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Revision as of 18:56, 17 August 2020
Contents
- 1 Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen
- 2 1 Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften
- 3 1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien
- 4 1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien
- 5 1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien
- 6 1.4 Pragmatistische Erkenntnisstrategien
- 7 1.5 Sozialkonstruktivistische Erkenntnisstrategien
- 8 1.6 Phänomenologische Erkenntnisstrategien
- 9 1.7 Kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategien
- 10 2 Die Eigenart der Sozialwissenschaften im Lichte des Dualismus von Natur- und Geisteswissenschaften
- 11 2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"
- 12 2.2 Natur- vs. Geisteswissenschaften
- 13 2.3 Eigenart des Sozialen
- 14 3 Sozialwissenschaftliche Terminologie - Exempla
- 15 3.1 Handeln und Norm
- 16 3.2 Institution und Kultur
- 17 3.3 Struktur und Funktion
- 18 3.4 Macht und Herrschaft
- 19 3.5 Konflikt und Wandel
- 20 4 Literatur
- 21 4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie
- 22 4.2 Weiterführende Literaturhinweise
Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole PesendorferDie vorliegende Lernunterlage dient zur Unterstützung der Vorlesung: "Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen" von Prof. Dr. Friedhelm Kröll und wurde unter Mitarbeit von Mag. Nicole Pesendorfer erstellt.
Die Inhalte sind zentriert um die Darstellung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisstrategien, der Herausarbeitung der Eigenart der Sozialwissenschaften und der exemplarischen Vermittlung sozialwissenschaftlich relevanter Termini.
Neben der Erläuterung unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Erkenntnisstrategien wird die Eigenart der Sozialwissenschaften in Abgrenzung zu den Geistes-, Natur- und Geschichtswissenschaften veranschaulicht. Unter Einbeziehung von Autoren wie Max Weber, Heinrich Popitz oder Thomas Luckmann wird exemplarisch auf folgende Konnexbegriffe aus der sozialwissenschaftlichen Terminologie eingegangen: Handeln-Norm, Institution-Kultur, Struktur-Funktion, Macht-Herrschaft sowie Konflikt-Wandel.
Ziel der Lernunterlage ist die Beleuchtung der Eigenart der Sozialwissenschaften sowie eine tiefer gehende Beschäftigung mit deren Terminologien und Erkenntnisprogrammen. Dabei baut die Lernunterlage auf den Inhalten des Buches "Einblicke. Grundlagen sozialwissenschaftlichen Denkens" von Friedhelm Kröll (Wien: Braumüller, 2009) auf.
Kapitelübersicht
1 Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften
- 1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien
- 1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien
- 1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien
- 1.4 Pragmatistische Erkenntnisstrategien
- 1.5 Sozialkonstruktivistische Erkenntnisstrategien
- 1.6 Phänomenologische Erkenntnisstrategien
- 1.7 Kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategien
2 Die Eigenart der Sozialwissenschaften im Lichte des Dualismus von Natur- und Geisteswissenschaften
1 Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Fragen zur Charakterisierung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisstrategien und Theorieprogrammen (Hintergrundkriterien):
- Wird der Kategorie des "Sinns" bzw. "sinnhaften Handelns" bei der Bestimmung des Gegenstandes eine strategische Stellung eingeräumt?
- Welche Perspektive wird gegenüber dem gesellschaftlichen Lebensprozess eingenommen: Außen- bzw. Binnenperspektive?
- Wird der Kategorie des "Sozialen" (bzw. der "Gesellschaft") ein essentieller Status zuerkannt, d.h. wird die Eigenart des Sozialen[1] als eine überpersönliche Faktizität bestimmt, die nicht rückführbar ist auf das Verhalten und die Eigenschaften der Einzelmenschen?
- Wird der Praxis der menschlichen Subjekte, wird der sozialanthropologischen Dimension der Verschränkung von Kultur und Natur eine fundierende Rolle bei der Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens zugemessen? Oder werden die gesellschaftlichen Individuen als bloße Einheiten reizgesteuerten Verhaltens betrachtet?
- Wird der Aspekt der Konstitution von Gesellschaft, also die Frage nach der Erzeugung des sozialen Lebensprozesses und damit auch die Frage nach den Wandlungs- und Transformationsprozessen[2] von Gesellschaft, Kultur und Individuen aufgenommen?
- Wird die sozialwissenschaftliche Erkenntnisstrategie primär unter dem Gesichtspunkt des menschlichen Handelns (handlungstheoretische Perspektive[3]) oder unter dem Gesichtspunkt des sozialen Systems (systemtheoretische Perspektive) konzipiert? Oder wird versucht, in der Grundkonzeption den Doppelcharakter des Sozialen, Handlung und System, Prozess und Struktur, Rechnung zu tragen?
Verweise:
[1]&& Siehe Kapitel 2.3]]
[2]&& Siehe Kapitel 3.5.2]]
[3]&& Siehe Kapitel 3.1.2]]
Inhaltsverzeichnis
1 Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften
- 1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien
- 1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien
- 1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien
- 1.4 Pragmatistische Erkenntnisstrategien
- 1.5 Sozialkonstruktivistische Erkenntnisstrategien
- 1.6 Phänomenologische Erkenntnisstrategien
- 1.7 Kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategien
Weitere Kapitel dieser Lernunterlage
2 Die Eigenart der Sozialwissenschaften im Lichte des Dualismus von Natur- und Geisteswissenschaften
3 Sozialwissenschaftliche Terminologie - Exempla
4 Literatur
Nächstes Kapitel: 1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien
Vorheriges Kapitel: 1 Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften
1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Kennzeichen:
- Prinzip der Außenperspektive.
- Doppelte Reduktivität: soziale Zustände und Vorgänge werden beobachtet an und zurückgeführt auf individuelles Verhalten; individuelles Verhalten wird erklärt im Rückgriff auf Befunde und Spekulationen über die Beschaffenheit der „menschlichen Natur".
- Bestreben, die Sozialwissenschaften auf das Programm einer Einheitswissenschaft nach Vorbild der Naturwissenschaften zu vereidigen.
- Objektivistischen Erkenntnisstrategien geht es darum, Regelmäßigkeiten des menschlichen Verhaltens zu beobachten und zu erklären, unter Verzicht auf Verstehen von Regeln im zwischenmenschlichen Verhalten und Handeln.
- Objektivistische Erkenntnisstrategien finden sich unter verschiedenen Namen, beispielsweise Rational-Choice-Modelle oder Behaviorismus. Heute erscheint der behavioristische Ansatz eher unter "verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften bzw. Soziologie".
- Naturwissenschaften werden zum wissenschaftstheoretischen Vorbild erkoren. Objektivistische Sozialwissenschaften terminieren in verhaltenswissenschaftlichen Modellen[1] (vgl. Literaturhinweis Karl-Dieter Opp und Reinhard Wippler[2]).
- Verhaltenswissenschaften bestimmen ihren Gegenstandsbereich indem sie von der symbolisch-sinnhaften Vorstrukturierung der gesellschaftlichen Wirklichkeit methodisch absehen, allein die Beschreibung beobachtbarer Regelmäßigkeiten gelten lassen und die Erklärung von deren Zusammenhängen an "nomologische Hypothesen" in der Form: "Immer wenn - dann" binden. Der Standort der Beobachtung ist eine Außenperspektive. Handeln[3] wird auf Verhalten[4] reduziert. Probleme der Konstitution des gesellschaftlichen Lebensprozesses werden vernachlässigt.
- Die Kategorie "Sinn" bzw. "intentional- sinnhaftes Handeln" steht unter Metaphysik- Verdacht; ebenso die transpersonale Faktizität des Sozialen. Alles soll und muss auf die Beobachtungseinheit "Individuum" rückführbar sein: Methodologischer Individualismus.
- Von den Anfängen der modernen Sozialwissenschaften an haben die Objektivisten den Zustand beklagt, dass die Wissenschaften vom Sozialen noch in den Kinderschuhen steckten. Von dieser Sichtweise aus wird bis heute den Sozialwissenschaften empfohlen, den Naturwissenschaften nachzueifern.
Verweise:
[1]&& Siehe Kapitel 3.1.1]]
[2]&& Siehe Kapitel 4.2]]
[3]&& Siehe Kapitel 3.1]]
[4]&& Siehe Kapitel 3.1.1]]
Nächstes Kapitel: 1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien
Vorheriges Kapitel: 1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien
1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Mitte des 19. Jahrhunderts, im Zeichen des Aufstiegs der Naturwissenschaften und der Entdeckungen des britischen Naturforschers Charles Darwin (1809-1882)[1], erlebt das evolutionistische Denken eine Renaissance. Mit Darwins Paradigma der Bildung der Arten durch Auslese und der Idee der Selektionsvorteile als Bedingung aller Evolution, setzt sich schließlich eine neue Erkenntnisstrategie durch, die bis heute (vgl. die moderne Systemtheorie) in Kraft ist.
Am Wissenschaftsprogramm Herbert Spencers (1820-1903)[2] wird nicht nur die triumphalische Renaissance des Evolutionismus sichtbar, sondern auch dessen zentrale Kennzeichen sinnfällig. Spencer hat ein umgreifendes System der Entwicklungsgesetze visiert: Entwicklungsgesetze des anorganischen, des organischen und schließlich des "über-organischen" Lebens. Menschliche Gesellschaften werden zum "über-organischen" Leben gezählt. Spencers Entwurf operiert mit der Analogiebildung zwischen Organismus und Gesellschaft. Derzufolge gelte für Organismen wie für Gesellschaften:
- Gemeinsamkeit des Wachstums;
- Zunahme von Differenzierung und Komplexität;
- fortschreitende Differenzierung der Strukturen[3] im Zuge einer fortschreitenden Auffächerung der Funktionen[4];
- Zunahme von Systembildung durch fortschreitende Differenzierung; d.h. Zunahme der wechselseitigen Abhängigkeit der Einzelelemente.
Spencer konstatiert eine zentrale Differenz zwischen Organismus und Gesellschaft: während auf der Ebene der organischen Systeme das differnziell- funktionale Zusammenwirken der Einzelteile den Bestand und die Erhöhung des Wohls des Ganzen befördere, diene die zunehmende Differenzierung, Systembildung und Komplexitätssteigerung auf der Ebene der "über-organischen" Systeme, also bei der menschlichen Vergesellschaftung, der Steigerung des Wohls des Einzelnen:
"The society exists for the benefit of its members; not its members for the benefit of the society".
Spencer konzeptualisiert ein Paradigma der Individualisierung und dessen Implikat: Soziale Evolution ist gesteuert von Selektions- und Ausleseprozessen. Die Spencersche Version des Evolutionismus hat dazu geführt, den okzidental-imperialen Blick auf die außerokzidentalen Kulturen[5] und Formen der Vergesellschaftung weiter auszuprägen; sinnfällig an Formeln wie "primitive Gesellschaften bzw. Kulturen" oder gar "Naturvölker".
Evolutionistische Konzeptbildungen tendieren zu:
- objektivistischer Sichtweise auf den gesellschaftlichen Lebensprozess. Modell: Beobachtung von außen;
- Linearisierung der Evolution von der anorganischen über die organische bis zur sozialen Evolution;
- Naturalisierung menschlicher Vergesellschaftungsprozesse;
- Paradigmenbildung mit dem Ziel, allgemeine Gesetze zu finden;
- spürbaren deterministischen Denken, das für die Figuration des menschlichen Subjekts und seiner verändernden Praxis kaum Spielraum lässt.
Verweise:
[1]&& http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Darwin]
[2]&& http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/spencer/44bio.htm]
[3]&& Siehe Kapitel 3.3.1]]
[4]&& Siehe Kapitel 3.3.2]]
[5]&& Siehe Kapitel 3.2.2]]
Nächstes Kapitel: 1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien
Vorheriges Kapitel: 1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien
1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Strukturfunktionalismus entsteht als Gegenbewegung zum Evolutionismus[1], doch machen sich auch dort naturwissenschaftliche Modellvorstellungen geltend: Betrachtung von Gesellschaften in Analogie zu Organismen. Allerdings verschiebt sich der Akzent auf das Funktionieren eines gesellschaftlichen Ganzen.
Mit der zentralen Frage: "Wie ist soziale Ordnung möglich?" kommt es zu einer entscheidenden Wende: die Fundierung der Sozialwissenschaften auf der Grundlage der Betonung der Eigenart des Sozialen. Das spezifisch Soziale soll nicht länger als Anhängsel der Naturgeschichte betrachtet werden, das heißt:
Entnaturalisierung, d.h. Kulturalisierung der sozialwissenschaftlichen Denkweise.
Das menschliche, gesellschaftliche Leben ist zwar eingründet in die äußere und innere, leibliche Natur der Menschen, begründet aber im Wege des tätigen Stoffwechsels mit der Natur, eine Zweite Natur[2]. Zweite Natur meint: Kultur, Gesellschaft, Persönlichkeit als Kunstprodukte des menschlichen Handelns. In diesem Prozess bilden sich Formen des gesellschaftlichen Lebens aus, werden Strukturen[3] auskristallisiert. Um jene Strukturen zu gewährleisten, bedarf es verschiedener Funktionen[4] und Funktionskreise. Struktur und Funktion[5] sind im Strukturfunktionalismus aufeinander und auf die Idee der Bestandsgarantie sozialer Ordnung bezogen.
Die Werkgeschichte Emile Durkheims[6] zeigt die Wende vom evolutionistischen zum strukturfunktionalistischen Denken: vom Naturalismus zum Kulturalismus (im engeren Soziologismus) - vom Fokus der Entwicklung zu dem der Ordnung.
Durkheims[7] Interesse richtet sich auf:
- das Problem der Stabilität gesellschaftlicher Ordnungen;
- den Sachverhalt des überindividuellen Charakters der sozialen Wirklichkeit;
- das Problem der Normativität des gesellschaftlichen Lebens, der Strukturen normregulierten Verhaltens und Handelns.
Talcott Parsons[8] Werk kombiniert Handlungstheorie und Strukturtheorie (vgl. Parsons: "Toward a General Theory of Action"[9]). Es geht dabei um den Versuch einer umgreifenden Sozialtheorie, fokussiert um das Problem der Stabilität sozialer Ordnungen.
Strukturfunktionalismus im Sinne Parsons heißt: kulturelle Objekte, soziale Erscheinungen, Verhalten und Handeln werden auf ihren funktionalen Beitrag für die Stabilität innerhalb eines Gesellschaftssystems analytisch befragt bzw. bewertet.
Im weiteren Verlauf verschiebt sich Parsons Akzent zur systemtheoretischen Modellbildung. Während in der ersten Phase des Parsonschen Strukturfunktionalismus Handeln unter dem funktionalen Gesichtspunkt des Stellenwerts für die gesellschaftliche Stabilität verhandelt wird, rückt der Handlungsaspekt in der zweiten Phase der Entwicklung seiner Sozialtheorie in den Hintergrund zugunsten des Primats der Idee sich selbst steuernder Systeme. Der Strukturfunktionalismus transformiert sich in Systemtheorie.
Niklas Luhmanns systemtheoretische Soziologie übernimmt von den älteren Beständen der sozialwissenschaftlichen Denkweisen (vgl. Luhmanns "Einführung in die Systemtheorie"[10]):
- Primat des Standorts des Beobachters;
- Primat des Ganzen über das Einzelelement;
- Primat des Systems vor dem Handeln;
- Primat des Systems vor dem Subjekt des Handelns.
- in der Linie des Parsonschen Strukturfunktionalismus visiert Luhmann eine universalistische Theorie;
- in Abhebung vom älteren, auf Statik gepolten Strukturfunktionalismus revitalisiert die Luhmannsche Sozialtheorie Denkmotive der Darwinschen Evolutionstheorie[11], insofern die Theorie offener Sozialsysteme darauf aus ist, den Aspekt der Veränderung von Systemen und Strukturen einzubeziehen.
Für diese Variante sozialwissenschaftlicher Erkenntnisstrategie ist kennzeichnend, dass der gesellschaftliche Lebensprozess nach dem Muster selbstgeregelter Systeme interpretiert wird und dass demzufolge die gesellschaftlichen Individuen tendenziell als eine vernachlässigenswerte Größe betrachtet werden. Dem Modell selbstgeregelter Systeme entspricht das subjektloser Sozialwissenschaften.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.2
[2] Siehe Kapitel 3.2.2
[3] Siehe Kapitel 3.3.1
[4] Siehe Kapitel 3.3.2
[5] Siehe Kapitel 3.3
[6] Siehe Kapitel 4.2
[7] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/durkheim/12bio.htm
[8] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/parsons/39bio.htm
[9] Siehe Kapitel 4.2
[10] Siehe Kapitel 4.2
[11] Siehe Kapitel 1.2
Nächstes Kapitel: 1.4 Pragmatistische Erkenntnisstrategien
Vorheriges Kapitel: 1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien
1.4 Pragmatistische Erkenntnisstrategien
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Die pragmatistische Erkenntnisstrategie setzt am menschlichen Handeln an und rückt die Konzeptualisierung des sozialen Handelns ins Zentrum. Ihr Ursprung liegt in der US- amerikanischen Geistes- und Wissenschaftsgeschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sozialwissenschaftliche Gestalt hat der Pragmatismus bei George Herbert Mead[1] angenommen, der an der University of Chicago gelehrt hat, weshalb das Theorieprogramm Meads[2] - der "Symbolische Interaktionismus" - gerne mit dem Markenzeichen "Chicago School" versehen wird.
Denkansätze, die im Zeichen pragmatistischer Philosophie des Sozialen operieren, gehen von der Eigenart des Sozialen als Zweite Natur[3] aus, die nicht auf die Gesetze und Gesetzmäßigkeiten der ersten Natur reduktibel ist. Vielmehr wird versucht, die Eigenart des Sozialen aus der Verschränkung von Natur- und Kulturgeschichte heraus zu rekonstruieren. (Nicht zuletzt dies hat Arnold Gehlen[4] dazu bewogen, die Theorien von Meads in seine handlungstheoretische Sozialanthropologie und Soziologie einzuflechten.)
Im Unterschied zur objektivistischen Erkenntnisstrategie[5] ist für die pragmatistische Erkenntnistheorie nicht das individuelle Verhalten der Schlüssel zum Verständnis des gesellschaftlichen Lebensprozesses, sondern die Intersubjektivität aller Sozialprozesse, die Soziale Interaktion. Ins Auge gefasst wird das soziale Ganze:
- Pragmatistische Erkenntnisstrategien betonen den Handlungs- und Kommunikationsaspekt[6]. Betont ist damit das Prozesshafte der Sozialität ebenso wie die gesellschaftlichen Individuen als Aktoren des sozialen Lebens.
- Pragmatistische Erkenntnisstrategien sind zentriert um die Idee der Intersubjektivität.
- Mead insistiert auf der Beobachterperspektive. Er pointiert die Interaktion zwischen mindestens zwei Organismen, die aufeinander reagiern und sich zueinander verhalten (Aspekt der Aktivität und Reziprozität).
- Entscheidend ist, dass die gesellschaftlichen Individuen nicht unmittelbar, nicht primär instinktiv aufeinander reagieren, sondern vermittelt über Symbole.
- Menschliches Handeln ist dadurch charakterisiert, dass die gesellschaftlichen Individuen in der Lage sind, die Schlüsselleistung für soziale Interaktion und Kommunikation zu erbringen: "taking the role of the other".
Pragmatistische Erkenntnisstrategien sind gekennzeichnet durch:
- das Bestreben, im Wege der Konzeptualisierung der Symbolischen Interaktion eine Theorie in der Perspektive universeller Geltung zu formulieren;
- den Ansatz der Konzeptualisierung der Sozialtheorie am sozialen Handeln;
- die Betonung der Sinnhaftigkeit menschlichen Handelns;
- die Öffnung der Sozialtheorie für die Perspektive sozialen Wandels[7];
- die beharrliche Anstrengung, die Eigenart des Sozialen[8] herauszuarbeiten.
Verweise:
[1] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/mead/32bio.htm
[2] Siehe Kapitel 4.2
[3] Siehe Kapitel 3.2.2
[4] Siehe Kapitel 4.1
[5] Siehe Kapitel 1.1
[6] Siehe Kapitel 1.7
[7] Siehe Kapitel 3.5.2
[8] Siehe Kapitel 2.3
Nächstes Kapitel: 1.5 Sozialkonstruktivistische Erkenntnisstrategien
Vorheriges Kapitel: 1.4 Pragmatistische Erkenntnisstrategien
1.5 Sozialkonstruktivistische Erkenntnisstrategien
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Sozialkonstruktivistische Theorie- und Forschungsstrategien machen sich in den Sozial- und Kulturwissenschaften erst in den 1980er Jahren geltend: Karriere der Formel von der "sozialen Konstruktion der Wirklichkeit".
Sozialkonstruktivismus bezieht sich auf eine Veränderung der Betrachtungsweise. Es soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass das, was wir als natürlich- gegeben hinnehmen, das Produkt historisch-sozialer Formungen ist. Wir sehen Dinge und Sachverhalte im Lichte einer soziokulturell imprägnierten Sehweise. Wir sehen die Welt nicht nur durch die Brille sozialer Konstruktionen, sondern wir handeln und sprechen auch innerhalb sozialer Konstruktionen, also in sozialkulturellen Prägeformen und Perspektiven. Die Gegenstandsbereiche unserer Wahrnehmungen sind sprachlich vermittelt, und ganz wesentlich von kulturell und sozialen Bildvorstellungen vorstrukturiert. Sozialkonstruktivismus ist das Bestreben, die soziokulturellen Prägeformen unserer Ansicht von der Welt, der Natur und des Menschen freizulegen und bewusst zu machen (vgl. dazu z.B. den sich wandelnden Diskurs über Weiblichkeit bzw. deren Stereotypen).
Charakteristika:
- Grundlegende Kritik aller essentialistischen Deutungen von Welt, Natur und Mensch, wonach Wort und Sache eins sind. Was als naturgegeben oder gar ewig erscheint, ist Produkt sozialer Prozesse.
- Tendenz zur Universalisierung der These von der sozialen Konstruiertheit von allem und jedem: totaler Konstrukionsverdacht.
- Mit dem "totalen Konstruktionsverdacht" ist ein auffälliger Sprachidealismus verknüpft: es existiert nur, worüber gesprochen oder geschrieben worden ist bzw. wird.
- Die sozialkonstruktivistischen Erkenntnisstrategien rücken die innere Verschränkung von Prozess und Produkt deutlich ins Licht. Der Ausdruck Konstruktion weist sowohl auf den Herstellungsvorgang wie auf das fixierte Resultat hin.
- Der Gesichtspunkt sozialer Konstruktion bzw. die Einsicht in die historisch- gesellschaftliche Entwicklung von Vorstellungen über die Wirklichkeit, kann ausgedehnt werden bis auf das Problem der Geltung von Tatsachen als Fakten. Folgerichtig sind im Sozialkonstruktivismus auch die wissenschaftlichen Fakten ins Licht sozialer Konstruiertheit gerückt worden.
Sinnfällig Eingang gefunden hat die sozialkonstruktivistische Sprechweise in die Sozialwissenschaften mit einer Publikation von P. Berger und Th. Luckmann: "The Social Construction of Reality"[1] von 1966. Jahre später erst hat diese grundlagentheoretische Studie, die wesentlich von der phänomenologischen Philosophie[2] inspiriert ist, eine breitere Rezeption im deutschsprachigen Raum erfahren.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 4.2
[2] Siehe Kapitel 1.6
Nächstes Kapitel: 1.6 Phänomenologische Erkenntnisstrategien
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1.6 Phänomenologische Erkenntnisstrategien
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
In den phänomenologischen Erkenntnisstrategien fließen mehrere Denktraditionen zusammen: phänomenologische Bewusstseinsphilosophie, Philosophische Anthropologie[1] sowie pragmatistische Ansätze, wie Symbolischer Interaktionismus[2], verknüpft mit sozialkonstruktivistischen Denkfiguren[3]. Die phänomenologische Bewusstseinsphilosophie bildete sich bald nach 1900 und ist mit dem Namen Edmund Husserl verbunden. Statt mit vorausgesetzten theoretischen Konstrukten zu beginnen, votiert Husserl für eine Rückbesinnung auf die Wahrnehmungsperspektive des einzelmenschlichen Bewusstseins. Den Ansatzpunkt von Wissenschaft bildet demnach das alltägliche Wahrnehmungs- und Erfahrungsfeld des einzelmenschlichen Bewusstseins. Der Blick richtet sich auf die gewöhnlichen Erscheinungsformen der alltäglichen Lebenswelt.
Charakteristika:
- Rückbezug auf die moderne Philosophische Anthropologie[4]: Beachtung der Verschränkung menschlicher Natur und gesellschaftlicher Kultur bzw. der Konstitution spezifisch menschlicher Vergesellschaftung.
- Die soziale Welt / die sozialen Lebenswelten werden von Beginn an als (Deutungs- und Verstehens-)Leistungen der gesellschaftlichen Individuen betrachtet.
- Menschliches Handeln wird als durch Symbole vermittelte und durch Normen[5] regulierte Lebensäußerungen interpretiert, in Abhebung vom instinkt- und reizgesteuerten animalischen Verhalten[6].
- Herausarbeitung der Differenz von Naturerkenntnis und Erkenntnis des gesellschaftlichen Lebens. Konstitution von Gesellschaft als spezifisch menschliche Form.
- Unterscheidung zwischen Naturprozessen und Prozessen der Konstitution von Gesellschaft: der Naturprozess ist schon konstituiert noch ehe der Gesellschaftsprozess in Gang kommt; wohingegen Konstitution und Reproduktion des gesellschaftlichen Lebensprozesses zwar in den Naturprozessen eingründen, aber aus Leistungen der gesellschaftlichen Individuen hervorgehen.
- Interesse an den Konstitutionsprozessen des Subjekts bzw. der menschlichen Subjektivität. Als handlungszentrierter[7] Ansatz stehen die Bildungsprozesse der Ich- Identität, der personalen und sozialen Identität der Individuen bzw. die Aspekte der Sozialisation im Vordergrund.
- Thematisieren der Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens im Medium der Alltagspraxis, der Strukturen des Alltagslebens.
- Zentrierung um die Frage der Konstitutionsprozesse gesellschaftlicher Sinnzusammenhänge. Untersuchung der Formen sinnhafter Lebenswelten unter dem Modell der Intersubjektivität.
- Tendenz, das gesellschaftliche Leben auf der Ebene der Sinnproduktion, der Interpretationspraxis, d.h. der Dynamik des Denkens und Verstehens zu untersuchen: soziale Welt gleichbedeutend mit unaufhörlich interpretierter Welt. Der Schwerpunkt liegt auf den Prozessen der kulturellen Reproduktion und Typenbildung.
- Ansetzen an der Beobachtung und zwar an den alltagsweltlichen Beobachtungen des Einzelmenschen. Zugleich wird darauf aufmerksam gemacht, dass die alltagsweltliche Beobachtungsperspektive eingeflochten ist in die alltägliche Lebenswelt, worin die phänomenologischen Beobachtungen getätigt werden: Doppel-Perspektivik (Binnenperspektive des Sozialforschers als Angehöriger einer soziokulturellen Lebenswelt - Außenperspektive des Sozialforschers, wenn er ebendiese Soziale Lebenswelt, in die er eingewoben ist, untersucht).
- Sozialwelt wird weder nach dem Muster naturgesetzlicher Evolutionsvorstellungen noch nach den Mustern überpersönlich-universell geltender Strukturen oder autopoietischer Systeme interpretiert. Der soziale Lebensprozess und die Strukturen der sozialen Lebenswelt werden als Leistungen der Individuen interpretiert.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 3.1.2
[2] Siehe Kapitel 1.4
[3] Siehe Kapitel 1.5
[4] Siehe Kapitel 3.1.2
[5] Siehe Kapitel 3.1.3
[6] Siehe Kapitel 3.1.1
[7] Siehe Kapitel 3.1.2
Nächstes Kapitel: 1.7 Kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategien
Vorheriges Kapitel: 1.6 Phänomenologische Erkenntnisstrategien
1.7 Kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategien
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Im Ausgang der 1960er Jahre wächst aus der Kritischen Theorie ("Frankfurter Schule") jene Erkenntnisstrategie hervor, die inzwischen als "Theorie kommunikativen Handelns" Teil der Diskussion über Probleme und Perspektiven moderner Sozialtheorie geworden ist. Die Rekonstruktion von Gesellschaftstheorie aus dem Geiste der Kommunikationstheorie ist mit dem Namen Jürgen Habermas[1] verbunden.
Habermas entwirft seine Kommunikationstheorie als Gesellschaftstheorie in Anknüpfung, aber auch in kritischer Abgrenzung zur Kritischen Theorie, die vor allem mit den Namen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno[2] verbunden ist. Es sind im wesentlichen zwei Abgrenzungspunkte:
- Habermas hält eine Einfassung der Sozialwissenschaften in Geschichtsphilosophie nicht länger für haltbar;
- er sieht die Kritische Theorie als gefangen in der alteuropäischen verfassten und vom einzelmenschlichen Bewusstsein ausgehenden Bewusstseinsphilosophie.
Wegen dieser Gefangenschaft setzt Habermas seine kommunikatonstheoretische Grundlegung der Sozialwissenschaften im Bereich der sozialen Interaktion, beim Sprechen in der Perspektive des Social Act an. Beobachtung geschieht in der Individualperspektive. Dagegen konstituiert Sprechen die Interaktionsperspektive. In den Sprechakten öffnet sich nicht nur buchstäblich die Perspektive zur Öffentlichkeit; aus den Sprechakten geht zugleich der Aufbau der inneren, der subjektiven Welt hervor. Sprechen auf dem Weg zum Social Act ist demnach Quellbereich sowohl der Konstitution von Sozialität wie von Subjektivität, Innenwelt.
Zentral für die "Theorie des kommunikativen Handelns"[3] sind:
- der Zusammenhang zwischen Handeln und Rationalität;
- das Spannungsverhältnis zwischen Systemrationalität und kommunikativer Rationalität, d.h. zwischen systemischer Welt und Lebenswelt.
Habermas' "Theorie des kommunikativen Handelns" ist sowohl handlungs- wie systemtheoretisch angesetzt. Dies in gesellschaftskritischer Absicht, insofern Habermas seine Sozialtheorie an die Aufklärungsidee des verantwortlich handelnden Subjekts anschließt. Vor diesem Hintergrund entwickelt Habermas seine Konzeption des "praktischen" und "theoretischen Diskurses". Mit einer der Philosophischen Anthropologie[4] entlehnten Grundfigur zur Unterscheidung von Verhalten[5] und Handeln[6] pointiert Habermas seine Denkfigur des zurechnungsfähigen Subjekts:
"Ein tierischer Organismus kann nicht in demselben Sinn für sein Verhalten verantwortlich gemacht werden wie ein sprach- und erkenntnisfähiges Subjekt für seine Handlungen."
Um die Eigenart des Sozialen[7] zu präzisieren, ist in der "Theorie des kommunikativen Handelns" ausführlich eine Typologie des menschlichen Handelns dargelegt, die drei Grundtypen von menschlichem Handeln bezeichnet: Instrumentelles Handeln, Strategisches Handeln, Kommunikatives Handeln. In der gesellschaftlichen Wirklichkeit können die Handlungstypen sowohl zusammen auftreten als auch nacheinander.
Die "Theorie kommunikativen Handelns" ist fokussiert auf die Sphäre der Interaktion, d.h. auf die sozialkulturelle Reproduktion der Gesellschaft. Die kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategie in den Sozialwissenschaften legt, wie Habermas es formuliert, den "vernünftigen Gehalt anthropologisch tiefsitzender Strukturen" frei und zerreißt nicht die Verschränkung von Natur und Kultur.
Verweise:
[1] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/habermas/21bio.htm
[2] Siehe Kapitel 4.2
[3] Siehe Kapitel 4.2
[4] Siehe Kapitel 3.1.2
[5] Siehe Kapitel 3.1.1
[6] Siehe Kapitel 3.1.2
[7] Siehe Kapitel 2.3
2 Die Eigenart der Sozialwissenschaften im Lichte des Dualismus von Natur- und Geisteswissenschaften
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Die Sozialwissenschaften sind weder auf das objektivistische Modell[1] der Naturwissenschaften zu vereidigen, noch an die Tradition der Geisteswissenschaften zu binden oder an den Erkenntnisinteressen der Geschichtswissenschaften zu orientieren. Der Eigenart des Sozialen[2] entsprechen werde Natur-, noch Geistes-, noch Geschichtswissenschaften:
- Gegenüber den Naturwissenschaften[3] ist die Eigenart symbolisch vermittelten Charakters des sozialen Handelns und der kulturellen Lebensformen zu betonen.
- Gegenüber den Geisteswissenschaften[4] ist die Eigenart der sozialen Zwänge und Determinanten der durch die gesellschaftliche Arbeit vermittelten materiallen Reproduktion des menschlichen Lebens zu betonen.
- Gegenüber den Geschichtswissenschaften[5] ist die Eigenart durchschnittsindividueller Normalität erzeugender gesellschaftlicher Strukturbildungen und Strukturwandlungen zu betonen.
Bis heute existiert in den Sozialwissenschaften ein Streit über die primär erforderliche sozialwissenschaftliche Methodik:
Ist der Modus der Erklärung oder der des Verstehens[6] die angemessene Herangehensweise an sozialwissenschaftliche Gegenstandsbereiche?
Grundlegend kann hier festgehalten werden: Die Entscheidung für einen der beiden Prototypen sozialwissenschaftlicher Verfahrensweise hängt entscheidend davon ab, wie der Gegenstand der Sozialwissenschaften - die Eigenart des Sozialen - betrachtet, gedanklich gefasst und entsprechend in den Sozialtheorien konzeptualisiert wird.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.1
[2] Siehe Kapitel 2.3
[3] Siehe Kapitel 2.3.1
[4] Siehe Kapitel 2.2
[5] Siehe Kapitel 2.3.2
[6] Siehe Kapitel 2.1
Inhaltsverzeichnis
2 Die Eigenart der Sozialwissenschaften im Lichte des Dualismus von Natur- und Geisteswissenschaften
Weitere Kapitel dieser Lernunterlage
1 Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften
3 Sozialwissenschaftliche Terminologie - Exempla
4 Literatur
Nächstes Kapitel: 2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"
2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Hier soll dafür plädiert werden, die Sozialwissenschaften nicht auf den Gegensatz (quasi- naturwissenschaftlicher) Erkenntnismodus "Erklären" und (quasi- geisteswissenschaftlicher) Erkenntnismodus "Verstehen" festzunageln.
Im Kontext des tradierten Gegensatzes zwischen Erklären und Verstehen ist der Begriff "Hermeneutik" zu behandeln. Hermeneutik ist weniger eine Methode als eine Kunst des Interpretierens: ein Verfahren der sinnverstehenden Auf- und Erschließung von Sprechakten, Texten und Kunstwerken. Hermeneutik gilt als Königsverfahren der Geisteswissenschaften. Diesen geht es um die Auslegung der Bedeutungsschichten sinninnervierter Objektivationen des menschlichen Geistes. Heute stößt man im Kontext von "Content Analysis", Inhaltsanalyse, "interpretativen Sozialwissenschaften" oder "qualitativen Methoden" auf hermeneutische Verfahren.
Hermeneutische Verfahren sind gebunden an den artifiziellen Charakters menschlicher Vergesellschaftung, d.h. daran, dass soziale Interaktionen stets symbolisch vermittelt sind. Dinge, Formen, Verhalten, Interaktionen sind nicht nur einfach gegeben, sondern es kommt ihnen eine Bedeutung zu. Hermeneutische Verfahren sind zentriert im Verständnis von Sinngehalten. Favorisierter Erkenntnismodus: Verstehen.
Der Hermeneutik wohnen zwei ineinander verschränkte Vorgänge ein: Verstehen und Deuten in einem Zug. Indem wir etwas verstehen, deuten wir es (z.B. das religiöse Kreuz, einen Gruß, ein Schriftbild).
Hermeneutisch orientierte Sozialwissenschaften legen Wert auf den Unterschied zwischen reizgebundenem Verhalten[1] und sinnvermitteltem, an Symbolen und Bedeutungen orientiertem Handeln[2].
Natur ist schon konstituiert, ehe sie von menschlicher Praxis als Gegenstand behandelt wird. Die Ansicht von Natur als Objekt menschlicher Bearbeitung und Betrachtung ist vermittelt über die Zuweisung kultureller Bedeutungen an Erscheinungen und Vorgängen in der Natur, wodurch diese symbolischen Charakter annimmt. Insofern als sie mit Zeichen, Zahlen und Sprache operieren, haben auch die Naturwissenschaften teil an der symbolischen Bedeutungswelt. Die naturwissenschaftlichen Probleme und Fragen werden nicht vom Naturobjekt formuliert, sondern von Menschen gestellt.
Alle Wahrnehmung, sowohl die sozial- wie die naturwissenschaftliche, ist deutende Projektion: Wer etwas auslegt (so Nietzsche), legt etwas hinein, auch sich bzw. von sich selbst. Ob etwas, das wahrgenommen wird, auch wahr ist, können erst die systematisch-methodische Kontrolle und der wissenschaftliche Diskurs erweisen; etwa das Experiment. Erklären heißt, Zusammenhänge von Wahrnehmungen feststellen und unter bestimmten Gesichtspunkten prüfen, gegebenenfalls seine Wahrnehmung korrigieren.
Ist nun die naturwissenschaftliche Erklärung etwas ganz anderes als das sozialwissenschaftliche Verstehen:
Ja, weil sich die naturwissenschaftliche Erklärung auf sinnfremde bzw. sinnneutrale Gegenstandsbereiche bezieht.
Nein, weil es auch der sozialwissenschaftlichen Deutung von sprach-, sinn- und symbolvermittelten Gegenstandsbereichen um Erklärung geht.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 3.1.1
[2] Siehe Kapitel 3.1.2
Nächstes Kapitel: 2.2 Natur- vs. Geisteswissenschaften
Vorheriges Kapitel: 2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"
2.2 Natur- vs. Geisteswissenschaften
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Im Laufe des 19. Jahrhunderts hat sich in den Wissenschaftskulturen folgende Polarität herausgebildet:
Hier die triumphalischen, erfolgreichen, das Gesicht der Welt tief hinein prägenden Naturwissenschaften im Wirkungsdreieck von Industrie - Technik - Wirtschaft.
Dort die in wissenschaftliche Enklaven zurückgedrängten, ebenso gekränkten wie elitären Geisteswissenschaften.
Zwischen Natur- und Geisteswissenschaften hat sich seither ein tiefer Graben aufgetan.
Die Gegenüberstellung von Natur- und Geisteswissenschaften ist im deutschsprachigen Raum mit den Namen Wilhelm Windelband und Heinrich Rickert verbunden. Windelband zufolge handelt es sich im Falle der Geistes- und der Naturwissenschaften um grundsätzlich verschiedene Typen der Erkenntnisproduktion:
Naturwissenschaften werden dem nomothetischen Wissenschaftstyp zugeordnet; d.h. hier gehe es um die Gewinnung allgemeiner Gesetze, Gesetzmäßigkeiten - kurz: die Erforschung von Naturgesetzen. Erkenntisfigur: Erklären[1].
Geisteswissenschaften werden dem ideographischen Wissenschaftstyp zugeordnet; d.h. hier gehe es vor allem um die individualisierende Beschreibung von Ereignis- und Geistesgeschehen. Erkenntnisfigur: Verstehen[2].
Heinrich Rickert[3] hat um 1900 diesen Dualismus modifiziert, indem er den Begriff des Geistes zu dem der Kultur erweitert hat: "Die Worte Natur und Kultur sind nicht eindeutig."
Merklich ist die Verschiebung der Terminologie von Geistes- zu den umfassenderen Kulturwissenschaften.
Rickert: "es gibt für die Wissenschaft einerseits Objekte, die wie die Kultur eine Bedeutung oder einen Sinn haben, und die wir um dieser Bedeutung und dieses Sinnes willen verstehen, und es gibt andererseits Objekte, die wie die Natur uns als völlig sinn- und bedeutungsfrei gelten und von daher unverständlich bleiben."
vgl. dazu auch Max Weber[4]'s Verstehende Kulturwissenschaft bzw. Verstehende Soziologie (Weber 1988: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre[5]).
Entlang der Unterscheidung von Natur- und Kulturwissenschaften hat sich eine Reihe kulturwissenschaftlicher Paradigmen herausgebildet, die bis in die Gegenwart hinein virulent sind. Beispielsweise schreibt Ernst Cassirer[6] den Dualismus von Kulturwissenschaften und Naturwissenschaften fort, ohne sie allerdings zu Antipoden zu stilisieren; vielmehr ist er darum bemüht, für die Wissenschaften vom Menschen nach Vermittlungen zu suchen. "Kultur[7]" wird von Cassirer als die vom Menschen gestaltete Welt gefasst und definiert. Damit rücken Handlung und Formgebung ins Zentrum; Natur und Kultur werden nicht als absolutes Gegensatzpaar aufgefasst, sondern stehen in einem wechselseitigen Fundierungsverhältnis: "Alles ist Natur - alles ist Kultur."
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.1
[2] Siehe Kapitel 2.1
[3] Siehe Kapitel 4.2
[4] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm
[5] Siehe Kapitel 4.2
[6] Siehe Kapitel 4.2
[7] Siehe Kapitel 3.2.2
Nächstes Kapitel: 2.3 Eigenart des Sozialen
Vorheriges Kapitel: 2.2 Natur- vs. Geisteswissenschaften
2.3 Eigenart des Sozialen
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Die Eigenart des Sozialen verlangt Sozialwissenschaften. Dabei können sozialwissenschaftliche Denkansätze näher an den Pol der Naturerklärung[1] oder näher an den Pol des Geistverstehens[2] heranrücken. Aber letztendlich sind Sozialwissenschaften weder Natur- noch Geisteswissenschaften[3].
Die Eigenart des Sozialenbezieht sich auf:
- Die Eigenart des menschlichen Handelns als sozialem Handeln, d.h. in Interaktionen und Symbolische Strukturen eingelagert.
- Die Eigenart der Verfestigung des Sozialen, der menschlichen Lebenswelt in Strukturen[4] und Prozessformen.
- Die Besonderheit des Verhältnisses der Sozialwissenschaften zu ihrem Gegenstandsbereich (der menschlichen Vergesellschaftung), in den sie konstitutiv verflochten sind.
- Sozialwissenschaften haben es nicht mit Naturgesetzen im engen Sinn zu tun, wenn mit Naturgesetz gemeint ist, dass die Prozessabläufe keine Alternativenzulassen, sich auch ohne praktisches Zutun der Menschen vollziehen.
- Wenn Sozialwissenschaften es auch nicht mit Naturgesetzen zu tun haben, so sind sie doch mit Gleichförmigkeiten konfrontiert, mögen diese Gleichförmigkeiten in der Perspektive der Suche nach sozialen Gesetzmäßigkeiten, Strukturgesetzen oder Entwicklungstendenzen beleuchtet und entsprechend so benannt werden. Die Sozialwissenschaften haben es nicht nur mit regelmäßigem Verhalten zu tun, sondern mit einem von sozialen Regeln, Normen[5] geleiteten regelmäßigen Verhalten[6] und Handeln[7], häufig verdichtet in Symbolisierungen.
- Verletzung einer naturwissenschaftlich-empirisch fundierten technischen Regelim Bereich des instrumentellen Handelns ist per se zum Scheitern, d.h. zum Misserfolg verurteilt. Demgegenüber wird die Verletzung einer sozialen Regel, d.h. die Abweichung von einer geltenden sozialen Norm durch Sanktionen geahndet, die nicht in Naturgesetzen verankert sind, sondern durch Konventionen (soziale Normen) geregelt werden.
- Es kennzeichnet die Eigenart des Sozialen (die menschliche Vergesellschaftung), dass auch ihr Strukturen, Prozessverläufe und Zwänge einwohnen. Die Menschen sind nicht nur mit der Objektivität der Naturprozesse und deren Gesetzmäßigkeiten konfrontiert, sondern auch mit dem (stummen) Zwang gesellschaftlicher, normativ strukturierter Verhältnisse.
- Allerdings sind die sozialen Prozess-strukturen im Unterschied zu denen der außermenschlichen Natur Resultat menschlichen Handelns - bzw. Unterlassens. Ihnen wohnt das Potential der Veränderung ein. Zu beachten ist das Potential der Abweichung, die Möglichkeit der Veränderung und Einleitung von sozialem Wandel[8].
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.1
[2] Siehe Kapitel 2.1
[3] Siehe Kapitel 2.2
[4] Siehe Kapitel 3.3.1
[5] Siehe Kapitel 3.1.3
[6] Siehe Kapitel 3.1.1
[7] Siehe Kapitel 3.1.2
[8] Siehe Kapitel 3.5.2
Inhalt
2.3.1 Sozialwissenschaften vs. Naturwissenschaften
- Naturwissenschaften haben es weitgehend mit symbolfreien Gegenstandsbereichen zu tun.
- Naturwissenschaften als Theorie und organisierter Betrieb sind ein menschliches Artificium, d.h. sie gehören der Sozialwelt an. Ihr Gegenüber aber, die symbolfreie bereits konstituierte Natur, ist kein menschliches Artificium; wohl aber wird die Natur durch Praxis, Technik und Wissenschaft in die Sozialwelt hereingezogen.
- Naturprozesse und Naturgesetze laufen auch dann ab, wenn sie nicht naturwissenschaftlich formuliert sind. Die Natur existiert unabhängig vom Menschen.
- Die Physis und der nichtmenschliche Bios (inkl. Pflanzen und Tier) können nicht für sich selbst sprechen; vielmehr müssen die Naturwissenschaften Physis und den nichtsprechenden Bios (die Natur) mit Hilfe von Beschreibungen und Interpretationen, im Wege von Intervention und Manipulation erst zum Sprechen bringen.
- Während die außermenschliche Natur sich nicht selbst interpretiert, treffen die Sozialwissenschaften auf einen anders georteten Gegenstandsbereich: die menschliche Vergesellschaftung, das soziale und kulturelle Leben. Dieses ist immer schon durchsetzt von Interpretationen. Gesellschaftliche Interpretationen von Natur und Welt verweisen die Sozialwissenschaften darauf, dass, wenn sie interpretieren, sie immer schon auf eine alltagsweltlich interpretierte Welt stoßen.
2.3.2 Sozialwissenschaften vs. Geschichtswissenschaften
- Sozialwissenschaften richten ihr Augenmerk auf Erwartungs- und Ereignisfahrpläne, d.h. Gleichförmigkeiten, Regelmäßigkeiten, Regelwerke und die erwarteten Ereignisfolgen. Orientierungspunkt sind Strukturen[1] des Handelns und der Lebenswelt.
- Geschichtswissenschaften setzen historiographisch an, d.h. sie richten ihre Interesse auf die Chronik der Ereignisse. Orientierungspunkt sind Situationen und Personen des Handelns.
- Innerhalb der Sozialwissenschaften gibt es Ansätze, die sich auf eine Kooperation mit geschichtswissenschaftlichen Disziplinen zubewegen. So hat sich in der Soziologie die ältere historiographische Biographik in eine soziobiographische Forschungsrichtung umgewandelt.
- Umgekehrt gibt es in den Geschichtswissenschaften Forschungsschwerpunkte, die auf eine Verschränkung mit sozialwissenschaftlichen Forschungsperspektiven hin ausgelegt sind.Die Eigenart des Sozialen bewegt sich zwischen den Momenten Kultur[2] und Natur, Praxis und Struktur[3], Geschichte und sozialer Statik und verlangt differenzierte Konzeptualisierungen.
- Es lässt sich eine Verwandtschaft konstatieren zwischen geisteswissenschaftlich orientierter Sinngeschichte innerhalb der Geschichtswissenschaften und den mit biologisch- informationstheoretischen Modellen operierenden, objektivistisch- evolutionsparadigmatischen Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften, einschließlich der neueren Systemtheorie. (Auch wenn beide Seiten diese Verwandtschaft in der Denkweise vielleicht mit Entrüstung von sich weisen würden.)
- Sozialwissenschaften, die sich der Eigenart des Sozialen[4] - der menschlichen Vergesellschaftung - im Medium von geschichtlicher Praxis und Kommunikation, widmen, sind gut beraten, sich gegenüber jeder Teleologie, d.h. Lehre von der inneren Zielgerichtetheit und Zielstrebigkeit der Evolution, agnostisch zu verhalten.
- Sozialwissenschaften haben es immer auch mit Selbstaufklärung über menschliche Vergesellschaftung zu tun.
- Sozialwissenschaften haben es mit Feldern (um einen Ausdruck von Pierre Bourdieu[5] zu verwenden), mit Kräftefeldern zu tun: mit sozialem Handeln und mit gesellschaftlichen Konstellationen und Entwicklungstendenzen, worin dieses Handeln statthat.
- Sozialwissenschaften haben es ebenso mit Gleichförmigkeiten und Regelmäßigkeiten, Strukturen[1] und Prozessverläufen zu tun wie mit Spannungsfeldern, erzeugt von sozialen Kräften. Handeln und Norm[6] erscheinen deshalb als geeignete Schlüssel- und Einstiegsbegriffe zur Konturierung der Grundlagen der Sozialwissenschaften.
- Sozialwissenschaften haben es, wie alle Wissenschaften, mit Regelmäßigkeiten und Gleichförmigkeiten zu tun - aber von spezifischer Natur: diese gehen stets hervor aus der gesellschaftlichen Praxis der Menschen.
- Der Eigenart des Sozialen inne zu werden, ist es ratsam, die Philosophische Anthropologie heranzuziehen, der Bereich der Humanwissenschaften, wo sich Natur-, Geschichts- und Sozialwissenschaften verschränken und wo der Mensch in seiner Verschränkung als geschichtliches Natur- und Kulturwesen thematisiert wird.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 3.3.1
[2] Siehe Kapitel 3.2.2
[3] Siehe Kapitel 3.3.1
[4] Siehe Kapitel 2.3
[5] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/bourdieu/06bio.htm
[6] Siehe Kapitel 3.1
3 Sozialwissenschaftliche Terminologie - Exempla
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
"Definierbar ist nur, was keine Geschichte hat" - Nietzsche, Zur Genealogie der Moral
Mit Hilfe der "Sozialwissenschaftlichen Terminologie" soll in das Feld der Begrifflichkeiten eingeführt werden, die das sozialwissenschaftliche Denken fundieren und justieren. Es handelt sich um Termini, die zugleich Titel für wesentliche, tiefgreifende Problemlagen in den Sozialwissenschaften bilden. Es geht dabei nicht um die letztgültige Fixierung von wissenschaftlichen Fachausdrücken. Die hier präsentierte Auswahl an co-reflexiven Begriffspaaren aus der Sozialwissenschaft ist fraglos selektiver Natur.
Literaturangaben[1] zur Untermauerung der Termini.
Verweise:
Inhaltsverzeichnis
Weitere Kapitel dieser Lernunterlage
1 Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften
2 Die Eigenart der Sozialwissenschaften im Lichte des Dualismus von Natur- und Geisteswissenschaften
4 Literatur
Nächstes Kapitel: 3.1 Handeln und Norm
Vorheriges Kapitel: 3 Sozialwissenschaftliche Terminologie - Exempla
3.1 Handeln und Norm
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Von Aristoteles über Hegel bis zu Max Weber[1] und Hannah Arendt[2] ist das menschliche Lebewesen anthropologisch-philosophisch in den Mittelpunkt der Wissenschaften vom Sozialen und Politischen gestellt worden. Dort wird es in mehrfacher Hinsicht grundbestimmt:
- Der Mensch ist ein handelndes Wesen.
- Handeln wird als motiviertes Verhalten interpretiert (Motiv: Beweggrund)
- Das Modell des (motivierten) Handelns ist nach dem Muster des teleologischen Handelns (Telos: Ziel, Zweck) gebildet. Teleologisches Handeln meint: der Aktor verwirklicht seinen Zweck, das antizipierte Ziel eines erwünschten Zustands, indem er in einer jeweils gegebenen Situation erfolgsversprechende Mittel auswählt und in geeigneter Art und Weise anwendet.
- Das teleologische Handlungsmodell gilt unter der Voraussetzung, dass das menschliche Lebewesen zurechnungsfähig, d.h. zum handlungsfähigen Subjekt sozialisiert ist.
- Der Mensch ist ein zoon politikon, ein politisches Lebewesen, das durch die Teilhabe an der Polis, der öffentlichen Sozialität, in den Status des Menschen erhoben ist.
Bei der Beschäftigung mit der menschlichen Natur lassen sich zwei Orientierungen ausmachen:
- eine eher verhaltenstheoretische Fundierung[3] der Sozialwissenschaften
- eine eher handlungstheoretische Fundierung[4] der Sozialwissenschaften.
Verweise:
[1] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm
[2] Siehe Kapitel 4.2
[3] Siehe Kapitel 3.1.1
[4] Siehe Kapitel 3.1.2
Inhalt
3.1.1 Verhalten - Zur verhaltenstheoretischen Konzeptualisierung der Sozialwissenschaften
- Für verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften erscheint der Mensch als tierverwandtes animal. Dabei wird der Modus des Verhaltens primär als Reaktion verstanden. Es dominiert eine deterministische Sicht des Verhaltens über eine subjektzentrierte Sicht des Handelns.
- Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften sind am objektivistischen Wissenschaftsideal[1] exakter Naturwissenschaften[2] experimentellen Zuschnitts orientiert.
- Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften sind bemüht, immer-und-überall geltende Invarianten des menschlichen Verhaltens herauszustellen.
- Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften tendieren dazu, von Grundannahmen einer von Geschichte und sozialem Raum unabhängigen menschlichen Natur auszugehen.
- Die Frage nach der Beschaffenheit der menschlichen Natur wird aus den Sozialwissenschaften ausgelagert. Die Bestimmung der Parameter der menschlichen Natur wird aus anderen Wissenschaftsdisziplinen importiert (etwa psychologischen Lerntheorien oder Neuro-Wissenschaften).
- Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften tendieren dazu, den Subjektcharakter des menschlichen Lebewesens zugunsten naturdeterministischer Anschauungen gering anzusetzen.
- Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften zielen auf allgemeine, in der menschlichen Natur verankerte Gesetzmäßigkeiten.
- Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften tendieren zu einem "methodologischen Individualismus". Die Basis- und Beobachungseinheit bildet das individuelle Verhalten, woraus schließlich Theorien sozialer Gesetzmäßigkeiten menschlichen Verhaltens abgeleitet werden.
- Dem "methodologischen Individualismus" ist eine Tendenz zum Reduktionismus eigen: Reduktion des menschlichen Verhaltensrepertoires auf eine naturale Bestimmungsbasis; zum anderen Reduktion auf das individuelle Verhalten als zentrale Einheit.
- Verhaltenstheoretischer Sozialwissenschaften weisen auf deterministische Konzeptualisierungen, was nicht zuletzt sinnfällig wird in der Bevorzugung des Begriffs Verhalten gegenüber Handeln.
- Dem entspricht die merkliche Vorliebe für experimentell gewonnene Beobachtungsdaten (nach naturwissenschaftlichem Leit- und Vorbild[3]).
- Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften fügen sich in lineare Evolutionstheorien ein. In ihren Konzeptionen des Sozialen wird weniger die Eigenart des Sozialen[4] akzentuiert als das natural-evolutionäre Kontinuum zwischen tierischem und menschlichen Verhalten zugrundegelegt.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.1
[2] Siehe Kapitel 2
[3] Siehe Kapitel 2.3.1
[4] Siehe Kapitel 2.3
3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften
Handlungstheoretische Denkweisen rekurrieren auf eine philosophisch untermauerte Anthropologie, wobei der Akzent hier weniger auf der biologischen Anthropologie als auf der Sozial- und Kulturanthropologie liegt. Um ein Grundverständnis für die handlungstheoretische Fundierung der Sozialwissenschaften und hierüber ein Verständnis für die Eigenart des menschlichen Handelns bzw. für die Eigenart des Sozialen[1] zu gewinnen, soll auf wesentliche Denkansätze zurückgegriffen werden, wie sie im Werk von Arnold Gehlen[2] und Helmuth Plessner[3] niedergelegt sind. (Aus wissenschaftspolitischen Gründen heraus wird Gehlens Werk eher verschämt zitiert; wohingegen das Werk Plessners heute eine Art Renaissance erfährt.)
Differenz zwischen Gehlen und Plessner:
- In Gehlens Anthropologie ist der Schwerpunkt des Erkenntnisinteresses auf die Seite der Norm (bzw. Institution[4]) - der sozialen Normierung des menschlich- zwischenmenschlichen Verhaltens - gelegt, ohne den Aspekt der Spontanität menschlichen Handelns zu vernachlässigen: domestikatorischer Akzent.
- In Plessners Anthropologie liegt der Schwerpunkt stärker auf der Seite des Handelns, des menschlichen Handlungspotenzials bzw. der menschlichen Handlungsmacht: emanzipatorischer Grundimpuls.
Generalthesen der Philosophischen Anthropologie:
Wo beim Tier Verhalten und Umweltverhältnis wesentlich vom Instinktprogramm reguliert werden, tritt beim Menschen die soziale Norm in Kraft. Das Tier ist in seine artspezifische Umwelt eingepasst. Der Mensch ist gezwungen und in der Lage, seine Welt(en) zu erzeugen und umzuschaffen. Der philosophisch-anthropologisch unterbaute sozialwissenschaftliche Welt-Begriff ist außerbiologischer Natur. Durch tätige Konstitution seiner Welt(en), im Zuge kulturspezifisch-variationsreicher sozialer Normierung seiner Verhaltensweisen und Handlungskreise, seiner Beziehungen und Verkehrsabläufe, erzeugt der Mensch seine innere Natur. Die Zweite Natur (Kultur)[5] ist durch eine Doppelaspektivität charakterisiert: die Verschränkung von äußerer Sozial- und Kulturwelt einerseits und Herausbildung von Innenwelt andererseits.
Zentrale Gesichtspunkte:
- Der Mensch erscheint als biologisches Sonderproblem, das bereits im Ansatz den Einschluss einer sozial- und kulturwissenschaftlichen Perspektive nahelegt.
- Der Mensch ist das nicht festgestellte Tier (vgl. Nietzsche). Er ist zum Handeln genötigt und muss den sinnhaften Aufbau seiner Welt leisten.
- Der Mensch kann - im Gegenlicht der Instinktdeterminiertheit und Spezialisiertheit des Tieres - als Mängelwesen beschrieben werden. Allerdings darf der Mangel an Instinktsicherheit und artspezifischer Spezialisierung nicht gleich gesetzt werden mit Schwäche bzw. Evolutionsnachteilen.
- Der Mensch ist ein Möglichkeitswesen. Die vitale Einschränkung aufgrund mangelnder Instinktsicherheit und fehlender Spezialisiertheit erweist sich als Vorteil: sein Feld ist die Welt und nicht eine artspezifische Umwelt.
- Im Unterschied zur tierischen Festgelegtheit auf eine spezifische Umwelt ist der Mensch durch Weltoffenheit charakterisiert und verfügt über die Fähigkeit, seine gegebenen Bedingungen zu überschreiten.
- Instinktreduktion, Unspezialisiertheit und Weltoffenheit zwingen den Menschen zur permanenten Erzeugung seiner Lebensbedingungen und Lebensmöglichkeiten.
- Der Mensch lebt nicht nur, er muss sein Leben führen: Lebensführung im Medium sozialer Praxis (Handeln) und sozialer Ordnung (Norm[6]) sowie Interaktion und Kommunikation[7] ermöglichender und garantierender Symbolwelten.
- Führung des Lebens beinhaltet Aufbau und Ausbau beweglicher Handlungsfähigkeit entsprechend dem offenen Welthorizont, (reflexive) Bearbeitung und Organisation seiner Triebpotentiale zu Handlungsantrieben (Motive), sowie lebenslanges Lernen.
- Der Mensch erscheint als ein Wesen, das in überaus langen Fristen und verwickelten Prozessen Sozialisation und Ich-Bildung durchlaufen muss, um seine kulturelle und soziale Handlungsfähigkeit zu erwerben.
- Der Mensch ist ein Grenzen setzendes und Grenzen überschreitendes Wesen: er verfügt über das Vermögen zur Transzendenz. Als gesetzte Grenzen sind diese Grenzen Schwellen.
- Der Mensch ist ein riskantes Wesen. Auch der Mensch ist in der objektiven Welt - der Natur - Gefahren und Risiken ausgesetzt, mitunter selbstprodzierten Naturkatastrophen.
- Den Menschen zeichnet die Fähigkeit zur Imagination aus, die den Schlüssel für Planung im Zusammenhang von Phantasie und Probehandeln bilden.
- Der Mensch ist ein selbstthematisches Wesen. In Welt-, Menschen- und Selbstbildern ortet und ordnet er seine Stellung im Kosmos.
- Der Mensch ist ein "die Tierheit hinter sich lassendes Tier" ohne je die Naturbasis, das Animalische verlassen zu können. Der Mensch lässt seine Tierheit hinter und unter sich, indem er gezwungen ist, sein Leben zu führen, sich eine Zweite Natur[8] zu schaffen.
- Trotz funktionierender Naturbeherrschung bleiben der Mensch und seine Welt an die Natur zurückgebunden. Weltoffenheit kann dem Menschen daher nicht ohne jede Einschränkung zugesprochen werden.
Verweise:
[2] Siehe Kapitel 4.1
[3] Siehe Kapitel 4.2
[4] Siehe Kapitel 3.2.1
[5] Siehe Kapitel 3.2.2
[6] Siehe Kapitel 3.1.3
[7] Siehe Kapitel 1.7
[8] Siehe Kapitel 3.2.2
3.1.3 Norm
Charakteristika menschlicher Normregulierung:
- Soziale Normen sind auf Dauer gestellt und können von Einzelnen nicht beliebig außer Kraft gesetzt werden.
- Die soziale Normierung des menschlichen Lebens weist eine uferlose Variabilität auf.
- Soziale Normen regeln Interaktionen in Gestalt von Verpflichtungen und Berechtigungen.
- Soziale Normen sind übertretbar und suspendierbar (Normen können zeitweilig außer Kraft gesetzt werden: z.B. politischer Ausnahmezustand; bestehende Normen können auf Dauer, für immer außer Geltung gesetzt werden: Normwandel[1], Entstehung und Bildung neuer Normen).
- Soziale Normen sind durch Sanktionen (Diskriminierung, Missachtung u.ä.) gestützt. Die Geltungskraft sozialer Normen kann an dem Grad faktischer Sanktionen abgelesen werden.
- Einen Sonderfall der Abweichung oder Devianz stellt der Skandal dar. Der Skandal und die Folgen können als Indikator für die Geltungskraft einer Norm interpretiert werden.
- Einen Spezialfall sozialer Normen stellen Rechtsnormen dar.
- Soziale Normen können in Spannung zueinander stehen. Normenkonflikte treten dort auf, wo konkurrierende Ansprüche an das soziale Verhalten und Handeln gestellt werden (z.B. religiöse Asylpflicht in Konflikt mit staatlichem Asylrecht).
- Im Zuge der sozialen Weitergabe (Sozialisation) werden soziale Normen habitualisiert und internalisiert.
- Soziale Ordnung ist nur möglich, wenn auf die intersubjektive Geltung sozialer Normen vertraut werden kann (Erwartungs- und Ereignisfahrplan).
- Paniksituationen oder Extremereignisse stellen Grenzfälle der Geltung normativ geregelter Interaktionen dar: normative Regelung von Ausnahmesituationen ("Katastrophenfall").
- Soziale Normen regulieren das zwischenmenschliche Verhalten und entlasten es von chronischen Augenblicksimprovisationen (vgl. dazu auch den Terminus Institution[2]).
- Soziale Normen sorgen für faktische Typisierungen von Verpflichtungen bzw. Berechtigungen.
- Jede Gesellschaft kennt unterschiedliche Geltungsbereiche für Normen: Allgemeine Normen (die für alle Mitglieder gelten) und Partikulare Normen (die nur für Teilkategorien von Personen gelten).
- Soziale Normen begrenzen die individuelle Bewegungsfreiheit und ermöglichen zugleich den Handlungsspielraum der Menschen.
- Soziale Normgefüge zeugen von der Wirklichkeit im Sinne von Wirksamkeit von Gesellschaft.
- Der Grad der Verbindlichkeit sozialer Normierung kann beschrieben werden als Abstufung zwischen Kann-, Soll- und Muss-Vorschriften.
- Der Grad der Verbindlichkeit sozialer Normierung kann weiters beschrieben werden als Modalität positiver bzw. negatorischer Normregulierung: Gebot und Verbot.
- Interaktionen steuernde und regelnde soziale Normen sind zurückgebunden an Werte und Interessen.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 3.5.2
[2] Siehe Kapitel 3.2.1
Nächstes Kapitel: 3.2 Institution und Kultur
Vorheriges Kapitel: 3.1 Handeln und Norm
3.2 Institution und Kultur
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Der Terminus Institution umfasst sowohl den Aspekt des zuständlichen Resultats, der verfestigten Struktur sowie den des Prozesses. Zur unterscheidenden Verdeutlichung wird hier der Aspekt der Prozesshaftigkeit mit dem Terminus Institutionalisierung bezeichnet, der der strukturellen Verfestigung mit dem der Institution.
Das Problem der Institutionen ist im Lichte der Doppelfrage zu verhandeln:
Wie ist gesellschaftliches Leben möglich?
Wie ist soziale und kulturelle Ordnung möglich?
Der Terminus Kultur hat sich sowohl in der Alltags- wie in der wissenschaftlichen Kommunikation zu einer Art "Allerweltsbezeichnung" entwickelt. In der sozialwissenschaftlichen Perspektive erscheint es sinnvoll, den Begriff als Differenz- und Komplementärbegriff zu dem der Natur zu pointieren.
Inhalt
3.2.1 Institution
Institutionals sozialwissenschaftlicher Terminus:
Unter einer Institution ist ein Aggregat von Normen zu verstehen. Soziale Institutionen sind zu unterscheiden von den faktischen sozialen Interaktionen.
Institutionen regulieren die sozialen Interaktionen zwischen Menschen, die in bestimmte Positionen gestellt sind (soziale Position), denen ein bestimmter Status beigemessen wird (sozialer Status) und mit denen bestimmte Pflichten und Rechte verknüpft sind (soziale Rolle).
Institutionen verleihen als strukturierte Aggregate Stabilität und Ordnung für Gesellschaften und bilden den Rahmen des gesellschaftlichen Lebens.
Institutionen (Norm-Aggregate) sind in der sozialen Lebenswelt bezogen auf empirische Assoziationen von Menschen, d.h. auf Vereinigungen, Zusammenschlüsse gesellschaftlicher Individuen. Schlüssel-Institutionen: u.a. Familie, Ehe, Nachbarschaft.
Beispiel: Familie als soziale Institution: Positionsbeschreibungen, Statusbeschreibungen und Rollenbeschreibungen für Vater, Kind(er) oder sonstige Verwandte, d.h. Norm-Aggregate zur Regulierung der Beziehungen zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Geschwistern.
Institutionen können zu Organisationen formalisiert sein, bis zur rechtlichen Fixierung (Verrechtlichung) von Institutionen ("Betrieb", "Universität", Familie als Objekt des "Familienrechts"). Nichtformalisierte Institution: z.B. Freundschaft.
Die Institution kompensiert den Mangel an Instinkt, vgl. A. Gehlen: "Wie die tierischen Gruppen und Symbiosen durch Auslöser und durch Instinktbewegungen zusammengehalten werden, so die menschlichen Gruppen durch Institutionen".
Institutionen sind zwar zählebig, unterliegen dennoch dem soziokulturellen Wandel[1].
Charakteristika:
- Stabilisierungs- und Entlastungsfunktionen: Institutionen stabilisieren sowohl die sozialen Interaktionen wie die individuelle Lebensführung.
- Institutionen gründen in Gewohnheiten und Habitualisierungen, d.h. in Traditionen.
- Institutionen sind via Sozialnormen bzw. Rechtsvorschriften sanktionsgestützt.
- Institutionen sind mit Legitimation versorgt. Die Basislegitimation bilden Gewohnheiten, Traditionen.
- Wenn Institutionen porös werden, steigt der Bedarf an (sekundären) Legitimationshilfen.
- Institutionen bilden eigene Symbolwelten aus.
- Institutionen bilden Transzendenzen ins Diesseits: Gruppen und Kollektive vergegenständlichen sich in Institutionen, in deren Traditionen und Symbolen.
- Institutionen übersteigen die Grenzen der Einzelindividuen (Sozialität) und sorgen für soziale Verstrebungen über Generationen hinweg (Intergenerativität). In Institutionen ist das soziale Gedächtnis gespeichert.
- Die Institutionen der Arbeit, Herrschaft und Familie besitzen einen Erfüllungswert für eine kontinuierte Bewältigung des gesellschaftlichen Lebens.
- Sind Institutionen einmal zur Bewältigung von Problemen und Herausforderungen des gesellschaftlichen Lebens initiiert, verselbständigen sie sich gegenüber den Menschen: Sie gewinnen überpersönliche Macht, Geltung, Autorität.
- Die Menschen handeln nicht nur von ihren Bedürfnissen her, sondern sie verhalten sich in und zu den Institutionen.
- Institutionen sorgen via Gewohnheitsbildung, Habitualisierung, Normierung[2] und Orientierung für die Verinnerlichung ihrer Imperative: innerer Kompass der Lebensführung.
- Institutionen beschreiben die Regulative des sozialen Raums (Struktur[3]) und der sozialen Zeit (Rhythmus): z.B. Werktag - Sonntag; Arbeitszeit - arbeitsfreie Zeit etc.
- Institutionen garantieren feste Formen des Soziallebens in den interaktiven Dimensionen von Kommunikation und Kooperation.
- Institutionen bilden die Voraussetzung für die Fortentwicklung von sozialen Formen und Gebilden zu Organisationen und Systemen.
- Institutionen garantieren eine hohe und imperative Selektivität in Bezug auf Situationen, Symbole, Objekte, Instrumente.
- Institutionen sorgen dafür, dass das Passende bzw. das Richtige getan wird bzw. das zum Scheitern verurteilte vorweg unterlassen wird.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 3.5.2
[2] Siehe Kapitel 3.1.3
[3] Siehe Kapitel 3.3.1
3.2.2 Kultur
In seinen "Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie" hat Hegel die Eigenart des Geistes - die Eigenart der menschlichen Kultur - in Differenz zur Natur gesetzt: "Die Natur ist, was sie ist."
Hingegen ist die Kultur die Tat des Menschen:
- in Gestalt der vergegenständlichten, materiellen Kultur
- in Gestalt "sich zu wissen", d.h. Kultur zugleich als Prozess der Selbstthematisierung, Selbstbeschreibung und Selbstbestimmung.
Hieraus hat die Philosophische Anthropologie[1] als Eigenart der Kultur herausgestellt: den Modus der Indirektheit.
Die Menschen leben im Medium von Vermittlungen. Die Sphäre der Indirektheit der menschlichen Existenz kann als Kultur angesprochen werden.
Sinnvoll ist es, in sozialwissenschaftlichen Theorie- und Forschungszusammenhängen von Kultur im Plural zu sprechen: Kulturen. Im Plural wird die Idee der Vielfalt und Ebenbürtigkeit der Kulturen erinnert. Kontrapunkt zu einer tiefsitzenden Tradition, die jeweils eigene Kultur zur Kultur überhaupt zu küren und Fremdkulturen als "primitiv" abzuwerten, oder ihnen gar den Status von Kultur ("Barbaren", "Wilde") abzusprechen. Wird Kultur im Singular verwendet, dann sinnvollerweise im Fundierungszusammenhang der Philosophischen Anthropologie zur Konzeptualisierung der Verschränkung von Kultur und Natur.
Die Kultursphäre steht beim Menschen an der Stelle der tierischen Umwelt und zählt zu dessen quasi-natürlichen Lebensbedingungen. "Natürlich" heißt dabei: Zweite Natur als objektive, vom Menschen erzeugte Kultur, als sozial wirksame Wirklichkeit.
- Weil der Mensch von Natur aus Kulturwesen ist, verschränken sich in den Humanwissenschaften Kulturwissenschaften und Humanbiologie: Der Mensch ist biologisch zum soziokulturellen Management gezwungen.
- Konzeptive Ideen zur Aufgliederung der Kultur bzw. Kulturprozesse in analytische Dimension:
- Objektive und Subjektive Kultur;
- Materielle und Geistige Kultur;
- Klassen-, schicht-, milieuspezifische Kulturen;
- Majoritätskulturen, Gegenkulturen, Subkulturen etc.;
- Kultur als vergegenständlichtes Resultat und
- Kultur als Praxis/Prozess.
- Die sozialwissenschaftlich interessierenden Dimensionen der Eigenart des Kulturellen, von Kultur lassen sich weiter ausdifferenzieren.
Unter Kultur kann verstanden werden:
- Inbegriff der Sachmittel (Werkzeuge, Technik), Vorstellungsmittel (Phantasie, Planung, Technologie), Institutionen[2] ("Sozialmittel", "Sozialmilieu", mit denen die Gesellschaft sich erhält: Arbeitsteilung, Familie, Gruppen, Organisationen, Normen)
- Inbegriff aller darauf fundierten Folge- bzw. Anschlussinstitutionen: von Magie und Ritualen bis hin zu den modernen Systemen und Superstrukturen, den ökonomisch- technisch-wissenschaftliche Komplexen
- Inbegriff der Sinn- und Subsinnwelten
- Inbegriff der symbolischen Ordnung
- Inbegriff der Wertorientierungen; Wertressourcen:
- Im deutschsprachigen Raum erst in den letzten Jahrzehnten, gilt Kultur zudem als Inbegriff der sozialen Formen des Lebens ("way of life") und der sozialen Modi der Performance, Selbstdarstellung, Selbstpräsentation von Menschen im Everyday-life, im Alltag. Kurz: Inbegriff der Alltagskulturen
- Die Momente der Sachmittel, Anschlussinstitutionen, Sinnwelten, symbolischen Ordnungen, der Wertorientierungen und überhaupt des "way of life", der Alltagskulturen verdichten verfugen sich jeweils zu: Typen kultureller Kristallisationen.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 3.1.2
[2] Siehe Kapitel 3.2.1
Nächstes Kapitel: 3.3 Struktur und Funktion
Vorheriges Kapitel: 3.2 Institution und Kultur
3.3 Struktur und Funktion
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Seit langem werden die Begriffe "Struktur" und "Funktion" in den Sozialwissenschaften in einem konzeptiven Zusammenhang verwendet als zwei reziprok aufeinander bezogene, jeweils unterschiedlich betonte, Perspektiven der Erschließung sozialer Erscheinungen und Vorgänge.
Vgl. dazu auch die Strukturfunktionalistischen Erkenntnisstrategien[1].
Verweise:
Inhalt
3.3.1 Struktur
- Soziale Struktur verweist auf die Momente des Stabilen, Überpersönlichen, Geordneten (der Ordo), auf Ordnung und Gliederung des sozialen Raums und der sozialen Zeit. Feste, stabile Formen der Anordnung der Individuen: Positionsordnung, Statusordnung und Rollengefüge.
- In der Analysenperspektive von sozialen Strukturen liegt der Akzent auf Statik, Anatomie von Gruppen, Kollektiven, Gesellschaften.
- Soziale Strukturen können betrachtet werden in den Dimensionen horizontaler (Relationen, Beziehungen zwischen Elementen einer sozialen Einheit) und vertikaler Gliederung (Herrschaftsbeziehungen, soziale Schichtung und soziale Abhängigkeitsverhältnisse).
- Soziale Strukturen können in der Perspektive von Mobilität untersucht werden.
- Soziale Strukturen können auf der Makro-, Meso- und Mikro-Ebene (d.h. Gesamtgesellschaft, Einzelne Gesellschaften oder Kleingruppen) untersucht werden.
- Soziale Strukturen sind aufzufassen als Kristallisationen von Positionen, Regeln und Ressourcen, von Institutionen und Netzwerken.
- Soziale Strukturen besitzen überpersönlichen Charakter, werden aber von den gesellschaftlichen Individuen reproduziert.
- Bei sozialen Strukturen ist der dynamische Aspekt zu beachten. Das Prozesshafte etwa in den Formen sozialer Umschichtungen.
- Soziale Strukturen bezeichnen die soziales Verhalten prägenden Formen sowie die soziales Handeln ermöglichenden Formen. Sie bilden die Kristallisationen der Reproduktion des sozialen Lebens im Medium der sozialen Praxis.
- Institutionen[1] sind in das Gefüge sozialer Strukturen eingewoben. Sie garantieren und legitimieren soziale Ordnung und soziale Veränderungen.
- Strukturanalyse bezieht sich auf die Untersuchung der Anatomie, des inneren Aufbaus sozialer Gebilde.
- Strukturanalyse befasst sich mit den Formen, Gliederungen und Mechanismen der Reproduktion einer sozialen Ordnung.
Verweise:
3.3.2 Funktion
Es haben sich in vergangenen Dekaden eine Reihe von funktionalistischen, struktur- funktionalistischen[1] und systemtheoretischen Schulen rund um das Problem funktionalistischer Betrachtungen von Gesellschaft gebildet (vgl. Jetzkowitz/Stark 2003[2]). Dabei ist die Neigung zu Organismus-Analogien auffällig. So die Frage etwa: welche Organe (Institutionen) sind für den Erhalt und die Reproduktion eines sozialen Organismus (Gesellschaft) nötig? Funktionalistische Betrachtungsweisen von Gesellschaft tendieren dazu, die Frage nach dem Gleichgewicht einer sozialen Einheit eines Sozialsystems in den Mittelpunkt zu stellen.
Zur Problematik der Verwendung des Funktionsbegriffs:
Funktionsanalysen sind wissenschaftlich nur statthaft, wenn Klarheit darüber besteht, um welche Bezugsgrößen, die mit Zwecken verkoppelt sind, es sich handelt.
Zum Beispiel: wenn nach der Funktion der Institution "Schule" in einer Gesellschaft gefragt wird, so ist die Bezugsgröße woraufhin die Funktion der "Schule" geortet und untersucht werden soll: z.B. das Beschäftigungssystem. Es kann daran die empirische Untersuchungsfrage angeschlossen werden: Erfüllt das Schulsystem die Funktion, für das Beschäftigungssystem zweckdienlich auszubilden? Der Zweck also ist die Eingliederung von Schulabsolventen in das Beschäftigungssystem, die Funktion ist der Schule zugewiesen.
Für die sozialwissenschaftliche Theoriebildung ist festzuhalten, dass der Begriff der Funktion sich bezieht auf:
- Bezugsgrößen, Zwecke, Institutionen/Handlungen, Leistungen/Beiträge, Folgen.
Merton[3] weist auf die Problematik der alltagssprachlichen Verwendung des Begriffs Funktion hin.
Einerseits wird Funktion als Ausdruck gebraucht für:
- einen Beruf, Tätigkeit, Profession;
- ein politisches Amt: Funktionär;
- im mathematischen Sinne von Funktionsgleichungen;
- im Sinne der Biologie: hier ist mit Funktion gemeint der Beitrag, den ein Element für die "vitalen oder organischen Prozesse zum Erhalt des Gesamtorganismus" leistet. In dieser Perspektive ist er zunächst von der Sozial- und Kulturanthropologie in die Sozialwissenschaften eingeführt worden.
Andererseits wird Funktion als Begriff durcheinander gebraucht mit:
- Gebrauch, Nutzen, Zweck, Motiv, Absicht, Folgen.
Dieser Durcheinandergebrauch des Begriffs Funktion rührt daher, dass zwei Ebenen nicht oder nur unzureichend unterschieden werden, die aber für die funktionale Analyse auseinander gehalten werden müssen:
- Die Ebene des Beobachters (der Wissenschaft, nach Luhmann: Beobachter zweiter Ordnung) von sozialen Handlungen, Vorgängen und Institutionen
- Die Ebene des Beteiligten von sozialen Vorgängen und Institutionen.
Zur Verdeutlichung der Unterscheidung der Beobachter- von der Teilnehmerperspektive: Die soziale Funktion von Heiraten und Geburten ist die biologische Reproduktion einer Gesellschaft (Fertilitätsrate) - sozialwiss. Beobachtungsperspektive. Der Beweggrund, das Motiv von Heiraten kann Liebe und Kinderwunsch der Beteiligten sein - Teilnehmer-Perspektive
Die sozialwissenschaftliche Funktionsanalyse untersucht die Implikationen und Folgen der Beiträge/Leistungen sozialer Institutionen und kultureller Formen für jeweils anzugebende Bezugsgrößen/Zwecke. Dabei ist der Problembereich des Verhältnisses von Statik und Dynamik bzw. des sozialkulturellen Wandels einzubeziehen.
Zu beachten sich folgende Differenzierungen (nach Merton[3]):
Eine soziale Institution kann mehrfache soziale Funktionen (für bestimmte Gruppen funktional, für andere dysfunktional oder funktionslos; oder zugleich positive wie negative Funktionen) haben und ein- und dieselbe soziale Funktion kann von verschiedenen Institutionen erfüllt werden. Funktionsanalysen sind daher unter den Gesichtspunkten funktionaler Alternativen (Telefon statt Postkutsche), funktionaler Äquivalente (E-Mail statt Brief) und funktionaler Substitute (Handy statt face-to-face-Gespräch) zu untersuchen.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.3
[2] Siehe Kapitel 4.2
[3] Siehe Kapitel 4.1
Nächstes Kapitel: 3.4 Macht und Herrschaft
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3.4 Macht und Herrschaft
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Nicht nur umgangssprachlich, auch in den Sozialwissenschaften ist die Tendenz zu beobachten, die Ausdrücke Macht[1] und Herrschaft[2] mehr oder weniger durcheinander zu verwenden.
Zur Einführung in die "Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen" eignet sich die Auslegung der beiden Termini, wie sie von Max Weber[3] in seinem Epochenwerk "Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der Verstehenden Soziologie" (WuG), Tübingen 1980[4], analytisch gezeichnet hat.
Es ist von Nutzen, mit Blick auf die terminologischen Distinktionen von Macht[1] und Herrschaft[2] sich den Terminus Struktur[5] zu vergegenwärtigen, besonders den Aspekt des Ordo, der sich auf die vertikale Dimension von Sozialstrukturen bezieht.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 3.4.1
[2] Siehe Kapitel 3.4.2
[3] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm
[4] Siehe Kapitel 4.2
[5] Siehe Kapitel 3.3.1
Inhalt
3.4.1 Macht
In § 16. der Soziologischen Grundbegriffe[1] (WuG) definiert Max Weber[2] :
"MACHT bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht."
Weber zufolge wohnt allen sozialen Beziehungen und Konstellationen die Potenzialität von Machtausübung ein. Der Macht-Begriff ist amorph (formlos) und äußerst schwierig bis gar nicht zu präzisieren. Das liegt nicht zuletzt an dem darin eingelagerten Problem des "Willens", und der Problematik der Willensfreiheitder Menschen. Die Sozialpsychologie befasst sich mit Machtbeziehungen im sozialen Zusammenhang, allerdings unterschlagen deren Definitionen häufig den von Max Weber stark betonten Aspekt des Gegenwillens. Macht wird bei Weber konzipiert im Lichte des potentiellen Gegeneinanders mindestens zweier Willen, nämlich "innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen."
Festzuhalten ist nach Weber:
1. Macht bezeichnet den Regelfall und nicht einen Ausnahmefall sozialer Beziehungen: die Tendenz zur Selbsterhaltung, Selbstbehauptung, Selbsterweiterung wohnt allen sozialen Beziehungen ein. 2. Der Begriff Macht kann sich auf die unterschiedlichsten sozialen Beziehungen (struktureller Aspekt) und die unterschiedlichsten sozialen Konstellationen (situativer Aspekt) beziehen.
Sozialwissenschaftliche Analyse von Machtphänomenen bedürfen daher konkreter empirischer Erforschung der Umstände der Machtausübung sowie deren diverseste Gestalten.
Sozialwissenschaftliche Machtanalysen sollten sich auf die Untersuchung der sozialen Beziehungsstrukturen bzw. der sozialen (und mithin geschichtlichen) Konstellationen, worin Machdynamik statthat, konzentrieren.
Der sozialwissenschaftliche Machtbegriff ist deutlich an die faktische Ausübung von Macht zu binden, d.h. Macht und Praxis bilden einen inneren Nexus.
Moralische Ansichten und ethische Urteile sind kein Ersatz für sozialwissenschaftliche Machtanalyse.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 4.1
[2] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm
3.4.2 Herrschaft
Das Wort Herrschaft verweist auf die Implikationen von Arbeitsteilung und Hierarchiebildung, auf strukturverfestigten Ordo[1]. Soziale Ordnung bietet sich dar als Ensemble von strukturierten (und legitimierten) Herrschaftsbeziehungen.
Vgl. Max Webers[2] § 16. der Soziologischen Grundbegriffe[3] (WuG):
zu beachten ist die Zweiteilung der Definition, worin sich eine hierarchisch gegliederte Doppelperspektivik äußert:
Die Perspektive "von oben":
"Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden;"
Als Merkmale von Herrschaft sind hervorzuheben: ein Imperativ, ein Befehlsinhalt, ein Adressat.
Die Perspektive "von unten":
"Disziplin soll heißen die Chance, kraft eingeübter Einstellung für einen Befehl prompten, automatischen und schematischen Gehorsam bei einer angebbaren Vielheit von Menschen zu finden."
Dazu noch Webers Erläuterung:
- "Der soziologische Begriff der 'Herrschaft' muß präziser sein (als der der Macht) und kann nur die Chance bedeuten: für einen Befehl Fügsamkeit zu finden. (Perspektive "von oben")
- "Der Begriff der 'Disziplin' schließt die 'Eingeübtheit' des kritik- und widerstandslosen Massen gehorsams ein." (Perspektive "von unten")
Herrschaft impliziert die (weitgehende) Abwesenheit von Widerstreben; angedeutet ist damit der Aspekt des wie auch immer bedingten Einverständnisses.
Festzuhalten ist nach Weber:
- Herrschaft ist gebunden an hierarchische Struktur-Verhältnisse.
- Herrschaft ist Ausdruck sozialer Ordnung, worin die Abhängigkeitsmechanismen funktionieren: Gehorsam.
Hier zeichnet sich eine interessante Markierung zur Differenzierung zwischen handlungstheoretischen und verhaltenstheoretischen Sozialwissenschaften[4] ab: als bloßer Vollzug nähert sich das Verhalten der instinktprogrammierten Steuerungsform an. Damit die Verschränkung von Imperativ und Gehorsam in Herrschaftsbeziehungen funktioniert, muss ein wesentliches Moment hinzutreten: die Legitimität der herrschaftlichen Ordnung (vgl. Gostmann / Merz-Benz (Hrsg.), 2007[5]).
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 3.3.1
[2] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm
[3] Siehe Kapitel 4.1
[4] Siehe Kapitel 3.1
[5] Siehe Kapitel 4.2
Nächstes Kapitel: 3.5 Konflikt und Wandel
Vorheriges Kapitel: 3.4 Macht und Herrschaft
3.5 Konflikt und Wandel
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Theorien des sozialen Wandels haben innerhalb der sozialwissenschaftlichen Theorielandschaft nie so recht ein prominentes Dasein geführt. Vielmehr sind die Fragen nach den Determinanten, Kräften und Verlaufsformen gesellschaftlicher Wandlungsprozesse eher stiefmütterlich behandelt worden.
- Ursprünglich sind die Probleme des Wandels eingekapselt gewesen in die evolutionistischen Erkenntnisstrategien[1],
- dann sind die Fragen nach den gesellschaftlichen Wandlungsprozessen transferiert worden in Modernisierungstheorien,
- darüber ist das Problem des sozialen Wandels thematisch geworden in Transformationstheorien.
In den angesprochenen Forschungsrichtungen liegt das dominante Erkenntnisinteresse in der Frage nach den Chancen und Hemmnissen bei der Assimilation der als "zurückgeblieben" eingestuften Gesellschaftsformen an die als Prämisse und Richtpunkt gesetzten westlichen Standards sozialer Evolution. Gilt für den älteren Strukturfunktionalismus[2] unter der Hegemonie Talcott Parsons[3] das Stabilitätsproblem als vorrangig, so für die neueren systemtheoretischen Konzeptualisierungen unter Niklas Luhmann[4] das Problem evolutionärer Differenzierung. Gilt bei Parsons der Konflikt eher als Störvariable, so ist er bei Luhmann zum Verschwinden gebracht.
Abgesehen von sozialwissenschaftlichen Forschungszweigen, die sich ausdrücklich mit Theorien der Revolution befassen, etwa der Politologie und politischen Soziologie, finden sich ansonsten in den Sozialwissenschaften nur wenige Ansätze, die sich explizit mit dem Zusammenhang von Wandel und Konflikt befassen.
Noch immer sind Konflikttheorien älteren Datums forschungswirksam, die vor allem mit den Namen Lewis A. Coser[5] und Ralph Dahrendorf verknüpft sind.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 1.2
[2] Siehe Kapitel 1.3
[3] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/parsons/39bio.htm
[4] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/luhmann/26bio.htm
[5] Siehe Kapitel 4.1
Inhalt
3.5.1 Konflikt
In den sozialwissenschaftlichen Grundlagentheorien ist eine Scheu vorm Konflikt festzustellen. Beim Stichwort "Kampf" gibt es bei den heutigen Terminologien und Theorien sogar Absenz. Ganz anders die Klassiker der Sozialwissenschaften von Karl Marx[1] über Georg Simmel[2] bis zu Max Weber[3] :
Weber hat in seinem "Grundriß der Verstehenden Soziologie"[4] dem Begriff "Kampf" einen eigenen Paragraphen (§ 8) innerhalb der "Soziologischen Grundbegriffe" reserviert, dessen erste Bestimmung dahingeht, den Kampf als soziale Beziehung zu qualifizieren:
"Kampf soll eine soziale Beziehung insoweit heißen, als das Handeln an der Absicht der Durchsetzung des eignen Willens gegen den Widerstand des oder der Partner orientiert ist."
Vor diesem definitorischen Hintergrund definiert Weber ebendort das heute zentrale Organon des sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen Lebens: die Konkurrenz. Weber definiert Konkurrenz vom Einsatz der Mittel her:
"'Friedliche' Kampfmittel sollen solche heißen, welche nicht in aktueller physischer Gewaltsamkeit bestehen. Der 'friedliche' Kampf soll 'Konkurrenz' heißen, wenn er als formal friedliche Bewerbung [Wettbewerb - F.K.] um eigne Verfügungsgewalt über Chancen geführt wird, die auch andere begehren."
"'Geregelte Konkurrenz' soll eine Konkurrenz insoweit heißen, als sie in Zielen und Mitteln sich an einer Ordnung orientiert."
1965 erscheint in deutscher Übersetzung eine sozialtheoretische Studie von Lewis A. Coser: "Theorie sozialer Konflikte"[5], die noch immer als zentraler sozialwissenschaftlicher Entwurf in Sachen "Gesellschaft und Konflikt" gilt. Zwar haben Coser und in seiner Nachfolge einige weitere Sozialwissenschaftler einiges geleistet, um den "weißen Fleck" sozialwissenschaftlicher Konflikttheorie zu beseitigen, dennoch herrscht in den Sozialwissenschaften bis heute eine Neigung zum Konsensus vor. Nach wie vor dominieren Denkweisen und Forschungsperspektiven, die den Konflikt eher als Störung oder Abweichung beargwöhnen. Wenn Konflikt ins theoretisch-konzeptive Blickfeld gerät, dann als "Problem".
Von Ausnahmen abgesehen,neigen struktur-funktionale Denkweisen[6] zur Pathologisierung des Konflikts, der als illegitime Devianz gilt. Evolutionstheoretische Erkenntnisstrategien[7] tendieren dazu, das Phänomen des Konflikts im Paradigma "sozialer Differenzierung" zum Verschwinden zu bringen.
Das Konzept der sozialen Differenzierung hat ältere Modelle abgelöst. Konflikt erscheint im Paradigma von Differenzierung, Interpedendenz und Komplexität eher als Friktion, als Reibungsverlust denn als Ausdruck von Kollisionen. In den evolutionstheoretischen Erkenntnisstrategien ist rastlose Differenzierung selbst als einheitsstiftendes Prinzip gedacht (vgl. Spencer 1876[8]). Im Sozialevolutionismus löst sich das Phänomen des Konflikts im Modus sozialer Differenzierung auf.
Verständigungsdefinition: Sozialer Konflikt
- Sozialen Konflikten liegen Interessenspannungen zwischen Kollektiven innerhalb eines gegebenen gesellschaftlichen Kontextes zugrunde.
- Von sozialen Konflikten ist zu reden, wenn die sozialen Spannungen aus dem Zustand der Latenz (latente Konfliktlagen) in offene Auseinandersetzungen (manifeste Konflikte) übergehen.
- Soziale Konflikte stellen eine spezifische Form der Interaktion dar.
Die Erforschung sozialer Konflikte umfasst:
- Ursachenkonstellation der Interessensspannungen,
- Kräftekonstellation,
- Verwandlung der Spannungen in manifeste Konflikte,
- Verlaufsformen der Konfliktaustragung,
- Konfliktausgang.
Verweise:
[1] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/marx/30bio.htm
[2] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/simmel/42bio.htm
[3] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm
[4] Siehe Kapitel 4.1
[5] Siehe Kapitel 4.1
[6] Siehe Kapitel 1.3
[7] Siehe Kapitel 1.2
[8] Siehe Kapitel 4.2
3.5.2 Wandel
L.A. Coser[1], der den Zusammenhang von "Konflikt und Wandel" thematisiert, deutet Konflikt als Chance für soziokulturellen Wandel bis hin zum Wandel der Sozialstruktur. Coser unterscheidet zunächst die funktionalen Dimensionen[2] der Bedeutung des Sozialen Konflikts für Prozesse des sozialen Wandels:
- Funktionen von Konflikten innerhalb sozialer Systeme (von der Mikro- bis zur Makro-Ebene)
- Konflikte und Wandel des sozialen Systems (von der Mikro- bis zur Makro-Ebene)
Zentrale Thesen:
- Jedes soziale System enthält Spannungen, d.h. Konfliktpotenziale
- Soziale Systeme unterscheiden sich im Ausmaß der Spannungsmomente bzw. Konfliktpotenziale.
- Die sozialen Spannungs- und Konfliktpotenziale nehmen zu, wenn die Zahl der Anspruchsträger die Zahl der Erfüllungsmöglichkeiten übersteigt (strukturelle Diskrepanz).
- Soziale Systeme sterben nicht wie biologische Organismen. Sie entwickeln und transformieren sich.
- Ob aus Konfliktpotenzialen Anomie hervorgeht oder Neues entsteht, ist eine offene, empirische Frage.
Funktionen von Konflikten innerhalbsozialer Systeme:
- Soziale Konflikte erzeugen neue Normen, Institutionen und Lebensformen.
- Soziale Konflikte stimulieren die ökonomisch-technische Entwicklung.
- Konflikte wirken als Heilmittel gegen "lähmenden Ritualismus" sowohl auf der Ebene der sozio-kulturellen Praxen wie der der Mentalitäten.
- Konflikte sind Initialzündungen und Antriebsmodus für soziale Produktivität (im Sinne von Popitz).
Konflikt und Wandel dessozialen Systems (vgl. Jäger / Weinzierl 2007[3]):
Wandel des Systems bedeutet, dass drastische Veränderungen zu verzeichnen sind und kann auf zwei Wegen erfolgen:
- Plötzliche und gleichzeitige Veränderung der strukturellen, institutionellen und legitimatorischen Grundlagen (Typus: offene Revolution)
- Sukzessive Transformation der Sozialstruktur, des Institutionensystems und der Legitimationsgrundlagen (Typus: "silent Revolution")
Die Grundformen des Wandels sind abhängig vom Charakter des Strukturtyps eines Gesellschaftssystems:
- Starre Systeme, die Konflikte unterdrücken, fördern die Entstehung explosiver Konfliktpotenziale, begünstigen die Intensität der manifesten Konflikte und ebnen den Weg für gewaltsame Konfliktformen.
- Elastische Systeme, welche die offene und direkte Austragung von Konflikten zulassen und veränderungsfähig sind, sind weniger anfällig für explosive Ausbrüche von Spannungspotenzialen in manifeste, gewaltsame Konflikte.
Verweise:
[1] Siehe Kapitel 4.1
[2] Siehe Kapitel 3.3.2
[3] Siehe Kapitel 4.2
4 Literatur
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Die Literaturangaben dienen einerseits zur Untermauerung der in der vorliegenden Lernunterlage behandelten sozialwissenschaftlichen Terminologie: "Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie".
Zum anderen gibt es allgemeine weiterführende Literaturhinweise zu den behandelten Themengebieten: "Weiterführende Literaturhinweise".
Inhaltsverzeichnis
Weitere Kapitel dieser Lernunterlage
1 Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften
2 Die Eigenart der Sozialwissenschaften im Lichte des Dualismus von Natur- und Geisteswissenschaften
3 Sozialwissenschaftliche Terminologie - Exempla
Nächstes Kapitel: 4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie
Vorheriges Kapitel: 4 Literatur
4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Coser, Lewis A., 1967: Sozialer Konflikt und sozialer Wandel. In: Hans-Peter Dreitzel (Hrsg.), Sozialer Wandel. Zivilisation und Fortschritt als Kategorien der soziologischen Theorie, Neuwied; Berlin: Luchterhand (S. 278-294)
Gehlen, Arnold, 1986: Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, 13. Aufl., Wiesbaden: Aula Verlag
- Auszug aus: Einführung (S. 32-50)
- 3. Erster Begriff vom Menschen
- 4. Fortsetzung derselben Anschauung
- 5. Handlung und Sprache
Knorr Cetina, Karin; Grathoff, Richard, 1988: Was ist und was soll kultursoziologische Forschung? In: Soziale Welt, Sonderband 6, Kultur und Alltag, hrsg. von Hans- Georg Soeffner, Göttingen: Otto Schwartz & Co. (S. 21-36)
Luckmann, Thomas, 1992: Theorie des sozialen Handelns, Berlin; New York: Walter de Gruyter Verlag
- Einleitung (S. 1-2)
- 1. Einführung (S. 3-16)
- 1.1. Handeln als Grundlage der menschlichen Welt
- 1.2. Handlungstheorie als Grundlage der Sozialwissenschaften
Merton, Robert K., 1995: Soziologische Theorie und soziale Struktur, Berlin; New York: de Gruyter Verlag
- Teil I., Zur theoretischen Soziologie, 1. Manifeste und latente Funktion (S. 17-33)
Popitz, Heinrich, 2006: Soziale Normen, hrsg. v. Friedrich Pohlmann und Wolfgang Eßbach, Frankfurt: Suhrkamp Verlag
- Soziale Normen (S. 61-75)
- Verhaltensorientierung und Verhaltensnormierung (S. 76-93)
- Universale Konstrukte sozialer Normierung (S. 94-116)
Soeffner, Hans-Georg, 1988: Kulturmythos und kulturelle Realität(en). In: Soziale Welt, Sonderband 6, Kultur und Alltag, hrsg. von Hans-Georg Soeffner, Göttingen: Otto Schwartz & Co. (S. 3-20)
Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der Verstehenden Soziologie, 5. rev. Aufl., Studienausgabe, Tübingen: Mohr 1990
- Soziologische Kategorienlehre, 1. Soziologische Grundbegriffe (§5, §6, und §16)
Nächstes Kapitel: 4.2 Weiterführende Literaturhinweise
Vorheriges Kapitel: 4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie
4.2 Weiterführende Literaturhinweise
Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
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