'''
 
werden. Sie unterliegen dem Angebots- und Nachfragemechanismus.'''
 
[[File:theogrundlagen-279_1.jpg|frame|right|Warenangebot für TouristInnen, Nepal. Foto: Elke Mader]]
 
 
 
  
 
===4.3.1.5 Formen des Handels nach Polanyi===
 
===4.3.1.5 Formen des Handels nach Polanyi===
 
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[[File:theogrundlagen-280_1.jpg|frame|left|Chilis auf einem Markt in Burma. Foto: Elke Mader]]
 
Dementsprechend gibt es für ihn auch '''drei Formen des Handels''':
 
Dementsprechend gibt es für ihn auch '''drei Formen des Handels''':
  
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Gesellschaft und Staat wirkt verfälschend auf die Preise und die
 
Gesellschaft und Staat wirkt verfälschend auf die Preise und die
 
Produktion.
 
Produktion.
 
[[File:theogrundlagen-280_1.jpg|frame|right|Chilis auf einem Markt in Burma. Foto: Elke Mader]]
 
 
 
  
 
==4.3.2 George Dalton==
 
==4.3.2 George Dalton==
 
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[[File:theogrundlagen-281_1.jpg|frame|right|Maniok auf einem Markt in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski.]]
 
'''George Dalton war Schüler von Polanyi''', er promovierte in den 50er
 
'''George Dalton war Schüler von Polanyi''', er promovierte in den 50er
 
Jahren an der Columbia University.
 
Jahren an der Columbia University.
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Der Markt wird von abstrakten Preismechanismen, von Angebot und
 
Der Markt wird von abstrakten Preismechanismen, von Angebot und
 
Nachfrage bestimmt.
 
Nachfrage bestimmt.
 
[[File:theogrundlagen-281_1.jpg|frame|right|Maniok auf einem Markt in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski.]]
 
 
 
  
 
==4.3.3 Marshall Sahlins==
 
==4.3.3 Marshall Sahlins==
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20051228214111/http://www-news.uchicago.edu/releases/02/021014.sahlins.shtml  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051228214111/http://www-news.uchicago.edu/releases/02/021014.sahlins.shtml]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051228214111/http://www-news.uchicago.edu/releases/02/021014.sahlins.shtml  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051228214111/http://www-news.uchicago.edu/releases/02/021014.sahlins.shtml]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060111140726/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/pqrst/sahlins_marshall.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060111140726/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/pqrst/sahlins_marshall.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060111140726/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/pqrst/sahlins_marshall.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060111140726/http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/pqrst/sahlins_marshall.html]<br/>
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===4.3.3.1 Beispiel Tausch===
 
===4.3.3.1 Beispiel Tausch===
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Ausgehend von einer substantivistischen Sicht der Ökonomie stellt
 
Ausgehend von einer substantivistischen Sicht der Ökonomie stellt
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der '''Redistribution[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution|[2]]]''' (oder 'pooling'), verfeinert sie jedoch und
 
der '''Redistribution[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution|[2]]]''' (oder 'pooling'), verfeinert sie jedoch und
 
erstellt eine detaillierte Klassifikation:
 
erstellt eine detaillierte Klassifikation:
 
[[File:theogrundlagen-283_1.gif|frame|center]]
 
  
 
'''Reziprozität''' ist eine 'between relation', sie erfordert das
 
'''Reziprozität''' ist eine 'between relation', sie erfordert das
 
Vorhandensein von zwei Parteien.
 
Vorhandensein von zwei Parteien.
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[[File:theogrundlagen-283_1.gif|frame|center]]
  
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'''Redistribution''' ist eine 'within relation', sie verlangt kollektive
 
'''Redistribution''' ist eine 'within relation', sie verlangt kollektive
 
Handlungen innerhalb einer Gruppe.
 
Handlungen innerhalb einer Gruppe.
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.1 Prinzip der Reziprozität|[1] Siehe Kapitel 4.3.1.2.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.1 Prinzip der Reziprozität|[1] Siehe Kapitel 4.3.1.2.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution|[2] Siehe Kapitel 4.3.1.2.2]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution|[2] Siehe Kapitel 4.3.1.2.2]]<br/>
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====4.3.3.1.1 Formen der Reziprozität nach Sahlins====
 
====4.3.3.1.1 Formen der Reziprozität nach Sahlins====
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'''Karl Polanyi''' war der Ansicht, dass die Interaktion in reziproken
 
'''Karl Polanyi''' war der Ansicht, dass die Interaktion in reziproken
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erhalten die "Versicherungssumme" zurück, wenn sie alt und
 
erhalten die "Versicherungssumme" zurück, wenn sie alt und
 
pflegebedürftig sind.
 
pflegebedürftig sind.
 
[[File:theogrundlagen-284_1.gif|frame|right]]
 
  
 
Die "Gabe" erscheint "interesselos", der Zeitpunkt der Rückgabe ist
 
Die "Gabe" erscheint "interesselos", der Zeitpunkt der Rückgabe ist
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nicht-materielle Dimension des Austauschs (z.B. "Elternliebe") steht
 
nicht-materielle Dimension des Austauschs (z.B. "Elternliebe") steht
 
im Vordergrund.
 
im Vordergrund.
 
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[[File:theogrundlagen-284_1.gif|frame|center]]
 
2. '''Balancierte Reziprozität:'''
 
2. '''Balancierte Reziprozität:'''
  
 
Güter und Leistungen wandern symmetrisch und äquivalent von '''A''' zu
 
Güter und Leistungen wandern symmetrisch und äquivalent von '''A''' zu
 
'''B''' und von '''B''' zu '''A'''.
 
'''B''' und von '''B''' zu '''A'''.
 
[[File:theogrundlagen-284_2.gif|frame|right]]
 
  
 
Typischer Fall Tauschhandel:
 
Typischer Fall Tauschhandel:
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aus. Diese Art der Transaktion ist im Gegensatz zum Tauschhandel
 
aus. Diese Art der Transaktion ist im Gegensatz zum Tauschhandel
 
gänzlich nicht-ökonomisch.
 
gänzlich nicht-ökonomisch.
 
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[[File:theogrundlagen-284_2.gif|frame|center]]
 
3. '''Negative Reziprozität:'''
 
3. '''Negative Reziprozität:'''
  
Line 4,305: Line 4,119:
 
nichts (z. B. Stämme überfallen einander und rauben sich die Frauen und
 
nichts (z. B. Stämme überfallen einander und rauben sich die Frauen und
 
anderes).
 
anderes).
 
[[File:theogrundlagen-284_3.gif|frame|right]]
 
  
 
'''Negative Reziprozität ist im formalistischen Sinn am ökonomischsten''':
 
'''Negative Reziprozität ist im formalistischen Sinn am ökonomischsten''':
 
In einer Situation gegensätzlicher Interessen versuchen Individuen oder
 
In einer Situation gegensätzlicher Interessen versuchen Individuen oder
 
Gruppen ihren Nutzen auf Kosten anderer zu maximieren.
 
Gruppen ihren Nutzen auf Kosten anderer zu maximieren.
 
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[[File:theogrundlagen-284_3.gif|frame|center]]
 
'''Sahlins geht nun davon aus, dass in den meisten Gesellschaften alle
 
'''Sahlins geht nun davon aus, dass in den meisten Gesellschaften alle
 
drei Formen gleichermaßen vorkommen''' und auch, dass es fließende
 
drei Formen gleichermaßen vorkommen''' und auch, dass es fließende
 
Übergänge zwischen ihnen gibt. Er ist auch der Ansicht, dass diese drei
 
Übergänge zwischen ihnen gibt. Er ist auch der Ansicht, dass diese drei
Formen überall moralisch bewertet sind: <blockquote>The extremes are notably
+
Formen überall moralisch bewertet sind:  
positive and negative in a moral sense. The intervals between them are
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<blockquote>The extremes are notably positive and negative in a moral sense. The intervals between them are not merely so many gradations of material balance in exchange, they are intervals of sociability. The distance between poles of reciprocity is, among other things, social distance" (Sahlins 1972: 191).</blockquote>
not merely so many gradations of material balance in exchange, they are
 
intervals of sociability. The distance between poles of reciprocity is,
 
among other things, social distance" (Sahlins 1972: 191).</blockquote>
 
 
 
 
 
  
 
====4.3.3.1.2 Reziprozität und soziale Entfernung nach Sahlins====
 
====4.3.3.1.2 Reziprozität und soziale Entfernung nach Sahlins====
 
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Wenn alle Formen der Reziprozität in fast allen Gesellschaften inklusive
 
Wenn alle Formen der Reziprozität in fast allen Gesellschaften inklusive
 
unserer vorkommen, stellt sich die Frage, ob es Regelmäßigkeiten im
 
unserer vorkommen, stellt sich die Frage, ob es Regelmäßigkeiten im
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Beziehungen mehr vorhanden, schlägt der Tauschmodus in negative
 
Beziehungen mehr vorhanden, schlägt der Tauschmodus in negative
 
Reziprozität um.
 
Reziprozität um.
 
[[File:theogrundlagen-285_1.gif|frame|right|Quelle: Sahlins (1972: 199)]]
 
  
 
'''Nach Sahlins inkludiert dies auch die Moral''': Moralische Normen sind
 
'''Nach Sahlins inkludiert dies auch die Moral''': Moralische Normen sind
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den meisten Gesellschaften als schwere Verfehlung betrachtet, außerhalb
 
den meisten Gesellschaften als schwere Verfehlung betrachtet, außerhalb
 
der Gruppe aber bewundert.
 
der Gruppe aber bewundert.
 
+
[[File:theogrundlagen-285_1.gif|frame|center|Quelle: Sahlins (1972: 199)]]
 
 
  
 
====4.3.3.1.3 Kritik an Sahlins' Modell der abnehmenden generalisierten Reziprozität====
 
====4.3.3.1.3 Kritik an Sahlins' Modell der abnehmenden generalisierten Reziprozität====
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'''Sahlins' Modell der mit wachsender sozialer und räumlicher Entfernung
 
'''Sahlins' Modell der mit wachsender sozialer und räumlicher Entfernung
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genau so wie es im Kontakt mit anderen Gesellschaften nicht nur den
 
genau so wie es im Kontakt mit anderen Gesellschaften nicht nur den
 
Diebstahl, sondern auch das Geschenk, den Vertrag, etc. gibt.
 
Diebstahl, sondern auch das Geschenk, den Vertrag, etc. gibt.
 
[[File:theogrundlagen-286_1.gif|frame|right|Quelle: Ingold (1986: 232)]]
 
  
 
Sowohl Sahlins' Modell als auch Ingolds Variation davon werden durch
 
Sowohl Sahlins' Modell als auch Ingolds Variation davon werden durch
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Hierarchisierung z.B. wirken auf die Tauschmodi ein und verändern sie in
 
Hierarchisierung z.B. wirken auf die Tauschmodi ein und verändern sie in
 
Richtung Redistributionsmodi (vgl.: Gregory 1998: 924f).
 
Richtung Redistributionsmodi (vgl.: Gregory 1998: 924f).
 
+
[[File:theogrundlagen-286_1.gif|frame|center|Quelle: Ingold (1986: 232)]]
 
 
  
 
===4.3.3.2 Beispiel: The original affluent society===
 
===4.3.3.2 Beispiel: The original affluent society===
 
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[[File:theogrundlagen-287_1.jpg|frame|right|!Kung San: JägerInnen und SammerInnen-Gemeinschaften im südlichen Afrika. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html [https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html  &#91;1&#93;]''']]
 
[[File:theogrundlagen-287_1.jpg|frame|right|!Kung San: JägerInnen und SammerInnen-Gemeinschaften im südlichen Afrika. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html [https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html  &#91;1&#93;]''']]
  
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*  Annahme seit '''Adam Smith[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2]]]''' und länger: Bedürfnisse sind unendlich, aber die Mittel knapp.
 
*  Annahme seit '''Adam Smith[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2]]]''' und länger: Bedürfnisse sind unendlich, aber die Mittel knapp.
  
```{=html}
 
<!-- -->
 
```
 
 
*  Tragödie der Konsumgesellschaft: es sind so viele Güter verfügbar und nur wenige kann man erreichen. Jede Entscheidung für etwas, bedeutet gleichzeitig Verzicht auf etwas anderes.
 
*  Tragödie der Konsumgesellschaft: es sind so viele Güter verfügbar und nur wenige kann man erreichen. Jede Entscheidung für etwas, bedeutet gleichzeitig Verzicht auf etwas anderes.
  
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20080528050543/http://core.ecu.edu/anth/leibowitzj/unit7.html]<br/>
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2] Siehe Kapitel 1.3.2]]<br/>
 
[[Vorlaeufer/Klassiker#1.3.2 Adam Smith|[2] Siehe Kapitel 1.3.2]]<br/>
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====4.3.3.2.1 Mobilität und Besitz: die !Kung San====
 
====4.3.3.2.1 Mobilität und Besitz: die !Kung San====
 
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[[File:theogrundlagen-288_1.jpg|frame|right|!Kung San. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg [https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg  &#91;1&#93;]''']]
 
[[File:theogrundlagen-288_1.jpg|frame|right|!Kung San. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg [https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg  &#91;1&#93;]''']]
  
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20030330155127/http://www.bibliothekderfreien.de/bilder/afrika1.jpg]<br/>
  
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====4.3.3.2.2 Sahlins Conclusion====
 
====4.3.3.2.2 Sahlins Conclusion====
 
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[[File:theogrundlagen-300_1.jpg|frame|right|Leonard Holman "Homeless, San Francisco" (digital enhanced photography). Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html [https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html  &#91;1&#93;]''']]
 
'''Jede technische Innovation hat nicht Arbeit erspart, sondern mehr
 
'''Jede technische Innovation hat nicht Arbeit erspart, sondern mehr
 
Arbeit ermöglicht.''' Die Menge der Arbeit pro Kopf wächst mit der
 
Arbeit ermöglicht.''' Die Menge der Arbeit pro Kopf wächst mit der
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das Unerreichbare: "'Infinite Needs'" (Sahlins 1972: 39).
 
das Unerreichbare: "'Infinite Needs'" (Sahlins 1972: 39).
  
[[File:theogrundlagen-300_1.jpg|frame|right|Leonard Holman "Homeless, San Francisco" (digital enhanced photography). Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html [https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html  &#91;1&#93;]''']]
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'''Verweise:'''
  
'''Verweise:'''
 
 
[https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050311153405/http://brighamrad.harvard.edu/project/people/BLH/exhibit/cs/homeless.html]<br/>
  
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====4.3.3.2.3 Armut, Mangel und einfache Bedürfnisse====
 
====4.3.3.2.3 Armut, Mangel und einfache Bedürfnisse====
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Sahlins' Portrait der ursprünglichen Überflussgesellschaften verleitet
 
Sahlins' Portrait der ursprünglichen Überflussgesellschaften verleitet
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'''Gerd Spittler bringt beide Theorien auf den Punkt:'''
 
'''Gerd Spittler bringt beide Theorien auf den Punkt:'''
  
<blockquote>Zwei Theorien stehen sich hier gegenüber, beide haben sie eine lange
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<blockquote>Zwei Theorien stehen sich hier gegenüber, beide haben sie eine lange Tradition. Die eine geht davon aus, daß vorindustrielle Gesellschaften Mangelgesellschaften sind. Ihre geringe Güterausstattung verdammt sie zu Armut und Elend, und sie warten nur darauf, durch die Segnungen der Industrialisierung erlöst zu werden. Die andere Theorie geht von der Prämisse aus, daß die geringe Güterausstattung kein Ausdruck von Mangel ist, sonder den einfachen Bedürfnissen dieser Menschen entspricht." (Spittler 1991: 66)</blockquote>  
Tradition. Die eine geht davon aus, daß vorindustrielle Gesellschaften
 
Mangelgesellschaften sind. Ihre geringe Güterausstattung verdammt sie zu
 
Armut und Elend, und sie warten nur darauf, durch die Segnungen der
 
Industrialisierung erlöst zu werden. Die andere Theorie geht von der
 
Prämisse aus, daß die geringe Güterausstattung kein Ausdruck von Mangel
 
ist, sonder den einfachen Bedürfnissen dieser Menschen entspricht."
 
(Spittler 1991: 66)</blockquote>
 
  
 
'''Spittler''' plädiert in der Folge für ein differenziertes Bild und für
 
'''Spittler''' plädiert in der Folge für ein differenziertes Bild und für
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haben.
 
haben.
  
Spittler setzt dem entgegen: <blockquote>Ich vertrete die These, daß der Prozeß
+
Spittler setzt dem entgegen: <blockquote>Ich vertrete die These, daß der Prozeß umgekehrt verläuft, wie es Lerner postuliert. Es sind nicht durch Kommunikation bewirkte neue Bedürfnisse, die bei Nichterfüllung zu Armut und Marginalisierung führen, sondern der Prozeß beginnt mit der Marginalisierung. Dabei wird das traditionelle Wertesystem aufgelöst, und die neuen Bedürfnisse der modernen Welt werden übernommen." (Spittler 1991: 83)</blockquote>  
umgekehrt verläuft, wie es Lerner postuliert. Es sind nicht durch
 
Kommunikation bewirkte neue Bedürfnisse, die bei Nichterfüllung zu Armut
 
und Marginalisierung führen, sondern der Prozeß beginnt mit der
 
Marginalisierung. Dabei wird das traditionelle Wertesystem aufgelöst,
 
und die neuen Bedürfnisse der modernen Welt werden übernommen."
 
(Spittler 1991: 83)</blockquote>
 
  
 
Am Beispiel der Errichtung von Schulen zeigt er, dass plötzlich alle,
 
Am Beispiel der Errichtung von Schulen zeigt er, dass plötzlich alle,
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neuen Behörden und ihren sich vervielfachenden Verwaltungsakten
 
neuen Behörden und ihren sich vervielfachenden Verwaltungsakten
 
ausgesetzt!
 
ausgesetzt!
 
 
  
 
===4.3.3.3 Beispiel: Domestic Mode of Production===
 
===4.3.3.3 Beispiel: Domestic Mode of Production===
 
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[[File:theogrundlagen-302_1.jpg|frame|right|Viele indigene Gemeinschaften des Amazonasraums (z.B. die Achuar) können dem "Domestic Mode of Production" zugeordnet werden. Foto: Elke Mader]]
 
'''Marshall Sahlins(1972) zeigt weiters, dass in vielen kleinen,
 
'''Marshall Sahlins(1972) zeigt weiters, dass in vielen kleinen,
 
überschaubaren (= wenig stratifizierten) Gesellschaften die
 
überschaubaren (= wenig stratifizierten) Gesellschaften die
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Seither gab es verschiedene Versuche, den Eigenheiten der Häuslichen
 
Seither gab es verschiedene Versuche, den Eigenheiten der Häuslichen
 
Produktionsweise auf die Spur zu kommen ==> '''Peasant societies'''.
 
Produktionsweise auf die Spur zu kommen ==> '''Peasant societies'''.
 
[[File:theogrundlagen-302_1.jpg|frame|right|Viele indigene Gemeinschaften des Amazonasraums (z.B. die Achuar) können dem "Domestic Mode of Production" zugeordnet werden. Foto: Elke Mader]]
 
 
 
  
 
==4.3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur==
 
==4.3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur==
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[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>  
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'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]'''<br/>  
 
=5 Neomarxismus=
 
=5 Neomarxismus=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
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[[File:theogrundlagen-227_1.jpg|frame|left|Produktion von Töpferwaren in Nepal. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-227_1.jpg|thumb|none|Produktion von Töpferwaren in Nepal. Foto: Elke Mader]] </li>
[[File:theogrundlagen-227_2.jpg|frame|right|Produktion von Töpferwaren in Nepal. Foto: Elke Mader]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-227_2.jpg|thumb|none|Produktion von Töpferwaren in Nepal. Foto: Elke Mader]] </li>
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Im Zentrum einer '''Politischen Ökonomie aus marxistischer Perspektive'''
 
Im Zentrum einer '''Politischen Ökonomie aus marxistischer Perspektive'''
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.1 Claude Meillassoux|[1] Siehe Kapitel 5.2.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.1 Claude Meillassoux|[1] Siehe Kapitel 5.2.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.3 Emmanuel Terray|[2] Siehe Kapitel 5.2.3]]<br/>
 
[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.3 Emmanuel Terray|[2] Siehe Kapitel 5.2.3]]<br/>
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:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt]]<br/>
 
::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff|5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff]]<br/>
 
::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff|5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff]]<br/>
:::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerischer Installation|5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerischer Installation]]<br/>
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:::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerische Installation|5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerische Installation]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4 Warenströme|5.3.1.1.2.4 Warenströme]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4 Warenströme|5.3.1.1.2.4 Warenströme]]<br/>
 
::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika|5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika]]<br/>
 
::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika|5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika]]<br/>
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus|4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus#4 Institutionalismus und Substantivismus|4 Institutionalismus und Substantivismus]]<br/>
 
[[Neomarxismus#5 Neomarxismus|5 Neomarxismus]]<br/>
 
[[Neomarxismus#5 Neomarxismus|5 Neomarxismus]]<br/>
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'''[[Neomarxismus/Vergleich#5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich| Nächstes Kapitel: 5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich]]<br/>'''
 
'''[[Neomarxismus/Vergleich#5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich| Nächstes Kapitel: 5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich]]<br/>'''
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[[Neomarxismus#5 Neomarxismus| Vorheriges Kapitel: 5 Neomarxismus]]<br/>
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'''[[Neomarxismus#5 Neomarxismus| Vorheriges Kapitel: 5 Neomarxismus]]'''<br/>
 
=5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich=
 
=5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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*  Frankreich: strukturalistisch beeinflusst
 
*  Frankreich: strukturalistisch beeinflusst
  
```{=html}
 
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```
 
 
*  USA: stark historisch orientiert
 
*  USA: stark historisch orientiert
  
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[[Neomarxismus/Vergleich#5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich| Vorheriges Kapitel: 5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich]]<br/>
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'''[[Neomarxismus/Vergleich#5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich| Vorheriges Kapitel: 5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich]]'''<br/>
 
=5.2 Französische VertreterInnen=
 
=5.2 Französische VertreterInnen=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051127024807/http://www.alencontre.org/page/France/MeillassouxHommage.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm]<br/>
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===5.2.1.1 Verwandtschaft als Teil der Produktionsverhältnisse===
 
===5.2.1.1 Verwandtschaft als Teil der Produktionsverhältnisse===
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Auf Basis seiner '''Feldforschung bei den Gouro an der Elfenbeinküste'''
 
Auf Basis seiner '''Feldforschung bei den Gouro an der Elfenbeinküste'''
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Machtsystem''', über das Arbeit organisiert und die Produkte von Arbeit
 
Machtsystem''', über das Arbeit organisiert und die Produkte von Arbeit
 
gesteuert werden.
 
gesteuert werden.
 
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[[File:theogrundlagen-231_1.jpg|frame|left|Auf einer Hochzeit in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-231_1.jpg|thumb|none|Auf einer Hochzeit in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]] </li>
[[File:theogrundlagen-231_2.jpg|frame|right|Auf einer Hochzeit in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-231_2.jpg|thumb|none|Auf einer Hochzeit in Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]] </li>
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===5.2.1.2 Reproduktion und die Entstehung von Ungleichheit===
 
===5.2.1.2 Reproduktion und die Entstehung von Ungleichheit===
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[[File:theogrundlagen-232_1.jpg|frame|right|"Cash and Carry Ventures", Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
 
[[File:theogrundlagen-232_1.jpg|frame|right|"Cash and Carry Ventures", Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
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bleiben und wegen des Saatguts bis zur nächsten Aussaat.
 
bleiben und wegen des Saatguts bis zur nächsten Aussaat.
  
<blockquote>In dieser Sicht ist der landwirtschaftliche Zyklus von einer immer
+
<blockquote>In dieser Sicht ist der landwirtschaftliche Zyklus von einer immer wieder erneuerten Zirkulation von Vorschüssen und Rückzahlungen des Produkts zwischen den produzierenden Gruppen der aufeinander folgenden Jahreszeiten begleitet: Die Gesamtheit der Arbeiter einer Saison schießt denen der folgenden Saison Nahrung und Saatgut vor" (Meillassoux 1978: 55).</blockquote>  
wieder erneuerten Zirkulation von Vorschüssen und Rückzahlungen des
 
Produkts zwischen den produzierenden Gruppen der aufeinander folgenden
 
Jahreszeiten begleitet: Die Gesamtheit der Arbeiter einer Saison schießt
 
denen der folgenden Saison Nahrung und Saatgut vor" (Meillassoux 1978:
 
55).</blockquote>
 
  
 
Im Laufe der Zeit erfolgt ein Wechsel der Generationen, die Alten
 
Im Laufe der Zeit erfolgt ein Wechsel der Generationen, die Alten
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.2 Marcel Mauss|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.2]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Früh#4.2.2.2 Marcel Mauss|[1] Siehe Kapitel 4.2.2.2]]<br/>
  
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===5.2.1.3 Reproduktion und die fortgesetzte "ursprüngliche Akkumulation"===
 
===5.2.1.3 Reproduktion und die fortgesetzte "ursprüngliche Akkumulation"===
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[[File:theogrundlagen-233_1.jpg|frame|right|"Everything is step by step", Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
 
[[File:theogrundlagen-233_1.jpg|frame|right|"Everything is step by step", Ghana. Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
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selbst reproduktionsfähig zu sein. Bäuerliche Gesellschaften bleiben
 
selbst reproduktionsfähig zu sein. Bäuerliche Gesellschaften bleiben
 
qualitativ von der kapitalistischen Produktionsweise verschieden, aber:
 
qualitativ von der kapitalistischen Produktionsweise verschieden, aber:
<blockquote>die allgemeinen Bedingungen der Reproduktion des sozialen Ganzen
+
<blockquote>die allgemeinen Bedingungen der Reproduktion des sozialen Ganzen dagegen hängen nicht mehr von den der häuslichen Produktionsweise innewohnenden Determinanten ab, sondern von im kapitalistischen Sektor getroffenen Entscheidungen. Durch diesen im Wesen widersprüchlichen Prozess wird die häusliche Produktionsweise sowohl erhalten wie zerstört: Erhalten als soziale Organisationsform, die für den Imperialismus Wert produziert; zerstört, da die Ausbeutung sie allmählich ihrer Reproduktionsmittel beraubt" (Meillassoux 1978: 116).</blockquote>
dagegen hängen nicht mehr von den der häuslichen Produktionsweise
 
innewohnenden Determinanten ab, sondern von im kapitalistischen Sektor
 
getroffenen Entscheidungen. Durch diesen im Wesen widersprüchlichen
 
Prozess wird die häusliche Produktionsweise sowohl erhalten wie
 
zerstört: Erhalten als soziale Organisationsform, die für den
 
Imperialismus Wert produziert; zerstört, da die Ausbeutung sie
 
allmählich ihrer Reproduktionsmittel beraubt" (Meillassoux 1978: 116).</blockquote>
 
  
Durch die mehr oder weniger künstliche Aufrechterhaltung eines nicht
+
Durch die mehr oder weniger künstliche Aufrechterhaltung eines nicht vollständig durchkapitalisierten Sektors lässt sich die '''ursprüngliche Akkumulation in ein permanentes Ausbeutungsverhältnis umwandeln''',
vollständig durchkapitalisierten Sektors lässt sich die '''ursprüngliche
 
Akkumulation in ein permanentes Ausbeutungsverhältnis umwandeln''',
 
 
insofern als es Regionen und gesellschaftliche Bereiche gibt, die
 
insofern als es Regionen und gesellschaftliche Bereiche gibt, die
 
Arbeitskräfte außerhalb der Zirkulationssphäre der reinen
 
Arbeitskräfte außerhalb der Zirkulationssphäre der reinen
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx|[1] Siehe Kapitel 2.1.2.1]]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx|[1] Siehe Kapitel 2.1.2.1]]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.1 Historischer Kontext|[2] Siehe Kapitel 2.1.1]]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus/Marx#2.1.1 Historischer Kontext|[2] Siehe Kapitel 2.1.1]]<br/>
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20050216115222/http://europa.eu.int/comm/research/rtdinfo/37/article_61_en.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050216115222/http://europa.eu.int/comm/research/rtdinfo/37/article_61_en.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050216115222/http://europa.eu.int/comm/research/rtdinfo/37/article_61_en.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050216115222/http://europa.eu.int/comm/research/rtdinfo/37/article_61_en.html]<br/>
 
[https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Godelier  &#91;2&#93; https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Godelier]<br/>
 
[https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Godelier  &#91;2&#93; https://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Godelier]<br/>
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===5.2.2.1 Die Produktion der Großen Männer===
 
===5.2.2.1 Die Produktion der Großen Männer===
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[[File:theogrundlagen-235_1.jpg|frame|right|"Großer Mann" der Baruya, Godelier 1986, Abb. 18.]]
 
[[File:theogrundlagen-235_1.jpg|frame|right|"Großer Mann" der Baruya, Godelier 1986, Abb. 18.]]
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sein bedeutet nicht, dass es auch keine Ungleichheiten gibt:
 
sein bedeutet nicht, dass es auch keine Ungleichheiten gibt:
  
<blockquote>Ein Teil der Gesellschaft, die Männer, lenkte den anderen, die
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<blockquote>Ein Teil der Gesellschaft, die Männer, lenkte den anderen, die Frauen; sie regierten die Gesellschaft zwar nicht ohne die Frauen, aber gegen sie. Damit kommt der Fall der Baruya, einer klassenlosen Gesellschaft, zu all denen hinzu, die bereits deutlich davon zeugen, daß die Ungleichheit unter den Geschlechtern, die Unterordnung, Unterdrückung, ja Ausbeutung der Frauen gesellschaftliche Realitäten sind, die nicht erst mit dem Auftauchen der Klassen entstanden, sondern schon vorher existierten, auch wenn sich die Herrschaft der Männer mit den tausend Formen der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die den unseren vorausgingen, auf tausenderlei Arten gefestigt und erneuert hat." (Godelier 1987: 10)</blockquote>
Frauen; sie regierten die Gesellschaft zwar nicht ohne die Frauen, aber
 
gegen sie. Damit kommt der Fall der Baruya, einer klassenlosen
 
Gesellschaft, zu all denen hinzu, die bereits deutlich davon zeugen, daß
 
die Ungleichheit unter den Geschlechtern, die Unterordnung,
 
Unterdrückung, ja Ausbeutung der Frauen gesellschaftliche Realitäten
 
sind, die nicht erst mit dem Auftauchen der Klassen entstanden, sondern
 
schon vorher existierten, auch wenn sich die Herrschaft der Männer mit
 
den tausend Formen der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die
 
den unseren vorausgingen, auf tausenderlei Arten gefestigt und erneuert
 
hat." (Godelier 1987: 10)</blockquote>
 
  
Auch unter den Männern sind nicht alle gleich. Obwohl es keine soziale
+
Auch unter den Männern sind nicht alle gleich. Obwohl es keine soziale Klasse gibt, die sich über eine andere erhebt, existieren doch eine Anzahl von Funktionen, verdient oder ererbt, die Große Männer hervorbringen.
Klasse gibt, die sich über eine andere erhebt, existieren doch eine
 
Anzahl von Funktionen, verdient oder ererbt, die Große Männer
 
hervorbringen.
 
  
 
"Die Produktion »Großer Männer« ist somit die unerläßliche Ergänzung
 
"Die Produktion »Großer Männer« ist somit die unerläßliche Ergänzung
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====5.2.2.1.1 Die Herrschaft der Männer über die Frauen bei den Baruya====
 
====5.2.2.1.1 Die Herrschaft der Männer über die Frauen bei den Baruya====
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Die '''Baruya''' leben in zwei Hochtälern im '''östlichen Hochland
 
Die '''Baruya''' leben in zwei Hochtälern im '''östlichen Hochland
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verheirateten Männern gemeinsam gegessen.
 
verheirateten Männern gemeinsam gegessen.
  
<blockquote>Diese Entnahme und dieser kollektive Verzehr bezeugen deutlich die
+
<blockquote>Diese Entnahme und dieser kollektive Verzehr bezeugen deutlich die männliche Herrschaft und bekräftigen die kollektive Kontrolle der Männer über ein Produkt, das sie im wesentlichen der Arbeit der Frauen verdanken." (Godelier 1987: 35f)</blockquote>  
männliche Herrschaft und bekräftigen die kollektive Kontrolle der Männer
 
über ein Produkt, das sie im wesentlichen der Arbeit der Frauen
 
verdanken." (Godelier 1987: 35f)</blockquote>
 
 
 
  
  
 
====5.2.2.1.2 Die Ursachen der Ungleichheit====
 
====5.2.2.1.2 Die Ursachen der Ungleichheit====
 
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[[File:theogrundlagen-237_1.jpg|frame|right|Während der Initiationszeremonie der Baruya, Godelier 1986, Abb. 16.]]
 
Nachdem '''Godelier''' die Subsistenzweise, die Produktions- und
 
Nachdem '''Godelier''' die Subsistenzweise, die Produktions- und
 
Arbeitsprozesse, die soziale Struktur der Baruya, die Rituale der Männer
 
Arbeitsprozesse, die soziale Struktur der Baruya, die Rituale der Männer
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solcher, über die Frauen, alle Frauen als solche, zu instituieren und zu
 
solcher, über die Frauen, alle Frauen als solche, zu instituieren und zu
 
legitimieren" vermag'''. (Godelier 1987: 111)
 
legitimieren" vermag'''. (Godelier 1987: 111)
 
[[File:theogrundlagen-237_1.jpg|frame|right|Während der Initiationszeremonie der Baruya, Godelier 1986, Abb. 16.]]
 
  
 
Was passiert nun in der Knabeninitiation, die insgesamt zehn Jahre
 
Was passiert nun in der Knabeninitiation, die insgesamt zehn Jahre
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Für die ältern Schwestern eines jüngeren Knaben wird dieser durch die
 
Für die ältern Schwestern eines jüngeren Knaben wird dieser durch die
Initiation zum älteren Bruder. <blockquote>Die männliche Initiation verwandelt
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Initiation zum älteren Bruder. <blockquote>Die männliche Initiation verwandelt folglich alle Frauen in die jüngeren Schwestern ihrer jüngeren Brüder und verschiebt aus politischen und ideologischen Gründen den Platz, den die Frauen innerhalb der Genealogien und Verwandtschaftsbeziehungen einnehmen, nach unten" (Godelier 1987: 111).</blockquote>
folglich alle Frauen in die jüngeren Schwestern ihrer jüngeren Brüder
 
und verschiebt aus politischen und ideologischen Gründen den Platz, den
 
die Frauen innerhalb der Genealogien und Verwandtschaftsbeziehungen
 
einnehmen, nach unten" (Godelier 1987: 111).</blockquote>
 
  
Die Schwelle zum Männerhaus bildet ein bemaltes Brett und dieses Brett
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Die Schwelle zum Männerhaus bildet ein bemaltes Brett und dieses Brett ist das Symbol für den Körper aller Frauen, den jeder Initiant, jeder erwachsene Mann im Laufe seines Lebens viele hunderte Male überschreitet. Das Geheimnis dieser symbolischen Unterordnung der Frauen wird aber nicht den zehnjährigen Buben, die ins Männerhaus kommen,
ist das Symbol für den Körper aller Frauen, den jeder Initiant, jeder
 
erwachsene Mann im Laufe seines Lebens viele hunderte Male
 
überschreitet. Das Geheimnis dieser symbolischen Unterordnung der Frauen
 
wird aber nicht den zehnjährigen Buben, die ins Männerhaus kommen,
 
 
mitgeteilt, dieses Geheimnis erfahren sie erst kurz bevor sie mit etwas
 
mitgeteilt, dieses Geheimnis erfahren sie erst kurz bevor sie mit etwas
 
über zwanzig das Männerhaus verlassen, um dann als erster Frau ihrer
 
über zwanzig das Männerhaus verlassen, um dann als erster Frau ihrer
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Mädchen nur eines versuchen zu vermitteln: Dass sie die Unterordnung
 
Mädchen nur eines versuchen zu vermitteln: Dass sie die Unterordnung
 
unter die Männer zu akzeptieren haben.
 
unter die Männer zu akzeptieren haben.
 
 
  
 
====5.2.2.1.3 Zur Beteiligung der Frauen an der Herrschaft der Männer====
 
====5.2.2.1.3 Zur Beteiligung der Frauen an der Herrschaft der Männer====
 
+
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[[File:theogrundlagen-238_1.gif|frame|right|Ritueller Übergang von der weiblichen zur männlichen Welt, Godelier 1986, Abb. 9.]]
 
Im letzten Teil der ''Produktion der Großen Männer'', den Godelier mit
 
Im letzten Teil der ''Produktion der Großen Männer'', den Godelier mit
 
'Die Bauchrednermaschine' übertitelt, geht er auf die Beteiligung der
 
'Die Bauchrednermaschine' übertitelt, geht er auf die Beteiligung der
 
Frauen an der Herrschaft der Männer ein:
 
Frauen an der Herrschaft der Männer ein:
  
<blockquote>Dieser Glaube [an die Überlegenheit der Männer] aber wurde von
+
<blockquote>Dieser Glaube [an die Überlegenheit der Männer] aber wurde von beiden Geschlechtern geteilt, den eben diese gemeinsamen Vorstellungen bildeten die wichtigste, stumme und unsichtbare Kraft der männlichen Herrschaft" (Godelier 1987: 299).</blockquote>
beiden Geschlechtern geteilt, den eben diese gemeinsamen Vorstellungen
 
bildeten die wichtigste, stumme und unsichtbare Kraft der männlichen
 
Herrschaft" (Godelier 1987: 299).</blockquote>
 
  
Aber das Teilen der Ideen reicht nicht aus, Herrschaft funktioniert
+
Aber das Teilen der Ideen reicht nicht aus, Herrschaft funktioniert überall dann am klaglosesten, wenn die Unterdrückten die Schuld am eigenen Schicksal tragen:
überall dann am klaglosesten, wenn die Unterdrückten die Schuld am
 
eigenen Schicksal tragen:
 
  
<blockquote>Und wir wissen, daß, was die Unterdrückung betrifft, die Herrschaft
+
<blockquote>Und wir wissen, daß, was die Unterdrückung betrifft, die Herrschaft eines Teils der Gesellschaft über einen anderen (Geschlecht, Kaste, Klasse, Rasse) nur dann wirklich begründet, legitimiert ist, wenn die Opfer die schuldigen werden, wenn sie für das Los das sie erdulden, als erste verantwortlich sind." (Godelier 1987: 303f)</blockquote>
eines Teils der Gesellschaft über einen anderen (Geschlecht, Kaste,
 
Klasse, Rasse) nur dann wirklich begründet, legitimiert ist, wenn die
 
Opfer die schuldigen werden, wenn sie für das Los das sie erdulden, als
 
erste verantwortlich sind." (Godelier 1987: 303f)</blockquote>
 
  
Die einfachste Möglichkeit, einen gesellschaftlichen Unterschied zu
+
Die einfachste Möglichkeit, einen gesellschaftlichen Unterschied zu legitimieren, besteht darin, ihn in der "Natur " fest zu machen, an natürlichen Unterschieden. Die Körper von Männer und Frauen unterscheiden sich und damit kann das gesellschaftliche Unterdrückungsverhältnis für alle evident gemacht werden. Die Frauen stimmen ihrem Schicksal zu, da sie ihren anderen Körper nicht zum
legitimieren, besteht darin, ihn in der "Natur " fest zu machen, an
 
natürlichen Unterschieden. Die Körper von Männer und Frauen
 
unterscheiden sich und damit kann das gesellschaftliche
 
Unterdrückungsverhältnis für alle evident gemacht werden. Die Frauen
 
stimmen ihrem Schicksal zu, da sie ihren anderen Körper nicht zum
 
 
Verschwinden bringen können (vgl. Godelier 1987: 304).
 
Verschwinden bringen können (vgl. Godelier 1987: 304).
  
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schwächt er sie doch deutlich ab:
 
schwächt er sie doch deutlich ab:
  
<blockquote>In der männlichen Macht gibt es neben der Gewalt auch die List, den
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<blockquote>In der männlichen Macht gibt es neben der Gewalt auch die List, den Betrug, das Geheimnis, bewußt eingesetzt, um den Abstand, der die Männer von den Frauen trennt und sie vor ihnen schützt und ihre Überlegenheit sichert, aufrecht zu erhalten und zu vertiefen." (Godelier 1987: 303)</blockquote>
Betrug, das Geheimnis, bewußt eingesetzt, um den Abstand, der die Männer
 
von den Frauen trennt und sie vor ihnen schützt und ihre Überlegenheit
 
sichert, aufrecht zu erhalten und zu vertiefen." (Godelier 1987: 303)</blockquote>
 
 
 
[[File:theogrundlagen-238_1.gif|frame|right|Ritueller Übergang von der weiblichen zur männlichen Welt, Godelier 1986, Abb. 9.]]
 
 
 
 
 
  
 
===5.2.2.2 Marx, Durkheim und Lévi-Strauss bei Godelier===
 
===5.2.2.2 Marx, Durkheim und Lévi-Strauss bei Godelier===
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'''Godelier''' verwendet eine marxistische Terminologie, gleichzeitig sind
 
'''Godelier''' verwendet eine marxistische Terminologie, gleichzeitig sind
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geprägt. Ein Beispiel für diese Synthese bietet folgendes Zitat:
 
geprägt. Ein Beispiel für diese Synthese bietet folgendes Zitat:
  
<blockquote>Und was eigentlich besagt das Inzesttabu? Grundsätzlich ist es in
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<blockquote>Und was eigentlich besagt das Inzesttabu? Grundsätzlich ist es in jeder Gesellschaft die Anwesenheit eines Ordnungsgesetzes, einer grundlegenden Eigenschaft des menschlichen Daseins. Weil die Menschen im Unterschied zu den geselligen Tieren und ihren Vettern, den Schimpansen und Pavianen -- ungeachtet der Soziologen und Anthropologen -, nicht nur in Gesellschaft leben, sondern auch Gesellschaft produzieren, um leben zu können. Und eben dieses Ordnungsgesetz zeigt sich und wirkt durch das Inzesttabu und weit darüber hinaus. Das wurde von Lévi-Strauss ausgezeichnet gesehen und gesagt. Doch woran liegt es, daß der Mensch sich nicht damit zufrieden gibt, in Gesellschaft zu leben, sondern seine Gesellschaft auch produziert und verändert, um leben zu können, wenn nicht an einem objektiven, unumgänglichen Faktum, das nicht von seinem Willen abhängt: nämlich an der Tatsache, daß er die ihn umgebende Natur verändern und damit seine eigene Natur verändern kann? Das Inzestverbot, das den Wunsch des Individuums von denjenigen ablenkt, die zusammengearbeitet haben, um ihm das Leben zu schenken (und nicht nur seine nahen Angehörigen), bekräftigt tagtäglich und überall, daß das Individuum, so groß es auch sei, niemals der Ausgangspunkt der Gesellschaft ist, daß kein Individuum und keine Gruppe aus sich selbst, in der Isolierung und der Autarkie alle Bedingungen finden kann, die notwendig sind, um real, das heißt gesellschaftlich zu existieren." (Godelier 1987: 308f)</blockquote>  
jeder Gesellschaft die Anwesenheit eines Ordnungsgesetzes, einer
 
grundlegenden Eigenschaft des menschlichen Daseins. Weil die Menschen im
 
Unterschied zu den geselligen Tieren und ihren Vettern, den Schimpansen
 
und Pavianen -- ungeachtet der Soziologen und Anthropologen -, nicht nur
 
in Gesellschaft leben, sondern auch Gesellschaft produzieren, um leben
 
zu können. Und eben dieses Ordnungsgesetz zeigt sich und wirkt durch das
 
Inzesttabu und weit darüber hinaus. Das wurde von Lévi-Strauss
 
ausgezeichnet gesehen und gesagt. Doch woran liegt es, daß der Mensch
 
sich nicht damit zufrieden gibt, in Gesellschaft zu leben, sondern seine
 
Gesellschaft auch produziert und verändert, um leben zu können, wenn
 
nicht an einem objektiven, unumgänglichen Faktum, das nicht von seinem
 
Willen abhängt: nämlich an der Tatsache, daß er die ihn umgebende Natur
 
verändern und damit seine eigene Natur verändern kann? Das Inzestverbot,
 
das den Wunsch des Individuums von denjenigen ablenkt, die
 
zusammengearbeitet haben, um ihm das Leben zu schenken (und nicht nur
 
seine nahen Angehörigen), bekräftigt tagtäglich und überall, daß das
 
Individuum, so groß es auch sei, niemals der Ausgangspunkt der
 
Gesellschaft ist, daß kein Individuum und keine Gruppe aus sich selbst,
 
in der Isolierung und der Autarkie alle Bedingungen finden kann, die
 
notwendig sind, um real, das heißt gesellschaftlich zu existieren."
 
(Godelier 1987: 308f)</blockquote>
 
  
 
Durch den '''Produktionsprozess[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus|[1]]]''' verändert der Mensch die Natur um
 
Durch den '''Produktionsprozess[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus|[1]]]''' verändert der Mensch die Natur um
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'''Verweise:'''
 
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[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus|[1] Siehe Kapitel 2]]<br/>
 
[[Marxismus_historischer_Materialismus_Evolutionismus#2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus|[1] Siehe Kapitel 2]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Vordenker#4.1.1 Émile Durkheim|[2] Siehe Kapitel 4.1.1]]<br/>
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==5.2.3 Emmanuel Terray==
 
==5.2.3 Emmanuel Terray==
 
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[[File:theogrundlagen-240_1.jpg|frame|right|Romuald Hazoumé, "Citoyenne", 1997, Foto: Pascal Maître. Quelle: Zinsou 2005.]]
 
'''Emmanuel Terray geb. 1935'''
 
'''Emmanuel Terray geb. 1935'''
  
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vorwiegend mit europäischer Politik, Menschenrechten, Asyl und
 
vorwiegend mit europäischer Politik, Menschenrechten, Asyl und
 
Migration.
 
Migration.
 
[[File:theogrundlagen-240_1.jpg|frame|right|Romuald Hazoumé, "Citoyenne", 1997, Foto: Pascal Maître. Quelle: Zinsou 2005.]]
 
  
  
  
 
===5.2.3.1 Terrays Operationalisierung des Produktionsweisenkonzeptes===
 
===5.2.3.1 Terrays Operationalisierung des Produktionsweisenkonzeptes===
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In Terrays Analysezugang ist die "Produktionsweise" die zentrale
 
In Terrays Analysezugang ist die "Produktionsweise" die zentrale
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'''Verweise:'''
 
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[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.1 Claude Meillassoux|[1] Siehe Kapitel 5.2.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/Frankreich#5.2.1 Claude Meillassoux|[1] Siehe Kapitel 5.2.1]]<br/>
  
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[[Neomarxismus/Frankreich#5.2 Französische VertreterInnen| Vorheriges Kapitel: 5.2 Französische VertreterInnen]]<br/>
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'''[[Neomarxismus/Frankreich#5.2 Französische VertreterInnen| Vorheriges Kapitel: 5.2 Französische VertreterInnen]]'''<br/>
 
=5.3 VertreterInnen in den USA=
 
=5.3 VertreterInnen in den USA=
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt]]<br/>
 
::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff|5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff|5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff]]<br/>
::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerischer Installation|5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerischer Installation]]<br/>
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::::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerische Installation|5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerische Installation]]<br/>
 
::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4 Warenströme|5.3.1.1.2.4 Warenströme]]<br/>
 
::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4 Warenströme|5.3.1.1.2.4 Warenströme]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika|5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika]]<br/>
 
:::::[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika|5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika]]<br/>
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'''Verweise:'''
 
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[[Kultur-_und_Sozialanthropologie_Lateinamerikas_-_Eine_Einführung#Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas - Eine Einführung|[1] Siehe Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas: Eine Einführung''']][http://www.lateinamerika-studien.at/content/kultur/ethnologie/ethnologie-163.html  [2] Siehe Kapitel %%chapter-id%% der Lernunterlage '''Lernunterlagen-title''']<br/>
 
[[Kultur-_und_Sozialanthropologie_Lateinamerikas_-_Eine_Einführung#Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas - Eine Einführung|[1] Siehe Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas: Eine Einführung''']][http://www.lateinamerika-studien.at/content/kultur/ethnologie/ethnologie-163.html  [2] Siehe Kapitel %%chapter-id%% der Lernunterlage '''Lernunterlagen-title''']<br/>
 
[[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Eric_Wolf#3.4 Komplexe Gesellschaft, Verflechtungen und Macht bei Eric Wolf|[2] Siehe Kapitel 3.4 der Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung''']]<br/>
 
[[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Eric_Wolf#3.4 Komplexe Gesellschaft, Verflechtungen und Macht bei Eric Wolf|[2] Siehe Kapitel 3.4 der Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung''']]<br/>
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===5.3.1.1 "Die Völker ohne Geschichte" Kulturelle Verflechtungen und Politische Ökonomie===
 
===5.3.1.1 "Die Völker ohne Geschichte" Kulturelle Verflechtungen und Politische Ökonomie===
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[[File:theogrundlagen-244_1.jpg|frame|right|Allegorie Europas, die von den anderen Erdteilen gehuldigt wird. B.Picart 1719. Quelle: Kohl 1982.]]
 
[[File:theogrundlagen-244_1.jpg|frame|right|Allegorie Europas, die von den anderen Erdteilen gehuldigt wird. B.Picart 1719. Quelle: Kohl 1982.]]
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====5.3.1.1.1 Produktionsweisen und Kulturen in Interaktion====
 
====5.3.1.1.1 Produktionsweisen und Kulturen in Interaktion====
 
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[[File:theogrundlagen-245_1.jpg|frame|left]]
 
Die Grundlagen der '''Politischen Ökonomie[[Internationale_Politische_Oekonomie#Internationale Politische Ökonomie - Eine Einführung|[1]]]''' bilden in '''Eric
 
Die Grundlagen der '''Politischen Ökonomie[[Internationale_Politische_Oekonomie#Internationale Politische Ökonomie - Eine Einführung|[1]]]''' bilden in '''Eric
 
Wolf's''"Die Völker ohne Geschichte"' den analytischen Rahmen für die
 
Wolf's''"Die Völker ohne Geschichte"' den analytischen Rahmen für die
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Produktionsweisen, die miteinander in Interaktion bzw. in Konflikt
 
Produktionsweisen, die miteinander in Interaktion bzw. in Konflikt
 
treten.
 
treten.
 
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Diese Betrachtungsweise impliziert einen '''Kulturbegriff, der sich vom
 
Diese Betrachtungsweise impliziert einen '''Kulturbegriff, der sich vom
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ist - '''unterscheidet'''.
 
ist - '''unterscheidet'''.
  
<blockquote>Wenn wir demgegenüber die Realität von Gesellschaft in historisch
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<blockquote>Wenn wir demgegenüber die Realität von Gesellschaft in historisch wandelbaren, nicht endgültig abgegrenzten, vielfältigen und aufgefächerten gesellschaftlichen Formationen verorten, wird damit allerdings die Vorstellung einer ein für allemal feststehenden innerlich geschlossenen und deutlich nach außen abgegrenzten Kultur abgelöst durch ein Gespür für die Unbeständigkeit und Durchlässigkeit kultureller Gebilde." (Wolf 1991: 534)</blockquote>
wandelbaren, nicht endgültig abgegrenzten, vielfältigen und
 
aufgefächerten gesellschaftlichen Formationen verorten, wird damit
 
allerdings die Vorstellung einer ein für allemal feststehenden innerlich
 
geschlossenen und deutlich nach außen abgegrenzten Kultur abgelöst durch
 
ein Gespür für die Unbeständigkeit und Durchlässigkeit kultureller
 
Gebilde." (Wolf 1991: 534)</blockquote>
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Internationale_Politische_Oekonomie#Internationale Politische Ökonomie - Eine Einführung|[1] Siehe Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie - Eine Einführung''']]<br/>
 
[[Internationale_Politische_Oekonomie#Internationale Politische Ökonomie - Eine Einführung|[1] Siehe Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie - Eine Einführung''']]<br/>
 
  
 
====5.3.1.1.2 Menschen und Ökonomien im weltweiten "Geflecht von Zusammenhängen"====
 
====5.3.1.1.2 Menschen und Ökonomien im weltweiten "Geflecht von Zusammenhängen"====
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[[File:theogrundlagen-246_1.jpg|frame|right|Romuald Hazoumé, "Dogon", 1996, Foto Pascal Maître. Quelle: Zinsou 2005.]]
 
[[File:theogrundlagen-246_1.jpg|frame|right|Romuald Hazoumé, "Dogon", 1996, Foto Pascal Maître. Quelle: Zinsou 2005.]]
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regionaler Verknüpfungen und Zusammenhänge aufweist:
 
regionaler Verknüpfungen und Zusammenhänge aufweist:
  
<blockquote>Aber erst das Ausgreifen der Europäer über die Ozeane hinweg hat
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<blockquote>Aber erst das Ausgreifen der Europäer über die Ozeane hinweg hat diese regional geknüpften Verbindungsnetzwerke zu einer globalen Partitur vereint und sie einem weltumspannenden Rhythmus unterworfen. Von diesen Kräften wurden Menschen von ganz unterschiedlicher Herkunft und aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnissen in gleichartige Tätigkeiten hineingezogen und dazu gedrängt, sich am Aufbau einer einzigen gemeinsamen Welt zu beteiligen. [...] Die Gesellschaften und Kulturen all dieser Menschen machten während dieses Prozesses entscheidende Veränderungen durch." (Wolf 1991: 531-532)</blockquote>
diese regional geknüpften Verbindungsnetzwerke zu einer globalen
 
Partitur vereint und sie einem weltumspannenden Rhythmus unterworfen.
 
Von diesen Kräften wurden Menschen von ganz unterschiedlicher Herkunft
 
und aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnissen in
 
gleichartige Tätigkeiten hineingezogen und dazu gedrängt, sich am Aufbau
 
einer einzigen gemeinsamen Welt zu beteiligen. [...] Die
 
Gesellschaften und Kulturen all dieser Menschen machten während dieses
 
Prozesses entscheidende Veränderungen durch." (Wolf 1991: 531-532)</blockquote>
 
  
'''Eric Wolf''' (1986) untersucht diese Prozesse an Hand von vielfältigen
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'''Eric Wolf''' (1986) untersucht diese Prozesse an Hand von vielfältigen Beispielen. Er analysiert u.a.:
Beispielen. Er analysiert u.a.:
 
  
 
*  '''Die politischen und ökonomischen Bedingungen und Ziele der europäischen Expansion in der Neuzeit''' und erarbeitet Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf einzelne Staaten oder Verbände (Spanien, Portugal, England, Frankreich, Niederlande).
 
*  '''Die politischen und ökonomischen Bedingungen und Ziele der europäischen Expansion in der Neuzeit''' und erarbeitet Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf einzelne Staaten oder Verbände (Spanien, Portugal, England, Frankreich, Niederlande).
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====5.3.1.1.2.1 Silberökonomie und Hacienda====
 
====5.3.1.1.2.1 Silberökonomie und Hacienda====
 
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[[File:theogrundlagen-247_1.jpg|frame|right|Bergbau im kolonialen Südamerika. Stich von de Bry 1601. Quelle: Kohl 1982.]]
 
Die '''Conquista''', die Eroberung und Kolonisation der indianischen
 
Die '''Conquista''', die Eroberung und Kolonisation der indianischen
 
Gesellschaften in Mittel- und Südamerika durch Spanien und Portugal
 
Gesellschaften in Mittel- und Südamerika durch Spanien und Portugal
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Element in diesem Gefüge war der Handel:
 
Element in diesem Gefüge war der Handel:
  
<blockquote>Spanien bezog aus der Neuen Welt Silber, Gold, Kakao, Koschenille und
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<blockquote>Spanien bezog aus der Neuen Welt Silber, Gold, Kakao, Koschenille und Indigo, in umgekehrter Richtung lieferte es teure Manufaktur- und Luxusprodukte. Ein großer, wenn nicht der größte Teil dieser Produkte stammte nicht aus Spanien selber, sondern vor allem aus Nordwesteuropa." (Wolf 1991: 204)</blockquote>
Indigo, in umgekehrter Richtung lieferte es teure Manufaktur- und
 
Luxusprodukte. Ein großer, wenn nicht der größte Teil dieser Produkte
 
stammte nicht aus Spanien selber, sondern vor allem aus
 
Nordwesteuropa." (Wolf 1991: 204)</blockquote>
 
  
Die '''Ökonomie der spanischen Kronländer''' beruhte zu einem guten Teil
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Die '''Ökonomie der spanischen Kronländer''' beruhte zu einem guten Teil auf der Gewinnung von Edelmetallen. Zwischen 1503 und 1660 trafen in Sevilla knapp 3,5 Millionen Kilo amerikanischen Silbers ein, wodurch sich die europäischen Silbervorräte verdreifachten. Die '''"Silberökonomie"''' (besonders ausgeprägt in Mexiko, Peru und Bolivien) band durch transkontinentalen Handel mit Europa und Asien
auf der Gewinnung von Edelmetallen. Zwischen 1503 und 1660 trafen in
 
Sevilla knapp 3,5 Millionen Kilo amerikanischen Silbers ein, wodurch
 
sich die europäischen Silbervorräte verdreifachten. Die
 
'''"Silberökonomie"''' (besonders ausgeprägt in Mexiko, Peru und
 
Bolivien) band durch transkontinentalen Handel mit Europa und Asien
 
 
lokale (indianische) Gemeinschaften in ein großräumiges ökonomisches
 
lokale (indianische) Gemeinschaften in ein großräumiges ökonomisches
 
Gefüge ein.
 
Gefüge ein.
 
[[File:theogrundlagen-247_1.jpg|frame|right|Bergbau im kolonialen Südamerika. Stich von de Bry 1601. Quelle: Kohl 1982.]]
 
  
 
Wolf spricht in diesem Zusammenhang von '''"erzwungenem Handel"'''
 
Wolf spricht in diesem Zusammenhang von '''"erzwungenem Handel"'''
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Lateinamerikas (vgl. Wolf 1991: 192-216).
 
Lateinamerikas (vgl. Wolf 1991: 192-216).
  
 
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====5.3.1.1.2.2 Handelsplätze und Plantagen====
 
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====5.3.1.1.2.2 Handelsplätze und Plantagen====
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[[File:theogrundlagen-248_1.jpg|frame|right|Zuckerverarbeitung in Brasiien. Gemälde von M.Rugendas 1835, Quelle Kohl 1982.]]
 
 
 
In '''Brasilien''' war die frühe koloniale Ökonomie durch weitreichende
 
In '''Brasilien''' war die frühe koloniale Ökonomie durch weitreichende
 
Handels- und Tauschbeziehungen geprägt (z.B. im Rahmen des Handels mit
 
Handels- und Tauschbeziehungen geprägt (z.B. im Rahmen des Handels mit
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Maria?) lokaler Gemeinschaften sowie nationale und globale ökonomische
 
Maria?) lokaler Gemeinschaften sowie nationale und globale ökonomische
 
Prozesse.
 
Prozesse.
 
[[File:theogrundlagen-248_1.jpg|frame|right|Zuckerverarbeitung in Brasiien. Gemälde von M.Rugendas 1835, Quelle Kohl 1982.]]
 
  
 
Eric Wolf behandelt vor allem die '''Entwicklung der Zuckerökonomie in
 
Eric Wolf behandelt vor allem die '''Entwicklung der Zuckerökonomie in
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wurden im 16. Jahrhundert die ersten Zuckerrohrplantagen angelegt:
 
wurden im 16. Jahrhundert die ersten Zuckerrohrplantagen angelegt:
  
<blockquote>...wurde damit eine Agrikultur in die Neue Welt verpflanzt, die
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<blockquote>...wurde damit eine Agrikultur in die Neue Welt verpflanzt, die schon lange im östlichen Mittelmeer zuhause war, wo die Araber sie gegen Ende des ersten Jahrtausends n.Chr. eingeführt hatten. In den Jahrhunderten vor der Eroberung der Neuen Welt hatte sich der Zuckeranbau über die Mittelmeerinseln langsam nach Westen vorgeschoben." (Wolf 1991: 217)</blockquote>
schon lange im östlichen Mittelmeer zuhause war, wo die Araber sie gegen
 
Ende des ersten Jahrtausends n.Chr. eingeführt hatten. In den
 
Jahrhunderten vor der Eroberung der Neuen Welt hatte sich der
 
Zuckeranbau über die Mittelmeerinseln langsam nach Westen
 
vorgeschoben." (Wolf 1991: 217)</blockquote>
 
  
Die '''Zuckerproduktion''' wurde von mehreren Staaten und ihren
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Die '''Zuckerproduktion''' wurde von mehreren Staaten und ihren Handelsagenturen dominiert. In Brasilien bestimmten die Portugiesen die Produktion, während Flamen und Holländer die Verbreitung des Produkts und die Finanzierung des Transports bewerkstelligten. So wurden Antwerpen und Amsterdam zu den wichtigsten Zentren der Zuckerraffinerien, wie auch zu Finanzzentren des portugiesischen
Handelsagenturen dominiert. In Brasilien bestimmten die Portugiesen die
 
Produktion, während Flamen und Holländer die Verbreitung des Produkts
 
und die Finanzierung des Transports bewerkstelligten. So wurden
 
Antwerpen und Amsterdam zu den wichtigsten Zentren der
 
Zuckerraffinerien, wie auch zu Finanzzentren des portugiesischen
 
 
Zuckerhandels (Wolf 1991: 218).
 
Zuckerhandels (Wolf 1991: 218).
  
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.5 Formen des Handels nach Polanyi|[1] Siehe Kapitel 4.3.1.5]]<br/>
 
[[Institutionalismus_und_Substantivismus/Substantivisten#4.3.1.5 Formen des Handels nach Polanyi|[1] Siehe Kapitel 4.3.1.5]]<br/>
 
[[Chronisten_und_Missionare/Hans_Staden#1.4 Hans Staden bei den "Menschenfresser-Leuten"|[2] Siehe Kapitel 1.4 der Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung''']]<br/>
 
[[Chronisten_und_Missionare/Hans_Staden#1.4 Hans Staden bei den "Menschenfresser-Leuten"|[2] Siehe Kapitel 1.4 der Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung''']]<br/>
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[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|[7] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.3]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|[7] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.3]]<br/>
 
[[Brasilien_1889_-_1985|[8] Siehe die Lernunterlage '''Brasilien 1889 - 1985: Von der Ersten Republik bis zum Ende der Militärdiktatur''']]<br/>
 
[[Brasilien_1889_-_1985|[8] Siehe die Lernunterlage '''Brasilien 1889 - 1985: Von der Ersten Republik bis zum Ende der Militärdiktatur''']]<br/>
 
  
 
====5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt====
 
====5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt====
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[[File:theogrundlagen-249_1.jpg|frame|right|Sklaven auf dem Weg in die Neue Welt. Quelle: Assogba (1990: 29).]]
 
[[File:theogrundlagen-249_1.jpg|frame|right|Sklaven auf dem Weg in die Neue Welt. Quelle: Assogba (1990: 29).]]
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Beteiligten:
 
Beteiligten:
  
<blockquote>Die Aufgabe, die Sklaven zu ergreifen, zu versorgen und innerhalb
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<blockquote>Die Aufgabe, die Sklaven zu ergreifen, zu versorgen und innerhalb Afrikas zu transportieren, lag in afrikanischen Händen; die Europäer hingegen sorgten anschließend dafür, daß sie nach Übersee verfrachtet, dort akklimatisiert bzw. 'gebrochen' und abschließend an die Sklavenhalter verkauft wurden. Um die amerikanische Nachfrage befriedigen zu können, war der Sklavehandel darauf angewiesen, daß Menschenaufkäufer und Menschenlieferanten aktiv zusammenarbeiteten und daß diese Aktivitäten von beiden Seiten subtil aufeinander abgestimmt waren". (Wolf 1991: 322f)</blockquote>
Afrikas zu transportieren, lag in afrikanischen Händen; die Europäer
 
hingegen sorgten anschließend dafür, daß sie nach Übersee verfrachtet,
 
dort akklimatisiert bzw. 'gebrochen' und abschließend an die
 
Sklavenhalter verkauft wurden. Um die amerikanische Nachfrage
 
befriedigen zu können, war der Sklavehandel darauf angewiesen, daß
 
Menschenaufkäufer und Menschenlieferanten aktiv zusammenarbeiteten und
 
daß diese Aktivitäten von beiden Seiten subtil aufeinander abgestimmt
 
waren". (Wolf 1991: 322f)</blockquote>
 
  
In Auseinandersetzung mit den Thesen von Eric Williams zu frühem
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In Auseinandersetzung mit den Thesen von Eric Williams zu frühem Kapitalismus und Industrialisierung Europas (Williams 1996), in denen er erläutert, dass England aufgrund seiner Dominanz im transatlantischen Handel die führende Position in der ökonomisch-technologischen Entwicklung einnahm, '''sieht Wolf den Sklavenhandel nicht als einziges Element, wohl aber als den "maßgeblichen dynamischen Faktor" der
Kapitalismus und Industrialisierung Europas (Williams 1996), in denen er
 
erläutert, dass England aufgrund seiner Dominanz im transatlantischen
 
Handel die führende Position in der ökonomisch-technologischen
 
Entwicklung einnahm, '''sieht Wolf den Sklavenhandel nicht als einziges
 
Element, wohl aber als den "maßgeblichen dynamischen Faktor" der
 
 
wirtschaftlichen Transformationen und des Aufstiegs Europas an'''.
 
wirtschaftlichen Transformationen und des Aufstiegs Europas an'''.
  
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====5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff====
 
====5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff====
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[[File:theogrundlagen-307_1.gif|frame|right|Aufriss des Sklavenschiffs "La Vigilante", Fassungsvermögen 227 Männer und 120 Frauen, ca 1822. Quelle: Assogba (1990: 31).]]
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[[File:theogrundlagen-307_1.gif|frame|center|Aufriss des Sklavenschiffs "La Vigilante", Fassungsvermögen 227 Männer und 120 Frauen, ca 1822. Quelle: Assogba (1990: 31).]]
 
 
 
 
 
 
====5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerischer Installation====
 
 
 
[[File:theogrundlagen-308_1.jpg|frame|right|Bouche du roi. Installation von Romuald Hazoumé (2005), Houston, Texas: The Menil Collection.Quelle: Zinsou (2005: 83).]]
 
  
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====5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerische Installation====
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[[File:theogrundlagen-308_1.jpg|frame|center|Bouche du roi. Installation von Romuald Hazoumé (2005), Houston, Texas: The Menil Collection.Quelle: Zinsou (2005: 83).]]
  
 
====5.3.1.1.2.4 Warenströme====
 
====5.3.1.1.2.4 Warenströme====
 
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[[File:theogrundlagen-250_1.jpg|frame|right|Romuald Hazoumé, "Porta via" (Installation), 2002, Foto Philippe Roudy. Quelle: Zinsou 2005.]]
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[[File:theogrundlagen-250_1.jpg|frame|left|Romuald Hazoumé, "Porta via" (Installation), 2002, Foto Philippe Roudy. Quelle: Zinsou 2005.]]
 
 
 
Im '''19. Jahrhundert erhöhte sich in Europa die Nachfrage nach
 
Im '''19. Jahrhundert erhöhte sich in Europa die Nachfrage nach
 
Rohstoffen und Nahrungsmitteln''' und ließ einen stark erweiterten Markt
 
Rohstoffen und Nahrungsmitteln''' und ließ einen stark erweiterten Markt
 
von weltweiten Dimensionen entstehen.
 
von weltweiten Dimensionen entstehen.
  
<blockquote>Ganze Regionen spezialisierten sich auf die Produktion einiger
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<blockquote>Ganze Regionen spezialisierten sich auf die Produktion einiger weniger Rohstoffe oder landwirtschaftlich erzeugter Nahrungs- und Genussmittel. Ein solche regionale Spezialisierung hatte sich zum Teil schon unter der Ägide des Handels entwickelt - ein Beispiel ist die Zuckerproduktion in der karibischen Region. In anderen Fällen - das gilt z.B. für die Baumwollanbauregionen der Vereinigten Staaten, Ägyptens und Indiens - war die Spezialisierung die Antwort auf die Anfänge der kapitalistischen Entwicklung." (Wolf 1991: 432)</blockquote>
weniger Rohstoffe oder landwirtschaftlich erzeugter Nahrungs- und
 
Genussmittel. Ein solche regionale Spezialisierung hatte sich zum Teil
 
schon unter der Ägide des Handels entwickelt - ein Beispiel ist die
 
Zuckerproduktion in der karibischen Region. In anderen Fällen - das gilt
 
z.B. für die Baumwollanbauregionen der Vereinigten Staaten, Ägyptens und
 
Indiens - war die Spezialisierung die Antwort auf die Anfänge der
 
kapitalistischen Entwicklung." (Wolf 1991: 432)</blockquote>
 
  
Diese Entwicklungen '''intensivierten den Warentausch''' zwischen
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Diese Entwicklungen '''intensivierten den Warentausch''' zwischen unterschiedlichen kulturellen und ökonomischen Gefügen bzw.
unterschiedlichen kulturellen und ökonomischen Gefügen bzw.
 
 
Produktionsweisen. Wolf bezeichnet diesen Markt als "eine Arena, in der
 
Produktionsweisen. Wolf bezeichnet diesen Markt als "eine Arena, in der
 
sich die widerstreitenden Produktionsweisen - auf der Ebene des
 
sich die widerstreitenden Produktionsweisen - auf der Ebene des
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verfügen, fließen Warenströme und Kulturströme ('cultural flows') oft
 
verfügen, fließen Warenströme und Kulturströme ('cultural flows') oft
 
mit- und ineinander (vgl. z.B. Appadurai 2001, Spittler 2002).
 
mit- und ineinander (vgl. z.B. Appadurai 2001, Spittler 2002).
 
 
  
 
====5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika====
 
====5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika====
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[[File:theogrundlagen-251_1.gif|frame|right|Routen für den Nordamerikanischen Pelzhandel. Quelle: Wolf (1997), Karte: 162.]]<blockquote>Über drei Jahrhunderte lang blühte und expandierte der Pelzhandel in Nordamerika und zog ständig neue Gruppen der Ureinwohner in die immer weiter aufgreifende Kreisläufe des Warentausches, der sich zwischen den hereinströmenden Europäern und ihren eingeborenen Handelpartnern angebahnt hatte. (Wolf 1991: 274)</blockquote> 
  
<blockquote>Über drei Jahrhunderte lang blühte und expandierte der Pelzhandel in
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'''Native Americans''' (USA, Kanada) lieferten seit dem 17. Jahrhundert durch eine Intensivierung der Jagd vor allem Biberpelze für den europäischen Hutmarkt und erwarben dafür diverse Produkte aus landwirtschaftlicher und industrieller Produktion. Neben den Hackbau treibenden Gruppen der Ostküste waren vor allem Jäger und Sammler-Gemeinschaften in die Handelsnetzwerke involviert. Der
Nordamerika und zog ständig neue Gruppen der Ureinwohner in die immer
 
weiter aufgreifende Kreisläufe des Warentausches, der sich zwischen den
 
hereinströmenden Europäern und ihren eingeborenen Handelpartnern
 
angebahnt hatte.<blockquote> (Wolf 1991: 274)</blockquote>
 
 
 
'''Native Americans''' (USA, Kanada) lieferten seit dem 17. Jahrhundert
 
durch eine Intensivierung der Jagd vor allem Biberpelze für den
 
europäischen Hutmarkt und erwarben dafür diverse Produkte aus
 
landwirtschaftlicher und industrieller Produktion. Neben den Hackbau
 
treibenden Gruppen der Ostküste waren vor allem Jäger und
 
Sammler-Gemeinschaften in die Handelsnetzwerke involviert. Der
 
 
Pelzhandel und die europäischen Händler wanderten im Laufe der nächsten
 
Pelzhandel und die europäischen Händler wanderten im Laufe der nächsten
 
Jahrhunderte von Neufundland bis an die kanadische Pazifikküste, da die
 
Jahrhunderte von Neufundland bis an die kanadische Pazifikküste, da die
 
Biber-Bestände nach und nach ausgerottet wurden (Wolf 1986: 232).
 
Biber-Bestände nach und nach ausgerottet wurden (Wolf 1986: 232).
 
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[[File:theogrundlagen-251_2.jpg|frame|left|Kwakiutl Chief, Ethnologisches Museum, Berlin, Foto JohnsonQuelle: '''https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html [https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html  &#91;1&#93;]''']]
[[File:theogrundlagen-251_1.gif|frame|right|Routen für den Nordamerikanischen Pelzhandel. Quelle: Wolf (1997), Karte: 162.]]
 
 
 
 
An der '''kanadischen Pazifikküste''' bei den Kwakiutl, Tlingit, Haida und
 
An der '''kanadischen Pazifikküste''' bei den Kwakiutl, Tlingit, Haida und
 
Tsimian bildeten im 18. und 19. Jahrhundert Seeotterfelle eine wichtige
 
Tsimian bildeten im 18. und 19. Jahrhundert Seeotterfelle eine wichtige
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Heiratspolitik, zur Ausweitung ihres Handelsnetzwerkes und zur Stärkung
 
Heiratspolitik, zur Ausweitung ihres Handelsnetzwerkes und zur Stärkung
 
ihrer gesellschaftlichen Vorrechte" (Wolf 1991: 269).
 
ihrer gesellschaftlichen Vorrechte" (Wolf 1991: 269).
 
[[File:theogrundlagen-251_2.jpg|frame|right|Kwakiutl Chief, Ethnologisches Museum, Berlin, Foto JohnsonQuelle: '''https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html [https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html  &#91;1&#93;]''']]
 
  
 
Die '''wachsende Konservenindustrie''' (Lachs) in der Region beschäftigte
 
Die '''wachsende Konservenindustrie''' (Lachs) in der Region beschäftigte
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20050218072841/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/KWA/kwa0g.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051231225705/http://college.hmco.com/history/readerscomp/naind/html/na_019100_kwakiutl.htm  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20051231225705/http://college.hmco.com/history/readerscomp/naind/html/na_019100_kwakiutl.htm]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051231225705/http://college.hmco.com/history/readerscomp/naind/html/na_019100_kwakiutl.htm  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20051231225705/http://college.hmco.com/history/readerscomp/naind/html/na_019100_kwakiutl.htm]<br/>
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[https://web.archive.org/web/20050220121215/http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=kwk  &#91;4&#93; https://web.archive.org/web/20050220121215/http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=kwk]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050220121215/http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=kwk  &#91;4&#93; https://web.archive.org/web/20050220121215/http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=kwk]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051201025745/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/kwa.html  &#91;5&#93; https://web.archive.org/web/20051201025745/http://sorrel.humboldt.edu/~rwj1/kwa.html]<br/>
 
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====5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee====
 
====5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee====
 
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[[File:theogrundlagen-252_1.jpg|frame|left|Opiumkonsum in China. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html [https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html  &#91;2&#93;]''']][[File:theogrundlagen-252_2.jpg|frame|right|Karikatur über Kolonialpolitik des 19.Jh. in China. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/ [https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/  &#91;3&#93;]''']]
 
'''Warenströme kennzeichnen Handel und Eroberungspolitik''' in Asien im
 
'''Warenströme kennzeichnen Handel und Eroberungspolitik''' in Asien im
 
18. und 19. Jahrhundert. Seit dem Beginn der europäischen Expansion in
 
18. und 19. Jahrhundert. Seit dem Beginn der europäischen Expansion in
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Reich immer wieder den europäischen Handel mit Indien und China
 
Reich immer wieder den europäischen Handel mit Indien und China
 
gekennzeichnet hat.
 
gekennzeichnet hat.
 
[[File:theogrundlagen-252_1.jpg|frame|right|Opiumkonsum in China. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html [https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html  &#91;2&#93;]''']]
 
  
 
Um diesen Kreislauf zu ihrem Vorteil zu unterbrechen, begann die schwer
 
Um diesen Kreislauf zu ihrem Vorteil zu unterbrechen, begann die schwer
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357-360, 475-480).
 
357-360, 475-480).
  
[[File:theogrundlagen-252_2.jpg|frame|right|Karikatur über Kolonialpolitik des 19.Jh. in China. Quelle: '''https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/ [https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/  &#91;3&#93;]''']]
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'''Verweise:'''
  
'''Verweise:'''
 
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.1 Silberökonomie und Hacienda|[1] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.1 Silberökonomie und Hacienda|[1] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.1]]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20050818142830/http://www.opioids.com/opium/opiumwar.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/  &#91;3&#93; https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/  &#91;3&#93; https://web.archive.org/web/20051214233007/http://www.rotten.com/library/crime/drugs/opium/]<br/>
 
 
  
 
====5.3.1.1.2.4.3 Der Kautschukboom im Amazonasgebiet====
 
====5.3.1.1.2.4.3 Der Kautschukboom im Amazonasgebiet====
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Die '''Warenströme im 19. Jahrhundert''' beinhalteten auch pflanzliche
 
Die '''Warenströme im 19. Jahrhundert''' beinhalteten auch pflanzliche
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[[File:theogrundlagen-253_1.jpg|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-253_1.jpg|frame|right]]
  
Kautschuk
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'''Kautschuk'''
  
 
(das Harz des Baums 'Hevea Brasliliensis') wurde während des größten
 
(das Harz des Baums 'Hevea Brasliliensis') wurde während des größten
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und Indonesien zum Erliegen. In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde
 
und Indonesien zum Erliegen. In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde
 
Kautschuk als Rohmaterial zum Großteil durch Kunststoffe abgelöst.
 
Kautschuk als Rohmaterial zum Großteil durch Kunststoffe abgelöst.
 
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<div><ul>
[[File:theogrundlagen-253_2.jpg|frame|right|Kautschukbearbeitung und Transport im Amazonasgebiet.]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-253_2.jpg|thumb|none|Kautschukbearbeitung und Transport im Amazonasgebiet.]] </li>
[[File:theogrundlagen-253_3.jpg|frame|right|Kautschukbearbeitung und Transport im Amazonasgebiet.]]
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<li style="display: inline-block;"> [[File:theogrundlagen-253_3.jpg|thumb|none|Kautschukbearbeitung und Transport im Amazonasgebiet.]] </li>
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</ul></div>
  
 
Kautschuk wurde im Amazonasgebiet von Indianern und Siedlern gesammelt,
 
Kautschuk wurde im Amazonasgebiet von Indianern und Siedlern gesammelt,
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*  Genese neuer kultureller und sozialer Gefüge
 
*  Genese neuer kultureller und sozialer Gefüge
 
*  verschiedene Transformationen der bestehenden sozialen und ökonomischen Ordnung einzelner Gruppen
 
*  verschiedene Transformationen der bestehenden sozialen und ökonomischen Ordnung einzelner Gruppen
 
 
  
 
====5.3.1.1.2.4.4 Kautschukgewinnung bei den Mundurucú (Brasilien)====
 
====5.3.1.1.2.4.4 Kautschukgewinnung bei den Mundurucú (Brasilien)====
 
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[[File:theogrundlagen-254_1.jpg|frame|right|Marilda Castanha. Die Schöpfung der Welt in der Mythologie der MundurukuQuelle: '''https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html [https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html  &#91;1&#93;]''']]
 
Aufbauend auf den Studien von Robert Murphy (1960) erörtert Wolf
 
Aufbauend auf den Studien von Robert Murphy (1960) erörtert Wolf
 
Veränderungsprozesse der bestehenden sozialen und ökonomischen Ordnung
 
Veränderungsprozesse der bestehenden sozialen und ökonomischen Ordnung
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Austauschbeziehungen (Wolf 1991: 453-456).
 
Austauschbeziehungen (Wolf 1991: 453-456).
  
[[File:theogrundlagen-254_1.jpg|frame|right|Marilda Castanha. Die Schöpfung der Welt in der Mythologie der MundurukuQuelle: '''https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html [https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html  &#91;1&#93;]''']]
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'''Verweise:'''
  
'''Verweise:'''
 
 
[https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20060508172122/http://www.icoloridelsacro.org/2003/img_pagine/full_stampa/04.html]<br/>
 
 
  
 
==5.3.2 Sidney Mintz==
 
==5.3.2 Sidney Mintz==
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'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[http://www.mc.vanderbilt.edu/reporter/reporter_jpgs/reporter_4.10.98_3.jpg  &#91;1&#93; http://www.mc.vanderbilt.edu/reporter/reporter_jpgs/reporter_4.10.98_3.jpg]<br/>
 
[http://www.mc.vanderbilt.edu/reporter/reporter_jpgs/reporter_4.10.98_3.jpg  &#91;1&#93; http://www.mc.vanderbilt.edu/reporter/reporter_jpgs/reporter_4.10.98_3.jpg]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060524225423/http://anthropology.jhu.edu/Sidney%20Mintz/  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060524225423/http://anthropology.jhu.edu/Sidney%20Mintz/]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060524225423/http://anthropology.jhu.edu/Sidney%20Mintz/  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060524225423/http://anthropology.jhu.edu/Sidney%20Mintz/]<br/>
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===5.3.2.1 Süße Macht: Sidney Mintz und die Geschichte des Zuckers===
 
===5.3.2.1 Süße Macht: Sidney Mintz und die Geschichte des Zuckers===
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[[File:theogrundlagen-256_1.gif|frame|right]]
 
[[File:theogrundlagen-256_1.gif|frame|right]]
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====5.3.2.1.1 Die Süße und der Konsum von Zucker====
 
====5.3.2.1.1 Die Süße und der Konsum von Zucker====
 
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[[File:theogrundlagen-257_1.gif|frame|right]]
 
Der '''anthropologische Blick auf Essen und Ernährung als Teilstück einer
 
Der '''anthropologische Blick auf Essen und Ernährung als Teilstück einer
 
Anthropologie des modernen Lebens''' fokussiert sich im ersten Abschnitt
 
Anthropologie des modernen Lebens''' fokussiert sich im ersten Abschnitt
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Süßem sind in ein breites Spektrum von historischen, sozialen und
 
Süßem sind in ein breites Spektrum von historischen, sozialen und
 
ökonomischen Prozessen eingebunden.
 
ökonomischen Prozessen eingebunden.
 
[[File:theogrundlagen-257_1.gif|frame|right]]
 
  
 
'''Mintz analysiert die Bedeutung der Süße''' im Rahmen der Geschichte der
 
'''Mintz analysiert die Bedeutung der Süße''' im Rahmen der Geschichte der
 
Nahrung in Europa.
 
Nahrung in Europa.
  
<blockquote>Wenngleich Fürchte und Honig für die Engländer vor 1650 die
+
<blockquote>Wenngleich Fürchte und Honig für die Engländer vor 1650 die Hauptquelle für Süße darstellten, scheinen sie in der englischen Kost keine wesentliche Rolle gespielt zu haben. Zucker, gewonnen aus dem Saft des Zuckerrohrs, erreichte England in kleinen Mengen etwa ums Jahr 1100; während der folgenden 500 Jahre stieg die Menge des verfügbaren Rohrzuckers ohne Zweifel an, aber nur langsam und keineswegs stetig. (Mintz 1987:26)</blockquote>
Hauptquelle für Süße darstellten, scheinen sie in der englischen Kost
 
keine wesentliche Rolle gespielt zu haben. Zucker, gewonnen aus dem Saft
 
des Zuckerrohrs, erreichte England in kleinen Mengen etwa ums Jahr 1100;
 
während der folgenden 500 Jahre stieg die Menge des verfügbaren
 
Rohrzuckers ohne Zweifel an, aber nur langsam und keineswegs stetig.</blockquote>
 
(Mintz 1987:26)</blockquote>
 
  
 
'''Ab dem 16. Jahrhundert kommt es zu einer erheblichen Steigerung des
 
'''Ab dem 16. Jahrhundert kommt es zu einer erheblichen Steigerung des
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Höhepunkt erreicht. Heute stellt Zucker einen unentbehrlichen
 
Höhepunkt erreicht. Heute stellt Zucker einen unentbehrlichen
 
Bestandteil der Ernährung in Europa (und anderswo) dar.
 
Bestandteil der Ernährung in Europa (und anderswo) dar.
 
 
  
 
====5.3.2.1.2 Bedeutung und Politische Ökonomie des Zuckers====
 
====5.3.2.1.2 Bedeutung und Politische Ökonomie des Zuckers====
 
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[[File:theogrundlagen-258_1.jpg|frame|left|Zuckerwatte am Wiener Christkindlmarkt. Foto: Elke Mader]]
 
In Anbetracht der geringen Relevanz von Zucker bzw. Süßem für die
 
In Anbetracht der geringen Relevanz von Zucker bzw. Süßem für die
 
europäischen Ernährungsgewohnheiten bis zum 19. Jahrhundert, wo Zucker
 
europäischen Ernährungsgewohnheiten bis zum 19. Jahrhundert, wo Zucker
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beschäftigt sich mit der '''Bedeutung des Zuckers'''.
 
beschäftigt sich mit der '''Bedeutung des Zuckers'''.
  
<blockquote>Die »Bedeutung« läßt sich in diesem Fall nicht einfach »ablesen« oder
+
<blockquote>Die »Bedeutung« läßt sich in diesem Fall nicht einfach »ablesen« oder »entziffern«, sie erwächst vielmehr aus dem kulturellen Gebrauch, den der Zucker von sich machen ließ, aus den Verwendungen, denen er zugeführt wurde. Kurz, die Bedeutung ist eine Konsequenz einer Aktivität. Das heißt nicht, Kultur sei nichts als eine Art von Verhalten (oder lasse sich alleine darauf reduzieren). Aber nicht danach zu fragen, wie die Bedeutung in das Verhalten hineingelangt, das Produkt ohne Kenntnis seiner Produktion erfassen zu wollen, heißt die Geschichte - wieder einmal - auszublenden, sie zu ignorieren. [...] Es gilt den Prozess der Kodifizierung und nicht nur den Kode selbst zu entschlüsseln. (Mintz 1987: 41)</blockquote>
»entziffern«, sie erwächst vielmehr aus dem kulturellen Gebrauch, den
 
der Zucker von sich machen ließ, aus den Verwendungen, denen er
 
zugeführt wurde. Kurz, die Bedeutung ist eine Konsequenz einer
 
Aktivität. Das heißt nicht, Kultur sei nichts als eine Art von Verhalten
 
(oder lasse sich alleine darauf reduzieren). Aber nicht danach zu
 
fragen, wie die Bedeutung in das Verhalten hineingelangt, das Produkt
 
ohne Kenntnis seiner Produktion erfassen zu wollen, heißt die Geschichte
 
- wieder einmal - auszublenden, sie zu ignorieren. [...] Es gilt den
 
Prozess der Kodifizierung und nicht nur den Kode selbst zu
 
entschlüsseln.<blockquote> (Mintz 1987: 41)</blockquote>
 
 
 
'''Mintz''' widmet sich demnach primär einer '''politischen Ökonomie der
 
Bedeutungen des Zuckers''', die eng mit der Untersuchung der
 
sozio-ökonomischen Dynamik von Produktion, Zirkulation und Konsum
 
verflochten ist.
 
 
 
[[File:theogrundlagen-258_1.jpg|frame|right|Zuckerwatte am Wiener Christkindlmarkt. Foto: Elke Mader]]
 
 
 
  
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'''Mintz''' widmet sich demnach primär einer '''politischen Ökonomie der Bedeutungen des Zuckers''', die eng mit der Untersuchung der sozio-ökonomischen Dynamik von Produktion, Zirkulation und Konsum verflochten ist.
  
 
====5.3.2.1.3 Zucker und Sklaverei====
 
====5.3.2.1.3 Zucker und Sklaverei====
 
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'''Zuckerrohr''' wurde erstmals (ca. 8000 v. Chr.) in Neuguinea als
 
'''Zuckerrohr''' wurde erstmals (ca. 8000 v. Chr.) in Neuguinea als
 
Kulturpflanze angebaut und verbreitete sich von dort in mehreren Wellen
 
Kulturpflanze angebaut und verbreitete sich von dort in mehreren Wellen
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Königreich Jerusalem und intensivieren den Handel mit Europa (Mintz
 
Königreich Jerusalem und intensivieren den Handel mit Europa (Mintz
 
1987: 47-53).
 
1987: 47-53).
 
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'''In seiner langen Geschichte war Zucker nie ein Grundnahrungsmittel'''
 
'''In seiner langen Geschichte war Zucker nie ein Grundnahrungsmittel'''
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im 18. Jahrhundert zur Blüte gelangten:
 
im 18. Jahrhundert zur Blüte gelangten:
  
<blockquote>Das erste und berühmtere Dreieck verband Britannien mit Afrika und
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<blockquote>Das erste und berühmtere Dreieck verband Britannien mit Afrika und der Neuen Welt: Fertigwaren wurden an Afrika verkauft, afrikanische Sklaven an beide Amerikas und amerikanische tropische Produkte (insbesondere Zucker) an das englische Mutterland und seine auf Importe angewiesenen Nachbarn. (Mintz 1987: 71)</blockquote>
der Neuen Welt: Fertigwaren wurden an Afrika verkauft, afrikanische
 
Sklaven an beide Amerikas und amerikanische tropische Produkte
 
(insbesondere Zucker) an das englische Mutterland und seine auf Importe
 
angewiesenen Nachbarn.<blockquote> (Mintz 1987: 71)</blockquote>
 
  
<blockquote>Eine wichtige Besonderheit dieser beiden Dreiecke bestand darin, daß
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Eine wichtige Besonderheit dieser beiden Dreiecke bestand darin, daß menschliches Frachtgut in ihrem Funktionszusammenhang eine entscheidend wichtige Rolle spielte. Es war nicht nur so, daß Zucker, Rum und Melasse nicht direkt gegen europäische Fertigwaren ausgetauscht wurden; in beiden transatlantischen Dreiecken gab es eine »falsche Ware« - die aber für das System absolut unentbehrlich war - sie bestand in menschlichen Wesen, in Menschen. Sklaven waren deshalb eine »falsche Ware«, weil der Mensch kein Gegenstand ist, selbst wenn er als solcher behandelt wird. (Mintz 1987: 72)</blockquote> '''Die Geschichte der Produktion von Zucker in der Neuzeit ist also aufs Engste mit dem Kolonialismus und insbesondere mit dem transatlantischen Sklavenhandel verflochten.''' Die Steigerung des Absatzes bzw. des Konsums von Zucker steht wiederum in Zusammenhang mit den Transformationen der Ökonomie und der Arbeitswelt in Europa.
menschliches Frachtgut in ihrem Funktionszusammenhang eine entscheidend
 
wichtige Rolle spielte. Es war nicht nur so, daß Zucker, Rum und Melasse
 
nicht direkt gegen europäische Fertigwaren ausgetauscht wurden; in
 
beiden transatlantischen Dreiecken gab es eine »falsche Ware« - die aber
 
für das System absolut unentbehrlich war - sie bestand in menschlichen
 
Wesen, in Menschen. Sklaven waren deshalb eine »falsche Ware«, weil der
 
Mensch kein Gegenstand ist, selbst wenn er als solcher behandelt
 
wird.<blockquote> (Mintz 1987: 72)</blockquote>
 
  
'''Die Geschichte der Produktion von Zucker in der Neuzeit ist also aufs
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'''Verweise:'''
Engste mit dem Kolonialismus und insbesondere mit dem transatlantischen
 
Sklavenhandel verflochten.''' Die Steigerung des Absatzes bzw. des
 
Konsums von Zucker steht wiederum in Zusammenhang mit den
 
Transformationen der Ökonomie und der Arbeitswelt in Europa.
 
  
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[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt|[1] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.3]]<br/>
 
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====5.3.2.1.4 Zucker, Konsum und Macht====
 
====5.3.2.1.4 Zucker, Konsum und Macht====
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<blockquote>Der Zucker durchdrang das soziale Verhalten und wurde, indem er neuen
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<blockquote>Der Zucker durchdrang das soziale Verhalten und wurde, indem er neuen Verwendungsarten zugeführt und mit neuen Bedeutungen versehen wurde, von einer Kuriosität und einem Luxusgut in einen alltäglichen, notwendigen Gebrauchsartikel transformiert. Das Verhältnis von Produktion und Konsumtion findet möglicherweise sogar eine Parallele in dem Verhältnis von Verwendung und Bedeutung." (Mintz 1987: 27)</blockquote>
Verwendungsarten zugeführt und mit neuen Bedeutungen versehen wurde, von
 
einer Kuriosität und einem Luxusgut in einen alltäglichen, notwendigen
 
Gebrauchsartikel transformiert. Das Verhältnis von Produktion und
 
Konsumtion findet möglicherweise sogar eine Parallele in dem Verhältnis
 
von Verwendung und Bedeutung." (Mintz 1987: 27)</blockquote>
 
  
'''Mintz betrachtet die Veränderungen von Verwendung und Bedeutung von
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'''Mintz betrachtet die Veränderungen von Verwendung und Bedeutung von Zucker''' im Kontext der sozio-ökonomischen Veränderungen in Europa im 18. und 19. Jahrhundert. Durch die umfangreiche Produktion in den Zuckerkolonien mit Sklaverei wurde Zucker billiger und war reichlicher vorhanden, dementsprechend nahm sein Potential als Machtsymbol ab.
Zucker''' im Kontext der sozio-ökonomischen Veränderungen in Europa im
 
18. und 19. Jahrhundert. Durch die umfangreiche Produktion in den
 
Zuckerkolonien mit Sklaverei wurde Zucker billiger und war reichlicher
 
vorhanden, dementsprechend nahm sein Potential als Machtsymbol ab.
 
 
Zucker wandelte sich von einer prestigereichen Zierde am Tisch des Adels
 
Zucker wandelte sich von einer prestigereichen Zierde am Tisch des Adels
 
und der Oberschicht zum Kapital. Der symbolische Prestigeverlust von
 
und der Oberschicht zum Kapital. Der symbolische Prestigeverlust von
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Quelle von Profit.
 
Quelle von Profit.
  
<blockquote>Im 18. Jahrhundert wurde das Geschäft mit dem Zucker, ob es sich um
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<blockquote>Im 18. Jahrhundert wurde das Geschäft mit dem Zucker, ob es sich um die Produktion, den Transport, das Raffinieren oder die Besteuerung handelte, insofern zu einer viel effektiveren Machtquelle für die Herrschenden, als die Geldsummen, um die es ging, nun sehr viel größer waren." (Mintz 1987: 125)</blockquote>
die Produktion, den Transport, das Raffinieren oder die Besteuerung
 
handelte, insofern zu einer viel effektiveren Machtquelle für die
 
Herrschenden, als die Geldsummen, um die es ging, nun sehr viel größer
 
waren." (Mintz 1987: 125)</blockquote>
 
  
Die gestiegene Verwendung von Zucker stand auch in Zusammenhang mit drei
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Die gestiegene Verwendung von Zucker stand auch in Zusammenhang mit drei anderen exotischen Importgütern - Tee, Kaffee und Kakao. Sie stammen ebenfalls aus den Tropen und ihre Produktion, Zirkulation und Konsumption ist wiederum aufs engste mit dem Kolonialismus verbunden (z.B. der '''Teehandel[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee|[1]]]''' mit der britischen Expansion in Asien).
anderen exotischen Importgütern - Tee, Kaffee und Kakao. Sie stammen
 
ebenfalls aus den Tropen und ihre Produktion, Zirkulation und
 
Konsumption ist wiederum aufs engste mit dem Kolonialismus verbunden
 
(z.B. der '''Teehandel[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee|[1]]]''' mit der britischen Expansion in Asien).
 
 
Alle drei stimulierenden Getränke sind bitter und ihre rapide
 
Alle drei stimulierenden Getränke sind bitter und ihre rapide
 
Verbreitung in Europa seit dem 18. Jahrhundert geht Hand in Hand mit der
 
Verbreitung in Europa seit dem 18. Jahrhundert geht Hand in Hand mit der
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geht diese Entwicklung weiter und Zucker nimmt (z.B. in Gestalt des
 
geht diese Entwicklung weiter und Zucker nimmt (z.B. in Gestalt des
 
"Power-Riegels") immer neue Formen und Bedeutungen an.
 
"Power-Riegels") immer neue Formen und Bedeutungen an.
 
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[[File:theogrundlagen-260_1.jpg|frame|left|Zucker in einem Wiener Supermarkt. Foto: Elke Mader]]
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[[File:theogrundlagen-260_2.jpg|frame|right|Zucker in einem Wiener Supermarkt. Foto: Elke Mader]]
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'''Für die Entwicklung des Kapitalismus war der Zucker (ebenso wie Tee
 
'''Für die Entwicklung des Kapitalismus war der Zucker (ebenso wie Tee
 
und Kaffee) eine geradezu ideale Substanz:'''
 
und Kaffee) eine geradezu ideale Substanz:'''
  
<blockquote>Ein arbeitsreiches Leben sah mit seiner Hilfe weniger aufreibend aus;
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<blockquote>Ein arbeitsreiches Leben sah mit seiner Hilfe weniger aufreibend aus; in der Erfrischungspause erleichterte er tatsächlich oder scheinbar den Übergang von Arbeit zur Erholung und umgekehrt; er sorgte schneller für Völle - oder Sattheitsgefühle als komplexe Kohlehydrate dies vermochten; er ließ sich leicht mit anderen Nahrungsmitteln verbinden, deren Bestandteil er bisweilen war ( wie z.B. bei Tee und Keksen, Kaffee und Brötchen, Kakao und Marmeladebrot). [...] Kein Wunder, daß die Reichen und Mächtigen ihn so liebten, und kein Wunder, daß auch die Armen ihn lieben lernten." (Mintz 1987: 220)</blockquote>
in der Erfrischungspause erleichterte er tatsächlich oder scheinbar den
 
Übergang von Arbeit zur Erholung und umgekehrt; er sorgte schneller für
 
Völle - oder Sattheitsgefühle als komplexe Kohlehydrate dies vermochten;
 
er ließ sich leicht mit anderen Nahrungsmitteln verbinden, deren
 
Bestandteil er bisweilen war ( wie z.B. bei Tee und Keksen, Kaffee und
 
Brötchen, Kakao und Marmeladebrot). [...] Kein Wunder, daß die
 
Reichen und Mächtigen ihn so liebten, und kein Wunder, daß auch die
 
Armen ihn lieben lernten." (Mintz 1987: 220)</blockquote>
 
  
 
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[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee|[1] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.4.2]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee|[1] Siehe Kapitel 5.3.1.1.2.4.2]]<br/>
  
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'''Verweise:'''
 
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[[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Eric_Wolf#3.4 Komplexe Gesellschaft, Verflechtungen und Macht bei Eric Wolf|[1] Siehe Kapitel 3.4 der Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung''']]<br/>
 
[[Grosse_Theorien_(1940-1970)/Eric_Wolf#3.4 Komplexe Gesellschaft, Verflechtungen und Macht bei Eric Wolf|[1] Siehe Kapitel 3.4 der Lernunterlage '''Kultur- und Sozialanthropologie Lateinamerikas. Eine Einführung''']]<br/>
  
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'''Verweise:'''
 
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[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.3 Weltsystemansatz|[1] Siehe Kapitel 2.4.4.3 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 
[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.3 Weltsystemansatz|[1] Siehe Kapitel 2.4.4.3 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
  
  
 
===5.3.4.1 Die Welt als System===
 
===5.3.4.1 Die Welt als System===
 
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[[File:theogrundlagen-263_1.jpg|frame|right|Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
 
[[File:theogrundlagen-263_1.jpg|frame|right|Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
  
"Leaving aside the now defunct mini-systems, the only kind of social
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<blockquote>"Leaving aside the now defunct mini-systems, the only kind of social system is a world-system, which we define quite simply as a unit with a single division of labor and multiple cultural systems. it follows logically that there can, however, be two varieties of such world-systems, one with a common political system and one without. We shall designate these respectively as world-empires and world-economies." (Wallerstein 2004: 63)</blockquote>
system is a world-system, which we define quite simply as a unit with a
 
single division of labor and multiple cultural systems. It follows
 
logically that there can, however, be two varieties of such
 
world-systems, one with a common political system and one without. We
 
shall designate these respectively as world-empires and
 
world-economies."
 
(Wallerstein 2004: 63)
 
  
 
Ausgehend von der These des Funktionalismus, die Sozialwissenschaft
 
Ausgehend von der These des Funktionalismus, die Sozialwissenschaft
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'''Verweise:'''
 
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[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.2 Dependenztheorie|[1] Siehe Kapitel 2.4.4.2 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 
[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.2 Dependenztheorie|[1] Siehe Kapitel 2.4.4.2 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>
 
  
 
===5.3.4.2 Zentrum und Peripherie===
 
===5.3.4.2 Zentrum und Peripherie===
 
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[[File:theogrundlagen-264_1.jpg|frame|right|Graffiti in Akra (Ghana). Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
 
[[File:theogrundlagen-264_1.jpg|frame|right|Graffiti in Akra (Ghana). Foto: Ulrike Davis-Sulikowski]]
  
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'''Verweise:'''
 
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[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[1] Siehe Kapitel 5.3.1]]<br/>
 
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==5.3.5 Ökonomische und kulturelle Verflechtungen: Weltsystem, Globalisierung und Diversität==
 
==5.3.5 Ökonomische und kulturelle Verflechtungen: Weltsystem, Globalisierung und Diversität==
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Braukämper beschreiben diese Prozesse folgendermaßen:
 
Braukämper beschreiben diese Prozesse folgendermaßen:
  
<blockquote>Weltweite Verflechtungen, Verflechtungen verschiedenster Art und von
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<blockquote>Weltweite Verflechtungen, Verflechtungen verschiedenster Art und von verschiedenster Qualität, Verflechtungen die in unterschiedlichste Richtungen verlaufen, Verflechtungen mittels verschiedenster Medien, Verflechtungen von Menschen und ihren Handlungen, von Gütern, Ideen und Systemen, Verflechtungen, die mit unterschiedlichster Macht ausgestattet sind und Verflechtungen, die zur Erringung von Herrschaft und/oder Profit unterschiedlichster Gruppen dienen. (Hauser-Schäublin, Braukämper 2002: 10)</blockquote>
verschiedenster Qualität, Verflechtungen die in unterschiedlichste
 
Richtungen verlaufen, Verflechtungen mittels verschiedenster Medien,
 
Verflechtungen von Menschen und ihren Handlungen, von Gütern, Ideen und
 
Systemen, Verflechtungen, die mit unterschiedlichster Macht ausgestattet
 
sind und Verflechtungen, die zur Erringung von Herrschaft und/oder
 
Profit unterschiedlichster Gruppen dienen.<blockquote> (Hauser-Schäublin,
 
Braukämper 2002: 10)</blockquote>
 
  
'''Die Dynamik der Verflechtungen prägt viele ökonomische Prozesse und
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'''Die Dynamik der Verflechtungen prägt viele ökonomische Prozesse und ihre Untersuchung umfasst verschiedene Forschungsfelder''', wie z.B.:
ihre Untersuchung umfasst verschiedene Forschungsfelder''', wie z.B.:
 
  
 
*  Analysen des '''Weltsystems[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.3 Weltsystemansatz|[1]]]''' und seiner Interaktionen mit lokalen ökonomischen und kulturellen Gefügen (u.a. '''Eric Wolf[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[2]]]''''', '''Sidney Mintz''[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[3]]]''''', '''Immanuel Wallerstein''[[Neomarxismus/USA#5.3.4 Immanuel Wallerstein: Weltsystemtheorie und Dependenz|[4]]]''')
 
*  Analysen des '''Weltsystems[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.3 Weltsystemansatz|[1]]]''' und seiner Interaktionen mit lokalen ökonomischen und kulturellen Gefügen (u.a. '''Eric Wolf[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[2]]]''''', '''Sidney Mintz''[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[3]]]''''', '''Immanuel Wallerstein''[[Neomarxismus/USA#5.3.4 Immanuel Wallerstein: Weltsystemtheorie und Dependenz|[4]]]''')
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[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.3 Weltsystemansatz|[1] Siehe Kapitel 2.4.4.3 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[2] Siehe Kapitel 5.3.1]]<br/>
 
[[Oekonomische Theorien/Politische Ökonomie#2.4.4.3 Weltsystemansatz|[1] Siehe Kapitel 2.4.4.3 der Lernunterlage '''Internationale Politische Ökonomie''']]<br/>[[Neomarxismus/USA#5.3.1 Eric Wolf|[2] Siehe Kapitel 5.3.1]]<br/>
 
[[Neomarxismus/USA#5.3.2 Sidney Mintz|[3] Siehe Kapitel 5.3.2]]<br/>
 
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=5.4 Bibliographie und weiterführende Literatur=
 
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<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
 
<sup>Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader</sup>
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[https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html  &#91;1&#93; https://web.archive.org/web/20051013061642/http://etudesafricaines.revues.org/document4887.html]<br/>
 
[https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm  &#91;2&#93; https://web.archive.org/web/20060211102345/http://www.alencontre.org/page/print/MeillassouxHommage.htm]<br/>
 
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'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>'''
 
'''[[Theoretische_Grundlagen_der_Ökonomischen_Anthropologie#Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]<br/>'''
 
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[[#5.4 Bibliographie und weiterführende Literatur]]<br/>
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[[#5.4 Bibliographie und weiterführende Literatur|&uarr; Nach oben]]<br/>-->

Latest revision as of 09:53, 13 October 2020

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Theoretische Grundlagen der Ökonomischen Anthropologie

Verfasst von Gertraud Seiser und Elke Mader, Universität Wien

OEKU-Online: Finanziert durch den Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank (Projekt 10707, Jubiläumsfonds).

In verschiedenen Projekten, an denen das Institut für Kultur- und Sozialanthropologie beteiligt war, entstanden 2005 und 2006 hypermediale Lehr- und Lernunterlagen, die online genutzt werden können. 2019 und 2020 wurden diese von Marlies Madzar und Clemens Schmid in ein aktuelles Wikiformat überführt. Für Anregungen, Hinweise und Kommentare, schreiben Sie bitte ein Mail an eksa(at)univie.ac.at

  • Theogrundlagen 1.jpg
  • Theogrundlagen 2.jpg
  • Theogrundlagen 3.jpg

Die aktuellen Modelle und Ansätze der Ökonomischen Anthropologie speisen sich aus zwei Quellen:

  • den Wirtschaftswissenschaften und
  • der Sozial- und Kulturanthropologie

Kapitel dieser Lernunterlage

1 Vorläufer
2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus
3 Neoklassik oder Rational Choice
4 Institutionalismus und Substantivismus
5 Neomarxismus


Kapitelübersicht

Theogrundlagen 4.gif

1 Vorläufer

1.1 Merkantilismus
1.2 Physiokratie
1.3 Klassische ökonomische Theorie
1.3.1 Historischer Kontext
1.3.2 Adam Smith
1.3.2.1 Wert bei Adam Smith
1.3.2.2 Smith's moralische Ableitung des Marktprinzips
1.3.3 David Ricardo
1.3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur

2 Marxismus, historischer Materialismus, Evolutionismus

2.1 Karl Marx
2.1.1 Historischer Kontext
2.1.2 Zum Gesamtwerk von Marx und Engels
2.1.2.1 Die Werttheorie von Karl Marx
2.1.2.1.1 Güter und Waren
2.1.2.1.2 Warenproduktion
2.1.2.1.3 Gebrauchswert und Tauschwert
2.1.2.1.4 Gebrauchswert und Tauschwert der Ware Arbeitskraft
2.1.2.1.5 Mehrwert und Kapital
2.1.2.1.6 Wert einer Ware bei Marx
2.1.2.1.7 Mehrwertproduktion im Kapitalismus
2.1.2.2 Arbeitsprozess und Produktionsprozess
2.1.2.3 Sozioökonomische Formationen: Begriffe
2.1.2.3.1 Produktivkräfte
2.1.2.3.2 Produktionsverhältnisse
2.1.2.3.3 Produktionsweisen
2.1.2.3.4 Sozioökonomische Formationen als historische Abfolge von Produktionsweisen
2.1.2.3.4.1 Kritik, Weiterentwicklung
2.2 Evolutionismus
2.2.1 Grundgedanken des unilinearen Evolutionismus
2.2.2 Lewis H. Morgans "Urgesellschaft"
2.2.3 Kritik am Evolutionismus
2.3 Marxismus und Ethnologie: Wechselverhältnis in vier Phasen
2.4 Bibliographie und weiterführende Literatur

3 Neoklassik oder Rational Choice

3.1 Raymond Firth
3.1.1 Allgemeine Gesetzmäßigkeiten und spezifische ökonomische Systeme bei Firth
3.2 Melville J. Herskovits
3.3 Späte 1950er bis frühe 1970er Jahre: Der große Streit
3.3.1 Der Angriff der Substantivisten
3.3.2 Die Reaktion der Formalisten
3.3.3 Kritik an den Formalisten
3.3.3.1 Kritik am homo oeconomicus aus nicht-formalistischer Perspektive
3.3.3.2 Revisionen der formalistischen Theorie: Ian Prattis und sein strategising man
3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur

4 Institutionalismus und Substantivismus

4.1 Vordenker
4.1.1 Émile Durkheim
4.1.1.1 Anti-Utilitarismus: Soziale und ökonomische Solidarität
4.1.1.2 Von der sozialen Teilung der Arbeit
4.1.1.3 Anti-Individualismus und Kollektive Repräsentationen
4.1.1.4 Wert, Gesellschaft, Symbol
4.1.1.5 Kontrollierte Bedürfnisse, kontrollierte Ökonomie
4.1.1.6 Typologischer Evolutionismus: Organische und mechanische Solidarität
4.1.2 Max Weber
4.1.2.1 Kultur und Wert
4.1.2.2 Wirtschaft, Werte, Religion: "Die protestantische Ethik und der "Geist" des Kapitalismus"
4.1.2.3 Form und "Geist" des Kapitalismus
4.1.2.4 Wirkungsweisen und geistige Ursachen des Kapitalismus
4.1.2.5 Askese und wirtschaftliches Handeln
4.1.2.6 Berufsidee und Gnadenwahllehre
4.1.2.7 Zeit ist Geld
4.1.2.8 Geistige und materielle Grundlagen des Kapitalismus
4.1.2.9 Ökonomie und Weltbild
4.1.3 Weber und Durkheim
4.1.3.1 Religiöse Weltbilder und die "Entzauberung der Welt"
4.1.4 Bibliographie und weiterführende Literatur
4.2 Frühe VertreterInnen
4.2.1 Richard Thurnwald
4.2.2 Tausch und Gabe: Frühe Beiträge zur ökonomischen Anthropologie
4.2.2.1 Bronislaw Malinowski
4.2.2.1.1 Funktionalismus und Ökonomie
4.2.2.1.2 Kula
4.2.2.1.2.1 Kula-Objekte und Tauschbeziehungen
4.2.2.1.2.2 Andere Tausch-Objekte
4.2.2.1.2.3 Von Person zu Person, von Insel zu Insel
4.2.2.1.2.4 Ruhm, Macht und Reichtum
4.2.2.1.2.5 Ökonomie, Gesellschaft, Symbol
4.2.2.1.2.6 Kula, Reziprozität und "primitive" Ökonomie
4.2.2.2 Marcel Mauss
4.2.2.2.1 Die Gabe
4.2.2.2.1.1 Reziprozitäts- und Tauschprinzip
4.2.2.2.1.2 Ökonomie und Philosophie der Gabe
4.2.2.3 Mauss und Malinowski
4.2.3 Bibliographie und weiterführende Literatur
4.3 Substantivisten
4.3.1 Karl Polanyi
4.3.1.1 The Great Transformation
4.3.1.2 Wirtschaftstypen nach Polanyi
4.3.1.2.1 Prinzip der Reziprozität
4.3.1.2.2 Prinzip der Redistribution
4.3.1.2.3 Prinzip der Haushaltung
4.3.1.2.4 Marktprinzip
4.3.1.3 Polanyi und die Zerstörung der Gesellschaft durch den Markt
4.3.1.4 Grundlagen des selbst regulierenden Marktes: Arbeit, Boden und Geld
4.3.1.5 Formen des Handels nach Polanyi
4.3.2 George Dalton
4.3.3 Marshall Sahlins
4.3.3.1 Beispiel Tausch
4.3.3.1.1 Formen der Reziprozität nach Sahlins
4.3.3.1.2 Reziprozität und soziale Entfernung nach Sahlins
4.3.3.1.3 Kritik an Sahlins' Modell der abnehmenden generalisierten Reziprozität
4.3.3.2 Beispiel: The original affluent society
4.3.3.2.1 Mobilität und Besitz: die !Kung San
4.3.3.2.2 Sahlins Conclusion
4.3.3.2.3 Armut, Mangel und einfache Bedürfnisse
4.3.3.3 Beispiel: Domestic Mode of Production
4.3.4 Bibliographie und weiterführende Literatur

5 Neomarxismus

5.1 Neomarxismus in Frankreich und in den USA: ein Vergleich
5.2 Französische VertreterInnen
5.2.1 Claude Meillassoux
5.2.1.1 Verwandtschaft als Teil der Produktionsverhältnisse
5.2.1.2 Reproduktion und die Entstehung von Ungleichheit
5.2.1.3 Reproduktion und die fortgesetzte "ursprüngliche Akkumulation"
5.2.2 Maurice Godelier
5.2.2.1 Die Produktion der Großen Männer
5.2.2.1.1 Die Herrschaft der Männer über die Frauen bei den Baruya
5.2.2.1.2 Die Ursachen der Ungleichheit
5.2.2.1.3 Zur Beteiligung der Frauen an der Herrschaft der Männer
5.2.2.2 Marx, Durkheim und Lévi-Strauss bei Godelier
5.2.3 Emmanuel Terray
5.2.3.1 Terrays Operationalisierung des Produktionsweisenkonzeptes
5.3 VertreterInnen in den USA
5.3.1 Eric Wolf
5.3.1.1 "Die Völker ohne Geschichte" Kulturelle Verflechtungen und Politische Ökonomie
5.3.1.1.1 Produktionsweisen und Kulturen in Interaktion
5.3.1.1.2 Menschen und Ökonomien im weltweiten "Geflecht von Zusammenhängen"
5.3.1.1.2.1 Silberökonomie und Hacienda
5.3.1.1.2.2 Handelsplätze und Plantagen
5.3.1.1.2.3 Sklavenhandel und Weltmarkt
5.3.1.1.2.3.1 Sklavenschiff
5.3.1.1.2.3.1.1 Sklavenschiff als künstlerische Installation
5.3.1.1.2.4 Warenströme
5.3.1.1.2.4.1 Biberhüte und Robbenmäntel: Der Pelzhandel in Nordamerika
5.3.1.1.2.4.2 Opium gegen Tee
5.3.1.1.2.4.3 Der Kautschukboom im Amazonasgebiet
5.3.1.1.2.4.4 Kautschukgewinnung bei den Mundurucú (Brasilien)
5.3.2 Sidney Mintz
5.3.2.1 Süße Macht: Sidney Mintz und die Geschichte des Zuckers
5.3.2.1.1 Die Süße und der Konsum von Zucker
5.3.2.1.2 Bedeutung und Politische Ökonomie des Zuckers
5.3.2.1.3 Zucker und Sklaverei
5.3.2.1.4 Zucker, Konsum und Macht
5.3.3 Sidney Mintz und Eric Wolf: Verflechtungen, Politische Ökonomie und Konstruktion von Bedeutung
5.3.4 Immanuel Wallerstein: Weltsystemtheorie und Dependenz
5.3.4.1 Die Welt als System
5.3.4.2 Zentrum und Peripherie
5.3.5 Ökonomische und kulturelle Verflechtungen: Weltsystem, Globalisierung und Diversität
5.4 Bibliographie und weiterführende Literatur


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