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'''Die Inhalte sind zentriert um die Darstellung sozialwissenschaftlicher
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'''Die Inhalte sind zentriert um die Darstellung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisstrategien, der Herausarbeitung der Eigenart der Sozialwissenschaften und der exemplarischen Vermittlung sozialwissenschaftlich relevanter Termini.'''
Erkenntnisstrategien, der Herausarbeitung der Eigenart der
 
Sozialwissenschaften und der exemplarischen Vermittlung
 
sozialwissenschaftlich relevanter Termini.'''
 
  
Neben der Erläuterung unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher
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Neben der Erläuterung unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Erkenntnisstrategien wird die Eigenart der Sozialwissenschaften in Abgrenzung zu den Geistes-, Natur- und Geschichtswissenschaften veranschaulicht. Unter Einbeziehung von Autoren wie Max Weber, Heinrich Popitz oder Thomas Luckmann wird exemplarisch auf folgende Konnexbegriffe aus der sozialwissenschaftlichen Terminologie eingegangen: Handeln-Norm, Institution-Kultur, Struktur-Funktion, Macht-Herrschaft sowie Konflikt-Wandel.
Erkenntnisstrategien wird die Eigenart der Sozialwissenschaften in
 
Abgrenzung zu den Geistes-, Natur- und Geschichtswissenschaften
 
veranschaulicht. Unter Einbeziehung von Autoren wie Max Weber, Heinrich
 
Popitz oder Thomas Luckmann wird exemplarisch auf folgende
 
Konnexbegriffe aus der sozialwissenschaftlichen Terminologie
 
eingegangen: Handeln-Norm, Institution-Kultur, Struktur-Funktion,
 
Macht-Herrschaft sowie Konflikt-Wandel.
 
 
 
Ziel der Lernunterlage ist die Beleuchtung der Eigenart der
 
Sozialwissenschaften sowie eine tiefer gehende Beschäftigung mit deren
 
Terminologien und Erkenntnisprogrammen. Dabei baut die Lernunterlage auf
 
den Inhalten des Buches '''"Einblicke. Grundlagen
 
sozialwissenschaftlichen Denkens" von Friedhelm Kröll''' (Wien:
 
Braumüller, 2009) auf.
 
  
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Ziel der Lernunterlage ist die Beleuchtung der Eigenart der Sozialwissenschaften sowie eine tiefer gehende Beschäftigung mit deren Terminologien und Erkenntnisprogrammen. Dabei baut die Lernunterlage auf den Inhalten des Buches '''"Einblicke. Grundlagen sozialwissenschaftlichen Denkens" von Friedhelm Kröll''' (Wien: Braumüller, 2009) auf.
  
 
==Kapitelübersicht==
 
==Kapitelübersicht==
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
'''Fragen zur Charakterisierung sozialwissenschaftlicher
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'''Fragen zur Charakterisierung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisstrategien und Theorieprogrammen (Hintergrundkriterien):'''
Erkenntnisstrategien und Theorieprogrammen (Hintergrundkriterien):'''
 
  
 
*  Wird der Kategorie des "Sinns" bzw. "sinnhaften Handelns" bei der Bestimmung des Gegenstandes eine strategische Stellung eingeräumt?
 
*  Wird der Kategorie des "Sinns" bzw. "sinnhaften Handelns" bei der Bestimmung des Gegenstandes eine strategische Stellung eingeräumt?
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
Mitte des 19. Jahrhunderts, im Zeichen des Aufstiegs der
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Mitte des 19. Jahrhunderts, im Zeichen des Aufstiegs der Naturwissenschaften und der Entdeckungen des britischen Naturforschers '''Charles Darwin (1809-1882)[http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Darwin  &#91;1&#93;]''', erlebt das evolutionistische Denken eine Renaissance. Mit Darwins Paradigma der Bildung der Arten durch '''Auslese''' und der Idee der Selektionsvorteile als Bedingung aller Evolution, setzt sich schließlich eine neue Erkenntnisstrategie durch, die bis heute (vgl. die moderne Systemtheorie) in Kraft ist.
Naturwissenschaften und der Entdeckungen des britischen Naturforschers
 
'''Charles Darwin (1809-1882)[http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Darwin  &#91;1&#93;]''', erlebt das evolutionistische
 
Denken eine Renaissance. Mit Darwins Paradigma der Bildung der Arten
 
durch '''Auslese''' und der Idee der Selektionsvorteile als Bedingung
 
aller Evolution, setzt sich schließlich eine neue Erkenntnisstrategie
 
durch, die bis heute (vgl. die moderne Systemtheorie) in Kraft ist.
 
  
Am Wissenschaftsprogramm '''Herbert Spencers (1820-1903)[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/spencer/44bio.htm  &#91;2&#93;]''' wird
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Am Wissenschaftsprogramm '''Herbert Spencers (1820-1903)[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/spencer/44bio.htm  &#91;2&#93;]''' wird nicht nur die triumphalische Renaissance des Evolutionismus sichtbar, sondern auch dessen zentrale Kennzeichen sinnfällig. Spencer hat ein umgreifendes System der Entwicklungsgesetze visiert: Entwicklungsgesetze des anorganischen, des organischen und schließlich des "über-organischen" Lebens. Menschliche Gesellschaften werden zum "über-organischen" Leben gezählt. Spencers Entwurf operiert mit der '''Analogiebildung zwischen Organismus und Gesellschaft'''. Derzufolge gelte für Organismen wie für Gesellschaften:
nicht nur die triumphalische Renaissance des Evolutionismus sichtbar,
 
sondern auch dessen zentrale Kennzeichen sinnfällig. Spencer hat ein
 
umgreifendes System der Entwicklungsgesetze visiert: Entwicklungsgesetze
 
des anorganischen, des organischen und schließlich des
 
"über-organischen" Lebens. Menschliche Gesellschaften werden zum
 
"über-organischen" Leben gezählt. Spencers Entwurf operiert mit der
 
'''Analogiebildung zwischen Organismus und Gesellschaft'''. Derzufolge
 
gelte für Organismen wie für Gesellschaften:
 
  
 
*  Gemeinsamkeit des Wachstums;
 
*  Gemeinsamkeit des Wachstums;
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*  Zunahme von Systembildung durch fortschreitende Differenzierung; d.h. Zunahme der wechselseitigen Abhängigkeit der Einzelelemente.
 
*  Zunahme von Systembildung durch fortschreitende Differenzierung; d.h. Zunahme der wechselseitigen Abhängigkeit der Einzelelemente.
  
Spencer konstatiert eine zentrale '''Differenz zwischen Organismus und
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Spencer konstatiert eine zentrale '''Differenz zwischen Organismus und Gesellschaft''': während auf der Ebene der organischen Systeme das differnziell- funktionale Zusammenwirken der Einzelteile den Bestand und die Erhöhung des Wohls des Ganzen befördere, diene die zunehmende Differenzierung, Systembildung und Komplexitätssteigerung auf der Ebene der "über-organischen" Systeme, also bei der menschlichen Vergesellschaftung, der Steigerung des Wohls des Einzelnen:
Gesellschaft''': während auf der Ebene der organischen Systeme das
 
differnziell- funktionale Zusammenwirken der Einzelteile den Bestand und
 
die Erhöhung des Wohls des Ganzen befördere, diene die zunehmende
 
Differenzierung, Systembildung und Komplexitätssteigerung auf der Ebene
 
der "über-organischen" Systeme, also bei der menschlichen
 
Vergesellschaftung, der Steigerung des Wohls des Einzelnen:
 
  
 
<blockquote>"The society exists for the benefit of its members; not its members for the benefit of the society".</blockquote>
 
<blockquote>"The society exists for the benefit of its members; not its members for the benefit of the society".</blockquote>
  
Spencer konzeptualisiert ein Paradigma der Individualisierung und dessen
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Spencer konzeptualisiert ein Paradigma der Individualisierung und dessen Implikat: Soziale Evolution ist gesteuert von Selektions- und Ausleseprozessen. Die Spencersche Version des Evolutionismus hat dazu geführt, den okzidental-imperialen Blick auf die außerokzidentalen '''Kulturen[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Kultur#3.2.2 Kultur|[5]]]''' und Formen der Vergesellschaftung weiter auszuprägen; sinnfällig an Formeln wie "primitive Gesellschaften bzw. Kulturen" oder gar "Naturvölker".
Implikat: Soziale Evolution ist gesteuert von Selektions- und
 
Ausleseprozessen. Die Spencersche Version des Evolutionismus hat dazu
 
geführt, den okzidental-imperialen Blick auf die außerokzidentalen
 
'''Kulturen[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Kultur#3.2.2 Kultur|[5]]]''' und Formen der Vergesellschaftung weiter auszuprägen;
 
sinnfällig an Formeln wie "primitive Gesellschaften bzw. Kulturen"
 
oder gar "Naturvölker".
 
  
 
'''Evolutionistische Konzeptbildungen tendieren zu:'''
 
'''Evolutionistische Konzeptbildungen tendieren zu:'''
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[[File:denkensoz-4_1.jpg "Steinfigur im Meer"|frame|right|Foto: Steinfigur im Meer. Simon Brangs, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2008]]
 
[[File:denkensoz-4_1.jpg "Steinfigur im Meer"|frame|right|Foto: Steinfigur im Meer. Simon Brangs, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2008]]
  
Strukturfunktionalismus entsteht als Gegenbewegung zum
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Strukturfunktionalismus entsteht als Gegenbewegung zum '''Evolutionismus[[Erkenntnisstrategien/Evolutionistische#1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien|[1]]]''', doch machen sich auch dort naturwissenschaftliche Modellvorstellungen geltend: Betrachtung von Gesellschaften in Analogie zu Organismen. Allerdings verschiebt sich der Akzent auf das '''Funktionieren''' eines gesellschaftlichen Ganzen.
'''Evolutionismus[[Erkenntnisstrategien/Evolutionistische#1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien|[1]]]''', doch machen sich auch dort
 
naturwissenschaftliche Modellvorstellungen geltend: Betrachtung von
 
Gesellschaften in Analogie zu Organismen. Allerdings verschiebt sich der
 
Akzent auf das '''Funktionieren''' eines gesellschaftlichen Ganzen.
 
  
Mit der zentralen Frage: "Wie ist soziale Ordnung möglich?" kommt es
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Mit der zentralen Frage: "Wie ist soziale Ordnung möglich?" kommt es zu einer entscheidenden Wende: die Fundierung der Sozialwissenschaften auf der Grundlage der Betonung der '''Eigenart des Sozialen'''. Das spezifisch Soziale soll nicht länger als Anhängsel der Naturgeschichte betrachtet werden, das heißt:
zu einer entscheidenden Wende: die Fundierung der Sozialwissenschaften
 
auf der Grundlage der Betonung der '''Eigenart des Sozialen'''. Das
 
spezifisch Soziale soll nicht länger als Anhängsel der Naturgeschichte
 
betrachtet werden, das heißt:
 
  
'''Entnaturalisierung, d.h. Kulturalisierung der sozialwissenschaftlichen
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'''Entnaturalisierung, d.h. Kulturalisierung der sozialwissenschaftlichen Denkweise.'''
Denkweise.'''
 
  
Das menschliche, gesellschaftliche Leben ist zwar eingründet in die
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Das menschliche, gesellschaftliche Leben ist zwar eingründet in die äußere und innere, leibliche Natur der Menschen, begründet aber im Wege des tätigen Stoffwechsels mit der Natur, eine '''Zweite Natur[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Kultur#3.2.2 Kultur|[2]]]'''. Zweite Natur meint: Kultur, Gesellschaft, Persönlichkeit als Kunstprodukte des menschlichen Handelns. In diesem Prozess bilden sich '''Formen''' des gesellschaftlichen Lebens aus, werden '''Strukturen[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Struktur#3.3.1 Struktur|[3]]]''' auskristallisiert. Um jene Strukturen zu gewährleisten, bedarf es verschiedener '''Funktionen[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Funktion#3.3.2 Funktion|[4]]]''' und Funktionskreise. '''Struktur und Funktion[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Struktur_und_Funktion#3.3 Struktur und Funktion|[5]]]''' sind im Strukturfunktionalismus aufeinander und auf die Idee der Bestandsgarantie sozialer Ordnung bezogen.
äußere und innere, leibliche Natur der Menschen, begründet aber im Wege
 
des tätigen Stoffwechsels mit der Natur, eine '''Zweite Natur[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Kultur#3.2.2 Kultur|[2]]]'''.
 
Zweite Natur meint: Kultur, Gesellschaft, Persönlichkeit als
 
Kunstprodukte des menschlichen Handelns. In diesem Prozess bilden sich
 
'''Formen''' des gesellschaftlichen Lebens aus, werden '''Strukturen[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Struktur#3.3.1 Struktur|[3]]]''' auskristallisiert. Um jene Strukturen zu gewährleisten, bedarf es verschiedener '''Funktionen[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Funktion#3.3.2 Funktion|[4]]]''' und Funktionskreise. '''Struktur und Funktion[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Struktur_und_Funktion#3.3 Struktur und Funktion|[5]]]''' sind im Strukturfunktionalismus aufeinander und
 
auf die Idee der Bestandsgarantie sozialer Ordnung bezogen.
 
  
Die '''Werkgeschichte Emile Durkheims[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[6]]]''' zeigt die Wende vom
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Die '''Werkgeschichte Emile Durkheims[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[6]]]''' zeigt die Wende vom evolutionistischen zum strukturfunktionalistischen Denken: vom Naturalismus zum Kulturalismus (im engeren Soziologismus) - vom Fokus der Entwicklung zu dem der Ordnung.
evolutionistischen zum strukturfunktionalistischen Denken: vom
 
Naturalismus zum Kulturalismus (im engeren Soziologismus) - vom Fokus
 
der Entwicklung zu dem der Ordnung.
 
  
 
'''Durkheims[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/durkheim/12bio.htm  &#91;7&#93;]''' '''Interesse richtet sich auf:'''
 
'''Durkheims[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/durkheim/12bio.htm  &#91;7&#93;]''' '''Interesse richtet sich auf:'''
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*  das Problem der '''Normativität''' des gesellschaftlichen Lebens, der Strukturen normregulierten Verhaltens und Handelns.
 
*  das Problem der '''Normativität''' des gesellschaftlichen Lebens, der Strukturen normregulierten Verhaltens und Handelns.
  
'''Talcott Parsons[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/parsons/39bio.htm  &#91;8&#93;]''' Werk kombiniert Handlungstheorie und
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'''Talcott Parsons[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/parsons/39bio.htm  &#91;8&#93;]''' Werk kombiniert Handlungstheorie und Strukturtheorie (vgl. Parsons: '''"Toward a General Theory of Action"[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[9]]]'''). Es geht dabei um den Versuch einer umgreifenden Sozialtheorie, fokussiert um das Problem der '''Stabilität sozialer Ordnungen'''.
Strukturtheorie (vgl. Parsons: '''"Toward a General Theory of
 
Action"[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[9]]]'''). Es geht dabei um den Versuch einer umgreifenden
 
Sozialtheorie, fokussiert um das Problem der '''Stabilität sozialer
 
Ordnungen'''.
 
  
'''Strukturfunktionalismus im Sinne Parsons heißt:''' kulturelle Objekte,
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'''Strukturfunktionalismus im Sinne Parsons heißt:''' kulturelle Objekte, soziale Erscheinungen, Verhalten und Handeln werden auf ihren funktionalen Beitrag für die Stabilität innerhalb eines Gesellschaftssystems analytisch befragt bzw. bewertet.
soziale Erscheinungen, Verhalten und Handeln werden auf ihren
 
funktionalen Beitrag für die Stabilität innerhalb eines
 
Gesellschaftssystems analytisch befragt bzw. bewertet.
 
  
Im weiteren Verlauf verschiebt sich Parsons Akzent zur '''systemtheoretischen''' '''Modellbildung'''. Während in der ersten Phase
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Im weiteren Verlauf verschiebt sich Parsons Akzent zur '''systemtheoretischen''' '''Modellbildung'''. Während in der ersten Phase des Parsonschen Strukturfunktionalismus Handeln unter dem funktionalen Gesichtspunkt des Stellenwerts für die gesellschaftliche Stabilität verhandelt wird, rückt der Handlungsaspekt in der zweiten Phase der Entwicklung seiner Sozialtheorie in den Hintergrund zugunsten des Primats der Idee sich selbst steuernder Systeme. Der Strukturfunktionalismus transformiert sich in '''Systemtheorie'''.
des Parsonschen Strukturfunktionalismus Handeln unter dem funktionalen
 
Gesichtspunkt des Stellenwerts für die gesellschaftliche Stabilität
 
verhandelt wird, rückt der Handlungsaspekt in der zweiten Phase der
 
Entwicklung seiner Sozialtheorie in den Hintergrund zugunsten des
 
Primats der Idee sich selbst steuernder Systeme. Der
 
Strukturfunktionalismus transformiert sich in '''Systemtheorie'''.
 
  
'''Niklas Luhmanns systemtheoretische Soziologie übernimmt von den
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'''Niklas Luhmanns systemtheoretische Soziologie übernimmt von den älteren Beständen der sozialwissenschaftlichen Denkweisen''' (vgl. Luhmanns '''"Einführung in die Systemtheorie"[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[10]]]'''):
älteren Beständen der sozialwissenschaftlichen Denkweisen''' (vgl.
 
Luhmanns '''"Einführung in die Systemtheorie"[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[10]]]'''):
 
  
 
*  Primat des Standorts des '''Beobachters''';
 
*  Primat des Standorts des '''Beobachters''';
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*  in Abhebung vom älteren, auf Statik gepolten Strukturfunktionalismus revitalisiert die Luhmannsche Sozialtheorie Denkmotive der Darwinschen '''Evolutionstheorie[[Erkenntnisstrategien/Evolutionistische#1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien|[11]]]''', insofern die Theorie offener Sozialsysteme darauf aus ist, den Aspekt der Veränderung von Systemen und Strukturen einzubeziehen.
 
*  in Abhebung vom älteren, auf Statik gepolten Strukturfunktionalismus revitalisiert die Luhmannsche Sozialtheorie Denkmotive der Darwinschen '''Evolutionstheorie[[Erkenntnisstrategien/Evolutionistische#1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien|[11]]]''', insofern die Theorie offener Sozialsysteme darauf aus ist, den Aspekt der Veränderung von Systemen und Strukturen einzubeziehen.
  
Für diese Variante sozialwissenschaftlicher Erkenntnisstrategie ist
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Für diese Variante sozialwissenschaftlicher Erkenntnisstrategie ist kennzeichnend, dass der gesellschaftliche Lebensprozess nach dem Muster selbstgeregelter Systeme interpretiert wird und dass demzufolge die gesellschaftlichen Individuen tendenziell als eine vernachlässigenswerte Größe betrachtet werden. Dem Modell selbstgeregelter Systeme entspricht das subjektloser Sozialwissenschaften.
kennzeichnend, dass der gesellschaftliche Lebensprozess nach dem Muster
 
selbstgeregelter Systeme interpretiert wird und dass demzufolge die
 
gesellschaftlichen Individuen tendenziell als eine vernachlässigenswerte
 
Größe betrachtet werden. Dem Modell selbstgeregelter Systeme entspricht
 
das subjektloser Sozialwissenschaften.
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
Die pragmatistische Erkenntnisstrategie setzt am menschlichen Handeln an
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Die pragmatistische Erkenntnisstrategie setzt am menschlichen Handeln an und rückt die Konzeptualisierung des sozialen Handelns ins Zentrum. Ihr Ursprung liegt in der US- amerikanischen Geistes- und Wissenschaftsgeschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sozialwissenschaftliche Gestalt hat der Pragmatismus bei '''George Herbert Mead[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/mead/32bio.htm  &#91;1&#93;]''' angenommen, der an der University of Chicago gelehrt hat, weshalb das '''Theorieprogramm Meads[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[2]]]''' - der "'''Symbolische Interaktionismus'''" - gerne mit dem Markenzeichen "Chicago School" versehen wird.
und rückt die Konzeptualisierung des sozialen Handelns ins Zentrum. Ihr
 
Ursprung liegt in der US- amerikanischen Geistes- und
 
Wissenschaftsgeschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
 
Sozialwissenschaftliche Gestalt hat der Pragmatismus bei '''George
 
Herbert Mead[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/mead/32bio.htm  &#91;1&#93;]''' angenommen, der an der University of Chicago gelehrt hat, weshalb das '''Theorieprogramm Meads[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[2]]]''' - der "'''Symbolische Interaktionismus'''" - gerne mit dem Markenzeichen "Chicago School" versehen wird.
 
  
Denkansätze, die im Zeichen pragmatistischer Philosophie des Sozialen
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Denkansätze, die im Zeichen pragmatistischer Philosophie des Sozialen operieren, gehen von der Eigenart des Sozialen als '''Zweite Natur[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Kultur#3.2.2 Kultur|[3]]]''' aus, die nicht auf die Gesetze und Gesetzmäßigkeiten der ersten Natur reduktibel ist. Vielmehr wird versucht, die Eigenart des Sozialen aus der '''Verschränkung von Natur- und Kulturgeschichte''' heraus zu rekonstruieren. (Nicht zuletzt dies hat '''Arnold Gehlen[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[4]]]''' dazu bewogen, die Theorien von Meads in seine handlungstheoretische Sozialanthropologie und Soziologie einzuflechten.)
operieren, gehen von der Eigenart des Sozialen als '''Zweite
 
Natur[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Kultur#3.2.2 Kultur|[3]]]''' aus, die nicht auf die Gesetze und Gesetzmäßigkeiten der
 
ersten Natur reduktibel ist. Vielmehr wird versucht, die Eigenart des
 
Sozialen aus der '''Verschränkung von Natur- und Kulturgeschichte'''
 
heraus zu rekonstruieren. (Nicht zuletzt dies hat '''Arnold Gehlen[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[4]]]'''
 
dazu bewogen, die Theorien von Meads in seine handlungstheoretische
 
Sozialanthropologie und Soziologie einzuflechten.)
 
  
 
[[File:denkensoz-5_1.jpg "Fußgängerampel"|frame|right|Foto: Fußgängerampel. Sebastian Wieschowski, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2005 ]]
 
[[File:denkensoz-5_1.jpg "Fußgängerampel"|frame|right|Foto: Fußgängerampel. Sebastian Wieschowski, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2005 ]]
  
Im Unterschied zur '''objektivistischen Erkenntnisstrategie[[Erkenntnisstrategien/Objektivistische#1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien|[5]]]''' ist
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Im Unterschied zur '''objektivistischen Erkenntnisstrategie[[Erkenntnisstrategien/Objektivistische#1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien|[5]]]''' ist für die pragmatistische Erkenntnistheorie nicht das individuelle Verhalten der Schlüssel zum Verständnis des gesellschaftlichen Lebensprozesses, sondern die Intersubjektivität aller Sozialprozesse, die '''Soziale''' '''Interaktion'''. Ins Auge gefasst wird das soziale Ganze:
für die pragmatistische Erkenntnistheorie nicht das individuelle
 
Verhalten der Schlüssel zum Verständnis des gesellschaftlichen
 
Lebensprozesses, sondern die Intersubjektivität aller Sozialprozesse,
 
die '''Soziale''' '''Interaktion'''. Ins Auge gefasst wird das soziale Ganze:
 
  
 
*  Pragmatistische Erkenntnisstrategien betonen den '''Handlungs- und Kommunikationsaspekt[[Erkenntnisstrategien/Kommunikationstheoretische#1.7 Kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategien|[6]]]'''. Betont ist damit das Prozesshafte der Sozialität ebenso wie die gesellschaftlichen Individuen als Aktoren des sozialen Lebens.
 
*  Pragmatistische Erkenntnisstrategien betonen den '''Handlungs- und Kommunikationsaspekt[[Erkenntnisstrategien/Kommunikationstheoretische#1.7 Kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategien|[6]]]'''. Betont ist damit das Prozesshafte der Sozialität ebenso wie die gesellschaftlichen Individuen als Aktoren des sozialen Lebens.
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
Sozialkonstruktivistische Theorie- und Forschungsstrategien machen sich
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Sozialkonstruktivistische Theorie- und Forschungsstrategien machen sich in den Sozial- und Kulturwissenschaften erst in den 1980er Jahren geltend: Karriere der Formel von der "sozialen Konstruktion der Wirklichkeit".
in den Sozial- und Kulturwissenschaften erst in den 1980er Jahren
 
geltend: Karriere der Formel von der "sozialen Konstruktion der
 
Wirklichkeit".
 
  
Sozialkonstruktivismus bezieht sich auf eine '''Veränderung der
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Sozialkonstruktivismus bezieht sich auf eine '''Veränderung der Betrachtungsweise'''. Es soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass das, was wir als natürlich- gegeben hinnehmen, das Produkt historisch-sozialer Formungen ist. Wir sehen Dinge und Sachverhalte im Lichte einer soziokulturell imprägnierten Sehweise. Wir sehen die Welt nicht nur durch die Brille sozialer Konstruktionen, sondern wir handeln und sprechen auch innerhalb sozialer Konstruktionen, also in sozialkulturellen Prägeformen und Perspektiven. Die Gegenstandsbereiche unserer Wahrnehmungen sind sprachlich vermittelt, und ganz wesentlich von kulturell und sozialen Bildvorstellungen vorstrukturiert. Sozialkonstruktivismus ist das Bestreben, die soziokulturellen Prägeformen unserer Ansicht von der Welt, der Natur und des Menschen freizulegen und bewusst zu machen (vgl. dazu z.B. den sich wandelnden Diskurs über Weiblichkeit bzw. deren Stereotypen).
Betrachtungsweise'''. Es soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass das,
 
was wir als natürlich- gegeben hinnehmen, das Produkt
 
historisch-sozialer Formungen ist. Wir sehen Dinge und Sachverhalte im
 
Lichte einer soziokulturell imprägnierten Sehweise. Wir sehen die Welt
 
nicht nur durch die Brille sozialer Konstruktionen, sondern wir handeln
 
und sprechen auch innerhalb sozialer Konstruktionen, also in
 
sozialkulturellen Prägeformen und Perspektiven. Die Gegenstandsbereiche
 
unserer Wahrnehmungen sind sprachlich vermittelt, und ganz wesentlich
 
von kulturell und sozialen Bildvorstellungen vorstrukturiert.
 
Sozialkonstruktivismus ist das Bestreben, die soziokulturellen
 
Prägeformen unserer Ansicht von der Welt, der Natur und des Menschen
 
freizulegen und bewusst zu machen (vgl. dazu z.B. den sich wandelnden
 
Diskurs über Weiblichkeit bzw. deren Stereotypen).
 
  
 
'''Charakteristika:'''
 
'''Charakteristika:'''
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*  Der Gesichtspunkt sozialer Konstruktion bzw. die Einsicht in die historisch- gesellschaftliche Entwicklung von Vorstellungen über die Wirklichkeit, kann ausgedehnt werden bis auf das Problem der Geltung von '''Tatsachen''' als '''Fakten'''. Folgerichtig sind im Sozialkonstruktivismus auch die wissenschaftlichen Fakten ins Licht sozialer Konstruiertheit gerückt worden.
 
*  Der Gesichtspunkt sozialer Konstruktion bzw. die Einsicht in die historisch- gesellschaftliche Entwicklung von Vorstellungen über die Wirklichkeit, kann ausgedehnt werden bis auf das Problem der Geltung von '''Tatsachen''' als '''Fakten'''. Folgerichtig sind im Sozialkonstruktivismus auch die wissenschaftlichen Fakten ins Licht sozialer Konstruiertheit gerückt worden.
  
Sinnfällig Eingang gefunden hat die sozialkonstruktivistische
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Sinnfällig Eingang gefunden hat die sozialkonstruktivistische Sprechweise in die Sozialwissenschaften mit einer Publikation von '''P. Berger und Th. Luckmann: "The Social Construction of Reality"[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[1]]]''' von 1966. Jahre später erst hat diese grundlagentheoretische Studie, die wesentlich von der '''phänomenologischen Philosophie[[Erkenntnisstrategien/Phänomenologische#1.6 Phänomenologische Erkenntnisstrategien|[2]]]''' inspiriert ist, eine breitere Rezeption im deutschsprachigen Raum erfahren.
Sprechweise in die Sozialwissenschaften mit einer Publikation von '''P.
 
Berger und Th. Luckmann: "The Social Construction of Reality"[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[1]]]'''
 
von 1966. Jahre später erst hat diese grundlagentheoretische Studie, die
 
wesentlich von der '''phänomenologischen Philosophie[[Erkenntnisstrategien/Phänomenologische#1.6 Phänomenologische Erkenntnisstrategien|[2]]]''' inspiriert
 
ist, eine breitere Rezeption im deutschsprachigen Raum erfahren.
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
In den phänomenologischen Erkenntnisstrategien fließen mehrere
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In den phänomenologischen Erkenntnisstrategien fließen mehrere Denktraditionen zusammen: phänomenologische Bewusstseinsphilosophie, '''Philosophische Anthropologie[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Handeln#3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften|[1]]]''' sowie pragmatistische Ansätze, wie '''Symbolischer Interaktionismus[[Erkenntnisstrategien/Pragmatistische#1.4 Pragmatistische Erkenntnisstrategien|[2]]]''', verknüpft mit '''sozialkonstruktivistischen Denkfiguren[[Erkenntnisstrategien/Sozialkonstruktivistische#1.5 Sozialkonstruktivistische Erkenntnisstrategien|[3]]]'''. Die phänomenologische Bewusstseinsphilosophie bildete sich bald nach 1900 und ist mit dem Namen Edmund Husserl verbunden. Statt mit vorausgesetzten theoretischen Konstrukten zu beginnen, votiert Husserl für eine Rückbesinnung auf die '''Wahrnehmungsperspektive''' des einzelmenschlichen Bewusstseins. Den Ansatzpunkt von Wissenschaft bildet demnach das '''alltägliche''' Wahrnehmungs- und Erfahrungsfeld des einzelmenschlichen Bewusstseins. Der Blick richtet sich auf die gewöhnlichen Erscheinungsformen der alltäglichen Lebenswelt.
Denktraditionen zusammen: phänomenologische Bewusstseinsphilosophie,
 
'''Philosophische Anthropologie[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Handeln#3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften|[1]]]''' sowie pragmatistische Ansätze, wie
 
'''Symbolischer Interaktionismus[[Erkenntnisstrategien/Pragmatistische#1.4 Pragmatistische Erkenntnisstrategien|[2]]]''', verknüpft mit
 
'''sozialkonstruktivistischen Denkfiguren[[Erkenntnisstrategien/Sozialkonstruktivistische#1.5 Sozialkonstruktivistische Erkenntnisstrategien|[3]]]'''. Die phänomenologische
 
Bewusstseinsphilosophie bildete sich bald nach 1900 und ist mit dem
 
Namen Edmund Husserl verbunden. Statt mit vorausgesetzten theoretischen
 
Konstrukten zu beginnen, votiert Husserl für eine Rückbesinnung auf die
 
'''Wahrnehmungsperspektive''' des einzelmenschlichen Bewusstseins. Den
 
Ansatzpunkt von Wissenschaft bildet demnach das '''alltägliche'''
 
Wahrnehmungs- und Erfahrungsfeld des einzelmenschlichen Bewusstseins.
 
Der Blick richtet sich auf die gewöhnlichen Erscheinungsformen der
 
alltäglichen Lebenswelt.
 
  
 
[[File:denkensoz-7_1.jpg "Fußballspiel im Stadion"|frame|right|Foto: Fußballspiel im Stadion. Tina Glindemann, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2008]]
 
[[File:denkensoz-7_1.jpg "Fußballspiel im Stadion"|frame|right|Foto: Fußballspiel im Stadion. Tina Glindemann, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2008]]
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
Im Ausgang der 1960er Jahre wächst aus der Kritischen Theorie
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Im Ausgang der 1960er Jahre wächst aus der Kritischen Theorie ("Frankfurter Schule") jene Erkenntnisstrategie hervor, die inzwischen als "Theorie kommunikativen Handelns" Teil der Diskussion über Probleme und Perspektiven moderner Sozialtheorie geworden ist. Die Rekonstruktion von Gesellschaftstheorie aus dem Geiste der Kommunikationstheorie ist mit dem Namen '''Jürgen Habermas[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/habermas/21bio.htm  &#91;1&#93;]''' verbunden.
("Frankfurter Schule") jene Erkenntnisstrategie hervor, die inzwischen
 
als "Theorie kommunikativen Handelns" Teil der Diskussion über
 
Probleme und Perspektiven moderner Sozialtheorie geworden ist. Die
 
Rekonstruktion von Gesellschaftstheorie aus dem Geiste der
 
Kommunikationstheorie ist mit dem Namen '''Jürgen Habermas[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/habermas/21bio.htm  &#91;1&#93;]'''
 
verbunden.
 
  
Habermas entwirft seine Kommunikationstheorie als Gesellschaftstheorie
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Habermas entwirft seine Kommunikationstheorie als Gesellschaftstheorie in Anknüpfung, aber auch in kritischer Abgrenzung zur Kritischen Theorie, die vor allem mit den Namen '''Max Horkheimer und Theodor W. Adorno[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[2]]]''' verbunden ist. Es sind im wesentlichen zwei Abgrenzungspunkte:
in Anknüpfung, aber auch in kritischer Abgrenzung zur Kritischen
 
Theorie, die vor allem mit den Namen '''Max Horkheimer und Theodor W.
 
Adorno[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[2]]]''' verbunden ist. Es sind im wesentlichen zwei
 
Abgrenzungspunkte:
 
  
 
*  Habermas hält eine Einfassung der Sozialwissenschaften in '''Geschichtsphilosophie''' nicht länger für haltbar;
 
*  Habermas hält eine Einfassung der Sozialwissenschaften in '''Geschichtsphilosophie''' nicht länger für haltbar;
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[[File:denkensoz-8_1.jpg|frame|right|Foto: Notizzettel mit Sprechblase. Toddy Kelsch, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2009]]
 
[[File:denkensoz-8_1.jpg|frame|right|Foto: Notizzettel mit Sprechblase. Toddy Kelsch, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2009]]
  
Wegen dieser Gefangenschaft setzt Habermas seine
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Wegen dieser Gefangenschaft setzt Habermas seine kommunikatonstheoretische Grundlegung der Sozialwissenschaften im Bereich der sozialen Interaktion, beim Sprechen in der Perspektive des '''Social Act''' an. '''Beobachtung''' geschieht in der Individualperspektive. Dagegen konstituiert '''Sprechen''' die Interaktionsperspektive. In den '''Sprechakten''' öffnet sich nicht nur buchstäblich die Perspektive zur '''Öffentlichkeit'''; aus den Sprechakten geht zugleich der Aufbau der inneren, der subjektiven Welt hervor. Sprechen auf dem Weg zum Social Act ist demnach Quellbereich sowohl der Konstitution von Sozialität wie von Subjektivität, Innenwelt.
kommunikatonstheoretische Grundlegung der Sozialwissenschaften im
 
Bereich der sozialen Interaktion, beim Sprechen in der Perspektive des '''Social Act''' an. '''Beobachtung''' geschieht in der
 
Individualperspektive. Dagegen konstituiert '''Sprechen''' die
 
Interaktionsperspektive. In den '''Sprechakten''' öffnet sich nicht nur
 
buchstäblich die Perspektive zur '''Öffentlichkeit'''; aus den Sprechakten
 
geht zugleich der Aufbau der inneren, der subjektiven Welt hervor.
 
Sprechen auf dem Weg zum Social Act ist demnach Quellbereich sowohl der
 
Konstitution von Sozialität wie von Subjektivität, Innenwelt.
 
  
 
Zentral für die '''"Theorie des kommunikativen Handelns"[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[3]]]''' sind:
 
Zentral für die '''"Theorie des kommunikativen Handelns"[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[3]]]''' sind:
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*  das Spannungsverhältnis zwischen '''Systemrationalität''' und '''kommunikativer''' '''Rationalität''', d.h. zwischen systemischer Welt und Lebenswelt.
 
*  das Spannungsverhältnis zwischen '''Systemrationalität''' und '''kommunikativer''' '''Rationalität''', d.h. zwischen systemischer Welt und Lebenswelt.
  
Habermas' "Theorie des kommunikativen Handelns" ist sowohl handlungs-
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Habermas' "Theorie des kommunikativen Handelns" ist sowohl handlungs- wie systemtheoretisch angesetzt. Dies in gesellschaftskritischer Absicht, insofern Habermas seine Sozialtheorie an die Aufklärungsidee des verantwortlich handelnden Subjekts anschließt. Vor diesem Hintergrund entwickelt Habermas seine Konzeption des "praktischen" und "theoretischen Diskurses". Mit einer der '''Philosophischen Anthropologie[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Handeln#3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften|[4]]]''' entlehnten Grundfigur zur Unterscheidung von '''Verhalten[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Verhalten#3.1.1 Verhalten - Zur verhaltenstheoretischen Konzeptualisierung der Sozialwissenschaften|[5]]]''' und '''Handeln[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Handeln#3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften|[6]]]''' pointiert Habermas seine Denkfigur des zurechnungsfähigen Subjekts:
wie systemtheoretisch angesetzt. Dies in gesellschaftskritischer
 
Absicht, insofern Habermas seine Sozialtheorie an die Aufklärungsidee
 
des verantwortlich handelnden Subjekts anschließt. Vor diesem
 
Hintergrund entwickelt Habermas seine Konzeption des "praktischen" und
 
"theoretischen Diskurses". Mit einer der '''Philosophischen
 
Anthropologie[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Handeln#3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften|[4]]]''' entlehnten Grundfigur zur Unterscheidung von '''Verhalten[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Verhalten#3.1.1 Verhalten - Zur verhaltenstheoretischen Konzeptualisierung der Sozialwissenschaften|[5]]]''' und '''Handeln[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Handeln#3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften|[6]]]''' pointiert Habermas seine Denkfigur des zurechnungsfähigen Subjekts:
 
  
''"Ein tierischer Organismus kann nicht in demselben Sinn für sein
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<blockquote>''"Ein tierischer Organismus kann nicht in demselben Sinn für sein Verhalten verantwortlich gemacht werden wie ein sprach- und erkenntnisfähiges Subjekt für seine Handlungen."''</blockquote>
Verhalten verantwortlich gemacht werden wie ein sprach- und
 
erkenntnisfähiges Subjekt für seine Handlungen."''
 
  
Um die '''Eigenart des Sozialen[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Eigenart_des_Sozialen#2.3 Eigenart des Sozialen|[7]]]''' zu präzisieren, ist in der
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Um die '''Eigenart des Sozialen[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Eigenart_des_Sozialen#2.3 Eigenart des Sozialen|[7]]]''' zu präzisieren, ist in der "Theorie des kommunikativen Handelns" ausführlich eine '''Typologie des menschlichen Handelns''' dargelegt, die drei Grundtypen von menschlichem Handeln bezeichnet: '''Instrumentelles Handeln, Strategisches Handeln, Kommunikatives Handeln'''. In der gesellschaftlichen Wirklichkeit können die Handlungstypen sowohl zusammen auftreten als auch nacheinander.
"Theorie des kommunikativen Handelns" ausführlich eine '''Typologie des
 
menschlichen Handelns''' dargelegt, die drei Grundtypen von menschlichem
 
Handeln bezeichnet: '''Instrumentelles Handeln, Strategisches Handeln,
 
Kommunikatives Handeln'''. In der gesellschaftlichen Wirklichkeit können
 
die Handlungstypen sowohl zusammen auftreten als auch nacheinander.
 
  
Die "Theorie kommunikativen Handelns" ist fokussiert auf die Sphäre der '''Interaktion''', d.h. auf die '''sozialkulturelle Reproduktion''' der
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Die "Theorie kommunikativen Handelns" ist fokussiert auf die Sphäre der '''Interaktion''', d.h. auf die '''sozialkulturelle Reproduktion''' der Gesellschaft. Die kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategie in den Sozialwissenschaften legt, wie Habermas es formuliert, den "vernünftigen Gehalt anthropologisch tiefsitzender Strukturen" frei und zerreißt nicht die Verschränkung von Natur und Kultur.
Gesellschaft. Die kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategie in den
 
Sozialwissenschaften legt, wie Habermas es formuliert, den
 
"vernünftigen Gehalt anthropologisch tiefsitzender Strukturen" frei
 
und zerreißt nicht die Verschränkung von Natur und Kultur.
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
Die Sozialwissenschaften sind weder auf das '''objektivistische
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Die Sozialwissenschaften sind weder auf das '''objektivistische Modell[[Erkenntnisstrategien/Objektivistische#1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien|[1]]]''' der Naturwissenschaften zu vereidigen, noch an die Tradition der Geisteswissenschaften zu binden oder an den Erkenntnisinteressen der Geschichtswissenschaften zu orientieren. Der '''Eigenart des Sozialen[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Eigenart_des_Sozialen#2.3 Eigenart des Sozialen|[2]]]''' entsprechen werde Natur-, noch Geistes-, noch Geschichtswissenschaften:
Modell[[Erkenntnisstrategien/Objektivistische#1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien|[1]]]''' der Naturwissenschaften zu vereidigen, noch an die
 
Tradition der Geisteswissenschaften zu binden oder an den
 
Erkenntnisinteressen der Geschichtswissenschaften zu orientieren. Der
 
'''Eigenart des Sozialen[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Eigenart_des_Sozialen#2.3 Eigenart des Sozialen|[2]]]''' entsprechen werde Natur-, noch
 
Geistes-, noch Geschichtswissenschaften:
 
  
 
*  Gegenüber den '''Naturwissenschaften[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Sozialwissenschaften_Naturwissenschaften#2.3.1 Sozialwissenschaften vs. Naturwissenschaften|[3]]]''' ist die Eigenart symbolisch vermittelten Charakters des sozialen Handelns und der kulturellen Lebensformen zu betonen.
 
*  Gegenüber den '''Naturwissenschaften[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Sozialwissenschaften_Naturwissenschaften#2.3.1 Sozialwissenschaften vs. Naturwissenschaften|[3]]]''' ist die Eigenart symbolisch vermittelten Charakters des sozialen Handelns und der kulturellen Lebensformen zu betonen.
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*  Gegenüber den '''Geschichtswissenschaften[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Sozialwissenschaften_Geschichtswissenschaften#2.3.2 Sozialwissenschaften vs. Geschichtswissenschaften|[5]]]''' ist die Eigenart durchschnittsindividueller Normalität erzeugender gesellschaftlicher Strukturbildungen und Strukturwandlungen zu betonen.
 
*  Gegenüber den '''Geschichtswissenschaften[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Sozialwissenschaften_Geschichtswissenschaften#2.3.2 Sozialwissenschaften vs. Geschichtswissenschaften|[5]]]''' ist die Eigenart durchschnittsindividueller Normalität erzeugender gesellschaftlicher Strukturbildungen und Strukturwandlungen zu betonen.
  
Bis heute existiert in den Sozialwissenschaften ein Streit über die
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Bis heute existiert in den Sozialwissenschaften ein Streit über die primär erforderliche sozialwissenschaftliche Methodik:
primär erforderliche sozialwissenschaftliche Methodik:
 
  
Ist der Modus der '''Erklärung oder der des Verstehens[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Erklären_und_Verstehen#2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"|[6]]]''' die
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Ist der Modus der '''Erklärung oder der des Verstehens[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Erklären_und_Verstehen#2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"|[6]]]''' die angemessene Herangehensweise an sozialwissenschaftliche Gegenstandsbereiche?
angemessene Herangehensweise an sozialwissenschaftliche
 
Gegenstandsbereiche?
 
  
Grundlegend kann hier festgehalten werden: Die Entscheidung für einen
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Grundlegend kann hier festgehalten werden: Die Entscheidung für einen der beiden Prototypen sozialwissenschaftlicher Verfahrensweise hängt entscheidend davon ab, wie der Gegenstand der Sozialwissenschaften - die Eigenart des Sozialen - betrachtet, gedanklich gefasst und entsprechend in den Sozialtheorien konzeptualisiert wird.
der beiden Prototypen sozialwissenschaftlicher Verfahrensweise hängt
 
entscheidend davon ab, wie der Gegenstand der Sozialwissenschaften - die
 
Eigenart des Sozialen - betrachtet, gedanklich gefasst und entsprechend
 
in den Sozialtheorien konzeptualisiert wird.
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[File:denkensoz-10_1.jpg "Notizbuch"|frame|right|Foto: Notizbuch. stock.xchng, [www.sxc.hu](http://www.sxc.hu), 2009]]
 
[[File:denkensoz-10_1.jpg "Notizbuch"|frame|right|Foto: Notizbuch. stock.xchng, [www.sxc.hu](http://www.sxc.hu), 2009]]
  
Hier soll dafür plädiert werden, die Sozialwissenschaften nicht auf den
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Hier soll dafür plädiert werden, die Sozialwissenschaften nicht auf den Gegensatz (quasi- naturwissenschaftlicher) Erkenntnismodus "Erklären" und (quasi- geisteswissenschaftlicher) Erkenntnismodus "Verstehen" festzunageln.
Gegensatz (quasi- naturwissenschaftlicher) Erkenntnismodus "Erklären"
 
und (quasi- geisteswissenschaftlicher) Erkenntnismodus "Verstehen"
 
festzunageln.
 
  
Im Kontext des tradierten Gegensatzes zwischen Erklären und Verstehen
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Im Kontext des tradierten Gegensatzes zwischen Erklären und Verstehen ist der Begriff '''"Hermeneutik"''' zu behandeln. Hermeneutik ist weniger eine Methode als eine Kunst des Interpretierens: ein Verfahren der sinnverstehenden Auf- und Erschließung von Sprechakten, Texten und Kunstwerken. Hermeneutik gilt als Königsverfahren der '''Geisteswissenschaften'''. Diesen geht es um die Auslegung der Bedeutungsschichten sinninnervierter Objektivationen des menschlichen Geistes. Heute stößt man im Kontext von "Content Analysis", Inhaltsanalyse, "interpretativen Sozialwissenschaften" oder "qualitativen Methoden" auf hermeneutische Verfahren.
ist der Begriff '''"Hermeneutik"''' zu behandeln. Hermeneutik ist
 
weniger eine Methode als eine Kunst des Interpretierens: ein Verfahren
 
der sinnverstehenden Auf- und Erschließung von Sprechakten, Texten und
 
Kunstwerken. Hermeneutik gilt als Königsverfahren der
 
'''Geisteswissenschaften'''. Diesen geht es um die Auslegung der
 
Bedeutungsschichten sinninnervierter Objektivationen des menschlichen
 
Geistes. Heute stößt man im Kontext von "Content Analysis",
 
Inhaltsanalyse, "interpretativen Sozialwissenschaften" oder
 
"qualitativen Methoden" auf hermeneutische Verfahren.
 
  
Hermeneutische Verfahren sind gebunden an den '''artifiziellen'''
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Hermeneutische Verfahren sind gebunden an den '''artifiziellen''' Charakters menschlicher Vergesellschaftung, d.h. daran, dass soziale Interaktionen stets symbolisch vermittelt sind. Dinge, Formen, Verhalten, Interaktionen sind nicht nur einfach gegeben, sondern es kommt ihnen eine '''Bedeutung''' zu. Hermeneutische Verfahren sind zentriert im Verständnis von Sinngehalten. Favorisierter Erkenntnismodus: '''Verstehen'''.
Charakters menschlicher Vergesellschaftung, d.h. daran, dass soziale
 
Interaktionen stets symbolisch vermittelt sind. Dinge, Formen,
 
Verhalten, Interaktionen sind nicht nur einfach gegeben, sondern es
 
kommt ihnen eine '''Bedeutung''' zu. Hermeneutische Verfahren sind
 
zentriert im Verständnis von Sinngehalten. Favorisierter
 
Erkenntnismodus: '''Verstehen'''.
 
  
Der Hermeneutik wohnen zwei ineinander verschränkte Vorgänge ein:
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Der Hermeneutik wohnen zwei ineinander verschränkte Vorgänge ein: '''Verstehen und Deuten in einem Zug.''' Indem wir etwas verstehen, deuten wir es (z.B. das religiöse Kreuz, einen Gruß, ein Schriftbild).
'''Verstehen und Deuten in einem Zug.''' Indem wir etwas verstehen, deuten
 
wir es (z.B. das religiöse Kreuz, einen Gruß, ein Schriftbild).
 
  
Hermeneutisch orientierte Sozialwissenschaften legen Wert auf den
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Hermeneutisch orientierte Sozialwissenschaften legen Wert auf den Unterschied zwischen reizgebundenem '''Verhalten[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Verhalten#3.1.1 Verhalten - Zur verhaltenstheoretischen Konzeptualisierung der Sozialwissenschaften|[1]]]''' und sinnvermitteltem, an Symbolen und Bedeutungen orientiertem '''Handeln[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Handeln#3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften|[2]]]'''.
Unterschied zwischen reizgebundenem '''Verhalten[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Verhalten#3.1.1 Verhalten - Zur verhaltenstheoretischen Konzeptualisierung der Sozialwissenschaften|[1]]]''' und
 
sinnvermitteltem, an Symbolen und Bedeutungen orientiertem
 
'''Handeln[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Handeln#3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften|[2]]]'''.
 
  
'''Natur''' ist schon konstituiert, ehe sie von menschlicher Praxis als
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'''Natur''' ist schon konstituiert, ehe sie von menschlicher Praxis als Gegenstand behandelt wird. Die Ansicht von Natur als Objekt menschlicher Bearbeitung und Betrachtung ist vermittelt über die Zuweisung kultureller Bedeutungen an Erscheinungen und Vorgängen in der Natur, wodurch diese symbolischen Charakter annimmt. Insofern als sie mit Zeichen, Zahlen und Sprache operieren, haben auch die '''Naturwissenschaften''' teil an der symbolischen Bedeutungswelt. Die naturwissenschaftlichen Probleme und Fragen werden nicht vom Naturobjekt formuliert, sondern von Menschen gestellt.
Gegenstand behandelt wird. Die Ansicht von Natur als Objekt menschlicher
 
Bearbeitung und Betrachtung ist vermittelt über die Zuweisung
 
kultureller Bedeutungen an Erscheinungen und Vorgängen in der Natur,
 
wodurch diese symbolischen Charakter annimmt. Insofern als sie mit
 
Zeichen, Zahlen und Sprache operieren, haben auch die
 
'''Naturwissenschaften''' teil an der symbolischen Bedeutungswelt. Die
 
naturwissenschaftlichen Probleme und Fragen werden nicht vom Naturobjekt
 
formuliert, sondern von Menschen gestellt.
 
  
Alle Wahrnehmung, sowohl die sozial- wie die naturwissenschaftliche, ist
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Alle Wahrnehmung, sowohl die sozial- wie die naturwissenschaftliche, ist deutende Projektion: ''Wer etwas auslegt (so Nietzsche), legt etwas hinein, auch sich bzw. von sich selbst.'' Ob etwas, das wahrgenommen wird, auch wahr ist, können erst die systematisch-methodische Kontrolle und der wissenschaftliche Diskurs erweisen; etwa das Experiment. '''Erklären''' heißt, Zusammenhänge von Wahrnehmungen feststellen und unter bestimmten Gesichtspunkten prüfen, gegebenenfalls seine Wahrnehmung korrigieren.
deutende Projektion: ''Wer etwas auslegt (so Nietzsche), legt etwas
 
hinein, auch sich bzw. von sich selbst.'' Ob etwas, das wahrgenommen
 
wird, auch wahr ist, können erst die systematisch-methodische Kontrolle
 
und der wissenschaftliche Diskurs erweisen; etwa das Experiment.
 
'''Erklären''' heißt, Zusammenhänge von Wahrnehmungen feststellen und
 
unter bestimmten Gesichtspunkten prüfen, gegebenenfalls seine
 
Wahrnehmung korrigieren.
 
  
'''Ist nun die naturwissenschaftliche Erklärung etwas ganz anderes als
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'''Ist nun die naturwissenschaftliche Erklärung etwas ganz anderes als das sozialwissenschaftliche Verstehen:'''
das sozialwissenschaftliche Verstehen:'''
 
  
 
'''Ja''', weil sich die naturwissenschaftliche '''Erklärung''' auf sinnfremde bzw. sinnneutrale Gegenstandsbereiche bezieht.
 
'''Ja''', weil sich die naturwissenschaftliche '''Erklärung''' auf sinnfremde bzw. sinnneutrale Gegenstandsbereiche bezieht.
  
'''Nein''', weil es auch der sozialwissenschaftlichen '''Deutung''' von sprach-, sinn- und symbolvermittelten Gegenstandsbereichen um Erklärung
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'''Nein''', weil es auch der sozialwissenschaftlichen '''Deutung''' von sprach-, sinn- und symbolvermittelten Gegenstandsbereichen um Erklärung geht.
geht.
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
Im Laufe des 19. Jahrhunderts hat sich in den Wissenschaftskulturen
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Im Laufe des 19. Jahrhunderts hat sich in den Wissenschaftskulturen folgende Polarität herausgebildet:
folgende Polarität herausgebildet:
 
  
'''Hier''' die triumphalischen, erfolgreichen, das Gesicht der Welt tief
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'''Hier''' die triumphalischen, erfolgreichen, das Gesicht der Welt tief hinein prägenden Naturwissenschaften im Wirkungsdreieck von Industrie - Technik - Wirtschaft.
hinein prägenden Naturwissenschaften im Wirkungsdreieck von Industrie -
 
Technik - Wirtschaft.
 
  
'''Dort''' die in wissenschaftliche Enklaven zurückgedrängten, ebenso
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'''Dort''' die in wissenschaftliche Enklaven zurückgedrängten, ebenso gekränkten wie elitären Geisteswissenschaften.
gekränkten wie elitären Geisteswissenschaften.
 
  
Zwischen Natur- und Geisteswissenschaften hat sich seither ein tiefer
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Zwischen Natur- und Geisteswissenschaften hat sich seither ein tiefer Graben aufgetan.
Graben aufgetan.
 
  
Die '''Gegenüberstellung von Natur- und Geisteswissenschaften''' ist im
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Die '''Gegenüberstellung von Natur- und Geisteswissenschaften''' ist im deutschsprachigen Raum mit den Namen Wilhelm Windelband und Heinrich Rickert verbunden. Windelband zufolge handelt es sich im Falle der Geistes- und der Naturwissenschaften um grundsätzlich verschiedene Typen der Erkenntnisproduktion:
deutschsprachigen Raum mit den Namen Wilhelm Windelband und Heinrich
 
Rickert verbunden. Windelband zufolge handelt es sich im Falle der
 
Geistes- und der Naturwissenschaften um grundsätzlich verschiedene Typen
 
der Erkenntnisproduktion:
 
  
Naturwissenschaften werden dem '''nomothetischen''' Wissenschaftstyp
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Naturwissenschaften werden dem '''nomothetischen''' Wissenschaftstyp zugeordnet; d.h. hier gehe es um die Gewinnung allgemeiner Gesetze, Gesetzmäßigkeiten - kurz: die Erforschung von Naturgesetzen. Erkenntisfigur: '''Erklären[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Erklären_und_Verstehen#2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"|[1]]]'''.
zugeordnet; d.h. hier gehe es um die Gewinnung allgemeiner Gesetze,
 
Gesetzmäßigkeiten - kurz: die Erforschung von Naturgesetzen.
 
Erkenntisfigur: '''Erklären[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Erklären_und_Verstehen#2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"|[1]]]'''.
 
  
Geisteswissenschaften werden dem '''ideographischen''' Wissenschaftstyp
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Geisteswissenschaften werden dem '''ideographischen''' Wissenschaftstyp zugeordnet; d.h. hier gehe es vor allem um die individualisierende Beschreibung von Ereignis- und Geistesgeschehen. Erkenntnisfigur: '''Verstehen[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Erklären_und_Verstehen#2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"|[2]]]'''.
zugeordnet; d.h. hier gehe es vor allem um die individualisierende
 
Beschreibung von Ereignis- und Geistesgeschehen. Erkenntnisfigur:
 
'''Verstehen[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Erklären_und_Verstehen#2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"|[2]]]'''.
 
  
'''Heinrich Rickert[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[3]]]''' hat um 1900 diesen Dualismus modifiziert,
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'''Heinrich Rickert[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[3]]]''' hat um 1900 diesen Dualismus modifiziert, indem er den Begriff des Geistes zu dem der Kultur erweitert hat: ''"Die Worte Natur und Kultur sind nicht eindeutig."''
indem er den Begriff des Geistes zu dem der Kultur erweitert hat: ''"Die
 
Worte Natur und Kultur sind nicht eindeutig."''
 
  
Merklich ist die Verschiebung der Terminologie von Geistes- zu den
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Merklich ist die Verschiebung der Terminologie von Geistes- zu den umfassenderen Kulturwissenschaften.
umfassenderen Kulturwissenschaften.
 
  
Rickert: ''"es gibt für die Wissenschaft einerseits Objekte, die wie die
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Rickert: ''"es gibt für die Wissenschaft einerseits Objekte, die wie die Kultur eine Bedeutung oder einen Sinn haben, und die wir um dieser Bedeutung und dieses Sinnes willen verstehen, und es gibt andererseits Objekte, die wie die Natur uns als völlig sinn- und bedeutungsfrei gelten und von daher unverständlich bleiben."''
Kultur eine Bedeutung oder einen Sinn haben, und die wir um dieser
 
Bedeutung und dieses Sinnes willen verstehen, und es gibt andererseits
 
Objekte, die wie die Natur uns als völlig sinn- und bedeutungsfrei
 
gelten und von daher unverständlich bleiben."''
 
  
vgl. dazu auch '''Max Weber[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm  &#91;4&#93;]''''s Verstehende Kulturwissenschaft bzw.
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vgl. dazu auch '''Max Weber[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm  &#91;4&#93;]''''s Verstehende Kulturwissenschaft bzw. Verstehende Soziologie ('''Weber 1988: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[5]]]''').
Verstehende Soziologie ('''Weber 1988: Gesammelte Aufsätze zur
 
Wissenschaftslehre[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[5]]]''').
 
  
Entlang der Unterscheidung von Natur- und Kulturwissenschaften hat sich
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Entlang der Unterscheidung von Natur- und Kulturwissenschaften hat sich eine Reihe kulturwissenschaftlicher Paradigmen herausgebildet, die bis in die Gegenwart hinein virulent sind. Beispielsweise schreibt '''Ernst Cassirer[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[6]]]''' den Dualismus von Kulturwissenschaften und Naturwissenschaften fort, ohne sie allerdings zu Antipoden zu stilisieren; vielmehr ist er darum bemüht, für die Wissenschaften vom Menschen nach '''Vermittlungen''' zu suchen. "'''Kultur[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Kultur#3.2.2 Kultur|[7]]]'''" wird von Cassirer als die vom Menschen gestaltete Welt gefasst und definiert. Damit rücken Handlung und Formgebung ins Zentrum; Natur und Kultur werden nicht als absolutes Gegensatzpaar aufgefasst, sondern stehen in einem wechselseitigen Fundierungsverhältnis: '''"Alles ist Natur - alles ist Kultur."'''
eine Reihe kulturwissenschaftlicher Paradigmen herausgebildet, die bis
 
in die Gegenwart hinein virulent sind. Beispielsweise schreibt '''Ernst
 
Cassirer[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[6]]]''' den Dualismus von Kulturwissenschaften und
 
Naturwissenschaften fort, ohne sie allerdings zu Antipoden zu
 
stilisieren; vielmehr ist er darum bemüht, für die Wissenschaften vom Menschen nach '''Vermittlungen''' zu suchen. "'''Kultur[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Kultur#3.2.2 Kultur|[7]]]'''" wird von
 
Cassirer als die vom Menschen gestaltete Welt gefasst und definiert.
 
Damit rücken Handlung und Formgebung ins Zentrum; Natur und Kultur
 
werden nicht als absolutes Gegensatzpaar aufgefasst, sondern stehen in
 
einem wechselseitigen Fundierungsverhältnis: '''"Alles ist Natur - alles
 
ist Kultur."'''
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
'''Die Eigenart des Sozialen verlangt Sozialwissenschaften'''. Dabei
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'''Die Eigenart des Sozialen verlangt Sozialwissenschaften'''. Dabei können sozialwissenschaftliche Denkansätze näher an den Pol der '''Naturerklärung[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Erklären_und_Verstehen#2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"|[1]]]''' oder näher an den Pol des '''Geistverstehens[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Erklären_und_Verstehen#2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"|[2]]]''' heranrücken. Aber letztendlich sind Sozialwissenschaften weder '''Natur- noch Geisteswissenschaften[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Natur_Geisteswissenschaften#2.2 Natur- vs. Geisteswissenschaften|[3]]]'''.
können sozialwissenschaftliche Denkansätze näher an den Pol der
 
'''Naturerklärung[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Erklären_und_Verstehen#2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"|[1]]]''' oder näher an den Pol des
 
'''Geistverstehens[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Erklären_und_Verstehen#2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"|[2]]]''' heranrücken. Aber letztendlich sind
 
Sozialwissenschaften weder '''Natur- noch Geisteswissenschaften[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Natur_Geisteswissenschaften#2.2 Natur- vs. Geisteswissenschaften|[3]]]'''.
 
  
 
Die '''Eigenart des Sozialen'''bezieht sich auf:
 
Die '''Eigenart des Sozialen'''bezieht sich auf:
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<blockquote>"Definierbar ist nur, was keine Geschichte hat" - Nietzsche, ''Zur Genealogie der Moral''</blockquote>
 
<blockquote>"Definierbar ist nur, was keine Geschichte hat" - Nietzsche, ''Zur Genealogie der Moral''</blockquote>
  
Mit Hilfe der "Sozialwissenschaftlichen Terminologie" soll in das Feld
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Mit Hilfe der "Sozialwissenschaftlichen Terminologie" soll in das Feld der Begrifflichkeiten eingeführt werden, die das sozialwissenschaftliche Denken fundieren und justieren. Es handelt sich um Termini, die zugleich Titel für wesentliche, tiefgreifende Problemlagen in den Sozialwissenschaften bilden. Es geht dabei nicht um die letztgültige Fixierung von wissenschaftlichen Fachausdrücken. Die hier präsentierte Auswahl an co-reflexiven Begriffspaaren aus der Sozialwissenschaft ist fraglos selektiver Natur.
der Begrifflichkeiten eingeführt werden, die das sozialwissenschaftliche
 
Denken fundieren und justieren. Es handelt sich um Termini, die zugleich
 
Titel für wesentliche, tiefgreifende Problemlagen in den
 
Sozialwissenschaften bilden. Es geht dabei nicht um die letztgültige
 
Fixierung von wissenschaftlichen Fachausdrücken. Die hier präsentierte
 
Auswahl an co-reflexiven Begriffspaaren aus der Sozialwissenschaft ist
 
fraglos selektiver Natur.
 
  
 
'''Literaturangaben[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[1]]]''' zur Untermauerung der Termini.
 
'''Literaturangaben[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[1]]]''' zur Untermauerung der Termini.
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[[File:denkensoz-16_1.jpg|frame|right|Foto: Zuschauereffekt. Iwan Beijes, [www.sxc.hu](http://www.sxc.hu), 2007 ]]
 
[[File:denkensoz-16_1.jpg|frame|right|Foto: Zuschauereffekt. Iwan Beijes, [www.sxc.hu](http://www.sxc.hu), 2007 ]]
  
Von Aristoteles über Hegel bis zu '''Max Weber[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm  &#91;1&#93;]''' und '''Hannah
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Von Aristoteles über Hegel bis zu '''Max Weber[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm  &#91;1&#93;]''' und '''Hannah Arendt[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[2]]]''' ist das menschliche Lebewesen anthropologisch-philosophisch in den Mittelpunkt der Wissenschaften vom Sozialen und Politischen gestellt worden. Dort wird es in mehrfacher Hinsicht grundbestimmt:
Arendt[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[2]]]''' ist das menschliche Lebewesen
 
anthropologisch-philosophisch in den Mittelpunkt der Wissenschaften vom
 
Sozialen und Politischen gestellt worden. Dort wird es in mehrfacher
 
Hinsicht grundbestimmt:
 
  
 
*  Der Mensch ist ein '''handelndes''' Wesen.
 
*  Der Mensch ist ein '''handelndes''' Wesen.
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*  Der Mensch ist ein ''zoon politikon'', ein politisches Lebewesen, das durch die Teilhabe an der Polis, der '''öffentlichen''' '''Sozialität''', in den Status des Menschen erhoben ist.
 
*  Der Mensch ist ein ''zoon politikon'', ein politisches Lebewesen, das durch die Teilhabe an der Polis, der '''öffentlichen''' '''Sozialität''', in den Status des Menschen erhoben ist.
  
Bei der Beschäftigung mit der menschlichen Natur lassen sich zwei
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Bei der Beschäftigung mit der menschlichen Natur lassen sich zwei Orientierungen ausmachen:
Orientierungen ausmachen:
 
  
 
*  eine eher '''verhaltenstheoretische Fundierung[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Verhalten#3.1.1 Verhalten - Zur verhaltenstheoretischen Konzeptualisierung der Sozialwissenschaften|[3]]]''' der Sozialwissenschaften
 
*  eine eher '''verhaltenstheoretische Fundierung[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Verhalten#3.1.1 Verhalten - Zur verhaltenstheoretischen Konzeptualisierung der Sozialwissenschaften|[3]]]''' der Sozialwissenschaften
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==3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften==
 
==3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften==
  
'''Handlungstheoretische''' Denkweisen rekurrieren auf eine
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'''Handlungstheoretische''' Denkweisen rekurrieren auf eine '''philosophisch''' untermauerte Anthropologie, wobei der Akzent hier weniger auf der biologischen Anthropologie als auf der '''Sozial- und Kulturanthropologie''' liegt. Um ein Grundverständnis für die '''handlungstheoretische''' Fundierung der Sozialwissenschaften und hierüber ein Verständnis für die Eigenart des menschlichen Handelns bzw. für die '''Eigenart des Sozialen[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Eigenart_des_Sozialen#2.3 Eigenart des Sozialen|[1]]]''' zu gewinnen, soll auf wesentliche Denkansätze zurückgegriffen werden, wie sie im Werk von '''Arnold Gehlen[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[2]]]''' und '''Helmuth Plessner[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[3]]]''' niedergelegt sind. (Aus wissenschaftspolitischen Gründen heraus wird Gehlens Werk eher verschämt zitiert; wohingegen das Werk Plessners heute eine Art Renaissance erfährt.)
'''philosophisch''' untermauerte Anthropologie, wobei der Akzent hier
 
weniger auf der biologischen Anthropologie als auf der '''Sozial- und
 
Kulturanthropologie''' liegt. Um ein Grundverständnis für die
 
'''handlungstheoretische''' Fundierung der Sozialwissenschaften und
 
hierüber ein Verständnis für die Eigenart des menschlichen Handelns bzw.
 
für die '''Eigenart des Sozialen[[Eigenart_der_Sozialwissenschaften/Eigenart_des_Sozialen#2.3 Eigenart des Sozialen|[1]]]''' zu gewinnen, soll auf wesentliche
 
Denkansätze zurückgegriffen werden, wie sie im Werk von '''Arnold Gehlen[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[2]]]''' und '''Helmuth Plessner[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[3]]]''' niedergelegt sind. (Aus
 
wissenschaftspolitischen Gründen heraus wird Gehlens Werk eher verschämt
 
zitiert; wohingegen das Werk Plessners heute eine Art Renaissance
 
erfährt.)
 
  
 
'''Differenz zwischen Gehlen und Plessner:'''
 
'''Differenz zwischen Gehlen und Plessner:'''
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
Der Terminus '''Institution''' umfasst sowohl den Aspekt des zuständlichen
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Der Terminus '''Institution''' umfasst sowohl den Aspekt des zuständlichen Resultats, der verfestigten Struktur sowie den des Prozesses. Zur unterscheidenden Verdeutlichung wird hier der Aspekt der Prozesshaftigkeit mit dem Terminus '''Institutionalisierung''' bezeichnet, der der strukturellen Verfestigung mit dem der Institution.
Resultats, der verfestigten Struktur sowie den des Prozesses. Zur
 
unterscheidenden Verdeutlichung wird hier der Aspekt der
 
Prozesshaftigkeit mit dem Terminus '''Institutionalisierung''' bezeichnet,
 
der der strukturellen Verfestigung mit dem der Institution.
 
  
Das '''Problem der Institutionen''' ist im Lichte der Doppelfrage zu
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Das '''Problem der Institutionen''' ist im Lichte der Doppelfrage zu verhandeln:
verhandeln:
 
  
 
Wie ist '''gesellschaftliches Leben''' möglich?
 
Wie ist '''gesellschaftliches Leben''' möglich?
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Wie ist '''soziale und kulturelle Ordnung''' möglich?
 
Wie ist '''soziale und kulturelle Ordnung''' möglich?
  
Der Terminus '''Kultur''' hat sich sowohl in der Alltags- wie in der
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Der Terminus '''Kultur''' hat sich sowohl in der Alltags- wie in der wissenschaftlichen Kommunikation zu einer Art "Allerweltsbezeichnung" entwickelt. In der sozialwissenschaftlichen Perspektive erscheint es sinnvoll, den Begriff als Differenz- und Komplementärbegriff zu dem der Natur zu pointieren.
wissenschaftlichen Kommunikation zu einer Art "Allerweltsbezeichnung"
 
entwickelt. In der sozialwissenschaftlichen Perspektive erscheint es
 
sinnvoll, den Begriff als Differenz- und Komplementärbegriff zu dem der
 
Natur zu pointieren.
 
  
 
==Inhalt==
 
==Inhalt==
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'''Institutionals sozialwissenschaftlicher Terminus:'''
 
'''Institutionals sozialwissenschaftlicher Terminus:'''
  
Unter einer Institution ist ein '''Aggregat von Normen''' zu verstehen.
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Unter einer Institution ist ein '''Aggregat von Normen''' zu verstehen. Soziale Institutionen sind zu unterscheiden von den '''faktischen''' sozialen Interaktionen.
Soziale Institutionen sind zu unterscheiden von den '''faktischen'''
 
sozialen Interaktionen.
 
  
Institutionen regulieren die sozialen Interaktionen zwischen Menschen,
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Institutionen regulieren die sozialen Interaktionen zwischen Menschen, die in bestimmte Positionen gestellt sind (soziale '''Position'''), denen ein bestimmter Status beigemessen wird (sozialer '''Status''') und mit denen bestimmte Pflichten und Rechte verknüpft sind (soziale '''Rolle''').
die in bestimmte Positionen gestellt sind (soziale '''Position'''), denen
 
ein bestimmter Status beigemessen wird (sozialer '''Status''') und mit
 
denen bestimmte Pflichten und Rechte verknüpft sind (soziale '''Rolle''').
 
  
Institutionen verleihen als strukturierte Aggregate Stabilität und
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Institutionen verleihen als strukturierte Aggregate Stabilität und Ordnung für Gesellschaften und bilden den '''Rahmen''' des gesellschaftlichen Lebens.
Ordnung für Gesellschaften und bilden den '''Rahmen''' des
 
gesellschaftlichen Lebens.
 
  
Institutionen (Norm-Aggregate) sind in der sozialen Lebenswelt bezogen auf '''empirische''' '''Assoziationen''' von Menschen, d.h. auf
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Institutionen (Norm-Aggregate) sind in der sozialen Lebenswelt bezogen auf '''empirische''' '''Assoziationen''' von Menschen, d.h. auf Vereinigungen, Zusammenschlüsse gesellschaftlicher Individuen. Schlüssel-Institutionen: u.a. Familie, Ehe, Nachbarschaft.
Vereinigungen, Zusammenschlüsse gesellschaftlicher Individuen.
 
Schlüssel-Institutionen: u.a. Familie, Ehe, Nachbarschaft.
 
  
Beispiel: Familie als soziale Institution: Positionsbeschreibungen,
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Beispiel: Familie als soziale Institution: Positionsbeschreibungen, Statusbeschreibungen und Rollenbeschreibungen für Vater, Kind(er) oder sonstige Verwandte, d.h. Norm-Aggregate zur Regulierung der Beziehungen zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Geschwistern.
Statusbeschreibungen und Rollenbeschreibungen für Vater, Kind(er) oder
 
sonstige Verwandte, d.h. Norm-Aggregate zur Regulierung der Beziehungen
 
zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Geschwistern.
 
  
Institutionen können zu Organisationen formalisiert sein, bis zur
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Institutionen können zu Organisationen formalisiert sein, bis zur rechtlichen Fixierung (Verrechtlichung) von Institutionen ("Betrieb", "Universität", Familie als Objekt des "Familienrechts"). Nichtformalisierte Institution: z.B. Freundschaft.
rechtlichen Fixierung (Verrechtlichung) von Institutionen ("Betrieb",
 
"Universität", Familie als Objekt des "Familienrechts").
 
Nichtformalisierte Institution: z.B. Freundschaft.
 
  
Die Institution kompensiert den Mangel an Instinkt, vgl. A. Gehlen:
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Die Institution kompensiert den Mangel an Instinkt, vgl. A. Gehlen: ''"Wie die tierischen Gruppen und Symbiosen durch Auslöser und durch Instinktbewegungen zusammengehalten werden, so die menschlichen Gruppen durch Institutionen"''.
''"Wie die tierischen Gruppen und Symbiosen durch Auslöser und durch
 
Instinktbewegungen zusammengehalten werden, so die menschlichen Gruppen
 
durch Institutionen"''.
 
  
Institutionen sind zwar zählebig, unterliegen dennoch dem
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Institutionen sind zwar zählebig, unterliegen dennoch dem soziokulturellen '''Wandel[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Wandel#3.5.2 Wandel|[1]]]'''.
soziokulturellen '''Wandel[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Wandel#3.5.2 Wandel|[1]]]'''.
 
  
 
'''Charakteristika:'''
 
'''Charakteristika:'''
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==3.2.2 Kultur==
 
==3.2.2 Kultur==
  
In seinen "Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie" hat Hegel
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In seinen "Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie" hat Hegel die Eigenart des Geistes - die Eigenart der menschlichen '''Kultur -''' in Differenz zur '''Natur''' gesetzt: ''"Die Natur ist, was sie ist."''
die Eigenart des Geistes - die Eigenart der menschlichen '''Kultur -''' in
 
Differenz zur '''Natur''' gesetzt: ''"Die Natur ist, was sie ist."''
 
  
 
Hingegen ist die '''Kultur''' die Tat des Menschen:
 
Hingegen ist die '''Kultur''' die Tat des Menschen:
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*  in Gestalt "sich zu wissen", d.h. Kultur zugleich als Prozess der Selbstthematisierung, Selbstbeschreibung und Selbstbestimmung.
 
*  in Gestalt "sich zu wissen", d.h. Kultur zugleich als Prozess der Selbstthematisierung, Selbstbeschreibung und Selbstbestimmung.
  
Hieraus hat die '''Philosophische Anthropologie[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Handeln#3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften|[1]]]''' als Eigenart der
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Hieraus hat die '''Philosophische Anthropologie[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Handeln#3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften|[1]]]''' als Eigenart der Kultur herausgestellt: den Modus der '''Indirektheit.'''
Kultur herausgestellt: den Modus der '''Indirektheit.'''
 
  
Die Menschen leben im Medium von '''Vermittlungen'''. Die Sphäre der
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Die Menschen leben im Medium von '''Vermittlungen'''. Die Sphäre der Indirektheit der menschlichen Existenz kann als '''Kultur''' angesprochen werden.
Indirektheit der menschlichen Existenz kann als '''Kultur''' angesprochen
 
werden.
 
  
Sinnvoll ist es, in sozialwissenschaftlichen Theorie- und
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Sinnvoll ist es, in sozialwissenschaftlichen Theorie- und Forschungszusammenhängen von Kultur im '''Plural''' zu sprechen: '''Kulturen'''. Im Plural wird die Idee der Vielfalt und Ebenbürtigkeit der Kulturen erinnert. Kontrapunkt zu einer tiefsitzenden Tradition, die jeweils eigene Kultur zur Kultur überhaupt zu küren und Fremdkulturen als "primitiv" abzuwerten, oder ihnen gar den Status von Kultur ("Barbaren", "Wilde") abzusprechen. Wird Kultur im '''Singular''' verwendet, dann sinnvollerweise im Fundierungszusammenhang der Philosophischen Anthropologie zur Konzeptualisierung der Verschränkung von Kultur und Natur.
Forschungszusammenhängen von Kultur im '''Plural''' zu sprechen:
 
'''Kulturen'''. Im Plural wird die Idee der Vielfalt und Ebenbürtigkeit
 
der Kulturen erinnert. Kontrapunkt zu einer tiefsitzenden Tradition, die
 
jeweils eigene Kultur zur Kultur überhaupt zu küren und Fremdkulturen
 
als "primitiv" abzuwerten, oder ihnen gar den Status von Kultur
 
("Barbaren", "Wilde") abzusprechen. Wird Kultur im '''Singular'''
 
verwendet, dann sinnvollerweise im Fundierungszusammenhang der
 
Philosophischen Anthropologie zur Konzeptualisierung der Verschränkung
 
von Kultur und Natur.
 
  
Die '''Kultursphäre''' steht beim Menschen an der Stelle der tierischen
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Die '''Kultursphäre''' steht beim Menschen an der Stelle der tierischen Umwelt und zählt zu dessen quasi-'''natürlichen''' Lebensbedingungen. "Natürlich" heißt dabei: '''Zweite Natur''' als objektive, vom Menschen erzeugte Kultur, als sozial wirksame '''Wirklichkeit'''.
Umwelt und zählt zu dessen quasi-'''natürlichen''' Lebensbedingungen.
 
"Natürlich" heißt dabei: '''Zweite Natur''' als objektive, vom Menschen
 
erzeugte Kultur, als sozial wirksame '''Wirklichkeit'''.
 
  
 
*  Weil der Mensch von Natur aus Kulturwesen ist, verschränken sich in den Humanwissenschaften Kulturwissenschaften und Humanbiologie: '''Der Mensch ist biologisch zum soziokulturellen Management gezwungen.'''
 
*  Weil der Mensch von Natur aus Kulturwesen ist, verschränken sich in den Humanwissenschaften Kulturwissenschaften und Humanbiologie: '''Der Mensch ist biologisch zum soziokulturellen Management gezwungen.'''
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[[File:denkensoz-23_1.jpg "Uhr"|frame|right|Foto: Uhr. Katja Jakob, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2008 ]]
 
[[File:denkensoz-23_1.jpg "Uhr"|frame|right|Foto: Uhr. Katja Jakob, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2008 ]]
  
Seit langem werden die Begriffe "Struktur" und "Funktion" in den
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Seit langem werden die Begriffe "Struktur" und "Funktion" in den Sozialwissenschaften in einem konzeptiven Zusammenhang verwendet als zwei reziprok aufeinander bezogene, jeweils unterschiedlich betonte, Perspektiven der Erschließung sozialer Erscheinungen und Vorgänge.
Sozialwissenschaften in einem konzeptiven Zusammenhang verwendet als
 
zwei reziprok aufeinander bezogene, jeweils unterschiedlich betonte,
 
Perspektiven der Erschließung sozialer Erscheinungen und Vorgänge.
 
  
Vgl. dazu auch die '''Strukturfunktionalistischen
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Vgl. dazu auch die '''Strukturfunktionalistischen Erkenntnisstrategien[[Erkenntnisstrategien/Strukturfunktionalistische#1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien|[1]]]'''.
Erkenntnisstrategien[[Erkenntnisstrategien/Strukturfunktionalistische#1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien|[1]]]'''.
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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==3.3.2 Funktion==
 
==3.3.2 Funktion==
  
Es haben sich in vergangenen Dekaden eine Reihe von funktionalistischen,
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Es haben sich in vergangenen Dekaden eine Reihe von funktionalistischen, '''struktur- funktionalistischen[[Erkenntnisstrategien/Strukturfunktionalistische#1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien|[1]]]''' und systemtheoretischen Schulen rund um das Problem funktionalistischer Betrachtungen von Gesellschaft gebildet (vgl. '''Jetzkowitz/Stark 2003[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[2]]]'''). Dabei ist die Neigung zu Organismus-Analogien auffällig. So die Frage etwa: welche Organe (Institutionen) sind für den Erhalt und die Reproduktion eines sozialen Organismus (Gesellschaft) nötig? Funktionalistische Betrachtungsweisen von Gesellschaft tendieren dazu, die Frage nach dem '''Gleichgewicht''' einer sozialen Einheit eines Sozialsystems in den Mittelpunkt zu stellen.
'''struktur- funktionalistischen[[Erkenntnisstrategien/Strukturfunktionalistische#1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien|[1]]]''' und systemtheoretischen Schulen
 
rund um das Problem funktionalistischer Betrachtungen von Gesellschaft
 
gebildet (vgl. '''Jetzkowitz/Stark 2003[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[2]]]'''). Dabei ist die Neigung zu
 
Organismus-Analogien auffällig. So die Frage etwa: welche Organe
 
(Institutionen) sind für den Erhalt und die Reproduktion eines sozialen
 
Organismus (Gesellschaft) nötig? Funktionalistische Betrachtungsweisen
 
von Gesellschaft tendieren dazu, die Frage nach dem '''Gleichgewicht'''
 
einer sozialen Einheit eines Sozialsystems in den Mittelpunkt zu
 
stellen.
 
  
 
'''Zur Problematik der Verwendung des Funktionsbegriffs:'''
 
'''Zur Problematik der Verwendung des Funktionsbegriffs:'''
  
'''Funktionsanalysen''' sind wissenschaftlich nur statthaft, wenn '''Klarheit''' darüber besteht, um '''welche Bezugsgrößen''', die mit
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'''Funktionsanalysen''' sind wissenschaftlich nur statthaft, wenn '''Klarheit''' darüber besteht, um '''welche Bezugsgrößen''', die mit Zwecken verkoppelt sind, es sich handelt.
Zwecken verkoppelt sind, es sich handelt.
 
  
Zum Beispiel: wenn nach der Funktion der Institution "Schule" in einer
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Zum Beispiel: wenn nach der Funktion der Institution "Schule" in einer Gesellschaft gefragt wird, so ist die Bezugsgröße woraufhin die Funktion der "Schule" geortet und untersucht werden soll: z.B. das Beschäftigungssystem. Es kann daran die empirische Untersuchungsfrage angeschlossen werden: Erfüllt das Schulsystem die Funktion, für das Beschäftigungssystem zweckdienlich auszubilden? Der '''Zweck''' also ist die Eingliederung von Schulabsolventen in das Beschäftigungssystem, die '''Funktion''' ist der Schule zugewiesen.
Gesellschaft gefragt wird, so ist die Bezugsgröße woraufhin die Funktion
 
der "Schule" geortet und untersucht werden soll: z.B. das
 
Beschäftigungssystem. Es kann daran die empirische Untersuchungsfrage
 
angeschlossen werden: Erfüllt das Schulsystem die Funktion, für das
 
Beschäftigungssystem zweckdienlich auszubilden? Der '''Zweck''' also ist
 
die Eingliederung von Schulabsolventen in das Beschäftigungssystem, die
 
'''Funktion''' ist der Schule zugewiesen.
 
  
Für die sozialwissenschaftliche Theoriebildung ist festzuhalten, dass
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Für die sozialwissenschaftliche Theoriebildung ist festzuhalten, dass der Begriff der Funktion sich bezieht auf:
der Begriff der Funktion sich bezieht auf:
 
  
 
*  Bezugsgrößen, Zwecke, Institutionen/Handlungen, Leistungen/Beiträge, Folgen.
 
*  Bezugsgrößen, Zwecke, Institutionen/Handlungen, Leistungen/Beiträge, Folgen.
  
'''Merton[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[3]]]''' weist auf die Problematik der alltagssprachlichen
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'''Merton[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[3]]]''' weist auf die Problematik der alltagssprachlichen Verwendung des Begriffs Funktion hin.
Verwendung des Begriffs Funktion hin.
 
  
 
'''Einerseits''' wird Funktion als Ausdruck gebraucht für:
 
'''Einerseits''' wird Funktion als Ausdruck gebraucht für:
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*  Gebrauch, Nutzen, Zweck, Motiv, Absicht, Folgen.
 
*  Gebrauch, Nutzen, Zweck, Motiv, Absicht, Folgen.
  
Dieser Durcheinandergebrauch des Begriffs Funktion rührt daher, dass
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Dieser Durcheinandergebrauch des Begriffs Funktion rührt daher, dass '''zwei Ebenen''' nicht oder nur unzureichend unterschieden werden, die aber für die '''funktionale Analyse''' auseinander gehalten werden müssen:
'''zwei Ebenen''' nicht oder nur unzureichend unterschieden werden, die
 
aber für die '''funktionale Analyse''' auseinander gehalten werden müssen:
 
  
 
*  Die Ebene des '''Beobachters''' (der Wissenschaft, nach Luhmann: Beobachter zweiter Ordnung) von sozialen Handlungen, Vorgängen und Institutionen
 
*  Die Ebene des '''Beobachters''' (der Wissenschaft, nach Luhmann: Beobachter zweiter Ordnung) von sozialen Handlungen, Vorgängen und Institutionen
 
*  Die Ebene des '''Beteiligten''' von sozialen Vorgängen und Institutionen.
 
*  Die Ebene des '''Beteiligten''' von sozialen Vorgängen und Institutionen.
  
Zur Verdeutlichung der Unterscheidung der '''Beobachter'''- von der '''Teilnehmerperspektive''': Die '''soziale''' '''Funktion''' von Heiraten und
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Zur Verdeutlichung der Unterscheidung der '''Beobachter'''- von der '''Teilnehmerperspektive''': Die '''soziale''' '''Funktion''' von Heiraten und Geburten ist die biologische Reproduktion einer Gesellschaft (Fertilitätsrate) - ''sozialwiss. Beobachtungsperspektive.'' Der '''Beweggrund''', das Motiv von Heiraten kann Liebe und Kinderwunsch der Beteiligten sein - ''Teilnehmer-Perspektive''
Geburten ist die biologische Reproduktion einer Gesellschaft
 
(Fertilitätsrate) - ''sozialwiss. Beobachtungsperspektive.'' Der
 
'''Beweggrund''', das Motiv von Heiraten kann Liebe und Kinderwunsch der
 
Beteiligten sein - ''Teilnehmer-Perspektive''
 
  
'''Die sozialwissenschaftliche Funktionsanalyse''' untersucht die
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'''Die sozialwissenschaftliche Funktionsanalyse''' untersucht die Implikationen und Folgen der Beiträge/Leistungen sozialer Institutionen und kultureller Formen für jeweils anzugebende Bezugsgrößen/Zwecke. Dabei ist der Problembereich des Verhältnisses von Statik und Dynamik bzw. des sozialkulturellen Wandels einzubeziehen.
Implikationen und Folgen der Beiträge/Leistungen sozialer Institutionen
 
und kultureller Formen für jeweils anzugebende Bezugsgrößen/Zwecke.
 
Dabei ist der Problembereich des Verhältnisses von Statik und Dynamik
 
bzw. des sozialkulturellen Wandels einzubeziehen.
 
  
 
'''Zu beachten sich folgende Differenzierungen''' (nach '''Merton[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[3]]]'''):
 
'''Zu beachten sich folgende Differenzierungen''' (nach '''Merton[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[3]]]'''):
  
Eine soziale Institution kann mehrfache soziale Funktionen (für
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Eine soziale Institution kann mehrfache soziale Funktionen (für bestimmte Gruppen funktional, für andere dysfunktional oder funktionslos; oder zugleich positive wie negative Funktionen) haben und ein- und dieselbe soziale Funktion kann von verschiedenen Institutionen erfüllt werden. Funktionsanalysen sind daher unter den Gesichtspunkten '''funktionaler Alternativen''' (Telefon statt Postkutsche), '''funktionaler Äquivalente''' (E-Mail statt Brief) und '''funktionaler Substitute''' (Handy statt face-to-face-Gespräch) zu untersuchen.
bestimmte Gruppen funktional, für andere dysfunktional oder
 
funktionslos; oder zugleich positive wie negative Funktionen) haben und
 
ein- und dieselbe soziale Funktion kann von verschiedenen Institutionen
 
erfüllt werden. Funktionsanalysen sind daher unter den Gesichtspunkten
 
'''funktionaler Alternativen''' (Telefon statt Postkutsche), '''funktionaler Äquivalente''' (E-Mail statt Brief) und '''funktionaler
 
Substitute''' (Handy statt face-to-face-Gespräch) zu untersuchen.
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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[[File:denkensoz-26_1.jpg "Schachfiguren"|frame|right|Foto: Schachfiguren. Josep Altarriba, [www.sxc.hu](http://www.sxc.hu), 2009 ]]
 
[[File:denkensoz-26_1.jpg "Schachfiguren"|frame|right|Foto: Schachfiguren. Josep Altarriba, [www.sxc.hu](http://www.sxc.hu), 2009 ]]
  
Nicht nur umgangssprachlich, auch in den Sozialwissenschaften ist die
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Nicht nur umgangssprachlich, auch in den Sozialwissenschaften ist die Tendenz zu beobachten, die Ausdrücke '''Macht[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Macht#3.4.1 Macht|[1]]]''' und '''Herrschaft[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Herrschaft#3.4.2 Herrschaft|[2]]]''' mehr oder weniger durcheinander zu verwenden.
Tendenz zu beobachten, die Ausdrücke '''Macht[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Macht#3.4.1 Macht|[1]]]''' und
 
'''Herrschaft[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Herrschaft#3.4.2 Herrschaft|[2]]]''' mehr oder weniger durcheinander zu verwenden.
 
  
Zur Einführung in die "Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen"
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Zur Einführung in die "Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen" eignet sich die Auslegung der beiden Termini, wie sie von '''Max Weber[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm  &#91;3&#93;]''' in seinem Epochenwerk '''"Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der Verstehenden Soziologie" (WuG), Tübingen 1980[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[4]]]''', analytisch gezeichnet hat.
eignet sich die Auslegung der beiden Termini, wie sie von '''Max
 
Weber[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm  &#91;3&#93;]''' in seinem Epochenwerk '''"Wirtschaft und Gesellschaft.
 
Grundriß der Verstehenden Soziologie" (WuG), Tübingen 1980[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[4]]]''',
 
analytisch gezeichnet hat.
 
  
Es ist von Nutzen, mit Blick auf die terminologischen Distinktionen von '''Macht[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Macht#3.4.1 Macht|[1]]]''' und '''Herrschaft[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Herrschaft#3.4.2 Herrschaft|[2]]]''' sich den Terminus '''Struktur[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Struktur#3.3.1 Struktur|[5]]]''' zu vergegenwärtigen, besonders den Aspekt des '''Ordo''', der sich auf die '''vertikale''' Dimension von Sozialstrukturen
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Es ist von Nutzen, mit Blick auf die terminologischen Distinktionen von '''Macht[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Macht#3.4.1 Macht|[1]]]''' und '''Herrschaft[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Herrschaft#3.4.2 Herrschaft|[2]]]''' sich den Terminus '''Struktur[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Struktur#3.3.1 Struktur|[5]]]''' zu vergegenwärtigen, besonders den Aspekt des '''Ordo''', der sich auf die '''vertikale''' Dimension von Sozialstrukturen bezieht.
bezieht.
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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Weber[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm  &#91;2&#93;]''' :
 
Weber[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm  &#91;2&#93;]''' :
  
''"MACHT bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den
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''"MACHT bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht."''
eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf
 
diese Chance beruht."''
 
  
Weber zufolge wohnt allen sozialen Beziehungen und Konstellationen die
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Weber zufolge wohnt allen sozialen Beziehungen und Konstellationen die Potenzialität von Machtausübung ein. Der Macht-Begriff ist amorph (formlos) und äußerst schwierig bis gar nicht zu präzisieren. Das liegt nicht zuletzt an dem darin eingelagerten Problem des "Willens", und der Problematik der Willensfreiheitder Menschen. Die Sozialpsychologie befasst sich mit Machtbeziehungen im sozialen Zusammenhang, allerdings unterschlagen deren Definitionen häufig den von Max Weber stark betonten Aspekt des Gegenwillens. Macht wird bei Weber konzipiert im Lichte des potentiellen Gegeneinanders mindestens zweier Willen, nämlich ''"innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen."''
Potenzialität von Machtausübung ein. Der Macht-Begriff ist amorph
 
(formlos) und äußerst schwierig bis gar nicht zu präzisieren. Das liegt
 
nicht zuletzt an dem darin eingelagerten Problem des "Willens", und
 
der Problematik der Willensfreiheitder Menschen. Die Sozialpsychologie
 
befasst sich mit Machtbeziehungen im sozialen Zusammenhang, allerdings
 
unterschlagen deren Definitionen häufig den von Max Weber stark betonten
 
Aspekt des Gegenwillens. Macht wird bei Weber konzipiert im Lichte des
 
potentiellen Gegeneinanders mindestens zweier Willen, nämlich
 
''"innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen
 
Widerstreben durchzusetzen."''
 
  
 
Festzuhalten ist nach Weber:
 
Festzuhalten ist nach Weber:
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2.  Der Begriff Macht kann sich auf die '''unterschiedlichsten''' sozialen Beziehungen (struktureller Aspekt) und die unterschiedlichsten sozialen Konstellationen (situativer Aspekt) beziehen.
 
2.  Der Begriff Macht kann sich auf die '''unterschiedlichsten''' sozialen Beziehungen (struktureller Aspekt) und die unterschiedlichsten sozialen Konstellationen (situativer Aspekt) beziehen.
  
'''Sozialwissenschaftliche Analyse''' von Machtphänomenen bedürfen daher
+
'''Sozialwissenschaftliche Analyse''' von Machtphänomenen bedürfen daher konkreter '''empirischer''' Erforschung der Umstände der Machtausübung sowie deren diverseste Gestalten.
konkreter '''empirischer''' Erforschung der Umstände der Machtausübung
 
sowie deren diverseste Gestalten.
 
  
Sozialwissenschaftliche Machtanalysen sollten sich auf die Untersuchung der '''sozialen''' '''Beziehungsstrukturen''' bzw. der '''sozialen''' (und
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Sozialwissenschaftliche Machtanalysen sollten sich auf die Untersuchung der '''sozialen''' '''Beziehungsstrukturen''' bzw. der '''sozialen''' (und mithin geschichtlichen) '''Konstellationen''', worin Machdynamik statthat, konzentrieren.
mithin geschichtlichen) '''Konstellationen''', worin Machdynamik statthat,
 
konzentrieren.
 
  
Der sozialwissenschaftliche Machtbegriff ist deutlich an die '''faktische
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Der sozialwissenschaftliche Machtbegriff ist deutlich an die '''faktische Ausübung''' von Macht zu binden, d.h. Macht und Praxis bilden einen inneren Nexus.
Ausübung''' von Macht zu binden, d.h. Macht und Praxis bilden einen
 
inneren Nexus.
 
  
Moralische Ansichten und ethische Urteile sind '''kein Ersatz''' für
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Moralische Ansichten und ethische Urteile sind '''kein Ersatz''' für sozialwissenschaftliche Machtanalyse.
sozialwissenschaftliche Machtanalyse.
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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==3.4.2 Herrschaft==
 
==3.4.2 Herrschaft==
  
Das Wort '''Herrschaft''' verweist auf die Implikationen von
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Das Wort '''Herrschaft''' verweist auf die Implikationen von Arbeitsteilung und Hierarchiebildung, auf '''strukturverfestigten Ordo[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Struktur#3.3.1 Struktur|[1]]]'''. Soziale Ordnung bietet sich dar als Ensemble von strukturierten (und legitimierten) Herrschaftsbeziehungen.
Arbeitsteilung und Hierarchiebildung, auf '''strukturverfestigten
 
Ordo[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Struktur#3.3.1 Struktur|[1]]]'''. Soziale Ordnung bietet sich dar als Ensemble von
 
strukturierten (und legitimierten) Herrschaftsbeziehungen.
 
  
Vgl. '''Max Webers[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm  &#91;2&#93;]''' § 16. der '''Soziologischen Grundbegriffe[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[3]]]'''
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Vgl. '''Max Webers[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm  &#91;2&#93;]''' § 16. der '''Soziologischen Grundbegriffe[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[3]]]''' (WuG):
(WuG):
 
  
zu beachten ist die Zweiteilung der Definition, worin sich eine
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zu beachten ist die Zweiteilung der Definition, worin sich eine hierarchisch gegliederte '''Doppelperspektivik''' äußert:
hierarchisch gegliederte '''Doppelperspektivik''' äußert:
 
  
 
Die Perspektive "'''von oben'''":
 
Die Perspektive "'''von oben'''":
  
''"Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten
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''"Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen '''Gehorsam''' zu finden;"''
Inhalts bei angebbaren Personen '''Gehorsam''' zu finden;"''
 
  
 
Als Merkmale von Herrschaft sind hervorzuheben: ein '''Imperativ''', ein '''Befehlsinhalt,''' ein '''Adressat'''.
 
Als Merkmale von Herrschaft sind hervorzuheben: ein '''Imperativ''', ein '''Befehlsinhalt,''' ein '''Adressat'''.
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Die Perspektive "'''von unten'''":
 
Die Perspektive "'''von unten'''":
  
''"'''Disziplin''' soll heißen die Chance, kraft '''eingeübter'''
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''"'''Disziplin''' soll heißen die Chance, kraft '''eingeübter''' Einstellung für einen Befehl '''prompten''', automatischen und schematischen Gehorsam bei einer angebbaren Vielheit von Menschen zu finden."''
Einstellung für einen Befehl '''prompten''', automatischen und
 
schematischen Gehorsam bei einer angebbaren Vielheit von Menschen zu
 
finden."''
 
  
 
Dazu noch Webers Erläuterung:
 
Dazu noch Webers Erläuterung:
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*  ''"Der Begriff der ''''Disziplin'''' schließt die 'Eingeübtheit' des kritik- und widerstandslosen '''Massen''' gehorsams ein."'' (Perspektive "von unten")
 
*  ''"Der Begriff der ''''Disziplin'''' schließt die 'Eingeübtheit' des kritik- und widerstandslosen '''Massen''' gehorsams ein."'' (Perspektive "von unten")
  
Herrschaft impliziert die (weitgehende) '''Abwesenheit''' von
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Herrschaft impliziert die (weitgehende) '''Abwesenheit''' von '''Widerstreben'''; angedeutet ist damit der Aspekt des wie auch immer bedingten Einverständnisses.
'''Widerstreben'''; angedeutet ist damit der Aspekt des wie auch immer
 
bedingten Einverständnisses.
 
  
 
Festzuhalten ist nach Weber:
 
Festzuhalten ist nach Weber:
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*  Herrschaft ist Ausdruck sozialer '''Ordnung''', worin die Abhängigkeitsmechanismen '''funktionieren''': Gehorsam.
 
*  Herrschaft ist Ausdruck sozialer '''Ordnung''', worin die Abhängigkeitsmechanismen '''funktionieren''': Gehorsam.
  
Hier zeichnet sich eine interessante Markierung zur Differenzierung
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Hier zeichnet sich eine interessante Markierung zur Differenzierung zwischen '''handlungstheoretischen und verhaltenstheoretischen Sozialwissenschaften[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Handeln_und_Norm#3.1 Handeln und Norm|[4]]]''' ab: als bloßer Vollzug nähert sich das Verhalten der instinktprogrammierten Steuerungsform an. Damit die Verschränkung von Imperativ und Gehorsam in Herrschaftsbeziehungen funktioniert, muss ein wesentliches Moment hinzutreten: die '''Legitimität''' der herrschaftlichen Ordnung (vgl. '''Gostmann / Merz-Benz (Hrsg.), 2007[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[5]]]''').
zwischen '''handlungstheoretischen und verhaltenstheoretischen
 
Sozialwissenschaften[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Handeln_und_Norm#3.1 Handeln und Norm|[4]]]''' ab: als bloßer Vollzug nähert sich das
 
Verhalten der instinktprogrammierten Steuerungsform an. Damit die
 
Verschränkung von Imperativ und Gehorsam in Herrschaftsbeziehungen
 
funktioniert, muss ein wesentliches Moment hinzutreten: die '''Legitimität''' der herrschaftlichen Ordnung (vgl. '''Gostmann /
 
Merz-Benz (Hrsg.), 2007[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[5]]]''').
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
Theorien des sozialen Wandels haben innerhalb der
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Theorien des sozialen Wandels haben innerhalb der sozialwissenschaftlichen Theorielandschaft nie so recht ein prominentes Dasein geführt. Vielmehr sind die Fragen nach den Determinanten, Kräften und Verlaufsformen gesellschaftlicher Wandlungsprozesse eher stiefmütterlich behandelt worden.
sozialwissenschaftlichen Theorielandschaft nie so recht ein prominentes
 
Dasein geführt. Vielmehr sind die Fragen nach den Determinanten, Kräften
 
und Verlaufsformen gesellschaftlicher Wandlungsprozesse eher
 
stiefmütterlich behandelt worden.
 
  
 
*  Ursprünglich sind die Probleme des Wandels eingekapselt gewesen in die '''evolutionistischen Erkenntnisstrategien[[Erkenntnisstrategien/Evolutionistische#1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien|[1]]]''',
 
*  Ursprünglich sind die Probleme des Wandels eingekapselt gewesen in die '''evolutionistischen Erkenntnisstrategien[[Erkenntnisstrategien/Evolutionistische#1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien|[1]]]''',
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[[File:denkensoz-29_1.jpg "Fabrik"|frame|right|Foto: Fabrik. Andre Becker, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2008 ]]
 
[[File:denkensoz-29_1.jpg "Fabrik"|frame|right|Foto: Fabrik. Andre Becker, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2008 ]]
  
In den angesprochenen Forschungsrichtungen liegt das dominante
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In den angesprochenen Forschungsrichtungen liegt das dominante Erkenntnisinteresse in der Frage nach den Chancen und Hemmnissen bei der Assimilation der als "zurückgeblieben" eingestuften Gesellschaftsformen an die als Prämisse und Richtpunkt gesetzten westlichen Standards sozialer Evolution. Gilt für den älteren '''Strukturfunktionalismus[[Erkenntnisstrategien/Strukturfunktionalistische#1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien|[2]]]''' unter der Hegemonie '''Talcott Parsons[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/parsons/39bio.htm  &#91;3&#93;]''' das Stabilitätsproblem als vorrangig, so für die neueren systemtheoretischen Konzeptualisierungen unter '''Niklas Luhmann[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/luhmann/26bio.htm  &#91;4&#93;]''' das Problem evolutionärer Differenzierung. Gilt bei Parsons der Konflikt eher als Störvariable, so ist er bei Luhmann zum Verschwinden gebracht.
Erkenntnisinteresse in der Frage nach den Chancen und Hemmnissen bei der
 
Assimilation der als "zurückgeblieben" eingestuften
 
Gesellschaftsformen an die als Prämisse und Richtpunkt gesetzten
 
westlichen Standards sozialer Evolution. Gilt für den älteren '''Strukturfunktionalismus[[Erkenntnisstrategien/Strukturfunktionalistische#1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien|[2]]]''' unter der Hegemonie '''Talcott
 
Parsons[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/parsons/39bio.htm  &#91;3&#93;]''' das Stabilitätsproblem als vorrangig, so für die neueren
 
systemtheoretischen Konzeptualisierungen unter '''Niklas Luhmann[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/luhmann/26bio.htm  &#91;4&#93;]'''
 
das Problem evolutionärer Differenzierung. Gilt bei Parsons der Konflikt
 
eher als Störvariable, so ist er bei Luhmann zum Verschwinden gebracht.
 
  
Abgesehen von sozialwissenschaftlichen Forschungszweigen, die sich
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Abgesehen von sozialwissenschaftlichen Forschungszweigen, die sich ausdrücklich mit '''Theorien der Revolution''' befassen, etwa der Politologie und politischen Soziologie, finden sich ansonsten in den Sozialwissenschaften nur wenige Ansätze, die sich explizit mit dem Zusammenhang von Wandel und Konflikt befassen.
ausdrücklich mit '''Theorien der Revolution''' befassen, etwa der
 
Politologie und politischen Soziologie, finden sich ansonsten in den
 
Sozialwissenschaften nur wenige Ansätze, die sich explizit mit dem
 
Zusammenhang von Wandel und Konflikt befassen.
 
  
Noch immer sind '''Konflikttheorien''' älteren Datums forschungswirksam,
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Noch immer sind '''Konflikttheorien''' älteren Datums forschungswirksam, die vor allem mit den Namen '''Lewis A. Coser[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[5]]]''' und Ralph Dahrendorf verknüpft sind.
die vor allem mit den Namen '''Lewis A. Coser[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[5]]]''' und Ralph Dahrendorf
 
verknüpft sind.
 
  
 
'''Verweise:'''
 
'''Verweise:'''
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==3.5.1 Konflikt==
 
==3.5.1 Konflikt==
  
In den sozialwissenschaftlichen Grundlagentheorien ist eine Scheu vorm
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In den sozialwissenschaftlichen Grundlagentheorien ist eine Scheu vorm Konflikt festzustellen. Beim Stichwort "Kampf" gibt es bei den heutigen Terminologien und Theorien sogar Absenz. Ganz anders die Klassiker der Sozialwissenschaften von '''Karl Marx[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/marx/30bio.htm  &#91;1&#93;]''' über '''Georg Simmel[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/simmel/42bio.htm  &#91;2&#93;]''' bis zu '''Max Weber[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm  &#91;3&#93;]''' :
Konflikt festzustellen. Beim Stichwort "Kampf" gibt es bei den
 
heutigen Terminologien und Theorien sogar Absenz. Ganz anders die Klassiker der Sozialwissenschaften von '''Karl Marx[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/marx/30bio.htm  &#91;1&#93;]''' über '''Georg
 
Simmel[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/simmel/42bio.htm  &#91;2&#93;]''' bis zu '''Max Weber[http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm  &#91;3&#93;]''' :
 
  
Weber hat in seinem '''"Grundriß der Verstehenden Soziologie"[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[4]]]'''
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Weber hat in seinem '''"Grundriß der Verstehenden Soziologie"[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[4]]]''' dem Begriff "Kampf" einen eigenen Paragraphen (§ 8) innerhalb der "Soziologischen Grundbegriffe" reserviert, dessen erste Bestimmung dahingeht, den '''Kampf als soziale Beziehung''' zu qualifizieren:
dem Begriff "Kampf" einen eigenen Paragraphen (§ 8) innerhalb der
 
"Soziologischen Grundbegriffe" reserviert, dessen erste Bestimmung
 
dahingeht, den '''Kampf als soziale Beziehung''' zu qualifizieren:
 
  
''"Kampf soll eine soziale Beziehung insoweit heißen, als das Handeln an
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''"Kampf soll eine soziale Beziehung insoweit heißen, als das Handeln an der Absicht der Durchsetzung des eignen Willens gegen den Widerstand des oder der Partner orientiert ist."''
der Absicht der Durchsetzung des eignen Willens gegen den Widerstand des
 
oder der Partner orientiert ist."''
 
  
Vor diesem definitorischen Hintergrund definiert Weber ebendort das
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Vor diesem definitorischen Hintergrund definiert Weber ebendort das heute zentrale Organon des sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen Lebens: die '''Konkurrenz'''. Weber definiert Konkurrenz vom Einsatz der '''Mittel''' her:
heute zentrale Organon des sozialen, ökonomischen, kulturellen und
 
politischen Lebens: die '''Konkurrenz'''. Weber definiert Konkurrenz vom
 
Einsatz der '''Mittel''' her:
 
  
''"'Friedliche' Kampfmittel sollen solche heißen, welche nicht in
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''"'Friedliche' Kampfmittel sollen solche heißen, welche nicht in aktueller physischer Gewaltsamkeit bestehen. Der 'friedliche' Kampf soll ''''Konkurrenz'''' heißen, wenn er als formal friedliche Bewerbung [Wettbewerb - F.K.] um eigne Verfügungsgewalt über Chancen geführt wird, die auch andere begehren."''
aktueller physischer Gewaltsamkeit bestehen. Der 'friedliche' Kampf
 
soll ''''Konkurrenz'''' heißen, wenn er als formal friedliche Bewerbung
 
[Wettbewerb - F.K.] um eigne Verfügungsgewalt über Chancen geführt
 
wird, die auch andere begehren."''
 
  
''"'Geregelte Konkurrenz' soll eine Konkurrenz insoweit heißen, als
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''"'Geregelte Konkurrenz' soll eine Konkurrenz insoweit heißen, als sie in Zielen und Mitteln sich an einer Ordnung orientiert."''
sie in Zielen und Mitteln sich an einer Ordnung orientiert."''
 
  
1965 erscheint in deutscher Übersetzung eine sozialtheoretische Studie
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1965 erscheint in deutscher Übersetzung eine sozialtheoretische Studie von '''Lewis A. Coser: "Theorie sozialer Konflikte"[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[5]]]''', die noch immer als zentraler sozialwissenschaftlicher Entwurf in Sachen "Gesellschaft und Konflikt" gilt. Zwar haben Coser und in seiner Nachfolge einige weitere Sozialwissenschaftler einiges geleistet, um den "weißen Fleck" sozialwissenschaftlicher Konflikttheorie zu beseitigen, dennoch herrscht in den Sozialwissenschaften bis heute eine Neigung zum '''Konsensus''' vor. Nach wie vor dominieren Denkweisen und Forschungsperspektiven, die den Konflikt eher als Störung oder Abweichung beargwöhnen. Wenn Konflikt ins theoretisch-konzeptive Blickfeld gerät, dann als "Problem".
von '''Lewis A. Coser: "Theorie sozialer Konflikte"[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[5]]]''', die noch
 
immer als zentraler sozialwissenschaftlicher Entwurf in Sachen
 
"Gesellschaft und Konflikt" gilt. Zwar haben Coser und in seiner
 
Nachfolge einige weitere Sozialwissenschaftler einiges geleistet, um den
 
"weißen Fleck" sozialwissenschaftlicher Konflikttheorie zu beseitigen,
 
dennoch herrscht in den Sozialwissenschaften bis heute eine Neigung zum
 
'''Konsensus''' vor. Nach wie vor dominieren Denkweisen und
 
Forschungsperspektiven, die den Konflikt eher als Störung oder
 
Abweichung beargwöhnen. Wenn Konflikt ins theoretisch-konzeptive
 
Blickfeld gerät, dann als "Problem".
 
  
Von Ausnahmen abgesehen,neigen '''struktur-funktionale Denkweisen[[Erkenntnisstrategien/Strukturfunktionalistische#1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien|[6]]]'''
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Von Ausnahmen abgesehen,neigen '''struktur-funktionale Denkweisen[[Erkenntnisstrategien/Strukturfunktionalistische#1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien|[6]]]''' zur '''Pathologisierung des Konflikts''', der als illegitime Devianz gilt. '''Evolutionstheoretische Erkenntnisstrategien[[Erkenntnisstrategien/Evolutionistische#1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien|[7]]]''' tendieren dazu, das Phänomen des Konflikts im Paradigma "sozialer Differenzierung" zum Verschwinden zu bringen.
zur '''Pathologisierung des Konflikts''', der als illegitime Devianz gilt.
 
'''Evolutionstheoretische Erkenntnisstrategien[[Erkenntnisstrategien/Evolutionistische#1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien|[7]]]''' tendieren dazu, das
 
Phänomen des Konflikts im Paradigma "sozialer Differenzierung" zum
 
Verschwinden zu bringen.
 
  
Das Konzept der '''sozialen Differenzierung''' hat ältere Modelle
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Das Konzept der '''sozialen Differenzierung''' hat ältere Modelle abgelöst. Konflikt erscheint im Paradigma von Differenzierung, Interpedendenz und Komplexität eher als Friktion, als Reibungsverlust denn als Ausdruck von Kollisionen. In den evolutionstheoretischen Erkenntnisstrategien ist rastlose Differenzierung selbst als einheitsstiftendes Prinzip gedacht (vgl. '''Spencer 1876[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[8]]]'''). Im '''Sozialevolutionismus''' löst sich das Phänomen des Konflikts im Modus sozialer Differenzierung auf.
abgelöst. Konflikt erscheint im Paradigma von Differenzierung,
 
Interpedendenz und Komplexität eher als Friktion, als Reibungsverlust
 
denn als Ausdruck von Kollisionen. In den evolutionstheoretischen
 
Erkenntnisstrategien ist rastlose Differenzierung selbst als
 
einheitsstiftendes Prinzip gedacht (vgl. '''Spencer 1876[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[8]]]'''). Im
 
'''Sozialevolutionismus''' löst sich das Phänomen des Konflikts im Modus
 
sozialer Differenzierung auf.
 
  
 
'''Verständigungsdefinition: Sozialer Konflikt'''
 
'''Verständigungsdefinition: Sozialer Konflikt'''
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==3.5.2 Wandel==
 
==3.5.2 Wandel==
  
'''L.A. Coser[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[1]]]''', der den Zusammenhang von "Konflikt und Wandel"
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'''L.A. Coser[[Literatur-Denkweisen-Kroell/zur_sozialwissenschaftlichen Terminologie#4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie|[1]]]''', der den Zusammenhang von "Konflikt und Wandel" thematisiert, deutet Konflikt als '''Chance''' für soziokulturellen Wandel bis hin zum Wandel der Sozialstruktur. Coser unterscheidet zunächst die '''funktionalen Dimensionen[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Funktion#3.3.2 Funktion|[2]]]''' der Bedeutung des Sozialen Konflikts für Prozesse des '''sozialen Wandels''':
thematisiert, deutet Konflikt als '''Chance''' für soziokulturellen Wandel
 
bis hin zum Wandel der Sozialstruktur. Coser unterscheidet zunächst die
 
'''funktionalen Dimensionen[[Sozialwissenschaftliche_Terminologie_-_Exempla/Funktion#3.3.2 Funktion|[2]]]''' der Bedeutung des Sozialen Konflikts
 
für Prozesse des '''sozialen Wandels''':
 
  
 
*  Funktionen von Konflikten '''innerhalb''' sozialer Systeme (von der Mikro- bis zur Makro-Ebene)
 
*  Funktionen von Konflikten '''innerhalb''' sozialer Systeme (von der Mikro- bis zur Makro-Ebene)
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*  Konflikte sind Initialzündungen und Antriebsmodus für '''soziale Produktivität''' (im Sinne von Popitz).
 
*  Konflikte sind Initialzündungen und Antriebsmodus für '''soziale Produktivität''' (im Sinne von Popitz).
  
'''Konflikt und Wandel''' des'''sozialen Systems''' (vgl. '''Jäger /
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'''Konflikt und Wandel''' des'''sozialen Systems''' (vgl. '''Jäger / Weinzierl 2007[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[3]]]'''):
Weinzierl 2007[[Literatur-Denkweisen-Kroell/Weiterfuehrende#4.2 Weiterführende Literaturhinweise|[3]]]'''):
 
  
Wandel des Systems bedeutet, dass '''drastische Veränderungen''' zu
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Wandel des Systems bedeutet, dass '''drastische Veränderungen''' zu verzeichnen sind und kann auf zwei Wegen erfolgen:
verzeichnen sind und kann auf zwei Wegen erfolgen:
 
  
 
*  Plötzliche und gleichzeitige Veränderung der strukturellen, institutionellen und legitimatorischen Grundlagen (Typus: '''offene Revolution''')
 
*  Plötzliche und gleichzeitige Veränderung der strukturellen, institutionellen und legitimatorischen Grundlagen (Typus: '''offene Revolution''')
 
*  Sukzessive Transformation der Sozialstruktur, des Institutionensystems und der Legitimationsgrundlagen (Typus: '''"silent Revolution"''')
 
*  Sukzessive Transformation der Sozialstruktur, des Institutionensystems und der Legitimationsgrundlagen (Typus: '''"silent Revolution"''')
  
Die Grundformen des Wandels sind abhängig vom Charakter des
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Die Grundformen des Wandels sind abhängig vom Charakter des '''Strukturtyps''' eines Gesellschaftssystems:
'''Strukturtyps''' eines Gesellschaftssystems:
 
  
 
*  '''Starre Systeme''', die Konflikte unterdrücken, fördern die Entstehung explosiver Konfliktpotenziale, begünstigen die Intensität der manifesten Konflikte und ebnen den Weg für gewaltsame Konfliktformen.
 
*  '''Starre Systeme''', die Konflikte unterdrücken, fördern die Entstehung explosiver Konfliktpotenziale, begünstigen die Intensität der manifesten Konflikte und ebnen den Weg für gewaltsame Konfliktformen.
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
Die Literaturangaben dienen einerseits zur Untermauerung der in der
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Die Literaturangaben dienen einerseits zur Untermauerung der in der vorliegenden Lernunterlage behandelten sozialwissenschaftlichen Terminologie: "Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie".
vorliegenden Lernunterlage behandelten sozialwissenschaftlichen
 
Terminologie: "Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie".
 
  
Zum anderen gibt es allgemeine weiterführende Literaturhinweise zu den
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Zum anderen gibt es allgemeine weiterführende Literaturhinweise zu den behandelten Themengebieten: "Weiterführende Literaturhinweise".
behandelten Themengebieten: "Weiterführende Literaturhinweise".
 
  
 
==Inhaltsverzeichnis==
 
==Inhaltsverzeichnis==
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
Coser, Lewis A., 1967: Sozialer Konflikt und sozialer Wandel. In:
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Coser, Lewis A., 1967: Sozialer Konflikt und sozialer Wandel. In: Hans-Peter Dreitzel (Hrsg.), ''Sozialer Wandel. Zivilisation und Fortschritt als Kategorien der soziologischen Theorie'', Neuwied; Berlin: Luchterhand (S. 278-294)
Hans-Peter Dreitzel (Hrsg.), ''Sozialer Wandel. Zivilisation und
 
Fortschritt als Kategorien der soziologischen Theorie'', Neuwied; Berlin:
 
Luchterhand (S. 278-294)
 
  
Gehlen, Arnold, 1986: ''Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der
+
Gehlen, Arnold, 1986: ''Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt'', 13. Aufl., Wiesbaden: Aula Verlag
Welt'', 13. Aufl., Wiesbaden: Aula Verlag
 
  
 
*  Auszug aus: Einführung (S. 32-50)
 
*  Auszug aus: Einführung (S. 32-50)
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*  5. Handlung und Sprache
 
*  5. Handlung und Sprache
  
Knorr Cetina, Karin; Grathoff, Richard, 1988: Was ist und was soll
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Knorr Cetina, Karin; Grathoff, Richard, 1988: Was ist und was soll kultursoziologische Forschung? In: ''Soziale Welt, Sonderband 6, Kultur und Alltag'', hrsg. von Hans- Georg Soeffner, Göttingen: Otto Schwartz & Co. (S. 21-36)
kultursoziologische Forschung? In: ''Soziale Welt, Sonderband 6, Kultur
 
und Alltag'', hrsg. von Hans- Georg Soeffner, Göttingen: Otto Schwartz &
 
Co. (S. 21-36)
 
  
Luckmann, Thomas, 1992: ''Theorie des sozialen Handelns'', Berlin; New
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Luckmann, Thomas, 1992: ''Theorie des sozialen Handelns'', Berlin; New York: Walter de Gruyter Verlag
York: Walter de Gruyter Verlag
 
  
 
*  Einleitung (S. 1-2)
 
*  Einleitung (S. 1-2)
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*  1.2. Handlungstheorie als Grundlage der Sozialwissenschaften
 
*  1.2. Handlungstheorie als Grundlage der Sozialwissenschaften
  
Merton, Robert K., 1995: ''Soziologische Theorie und soziale Struktur'',
+
Merton, Robert K., 1995: ''Soziologische Theorie und soziale Struktur'', Berlin; New York: de Gruyter Verlag
Berlin; New York: de Gruyter Verlag
 
  
 
*  Teil I., Zur theoretischen Soziologie, 1. Manifeste und latente Funktion (S. 17-33)
 
*  Teil I., Zur theoretischen Soziologie, 1. Manifeste und latente Funktion (S. 17-33)
  
Popitz, Heinrich, 2006: ''Soziale Normen'', hrsg. v. Friedrich Pohlmann
+
Popitz, Heinrich, 2006: ''Soziale Normen'', hrsg. v. Friedrich Pohlmann und Wolfgang Eßbach, Frankfurt: Suhrkamp Verlag
und Wolfgang Eßbach, Frankfurt: Suhrkamp Verlag
 
  
 
*  Soziale Normen (S. 61-75)
 
*  Soziale Normen (S. 61-75)
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*  Universale Konstrukte sozialer Normierung (S. 94-116)
 
*  Universale Konstrukte sozialer Normierung (S. 94-116)
  
Soeffner, Hans-Georg, 1988: Kulturmythos und kulturelle Realität(en).
+
Soeffner, Hans-Georg, 1988: Kulturmythos und kulturelle Realität(en). In: ''Soziale Welt, Sonderband 6, Kultur und Alltag'', hrsg. von Hans-Georg Soeffner, Göttingen: Otto Schwartz & Co. (S. 3-20)
In: ''Soziale Welt, Sonderband 6, Kultur und Alltag'', hrsg. von
 
Hans-Georg Soeffner, Göttingen: Otto Schwartz & Co. (S. 3-20)
 
  
Weber, Max: ''Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der Verstehenden
+
Weber, Max: ''Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der Verstehenden Soziologie'', 5. rev. Aufl., Studienausgabe, Tübingen: Mohr 1990
Soziologie'', 5. rev. Aufl., Studienausgabe, Tübingen: Mohr 1990
 
  
 
*  Soziologische Kategorienlehre, 1. Soziologische Grundbegriffe (§5, §6, und §16)
 
*  Soziologische Kategorienlehre, 1. Soziologische Grundbegriffe (§5, §6, und §16)
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<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
 
<sup>Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer</sup>
  
Adorno, T. W., 1998 (1961): Über Statik und Dynamik als soziologische
+
Adorno, T. W., 1998 (1961): Über Statik und Dynamik als soziologische Kategorien. In: Ders., Soziologische Schriften I., Gesammelte Schriften Bd. 8. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Kategorien. In: Ders., Soziologische Schriften I., Gesammelte Schriften
 
Bd. 8. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft
 
  
Apel, K. O., 1979: Die Erklären/Verstehen-Kontroverse. Frankfurt/M.:
+
Apel, K. O., 1979: Die Erklären/Verstehen-Kontroverse. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Suhrkamp.
 
  
Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hg.), 1973: Alltagswissen,
+
Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hg.), 1973: Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit Band 1: Symbolischer Interaktionismus und Ethnomethodologie. Rororo-Studium, 54. Reinbek: Rowohlt.
Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit Band 1: Symbolischer
 
Interaktionismus und Ethnomethodologie. Rororo-Studium, 54. Reinbek:
 
Rowohlt.
 
  
Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hg.), 1973: Alltagswissen,
+
Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hg.), 1973: Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit Band 2: Ethnotheorie und Ethnographie des Sprechens. Rororo-Studium, 55. Reinbek: Rowohlt.
Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit Band 2: Ethnotheorie und
 
Ethnographie des Sprechens. Rororo-Studium, 55. Reinbek: Rowohlt.
 
  
Arendt, H., 2007: Vita activa oder Vom tätigen Leben (6. Aufl.).
+
Arendt, H., 2007: Vita activa oder Vom tätigen Leben (6. Aufl.). München: Piper.
München: Piper.
 
  
Berger, P. L., Luckmann, T., 1969: Die gesellschaftliche Konstruktion
+
Berger, P. L., Luckmann, T., 1969: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit: Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt/M.: Fischer.
der Wirklichkeit: Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt/M.:
 
Fischer.
 
  
Bernstein, R. J., 1975 (1971): Praxis und Action. Frankfurt/M.:
+
Bernstein, R. J., 1975 (1971): Praxis und Action. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Suhrkamp.
 
  
Bonacker, T., 2005: Sozialwissenschaftliche Konflittheorien --
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Bonacker, T., 2005: Sozialwissenschaftliche Konflittheorien -- Einleitung und Überblick. In: Ders., Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien. Eine wissenschaftliche Einführung. Wiesbaden: VS Verlag.
Einleitung und Überblick. In: Ders., Sozialwissenschaftliche
 
Konflikttheorien. Eine wissenschaftliche Einführung. Wiesbaden: VS
 
Verlag.
 
  
Bourdieu, P., 1970: Zur Soziologie der symbolischen Formen.
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Bourdieu, P., 1970: Zur Soziologie der symbolischen Formen. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Frankfurt/M.: Suhrkamp.
 
  
Bourdieu, P., 1998: Die feinen Unterschiede: Kritik der
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Bourdieu, P., 1998: Die feinen Unterschiede: Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft (10. Aufl). Frankfurt/M: Suhrkamp.
gesellschaftlichen Urteilskraft (10. Aufl). Frankfurt/M: Suhrkamp.
 
  
Bourdieu, P.; Wacquant, L. J. D., 1996: Reflexive Anthropologie.
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Bourdieu, P.; Wacquant, L. J. D., 1996: Reflexive Anthropologie. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Frankfurt/M.: Suhrkamp.
 
  
Cassirer, E., 1994: Philosophie der symbolischen Formen. 3 Bände.
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Cassirer, E., 1994: Philosophie der symbolischen Formen. 3 Bände. Reprografischer Nachdruck. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft.
Reprografischer Nachdruck. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft.
 
  
Coleman, J. S., 1994: Grundlagen der Sozialtheorie Band 3. Die
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Coleman, J. S., 1994: Grundlagen der Sozialtheorie Band 3. Die Mathematik der sozialen Handlung. Scientia Nova. München: Oldenbourg.
Mathematik der sozialen Handlung. Scientia Nova. München: Oldenbourg.
 
  
 
Daston, L.; Galison, P., 2007: Objektivität. Frankfurt: Suhrkamp.
 
Daston, L.; Galison, P., 2007: Objektivität. Frankfurt: Suhrkamp.
  
Durkheim, E., 1977 (1893): Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die
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Durkheim, E., 1977 (1893): Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die Organisation höherer Gesellschaften, Frankfurt: Suhrkamp.
Organisation höherer Gesellschaften, Frankfurt: Suhrkamp.
 
  
Freud, S., 1999 (1930): Das Unbehagen in der Kultur. In: Ders.,
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Freud, S., 1999 (1930): Das Unbehagen in der Kultur. In: Ders., Gesammelte Werke, Bd. XIV., Werke aus den Jahren 1925-1931. Frankfurt: Fischer.
Gesammelte Werke, Bd. XIV., Werke aus den Jahren 1925-1931. Frankfurt:
 
Fischer.
 
  
Gehlen, A., 1986 (1940): Der Mensch: Seine Natur u. seine Stellung in d.
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Gehlen, A., 1986 (1940): Der Mensch: Seine Natur u. seine Stellung in d. Welt (13. Aufl). Wiesbaden: Aula.
Welt (13. Aufl). Wiesbaden: Aula.
 
  
Giddens, A., 1988: Die Konstitution der Gesellschaft: Grundzüge einer
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Giddens, A., 1988: Die Konstitution der Gesellschaft: Grundzüge einer Theorie der Strukturierung. Frankfurt/M.: Campus.
Theorie der Strukturierung. Frankfurt/M.: Campus.
 
  
Gingrich, A.; Zips, W., 2003. Ethnohistorie und Historische
+
Gingrich, A.; Zips, W., 2003. Ethnohistorie und Historische Anthropologie. In: B. Beer; H. Fischer (Hg.), Ethnologie. Einführung und Überblick (5. Aufl.). Berlin: Reimer.
Anthropologie. In: B. Beer; H. Fischer (Hg.), Ethnologie. Einführung und
 
Überblick (5. Aufl.). Berlin: Reimer.
 
  
Gostmann, P.; Merz-Benz, P-U. (Hg.), 2007: Macht und Herrschaft. Zur
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Gostmann, P.; Merz-Benz, P-U. (Hg.), 2007: Macht und Herrschaft. Zur Revision zweier soziologischer Grundbegriffe. Wiesbaden: VS Verlag.
Revision zweier soziologischer Grundbegriffe. Wiesbaden: VS Verlag.
 
  
Grupe, G., 2005: Anthropologie: Ein einführendes Lehrbuch. Berlin:
+
Grupe, G., 2005: Anthropologie: Ein einführendes Lehrbuch. Berlin: Springer.
Springer.
 
  
Habermas, J., 1968: Arbeit und Interaktion. In: Ders., Technik und
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Habermas, J., 1968: Arbeit und Interaktion. In: Ders., Technik und Wissenschaft als "Ideologie". Frankfurt: Suhrkamp.
Wissenschaft als "Ideologie". Frankfurt: Suhrkamp.
 
  
Habermas, J., 1968: Thesen zur Theorie der Sozialisation: Stichworte und
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Habermas, J., 1968: Thesen zur Theorie der Sozialisation: Stichworte und Literatur zur Vorlesung im Sommer-Semester 1968. Frankfurt/M.
Literatur zur Vorlesung im Sommer-Semester 1968. Frankfurt/M.
 
  
Habermas, J., 1987 (1962): Strukturwandel der Öffentlichkeit:
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Habermas, J., 1987 (1962): Strukturwandel der Öffentlichkeit: Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft (17. Aufl). Darmstadt: Luchterhand.
Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft (17.
 
Aufl). Darmstadt: Luchterhand.
 
  
Habermas, J., 1989: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des
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Habermas, J., 1989: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns (3. Aufl). Frankfurt/M.: Suhrkamp.
kommunikativen Handelns (3. Aufl). Frankfurt/M.: Suhrkamp.
 
  
Habermas, J., 1995 (1981): Theorie des kommunikativen Handelns.
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Habermas, J., 1995 (1981): Theorie des kommunikativen Handelns. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Frankfurt/M.: Suhrkamp.
 
  
Heckmann, F.; Kröll, F., 1984: Einführung in die Geschichte der
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Heckmann, F.; Kröll, F., 1984: Einführung in die Geschichte der Soziologie, Stuttgart: Enke.
Soziologie, Stuttgart: Enke.
 
  
Hacking, I., 2002: Was heißt "Soziale Konstruktion"?: Zur Konjunktur
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Hacking, I., 2002: Was heißt "Soziale Konstruktion"?: Zur Konjunktur einer Kampfvokabel in den Wissenschaften. Frankfurt/M.: Fischer.
einer Kampfvokabel in den Wissenschaften. Frankfurt/M.: Fischer.
 
  
Horkheimer, M.; Adorno, T. W., 2006 (1947): Dialektik der Aufklärung:
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Horkheimer, M.; Adorno, T. W., 2006 (1947): Dialektik der Aufklärung: Philosophische Fragmente. Frankfurt/M.: Fischer.
Philosophische Fragmente. Frankfurt/M.: Fischer.
 
  
Husserl, E., 1987 (1913): Cartesianische Meditationen: Eine Einleitung
+
Husserl, E., 1987 (1913): Cartesianische Meditationen: Eine Einleitun in die Phänomenologie (2., durchges. Aufl). Hamburg: Meiner  
in die Phänomenologie (2., durchges. Aufl). Hamburg: Meiner.
 
  
G. Ch. Jacobsen, 2008: Sozialstruktur und Gender. Analyse
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G. Ch. Jacobsen, 2008: Sozialstruktur und Gender. Analys geschlechtsspezifischer Kriminalität mit der Anomietheorie Mertons Wiesbaden: VS Verlag  
geschlechtsspezifischer Kriminalität mit der Anomietheorie Mertons.
 
Wiesbaden: VS Verlag.
 
  
Jäger, W.; Weinzierl, U., 2007: Moderne soziologische Theorien und
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Jäger, W.; Weinzierl, U., 2007: Moderne soziologische Theorien un sozialer Wandel, Wiesbaden: VS Verlag  
sozialer Wandel, Wiesbaden: VS Verlag.
 
  
Jetzkowitz, J.; Stark, C. (Hg.),2003: Soziologischer Funktionalismus.
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Jetzkowitz, J.; Stark, C. (Hg.),2003: Soziologischer Funktionalismus Zur Methodologie einer Theorietradition. Opladen: Leske + Budrich  
Zur Methodologie einer Theorietradition. Opladen: Leske + Budrich.
 
  
Knußmann, R., 1996: Vergleichende Biologie des Menschen: Lehrbuch der
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Knußmann, R., 1996: Vergleichende Biologie des Menschen: Lehrbuch de Anthropologie und Humangenetik (2., völlig neu bearb. Aufl). Stuttgart Fischer  
Anthropologie und Humangenetik (2., völlig neu bearb. Aufl). Stuttgart:
 
Fischer.
 
  
König, R., 1978: Emile Durkheim zur Diskussion. Jenseits von Dogmatismus
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König, R., 1978: Emile Durkheim zur Diskussion. Jenseits von Dogmatismu und Skepsis, München: Hanser  
und Skepsis, München: Hanser.
 
  
Kohli, M. (Hg.), 1978: Soziologie des Lebenslaufs, Darmstadt:
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Kohli, M. (Hg.), 1978: Soziologie des Lebenslaufs, Darmstadt Luchterhand  
Luchterhand.
 
  
Kröll, F., 2009: Einblicke. Grundlagen sozialwissenschaftlichen Denkens,
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Kröll, F., 2009: Einblicke. Grundlagen sozialwissenschaftlichen Denkens Wien: Braumüller  
Wien: Braumüller.
 
  
Luhmann, N., 1968: Zweckbegriff und Systemrationalität. Über die
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Luhmann, N., 1968: Zweckbegriff und Systemrationalität. Über di Funktion von Zwecken in sozialen Systemen. Tübingen: Mohr  
Funktion von Zwecken in sozialen Systemen. Tübingen: Mohr.
 
  
Luhmann, N., 2004: Einführung in die Systemtheorie (2. Aufl.).
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Luhmann, N., 2004: Einführung in die Systemtheorie (2. Aufl.) Heidelberg: Carl Auer  
Heidelberg: Carl Auer.
 
  
Marcuse, L., 1959: Amerikanisches Philosophieren. Pragmatisten.
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Marcuse, L., 1959: Amerikanisches Philosophieren. Pragmatisten Polytheisten. Tragiker. Hamburg: Rowohlt  
Polytheisten. Tragiker. Hamburg: Rowohlt.
 
  
Mead, G. H., 1968 (1934): Geist, Identität und Gesellschaft aus der
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Mead, G. H., 1968 (1934): Geist, Identität und Gesellschaft aus de Sicht des Sozialbehaviorismus. (Originaltitel: Mind, Self and Society From the standpoint of a social behaviorist, 1934). Frankfurt/M. Suhrkamp  
Sicht des Sozialbehaviorismus. (Originaltitel: Mind, Self and Society.
 
From the standpoint of a social behaviorist, 1934). Frankfurt/M.:
 
Suhrkamp.
 
  
Mead, G. H., 2008: Philosophie der Erziehung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
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Mead, G. H., 2008: Philosophie der Erziehung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt [Meads Vorlesungen an der Universität Chicago aus den Jahren 1910/11  
[Meads Vorlesungen an der Universität Chicago aus den Jahren 1910/11]
 
  
Müller, H.-P.; Schmid, M., 1995: Paradigm Lost? Von der Theorie des
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Müller, H.-P.; Schmid, M., 1995: Paradigm Lost? Von der Theorie de sozialen Wandels zur Theorie dynamischer Systeme. In: Dies. (Hg.) Sozialer Wandel. Modellbildung und theoretische Ansätze. Frankfurt/M. Suhrkamp  
sozialen Wandels zur Theorie dynamischer Systeme. In: Dies. (Hg.),
 
Sozialer Wandel. Modellbildung und theoretische Ansätze. Frankfurt/M.:
 
Suhrkamp.
 
  
Montada, L., 1998: Die geistige Entwicklung aus der Sicht Piagets. In:
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Montada, L., 1998: Die geistige Entwicklung aus der Sicht Piagets. In R. Oerter; L. Montada (Hg.), Entwicklungspsychologie. Ein Lehrbuch (4 Aufl. 1998). Weinheim: Beltz  
R. Oerter; L. Montada (Hg.), Entwicklungspsychologie. Ein Lehrbuch (4.
 
Aufl. 1998). Weinheim: Beltz.
 
  
Naumann, H. (Hg.), 1973: Der moderne Strukturbegriff. Materialien zu
+
Naumann, H. (Hg.), 1973: Der moderne Strukturbegriff. Materialien z seiner Entwicklung. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft  
seiner Entwicklung. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft.
 
  
Opp, K.-D.; Wippler, R., 2007: George Caspar Homans (1910-1989). In: D.
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Opp, K.-D.; Wippler, R., 2007: George Caspar Homans (1910-1989). In: D Käsler (Hg..), Klassiker der Soziologie. Bd.2 (5. erw. Aufl.). München Beck  
Käsler (Hg..), Klassiker der Soziologie. Bd.2 (5. erw. Aufl.). München:
 
Beck.
 
  
Orth, E. W., 1991: Der Begriff der Kulturphilosophie bei Ernst Cassirer.
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Orth, E. W., 1991: Der Begriff der Kulturphilosophie bei Ernst Cassirer In: H. Brackert (Hg.) Kultur. Bestimmungen im 20. Jahrhundert Frankfurt/M.: Suhrkamp  
In: H. Brackert (Hg.) Kultur. Bestimmungen im 20. Jahrhundert.
 
Frankfurt/M.: Suhrkamp.
 
  
Parsons, T.; Smelser, N. J., 1956: Economy and Society. A study in the
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Parsons, T.; Smelser, N. J., 1956: Economy and Society. A study in th integration of economic and social theory. London: Routledge  
integration of economic and social theory. London: Routledge.
 
  
Parsons, T., 1967 (1951): Toward a general theory of action. Cambridge:
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Parsons, T., 1967 (1951): Toward a general theory of action. Cambridge Harvard University Press  
Harvard University Press.
 
  
Piaget, J., 2003: Meine Theorie der geistigen Entwicklung. Weinheim:
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Piaget, J., 2003: Meine Theorie der geistigen Entwicklung. Weinheim Beltz  
Beltz.
 
  
Plessner, H., 1981 (1928): Die Stufen des Organischen und der Mensch:
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Plessner, H., 1981 (1928): Die Stufen des Organischen und der Mensch Einleitung in die philosophische Anthropologie. Gesammelte Schriften Bd 4. Frankfurt/M.: Suhrkamp  
Einleitung in die philosophische Anthropologie. Gesammelte Schriften Bd.
 
4. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
 
  
Plessner, H., 1981: Macht und menschliche Natur. Gesammelte Schriften
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Plessner, H., 1981: Macht und menschliche Natur. Gesammelte Schrifte Bd. 5. Frankfurt/M.: Suhrkamp  
Bd. 5. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
 
  
Reichertz, J.; Zaboura, N. (Hg.), 2006: Akteur Gehirn - oder das
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Reichertz, J.; Zaboura, N. (Hg.), 2006: Akteur Gehirn - oder da vermeintliche Ende des sinnhaft handelnden und kommunizierende Subjekts. Eine Kontroverse. Wiesbaden: VS Verlag  
vermeintliche Ende des sinnhaft handelnden und kommunizierenden
 
Subjekts. Eine Kontroverse. Wiesbaden: VS Verlag.
 
  
Rickert, H., 1986 (1926): Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft.
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Rickert, H., 1986 (1926): Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft Stuttgart: Reclam  
Stuttgart: Reclam.
 
  
Riedel, M., 1978: Verstehen oder Erklären?: Zur Theorie und Geschichte
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Riedel, M., 1978: Verstehen oder Erklären?: Zur Theorie und Geschicht der hermeneutischen Wissenschaften. Stuttgart: Klett-Cotta  
der hermeneutischen Wissenschaften. Stuttgart: Klett-Cotta.
 
  
Rüschemeyer, D., 1985: Spencer und Durkheim über Arbeitsteilung und
+
Rüschemeyer, D., 1985: Spencer und Durkheim über Arbeitsteilung un Differenzierung: Kontinuität oder Bruch? In: N. Luhmann (Hg.), Sozial Differenzierung. Zur Geschichte einer Idee. Opladen: Westdt. Verl  
Differenzierung: Kontinuität oder Bruch? In: N. Luhmann (Hg.), Soziale
 
Differenzierung. Zur Geschichte einer Idee. Opladen: Westdt. Verl.
 
  
Schönrich, G., 1990: Zeichenhandeln. Untersuchungen zum Begriff einer
+
Schönrich, G., 1990: Zeichenhandeln. Untersuchungen zum Begriff eine semiotischen Vernunft im Ausgang von Ch. S. Peirce. Frankfurt/M. Suhrkamp  
semiotischen Vernunft im Ausgang von Ch. S. Peirce. Frankfurt/M.:
 
Suhrkamp.
 
  
Schrenk, F., 1997: Die Frühzeit des Menschen: Der Weg zum Homo sapiens.
+
Schrenk, F., 1997: Die Frühzeit des Menschen: Der Weg zum Homo sapiens München: Beck  
München: Beck.
 
  
Schütz, A., 1993 (1932): Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt: Eine
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Schütz, A., 1993 (1932): Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt: Ein Einleitung in die verstehende Soziologie (6. Aufl). Frankfurt/M. Suhrkamp  
Einleitung in die verstehende Soziologie (6. Aufl). Frankfurt/M.:
 
Suhrkamp.
 
  
Schütz, A., 1971: Das Problem der Relevanz. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
+
Schütz, A., 1971: Das Problem der Relevanz. Frankfurt/M.: Suhrkamp  
  
Schütz, A.; Luckmann, T., 2003 (1979): Strukturen der Lebenswelt.
+
Schütz, A.; Luckmann, T., 2003 (1979): Strukturen der Lebenswelt Konstanz: UVK  
Konstanz: UVK.
 
  
Strübing, J., 2004: Grounded Theory. Zur sozialtheoretischen und
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Strübing, J., 2004: Grounded Theory. Zur sozialtheoretischen un epistemologischen Fundierung des Verfahrens der empirisch begründete Theoriebildung. Wiesbaden: VS Verlag  
epistemologischen Fundierung des Verfahrens der empirisch begründeten
 
Theoriebildung. Wiesbaden: VS Verlag.
 
  
Weber, M., 1980: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der Verstehenden
+
Weber, M., 1980: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der Verstehende Soziologie (WuG). Tübingen: Mohr  
Soziologie (WuG). Tübingen: Mohr.
 
  
Weber, M., 1988: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre (7. Aufl).
+
Weber, M., 1988: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre (7. Aufl) Tübingen: Mohr  
Tübingen: Mohr.
 
  
Wehler, H.-U., 1984: Geschichte und Soziologie. Königstein: Athenäum.
+
Wehler, H.-U., 1984: Geschichte und Soziologie. Königstein: Athenäum  
  
Weymann, A., 1998: Sozialer Wandel. Theorien der Dynamik der modernen
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Weymann, A., 1998: Sozialer Wandel. Theorien der Dynamik der moderne Gesellschaften. Weinheim: Juventa  
Gesellschaften. Weinheim: Juventa.
 
  
Wiggershaus, R. (Hg.), 1975: Sprachanalyse und Soziologie. Die
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Wiggershaus, R. (Hg.), 1975: Sprachanalyse und Soziologie. Di sozialwiss. Relevanz von Wittgensteins Sprachphilosophie. Frankfurt/M. Suhrkam
sozialwiss. Relevanz von Wittgensteins Sprachphilosophie. Frankfurt/M.:
 
Suhrkamp
 
  
Winch, P., 1974: Die Idee der Sozialwissenschaft und ihr Verhältnis zur
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Winch, P., 1974: Die Idee der Sozialwissenschaft und ihr Verhältnis zu Philosophie. Frankfurt/M.: Suhrkamp.  
Philosophie. Frankfurt/M.: Suhrkamp..
 
  
Winch, P., 1976: The idea of a social science and its relation to
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Winch, P., 1976: The idea of a social science and its relation t philosophy. London: Routledge  
philosophy. London: Routledge.
 
  
Wulf, C., 2004: Anthropologie. Geschichte, Kultur, Philosophie. Reinbek:
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Wulf, C., 2004: Anthropologie. Geschichte, Kultur, Philosophie. Reinbek Rowohlt Taschenbuch Verl  
Rowohlt Taschenbuch Verl.
 
  
  
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Revision as of 10:59, 18 August 2020

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Contents

Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer
Logo Denkweisen.gif

Quelle: http://www.univie.ac.at/sowi-online/esowi/cp/denkensoz/denkensoz-full.html Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer Fakultät für Sozialwissenschaften, Universität Wien

Die vorliegende Lernunterlage dient zur Unterstützung der Vorlesung: "Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen" von Prof. Dr. Friedhelm Kröll und wurde unter Mitarbeit von Mag. Nicole Pesendorfer erstellt.

Die Inhalte sind zentriert um die Darstellung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisstrategien, der Herausarbeitung der Eigenart der Sozialwissenschaften und der exemplarischen Vermittlung sozialwissenschaftlich relevanter Termini.

Neben der Erläuterung unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Erkenntnisstrategien wird die Eigenart der Sozialwissenschaften in Abgrenzung zu den Geistes-, Natur- und Geschichtswissenschaften veranschaulicht. Unter Einbeziehung von Autoren wie Max Weber, Heinrich Popitz oder Thomas Luckmann wird exemplarisch auf folgende Konnexbegriffe aus der sozialwissenschaftlichen Terminologie eingegangen: Handeln-Norm, Institution-Kultur, Struktur-Funktion, Macht-Herrschaft sowie Konflikt-Wandel.

Ziel der Lernunterlage ist die Beleuchtung der Eigenart der Sozialwissenschaften sowie eine tiefer gehende Beschäftigung mit deren Terminologien und Erkenntnisprogrammen. Dabei baut die Lernunterlage auf den Inhalten des Buches "Einblicke. Grundlagen sozialwissenschaftlichen Denkens" von Friedhelm Kröll (Wien: Braumüller, 2009) auf.

Kapitelübersicht

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1 Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Fragen zur Charakterisierung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisstrategien und Theorieprogrammen (Hintergrundkriterien):

  • Wird der Kategorie des "Sinns" bzw. "sinnhaften Handelns" bei der Bestimmung des Gegenstandes eine strategische Stellung eingeräumt?
  • Welche Perspektive wird gegenüber dem gesellschaftlichen Lebensprozess eingenommen: Außen- bzw. Binnenperspektive?
  • Wird der Kategorie des "Sozialen" (bzw. der "Gesellschaft") ein essentieller Status zuerkannt, d.h. wird die Eigenart des Sozialen[1] als eine überpersönliche Faktizität bestimmt, die nicht rückführbar ist auf das Verhalten und die Eigenschaften der Einzelmenschen?
  • Wird der Praxis der menschlichen Subjekte, wird der sozialanthropologischen Dimension der Verschränkung von Kultur und Natur eine fundierende Rolle bei der Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens zugemessen? Oder werden die gesellschaftlichen Individuen als bloße Einheiten reizgesteuerten Verhaltens betrachtet?
  • Wird der Aspekt der Konstitution von Gesellschaft, also die Frage nach der Erzeugung des sozialen Lebensprozesses und damit auch die Frage nach den Wandlungs- und Transformationsprozessen[2] von Gesellschaft, Kultur und Individuen aufgenommen?
  • Wird die sozialwissenschaftliche Erkenntnisstrategie primär unter dem Gesichtspunkt des menschlichen Handelns (handlungstheoretische Perspektive[3]) oder unter dem Gesichtspunkt des sozialen Systems (systemtheoretische Perspektive) konzipiert? Oder wird versucht, in der Grundkonzeption den Doppelcharakter des Sozialen, Handlung und System, Prozess und Struktur, Rechnung zu tragen?

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 2.3
[2] Siehe Kapitel 3.5.2
[3] Siehe Kapitel 3.1.2

Inhaltsverzeichnis

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

2 Die Eigenart der Sozialwissenschaften im Lichte des Dualismus von Natur- und Geisteswissenschaften
3 Sozialwissenschaftliche Terminologie - Exempla
4 Literatur


Nächstes Kapitel: 1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien


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Vorheriges Kapitel: 1 Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften

1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Kennzeichen:

Foto: Kameraobjektiv. Lennert Böhmer, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2008
  • Prinzip der Außenperspektive.
  • Doppelte Reduktivität: soziale Zustände und Vorgänge werden beobachtet an und zurückgeführt auf individuelles Verhalten; individuelles Verhalten wird erklärt im Rückgriff auf Befunde und Spekulationen über die Beschaffenheit der „menschlichen Natur".
  • Bestreben, die Sozialwissenschaften auf das Programm einer Einheitswissenschaft nach Vorbild der Naturwissenschaften zu vereidigen.
  • Objektivistischen Erkenntnisstrategien geht es darum, Regelmäßigkeiten des menschlichen Verhaltens zu beobachten und zu erklären, unter Verzicht auf Verstehen von Regeln im zwischenmenschlichen Verhalten und Handeln.
  • Objektivistische Erkenntnisstrategien finden sich unter verschiedenen Namen, beispielsweise Rational-Choice-Modelle oder Behaviorismus. Heute erscheint der behavioristische Ansatz eher unter "verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften bzw. Soziologie".
  • Naturwissenschaften werden zum wissenschaftstheoretischen Vorbild erkoren. Objektivistische Sozialwissenschaften terminieren in verhaltenswissenschaftlichen Modellen[1] (vgl. Literaturhinweis Karl-Dieter Opp und Reinhard Wippler[2]).
  • Verhaltenswissenschaften bestimmen ihren Gegenstandsbereich indem sie von der symbolisch-sinnhaften Vorstrukturierung der gesellschaftlichen Wirklichkeit methodisch absehen, allein die Beschreibung beobachtbarer Regelmäßigkeiten gelten lassen und die Erklärung von deren Zusammenhängen an "nomologische Hypothesen" in der Form: "Immer wenn - dann" binden. Der Standort der Beobachtung ist eine Außenperspektive. Handeln[3] wird auf Verhalten[4] reduziert. Probleme der Konstitution des gesellschaftlichen Lebensprozesses werden vernachlässigt.
  • Die Kategorie "Sinn" bzw. "intentional- sinnhaftes Handeln" steht unter Metaphysik- Verdacht; ebenso die transpersonale Faktizität des Sozialen. Alles soll und muss auf die Beobachtungseinheit "Individuum" rückführbar sein: Methodologischer Individualismus.
  • Von den Anfängen der modernen Sozialwissenschaften an haben die Objektivisten den Zustand beklagt, dass die Wissenschaften vom Sozialen noch in den Kinderschuhen steckten. Von dieser Sichtweise aus wird bis heute den Sozialwissenschaften empfohlen, den Naturwissenschaften nachzueifern.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 3.1.1
[2] Siehe Kapitel 4.2
[3] Siehe Kapitel 3.1
[4] Siehe Kapitel 3.1.1


Nächstes Kapitel: 1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien


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Vorheriges Kapitel: 1.1 Objektivistische Erkenntnisstrategien

1.2 Evolutionistische Erkenntnisstrategien

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Mitte des 19. Jahrhunderts, im Zeichen des Aufstiegs der Naturwissenschaften und der Entdeckungen des britischen Naturforschers Charles Darwin (1809-1882)[1], erlebt das evolutionistische Denken eine Renaissance. Mit Darwins Paradigma der Bildung der Arten durch Auslese und der Idee der Selektionsvorteile als Bedingung aller Evolution, setzt sich schließlich eine neue Erkenntnisstrategie durch, die bis heute (vgl. die moderne Systemtheorie) in Kraft ist.

Am Wissenschaftsprogramm Herbert Spencers (1820-1903)[2] wird nicht nur die triumphalische Renaissance des Evolutionismus sichtbar, sondern auch dessen zentrale Kennzeichen sinnfällig. Spencer hat ein umgreifendes System der Entwicklungsgesetze visiert: Entwicklungsgesetze des anorganischen, des organischen und schließlich des "über-organischen" Lebens. Menschliche Gesellschaften werden zum "über-organischen" Leben gezählt. Spencers Entwurf operiert mit der Analogiebildung zwischen Organismus und Gesellschaft. Derzufolge gelte für Organismen wie für Gesellschaften:

  • Gemeinsamkeit des Wachstums;
  • Zunahme von Differenzierung und Komplexität;
  • fortschreitende Differenzierung der Strukturen[3] im Zuge einer fortschreitenden Auffächerung der Funktionen[4];
  • Zunahme von Systembildung durch fortschreitende Differenzierung; d.h. Zunahme der wechselseitigen Abhängigkeit der Einzelelemente.

Spencer konstatiert eine zentrale Differenz zwischen Organismus und Gesellschaft: während auf der Ebene der organischen Systeme das differnziell- funktionale Zusammenwirken der Einzelteile den Bestand und die Erhöhung des Wohls des Ganzen befördere, diene die zunehmende Differenzierung, Systembildung und Komplexitätssteigerung auf der Ebene der "über-organischen" Systeme, also bei der menschlichen Vergesellschaftung, der Steigerung des Wohls des Einzelnen:

"The society exists for the benefit of its members; not its members for the benefit of the society".

Spencer konzeptualisiert ein Paradigma der Individualisierung und dessen Implikat: Soziale Evolution ist gesteuert von Selektions- und Ausleseprozessen. Die Spencersche Version des Evolutionismus hat dazu geführt, den okzidental-imperialen Blick auf die außerokzidentalen Kulturen[5] und Formen der Vergesellschaftung weiter auszuprägen; sinnfällig an Formeln wie "primitive Gesellschaften bzw. Kulturen" oder gar "Naturvölker".

Evolutionistische Konzeptbildungen tendieren zu:

  • objektivistischer Sichtweise auf den gesellschaftlichen Lebensprozess. Modell: Beobachtung von außen;
  • Linearisierung der Evolution von der anorganischen über die organische bis zur sozialen Evolution;
  • Naturalisierung menschlicher Vergesellschaftungsprozesse;
  • Paradigmenbildung mit dem Ziel, allgemeine Gesetze zu finden;
  • spürbaren deterministischen Denken, das für die Figuration des menschlichen Subjekts und seiner verändernden Praxis kaum Spielraum lässt.

Verweise:

[1]&& http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Darwin]
[2]&& http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/spencer/44bio.htm]
[3] Siehe Kapitel 3.3.1
[4] Siehe Kapitel 3.3.2
[5] Siehe Kapitel 3.2.2


Nächstes Kapitel: 1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien


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1.3 Strukturfunktionalistische Erkenntnisstrategien

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

File:Denkensoz-4 1.jpg "Steinfigur im Meer"
Foto: Steinfigur im Meer. Simon Brangs, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2008

Strukturfunktionalismus entsteht als Gegenbewegung zum Evolutionismus[1], doch machen sich auch dort naturwissenschaftliche Modellvorstellungen geltend: Betrachtung von Gesellschaften in Analogie zu Organismen. Allerdings verschiebt sich der Akzent auf das Funktionieren eines gesellschaftlichen Ganzen.

Mit der zentralen Frage: "Wie ist soziale Ordnung möglich?" kommt es zu einer entscheidenden Wende: die Fundierung der Sozialwissenschaften auf der Grundlage der Betonung der Eigenart des Sozialen. Das spezifisch Soziale soll nicht länger als Anhängsel der Naturgeschichte betrachtet werden, das heißt:

Entnaturalisierung, d.h. Kulturalisierung der sozialwissenschaftlichen Denkweise.

Das menschliche, gesellschaftliche Leben ist zwar eingründet in die äußere und innere, leibliche Natur der Menschen, begründet aber im Wege des tätigen Stoffwechsels mit der Natur, eine Zweite Natur[2]. Zweite Natur meint: Kultur, Gesellschaft, Persönlichkeit als Kunstprodukte des menschlichen Handelns. In diesem Prozess bilden sich Formen des gesellschaftlichen Lebens aus, werden Strukturen[3] auskristallisiert. Um jene Strukturen zu gewährleisten, bedarf es verschiedener Funktionen[4] und Funktionskreise. Struktur und Funktion[5] sind im Strukturfunktionalismus aufeinander und auf die Idee der Bestandsgarantie sozialer Ordnung bezogen.

Die Werkgeschichte Emile Durkheims[6] zeigt die Wende vom evolutionistischen zum strukturfunktionalistischen Denken: vom Naturalismus zum Kulturalismus (im engeren Soziologismus) - vom Fokus der Entwicklung zu dem der Ordnung.

Durkheims[7] Interesse richtet sich auf:

  • das Problem der Stabilität gesellschaftlicher Ordnungen;
  • den Sachverhalt des überindividuellen Charakters der sozialen Wirklichkeit;
  • das Problem der Normativität des gesellschaftlichen Lebens, der Strukturen normregulierten Verhaltens und Handelns.

Talcott Parsons[8] Werk kombiniert Handlungstheorie und Strukturtheorie (vgl. Parsons: "Toward a General Theory of Action"[9]). Es geht dabei um den Versuch einer umgreifenden Sozialtheorie, fokussiert um das Problem der Stabilität sozialer Ordnungen.

Strukturfunktionalismus im Sinne Parsons heißt: kulturelle Objekte, soziale Erscheinungen, Verhalten und Handeln werden auf ihren funktionalen Beitrag für die Stabilität innerhalb eines Gesellschaftssystems analytisch befragt bzw. bewertet.

Im weiteren Verlauf verschiebt sich Parsons Akzent zur systemtheoretischen Modellbildung. Während in der ersten Phase des Parsonschen Strukturfunktionalismus Handeln unter dem funktionalen Gesichtspunkt des Stellenwerts für die gesellschaftliche Stabilität verhandelt wird, rückt der Handlungsaspekt in der zweiten Phase der Entwicklung seiner Sozialtheorie in den Hintergrund zugunsten des Primats der Idee sich selbst steuernder Systeme. Der Strukturfunktionalismus transformiert sich in Systemtheorie.

Niklas Luhmanns systemtheoretische Soziologie übernimmt von den älteren Beständen der sozialwissenschaftlichen Denkweisen (vgl. Luhmanns "Einführung in die Systemtheorie"[10]):

  • Primat des Standorts des Beobachters;
  • Primat des Ganzen über das Einzelelement;
  • Primat des Systems vor dem Handeln;
  • Primat des Systems vor dem Subjekt des Handelns.
  • in der Linie des Parsonschen Strukturfunktionalismus visiert Luhmann eine universalistische Theorie;
  • in Abhebung vom älteren, auf Statik gepolten Strukturfunktionalismus revitalisiert die Luhmannsche Sozialtheorie Denkmotive der Darwinschen Evolutionstheorie[11], insofern die Theorie offener Sozialsysteme darauf aus ist, den Aspekt der Veränderung von Systemen und Strukturen einzubeziehen.

Für diese Variante sozialwissenschaftlicher Erkenntnisstrategie ist kennzeichnend, dass der gesellschaftliche Lebensprozess nach dem Muster selbstgeregelter Systeme interpretiert wird und dass demzufolge die gesellschaftlichen Individuen tendenziell als eine vernachlässigenswerte Größe betrachtet werden. Dem Modell selbstgeregelter Systeme entspricht das subjektloser Sozialwissenschaften.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 1.2
[2] Siehe Kapitel 3.2.2
[3] Siehe Kapitel 3.3.1
[4] Siehe Kapitel 3.3.2
[5] Siehe Kapitel 3.3
[6] Siehe Kapitel 4.2
[7] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/durkheim/12bio.htm
[8] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/parsons/39bio.htm
[9] Siehe Kapitel 4.2
[10] Siehe Kapitel 4.2
[11] Siehe Kapitel 1.2

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1.4 Pragmatistische Erkenntnisstrategien

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Die pragmatistische Erkenntnisstrategie setzt am menschlichen Handeln an und rückt die Konzeptualisierung des sozialen Handelns ins Zentrum. Ihr Ursprung liegt in der US- amerikanischen Geistes- und Wissenschaftsgeschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sozialwissenschaftliche Gestalt hat der Pragmatismus bei George Herbert Mead[1] angenommen, der an der University of Chicago gelehrt hat, weshalb das Theorieprogramm Meads[2] - der "Symbolische Interaktionismus" - gerne mit dem Markenzeichen "Chicago School" versehen wird.

Denkansätze, die im Zeichen pragmatistischer Philosophie des Sozialen operieren, gehen von der Eigenart des Sozialen als Zweite Natur[3] aus, die nicht auf die Gesetze und Gesetzmäßigkeiten der ersten Natur reduktibel ist. Vielmehr wird versucht, die Eigenart des Sozialen aus der Verschränkung von Natur- und Kulturgeschichte heraus zu rekonstruieren. (Nicht zuletzt dies hat Arnold Gehlen[4] dazu bewogen, die Theorien von Meads in seine handlungstheoretische Sozialanthropologie und Soziologie einzuflechten.)

File:Denkensoz-5 1.jpg "Fußgängerampel"
Foto: Fußgängerampel. Sebastian Wieschowski, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2005

Im Unterschied zur objektivistischen Erkenntnisstrategie[5] ist für die pragmatistische Erkenntnistheorie nicht das individuelle Verhalten der Schlüssel zum Verständnis des gesellschaftlichen Lebensprozesses, sondern die Intersubjektivität aller Sozialprozesse, die Soziale Interaktion. Ins Auge gefasst wird das soziale Ganze:

  • Pragmatistische Erkenntnisstrategien betonen den Handlungs- und Kommunikationsaspekt[6]. Betont ist damit das Prozesshafte der Sozialität ebenso wie die gesellschaftlichen Individuen als Aktoren des sozialen Lebens.
  • Pragmatistische Erkenntnisstrategien sind zentriert um die Idee der Intersubjektivität.
  • Mead insistiert auf der Beobachterperspektive. Er pointiert die Interaktion zwischen mindestens zwei Organismen, die aufeinander reagiern und sich zueinander verhalten (Aspekt der Aktivität und Reziprozität).
  • Entscheidend ist, dass die gesellschaftlichen Individuen nicht unmittelbar, nicht primär instinktiv aufeinander reagieren, sondern vermittelt über Symbole.
  • Menschliches Handeln ist dadurch charakterisiert, dass die gesellschaftlichen Individuen in der Lage sind, die Schlüsselleistung für soziale Interaktion und Kommunikation zu erbringen: "taking the role of the other".

Pragmatistische Erkenntnisstrategien sind gekennzeichnet durch:

  • das Bestreben, im Wege der Konzeptualisierung der Symbolischen Interaktion eine Theorie in der Perspektive universeller Geltung zu formulieren;
  • den Ansatz der Konzeptualisierung der Sozialtheorie am sozialen Handeln;
  • die Betonung der Sinnhaftigkeit menschlichen Handelns;
  • die Öffnung der Sozialtheorie für die Perspektive sozialen Wandels[7];
  • die beharrliche Anstrengung, die Eigenart des Sozialen[8] herauszuarbeiten.

Verweise:

[1] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/mead/32bio.htm
[2] Siehe Kapitel 4.2
[3] Siehe Kapitel 3.2.2
[4] Siehe Kapitel 4.1
[5] Siehe Kapitel 1.1
[6] Siehe Kapitel 1.7
[7] Siehe Kapitel 3.5.2
[8] Siehe Kapitel 2.3


Nächstes Kapitel: 1.5 Sozialkonstruktivistische Erkenntnisstrategien


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1.5 Sozialkonstruktivistische Erkenntnisstrategien

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Sozialkonstruktivistische Theorie- und Forschungsstrategien machen sich in den Sozial- und Kulturwissenschaften erst in den 1980er Jahren geltend: Karriere der Formel von der "sozialen Konstruktion der Wirklichkeit".

Sozialkonstruktivismus bezieht sich auf eine Veränderung der Betrachtungsweise. Es soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass das, was wir als natürlich- gegeben hinnehmen, das Produkt historisch-sozialer Formungen ist. Wir sehen Dinge und Sachverhalte im Lichte einer soziokulturell imprägnierten Sehweise. Wir sehen die Welt nicht nur durch die Brille sozialer Konstruktionen, sondern wir handeln und sprechen auch innerhalb sozialer Konstruktionen, also in sozialkulturellen Prägeformen und Perspektiven. Die Gegenstandsbereiche unserer Wahrnehmungen sind sprachlich vermittelt, und ganz wesentlich von kulturell und sozialen Bildvorstellungen vorstrukturiert. Sozialkonstruktivismus ist das Bestreben, die soziokulturellen Prägeformen unserer Ansicht von der Welt, der Natur und des Menschen freizulegen und bewusst zu machen (vgl. dazu z.B. den sich wandelnden Diskurs über Weiblichkeit bzw. deren Stereotypen).

Charakteristika:

  • Grundlegende Kritik aller essentialistischen Deutungen von Welt, Natur und Mensch, wonach Wort und Sache eins sind. Was als naturgegeben oder gar ewig erscheint, ist Produkt sozialer Prozesse.
  • Tendenz zur Universalisierung der These von der sozialen Konstruiertheit von allem und jedem: totaler Konstrukionsverdacht.
  • Mit dem "totalen Konstruktionsverdacht" ist ein auffälliger Sprachidealismus verknüpft: es existiert nur, worüber gesprochen oder geschrieben worden ist bzw. wird.
  • Die sozialkonstruktivistischen Erkenntnisstrategien rücken die innere Verschränkung von Prozess und Produkt deutlich ins Licht. Der Ausdruck Konstruktion weist sowohl auf den Herstellungsvorgang wie auf das fixierte Resultat hin.
  • Der Gesichtspunkt sozialer Konstruktion bzw. die Einsicht in die historisch- gesellschaftliche Entwicklung von Vorstellungen über die Wirklichkeit, kann ausgedehnt werden bis auf das Problem der Geltung von Tatsachen als Fakten. Folgerichtig sind im Sozialkonstruktivismus auch die wissenschaftlichen Fakten ins Licht sozialer Konstruiertheit gerückt worden.

Sinnfällig Eingang gefunden hat die sozialkonstruktivistische Sprechweise in die Sozialwissenschaften mit einer Publikation von P. Berger und Th. Luckmann: "The Social Construction of Reality"[1] von 1966. Jahre später erst hat diese grundlagentheoretische Studie, die wesentlich von der phänomenologischen Philosophie[2] inspiriert ist, eine breitere Rezeption im deutschsprachigen Raum erfahren.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 4.2
[2] Siehe Kapitel 1.6


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1.6 Phänomenologische Erkenntnisstrategien

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

In den phänomenologischen Erkenntnisstrategien fließen mehrere Denktraditionen zusammen: phänomenologische Bewusstseinsphilosophie, Philosophische Anthropologie[1] sowie pragmatistische Ansätze, wie Symbolischer Interaktionismus[2], verknüpft mit sozialkonstruktivistischen Denkfiguren[3]. Die phänomenologische Bewusstseinsphilosophie bildete sich bald nach 1900 und ist mit dem Namen Edmund Husserl verbunden. Statt mit vorausgesetzten theoretischen Konstrukten zu beginnen, votiert Husserl für eine Rückbesinnung auf die Wahrnehmungsperspektive des einzelmenschlichen Bewusstseins. Den Ansatzpunkt von Wissenschaft bildet demnach das alltägliche Wahrnehmungs- und Erfahrungsfeld des einzelmenschlichen Bewusstseins. Der Blick richtet sich auf die gewöhnlichen Erscheinungsformen der alltäglichen Lebenswelt.

File:Denkensoz-7 1.jpg "Fußballspiel im Stadion"
Foto: Fußballspiel im Stadion. Tina Glindemann, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2008

Charakteristika:

  • Rückbezug auf die moderne Philosophische Anthropologie[4]: Beachtung der Verschränkung menschlicher Natur und gesellschaftlicher Kultur bzw. der Konstitution spezifisch menschlicher Vergesellschaftung.
  • Die soziale Welt / die sozialen Lebenswelten werden von Beginn an als (Deutungs- und Verstehens-)Leistungen der gesellschaftlichen Individuen betrachtet.
  • Menschliches Handeln wird als durch Symbole vermittelte und durch Normen[5] regulierte Lebensäußerungen interpretiert, in Abhebung vom instinkt- und reizgesteuerten animalischen Verhalten[6].
  • Herausarbeitung der Differenz von Naturerkenntnis und Erkenntnis des gesellschaftlichen Lebens. Konstitution von Gesellschaft als spezifisch menschliche Form.
  • Unterscheidung zwischen Naturprozessen und Prozessen der Konstitution von Gesellschaft: der Naturprozess ist schon konstituiert noch ehe der Gesellschaftsprozess in Gang kommt; wohingegen Konstitution und Reproduktion des gesellschaftlichen Lebensprozesses zwar in den Naturprozessen eingründen, aber aus Leistungen der gesellschaftlichen Individuen hervorgehen.
  • Interesse an den Konstitutionsprozessen des Subjekts bzw. der menschlichen Subjektivität. Als handlungszentrierter[7] Ansatz stehen die Bildungsprozesse der Ich- Identität, der personalen und sozialen Identität der Individuen bzw. die Aspekte der Sozialisation im Vordergrund.
  • Thematisieren der Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens im Medium der Alltagspraxis, der Strukturen des Alltagslebens.
  • Zentrierung um die Frage der Konstitutionsprozesse gesellschaftlicher Sinnzusammenhänge. Untersuchung der Formen sinnhafter Lebenswelten unter dem Modell der Intersubjektivität.
  • Tendenz, das gesellschaftliche Leben auf der Ebene der Sinnproduktion, der Interpretationspraxis, d.h. der Dynamik des Denkens und Verstehens zu untersuchen: soziale Welt gleichbedeutend mit unaufhörlich interpretierter Welt. Der Schwerpunkt liegt auf den Prozessen der kulturellen Reproduktion und Typenbildung.
  • Ansetzen an der Beobachtung und zwar an den alltagsweltlichen Beobachtungen des Einzelmenschen. Zugleich wird darauf aufmerksam gemacht, dass die alltagsweltliche Beobachtungsperspektive eingeflochten ist in die alltägliche Lebenswelt, worin die phänomenologischen Beobachtungen getätigt werden: Doppel-Perspektivik (Binnenperspektive des Sozialforschers als Angehöriger einer soziokulturellen Lebenswelt - Außenperspektive des Sozialforschers, wenn er ebendiese Soziale Lebenswelt, in die er eingewoben ist, untersucht).
  • Sozialwelt wird weder nach dem Muster naturgesetzlicher Evolutionsvorstellungen noch nach den Mustern überpersönlich-universell geltender Strukturen oder autopoietischer Systeme interpretiert. Der soziale Lebensprozess und die Strukturen der sozialen Lebenswelt werden als Leistungen der Individuen interpretiert.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 3.1.2
[2] Siehe Kapitel 1.4
[3] Siehe Kapitel 1.5
[4] Siehe Kapitel 3.1.2
[5] Siehe Kapitel 3.1.3
[6] Siehe Kapitel 3.1.1
[7] Siehe Kapitel 3.1.2


Nächstes Kapitel: 1.7 Kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategien


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1.7 Kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategien

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Im Ausgang der 1960er Jahre wächst aus der Kritischen Theorie ("Frankfurter Schule") jene Erkenntnisstrategie hervor, die inzwischen als "Theorie kommunikativen Handelns" Teil der Diskussion über Probleme und Perspektiven moderner Sozialtheorie geworden ist. Die Rekonstruktion von Gesellschaftstheorie aus dem Geiste der Kommunikationstheorie ist mit dem Namen Jürgen Habermas[1] verbunden.

Habermas entwirft seine Kommunikationstheorie als Gesellschaftstheorie in Anknüpfung, aber auch in kritischer Abgrenzung zur Kritischen Theorie, die vor allem mit den Namen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno[2] verbunden ist. Es sind im wesentlichen zwei Abgrenzungspunkte:

  • Habermas hält eine Einfassung der Sozialwissenschaften in Geschichtsphilosophie nicht länger für haltbar;
  • er sieht die Kritische Theorie als gefangen in der alteuropäischen verfassten und vom einzelmenschlichen Bewusstsein ausgehenden Bewusstseinsphilosophie.
Foto: Notizzettel mit Sprechblase. Toddy Kelsch, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2009

Wegen dieser Gefangenschaft setzt Habermas seine kommunikatonstheoretische Grundlegung der Sozialwissenschaften im Bereich der sozialen Interaktion, beim Sprechen in der Perspektive des Social Act an. Beobachtung geschieht in der Individualperspektive. Dagegen konstituiert Sprechen die Interaktionsperspektive. In den Sprechakten öffnet sich nicht nur buchstäblich die Perspektive zur Öffentlichkeit; aus den Sprechakten geht zugleich der Aufbau der inneren, der subjektiven Welt hervor. Sprechen auf dem Weg zum Social Act ist demnach Quellbereich sowohl der Konstitution von Sozialität wie von Subjektivität, Innenwelt.

Zentral für die "Theorie des kommunikativen Handelns"[3] sind:

  • der Zusammenhang zwischen Handeln und Rationalität;
  • das Spannungsverhältnis zwischen Systemrationalität und kommunikativer Rationalität, d.h. zwischen systemischer Welt und Lebenswelt.

Habermas' "Theorie des kommunikativen Handelns" ist sowohl handlungs- wie systemtheoretisch angesetzt. Dies in gesellschaftskritischer Absicht, insofern Habermas seine Sozialtheorie an die Aufklärungsidee des verantwortlich handelnden Subjekts anschließt. Vor diesem Hintergrund entwickelt Habermas seine Konzeption des "praktischen" und "theoretischen Diskurses". Mit einer der Philosophischen Anthropologie[4] entlehnten Grundfigur zur Unterscheidung von Verhalten[5] und Handeln[6] pointiert Habermas seine Denkfigur des zurechnungsfähigen Subjekts:

"Ein tierischer Organismus kann nicht in demselben Sinn für sein Verhalten verantwortlich gemacht werden wie ein sprach- und erkenntnisfähiges Subjekt für seine Handlungen."

Um die Eigenart des Sozialen[7] zu präzisieren, ist in der "Theorie des kommunikativen Handelns" ausführlich eine Typologie des menschlichen Handelns dargelegt, die drei Grundtypen von menschlichem Handeln bezeichnet: Instrumentelles Handeln, Strategisches Handeln, Kommunikatives Handeln. In der gesellschaftlichen Wirklichkeit können die Handlungstypen sowohl zusammen auftreten als auch nacheinander.

Die "Theorie kommunikativen Handelns" ist fokussiert auf die Sphäre der Interaktion, d.h. auf die sozialkulturelle Reproduktion der Gesellschaft. Die kommunikationstheoretische Erkenntnisstrategie in den Sozialwissenschaften legt, wie Habermas es formuliert, den "vernünftigen Gehalt anthropologisch tiefsitzender Strukturen" frei und zerreißt nicht die Verschränkung von Natur und Kultur.

Verweise:

[1] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/habermas/21bio.htm
[2] Siehe Kapitel 4.2
[3] Siehe Kapitel 4.2
[4] Siehe Kapitel 3.1.2
[5] Siehe Kapitel 3.1.1
[6] Siehe Kapitel 3.1.2
[7] Siehe Kapitel 2.3


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2 Die Eigenart der Sozialwissenschaften im Lichte des Dualismus von Natur- und Geisteswissenschaften

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Die Sozialwissenschaften sind weder auf das objektivistische Modell[1] der Naturwissenschaften zu vereidigen, noch an die Tradition der Geisteswissenschaften zu binden oder an den Erkenntnisinteressen der Geschichtswissenschaften zu orientieren. Der Eigenart des Sozialen[2] entsprechen werde Natur-, noch Geistes-, noch Geschichtswissenschaften:

  • Gegenüber den Naturwissenschaften[3] ist die Eigenart symbolisch vermittelten Charakters des sozialen Handelns und der kulturellen Lebensformen zu betonen.
  • Gegenüber den Geisteswissenschaften[4] ist die Eigenart der sozialen Zwänge und Determinanten der durch die gesellschaftliche Arbeit vermittelten materiallen Reproduktion des menschlichen Lebens zu betonen.
  • Gegenüber den Geschichtswissenschaften[5] ist die Eigenart durchschnittsindividueller Normalität erzeugender gesellschaftlicher Strukturbildungen und Strukturwandlungen zu betonen.

Bis heute existiert in den Sozialwissenschaften ein Streit über die primär erforderliche sozialwissenschaftliche Methodik:

Ist der Modus der Erklärung oder der des Verstehens[6] die angemessene Herangehensweise an sozialwissenschaftliche Gegenstandsbereiche?

Grundlegend kann hier festgehalten werden: Die Entscheidung für einen der beiden Prototypen sozialwissenschaftlicher Verfahrensweise hängt entscheidend davon ab, wie der Gegenstand der Sozialwissenschaften - die Eigenart des Sozialen - betrachtet, gedanklich gefasst und entsprechend in den Sozialtheorien konzeptualisiert wird.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 1.1
[2] Siehe Kapitel 2.3

[3] Siehe Kapitel 2.3.1
[4] Siehe Kapitel 2.2
[5] Siehe Kapitel 2.3.2
[6] Siehe Kapitel 2.1

Inhaltsverzeichnis

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

1 Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften
3 Sozialwissenschaftliche Terminologie - Exempla
4 Literatur


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2.1 "Erklären" vs. "Verstehen"

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

File:Denkensoz-10 1.jpg "Notizbuch"
Foto: Notizbuch. stock.xchng, [www.sxc.hu](http://www.sxc.hu), 2009

Hier soll dafür plädiert werden, die Sozialwissenschaften nicht auf den Gegensatz (quasi- naturwissenschaftlicher) Erkenntnismodus "Erklären" und (quasi- geisteswissenschaftlicher) Erkenntnismodus "Verstehen" festzunageln.

Im Kontext des tradierten Gegensatzes zwischen Erklären und Verstehen ist der Begriff "Hermeneutik" zu behandeln. Hermeneutik ist weniger eine Methode als eine Kunst des Interpretierens: ein Verfahren der sinnverstehenden Auf- und Erschließung von Sprechakten, Texten und Kunstwerken. Hermeneutik gilt als Königsverfahren der Geisteswissenschaften. Diesen geht es um die Auslegung der Bedeutungsschichten sinninnervierter Objektivationen des menschlichen Geistes. Heute stößt man im Kontext von "Content Analysis", Inhaltsanalyse, "interpretativen Sozialwissenschaften" oder "qualitativen Methoden" auf hermeneutische Verfahren.

Hermeneutische Verfahren sind gebunden an den artifiziellen Charakters menschlicher Vergesellschaftung, d.h. daran, dass soziale Interaktionen stets symbolisch vermittelt sind. Dinge, Formen, Verhalten, Interaktionen sind nicht nur einfach gegeben, sondern es kommt ihnen eine Bedeutung zu. Hermeneutische Verfahren sind zentriert im Verständnis von Sinngehalten. Favorisierter Erkenntnismodus: Verstehen.

Der Hermeneutik wohnen zwei ineinander verschränkte Vorgänge ein: Verstehen und Deuten in einem Zug. Indem wir etwas verstehen, deuten wir es (z.B. das religiöse Kreuz, einen Gruß, ein Schriftbild).

Hermeneutisch orientierte Sozialwissenschaften legen Wert auf den Unterschied zwischen reizgebundenem Verhalten[1] und sinnvermitteltem, an Symbolen und Bedeutungen orientiertem Handeln[2].

Natur ist schon konstituiert, ehe sie von menschlicher Praxis als Gegenstand behandelt wird. Die Ansicht von Natur als Objekt menschlicher Bearbeitung und Betrachtung ist vermittelt über die Zuweisung kultureller Bedeutungen an Erscheinungen und Vorgängen in der Natur, wodurch diese symbolischen Charakter annimmt. Insofern als sie mit Zeichen, Zahlen und Sprache operieren, haben auch die Naturwissenschaften teil an der symbolischen Bedeutungswelt. Die naturwissenschaftlichen Probleme und Fragen werden nicht vom Naturobjekt formuliert, sondern von Menschen gestellt.

Alle Wahrnehmung, sowohl die sozial- wie die naturwissenschaftliche, ist deutende Projektion: Wer etwas auslegt (so Nietzsche), legt etwas hinein, auch sich bzw. von sich selbst. Ob etwas, das wahrgenommen wird, auch wahr ist, können erst die systematisch-methodische Kontrolle und der wissenschaftliche Diskurs erweisen; etwa das Experiment. Erklären heißt, Zusammenhänge von Wahrnehmungen feststellen und unter bestimmten Gesichtspunkten prüfen, gegebenenfalls seine Wahrnehmung korrigieren.

Ist nun die naturwissenschaftliche Erklärung etwas ganz anderes als das sozialwissenschaftliche Verstehen:

Ja, weil sich die naturwissenschaftliche Erklärung auf sinnfremde bzw. sinnneutrale Gegenstandsbereiche bezieht.

Nein, weil es auch der sozialwissenschaftlichen Deutung von sprach-, sinn- und symbolvermittelten Gegenstandsbereichen um Erklärung geht.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 3.1.1
[2] Siehe Kapitel 3.1.2


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2.2 Natur- vs. Geisteswissenschaften

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Im Laufe des 19. Jahrhunderts hat sich in den Wissenschaftskulturen folgende Polarität herausgebildet:

Hier die triumphalischen, erfolgreichen, das Gesicht der Welt tief hinein prägenden Naturwissenschaften im Wirkungsdreieck von Industrie - Technik - Wirtschaft.

Dort die in wissenschaftliche Enklaven zurückgedrängten, ebenso gekränkten wie elitären Geisteswissenschaften.

Zwischen Natur- und Geisteswissenschaften hat sich seither ein tiefer Graben aufgetan.

Die Gegenüberstellung von Natur- und Geisteswissenschaften ist im deutschsprachigen Raum mit den Namen Wilhelm Windelband und Heinrich Rickert verbunden. Windelband zufolge handelt es sich im Falle der Geistes- und der Naturwissenschaften um grundsätzlich verschiedene Typen der Erkenntnisproduktion:

Naturwissenschaften werden dem nomothetischen Wissenschaftstyp zugeordnet; d.h. hier gehe es um die Gewinnung allgemeiner Gesetze, Gesetzmäßigkeiten - kurz: die Erforschung von Naturgesetzen. Erkenntisfigur: Erklären[1].

Geisteswissenschaften werden dem ideographischen Wissenschaftstyp zugeordnet; d.h. hier gehe es vor allem um die individualisierende Beschreibung von Ereignis- und Geistesgeschehen. Erkenntnisfigur: Verstehen[2].

Heinrich Rickert[3] hat um 1900 diesen Dualismus modifiziert, indem er den Begriff des Geistes zu dem der Kultur erweitert hat: "Die Worte Natur und Kultur sind nicht eindeutig."

Merklich ist die Verschiebung der Terminologie von Geistes- zu den umfassenderen Kulturwissenschaften.

Rickert: "es gibt für die Wissenschaft einerseits Objekte, die wie die Kultur eine Bedeutung oder einen Sinn haben, und die wir um dieser Bedeutung und dieses Sinnes willen verstehen, und es gibt andererseits Objekte, die wie die Natur uns als völlig sinn- und bedeutungsfrei gelten und von daher unverständlich bleiben."

vgl. dazu auch Max Weber[4]'s Verstehende Kulturwissenschaft bzw. Verstehende Soziologie (Weber 1988: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre[5]).

Entlang der Unterscheidung von Natur- und Kulturwissenschaften hat sich eine Reihe kulturwissenschaftlicher Paradigmen herausgebildet, die bis in die Gegenwart hinein virulent sind. Beispielsweise schreibt Ernst Cassirer[6] den Dualismus von Kulturwissenschaften und Naturwissenschaften fort, ohne sie allerdings zu Antipoden zu stilisieren; vielmehr ist er darum bemüht, für die Wissenschaften vom Menschen nach Vermittlungen zu suchen. "Kultur[7]" wird von Cassirer als die vom Menschen gestaltete Welt gefasst und definiert. Damit rücken Handlung und Formgebung ins Zentrum; Natur und Kultur werden nicht als absolutes Gegensatzpaar aufgefasst, sondern stehen in einem wechselseitigen Fundierungsverhältnis: "Alles ist Natur - alles ist Kultur."

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 2.1
[2] Siehe Kapitel 2.1
[3] Siehe Kapitel 4.2
[4] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm
[5] Siehe Kapitel 4.2
[6] Siehe Kapitel 4.2
[7] Siehe Kapitel 3.2.2


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2.3 Eigenart des Sozialen

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Die Eigenart des Sozialen verlangt Sozialwissenschaften. Dabei können sozialwissenschaftliche Denkansätze näher an den Pol der Naturerklärung[1] oder näher an den Pol des Geistverstehens[2] heranrücken. Aber letztendlich sind Sozialwissenschaften weder Natur- noch Geisteswissenschaften[3].

Die Eigenart des Sozialenbezieht sich auf:

  • Die Eigenart des menschlichen Handelns als sozialem Handeln, d.h. in Interaktionen und Symbolische Strukturen eingelagert.
  • Die Eigenart der Verfestigung des Sozialen, der menschlichen Lebenswelt in Strukturen[4] und Prozessformen.
  • Die Besonderheit des Verhältnisses der Sozialwissenschaften zu ihrem Gegenstandsbereich (der menschlichen Vergesellschaftung), in den sie konstitutiv verflochten sind.
  • Sozialwissenschaften haben es nicht mit Naturgesetzen im engen Sinn zu tun, wenn mit Naturgesetz gemeint ist, dass die Prozessabläufe keine Alternativenzulassen, sich auch ohne praktisches Zutun der Menschen vollziehen.
  • Wenn Sozialwissenschaften es auch nicht mit Naturgesetzen zu tun haben, so sind sie doch mit Gleichförmigkeiten konfrontiert, mögen diese Gleichförmigkeiten in der Perspektive der Suche nach sozialen Gesetzmäßigkeiten, Strukturgesetzen oder Entwicklungstendenzen beleuchtet und entsprechend so benannt werden. Die Sozialwissenschaften haben es nicht nur mit regelmäßigem Verhalten zu tun, sondern mit einem von sozialen Regeln, Normen[5] geleiteten regelmäßigen Verhalten[6] und Handeln[7], häufig verdichtet in Symbolisierungen.
  • Verletzung einer naturwissenschaftlich-empirisch fundierten technischen Regelim Bereich des instrumentellen Handelns ist per se zum Scheitern, d.h. zum Misserfolg verurteilt. Demgegenüber wird die Verletzung einer sozialen Regel, d.h. die Abweichung von einer geltenden sozialen Norm durch Sanktionen geahndet, die nicht in Naturgesetzen verankert sind, sondern durch Konventionen (soziale Normen) geregelt werden.
  • Es kennzeichnet die Eigenart des Sozialen (die menschliche Vergesellschaftung), dass auch ihr Strukturen, Prozessverläufe und Zwänge einwohnen. Die Menschen sind nicht nur mit der Objektivität der Naturprozesse und deren Gesetzmäßigkeiten konfrontiert, sondern auch mit dem (stummen) Zwang gesellschaftlicher, normativ strukturierter Verhältnisse.
  • Allerdings sind die sozialen Prozess-strukturen im Unterschied zu denen der außermenschlichen Natur Resultat menschlichen Handelns - bzw. Unterlassens. Ihnen wohnt das Potential der Veränderung ein. Zu beachten ist das Potential der Abweichung, die Möglichkeit der Veränderung und Einleitung von sozialem Wandel[8].

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 2.1
[2] Siehe Kapitel 2.1
[3] Siehe Kapitel 2.2
[4] Siehe Kapitel 3.3.1
[5] Siehe Kapitel 3.1.3
[6] Siehe Kapitel 3.1.1
[7] Siehe Kapitel 3.1.2
[8] Siehe Kapitel 3.5.2

Inhalt

2.3.1 Sozialwissenschaften vs. Naturwissenschaften

File:Denkensoz-13 1.jpg "Atommodell"
Foto: Atommodell (deutsches Museum München). Anika Möbus, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2007
  • Naturwissenschaften haben es weitgehend mit symbolfreien Gegenstandsbereichen zu tun.
  • Naturwissenschaften als Theorie und organisierter Betrieb sind ein menschliches Artificium, d.h. sie gehören der Sozialwelt an. Ihr Gegenüber aber, die symbolfreie bereits konstituierte Natur, ist kein menschliches Artificium; wohl aber wird die Natur durch Praxis, Technik und Wissenschaft in die Sozialwelt hereingezogen.
  • Naturprozesse und Naturgesetze laufen auch dann ab, wenn sie nicht naturwissenschaftlich formuliert sind. Die Natur existiert unabhängig vom Menschen.
  • Die Physis und der nichtmenschliche Bios (inkl. Pflanzen und Tier) können nicht für sich selbst sprechen; vielmehr müssen die Naturwissenschaften Physis und den nichtsprechenden Bios (die Natur) mit Hilfe von Beschreibungen und Interpretationen, im Wege von Intervention und Manipulation erst zum Sprechen bringen.
  • Während die außermenschliche Natur sich nicht selbst interpretiert, treffen die Sozialwissenschaften auf einen anders georteten Gegenstandsbereich: die menschliche Vergesellschaftung, das soziale und kulturelle Leben. Dieses ist immer schon durchsetzt von Interpretationen. Gesellschaftliche Interpretationen von Natur und Welt verweisen die Sozialwissenschaften darauf, dass, wenn sie interpretieren, sie immer schon auf eine alltagsweltlich interpretierte Welt stoßen.


2.3.2 Sozialwissenschaften vs. Geschichtswissenschaften

Foto: Nationalbibliothek Wien. Louisa Manz, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2007
  • Sozialwissenschaften richten ihr Augenmerk auf Erwartungs- und Ereignisfahrpläne, d.h. Gleichförmigkeiten, Regelmäßigkeiten, Regelwerke und die erwarteten Ereignisfolgen. Orientierungspunkt sind Strukturen[1] des Handelns und der Lebenswelt.
  • Geschichtswissenschaften setzen historiographisch an, d.h. sie richten ihre Interesse auf die Chronik der Ereignisse. Orientierungspunkt sind Situationen und Personen des Handelns.
  • Innerhalb der Sozialwissenschaften gibt es Ansätze, die sich auf eine Kooperation mit geschichtswissenschaftlichen Disziplinen zubewegen. So hat sich in der Soziologie die ältere historiographische Biographik in eine soziobiographische Forschungsrichtung umgewandelt.
  • Umgekehrt gibt es in den Geschichtswissenschaften Forschungsschwerpunkte, die auf eine Verschränkung mit sozialwissenschaftlichen Forschungsperspektiven hin ausgelegt sind.Die Eigenart des Sozialen bewegt sich zwischen den Momenten Kultur[2] und Natur, Praxis und Struktur[3], Geschichte und sozialer Statik und verlangt differenzierte Konzeptualisierungen.
  • Es lässt sich eine Verwandtschaft konstatieren zwischen geisteswissenschaftlich orientierter Sinngeschichte innerhalb der Geschichtswissenschaften und den mit biologisch- informationstheoretischen Modellen operierenden, objektivistisch- evolutionsparadigmatischen Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften, einschließlich der neueren Systemtheorie. (Auch wenn beide Seiten diese Verwandtschaft in der Denkweise vielleicht mit Entrüstung von sich weisen würden.)
  • Sozialwissenschaften, die sich der Eigenart des Sozialen[4] - der menschlichen Vergesellschaftung - im Medium von geschichtlicher Praxis und Kommunikation, widmen, sind gut beraten, sich gegenüber jeder Teleologie, d.h. Lehre von der inneren Zielgerichtetheit und Zielstrebigkeit der Evolution, agnostisch zu verhalten.
  • Sozialwissenschaften haben es immer auch mit Selbstaufklärung über menschliche Vergesellschaftung zu tun.
  • Sozialwissenschaften haben es mit Feldern (um einen Ausdruck von Pierre Bourdieu[5] zu verwenden), mit Kräftefeldern zu tun: mit sozialem Handeln und mit gesellschaftlichen Konstellationen und Entwicklungstendenzen, worin dieses Handeln statthat.
  • Sozialwissenschaften haben es ebenso mit Gleichförmigkeiten und Regelmäßigkeiten, Strukturen[1] und Prozessverläufen zu tun wie mit Spannungsfeldern, erzeugt von sozialen Kräften. Handeln und Norm[6] erscheinen deshalb als geeignete Schlüssel- und Einstiegsbegriffe zur Konturierung der Grundlagen der Sozialwissenschaften.
  • Sozialwissenschaften haben es, wie alle Wissenschaften, mit Regelmäßigkeiten und Gleichförmigkeiten zu tun - aber von spezifischer Natur: diese gehen stets hervor aus der gesellschaftlichen Praxis der Menschen.
  • Der Eigenart des Sozialen inne zu werden, ist es ratsam, die Philosophische Anthropologie heranzuziehen, der Bereich der Humanwissenschaften, wo sich Natur-, Geschichts- und Sozialwissenschaften verschränken und wo der Mensch in seiner Verschränkung als geschichtliches Natur- und Kulturwesen thematisiert wird.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 3.3.1
[2] Siehe Kapitel 3.2.2
[3] Siehe Kapitel 3.3.1
[4] Siehe Kapitel 2.3
[5] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/bourdieu/06bio.htm
[6] Siehe Kapitel 3.1


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3 Sozialwissenschaftliche Terminologie - Exempla

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

"Definierbar ist nur, was keine Geschichte hat" - Nietzsche, Zur Genealogie der Moral

Mit Hilfe der "Sozialwissenschaftlichen Terminologie" soll in das Feld der Begrifflichkeiten eingeführt werden, die das sozialwissenschaftliche Denken fundieren und justieren. Es handelt sich um Termini, die zugleich Titel für wesentliche, tiefgreifende Problemlagen in den Sozialwissenschaften bilden. Es geht dabei nicht um die letztgültige Fixierung von wissenschaftlichen Fachausdrücken. Die hier präsentierte Auswahl an co-reflexiven Begriffspaaren aus der Sozialwissenschaft ist fraglos selektiver Natur.

Literaturangaben[1] zur Untermauerung der Termini.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 4.2

Inhaltsverzeichnis

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

1 Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften
2 Die Eigenart der Sozialwissenschaften im Lichte des Dualismus von Natur- und Geisteswissenschaften
4 Literatur


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3.1 Handeln und Norm

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Foto: Zuschauereffekt. Iwan Beijes, [www.sxc.hu](http://www.sxc.hu), 2007

Von Aristoteles über Hegel bis zu Max Weber[1] und Hannah Arendt[2] ist das menschliche Lebewesen anthropologisch-philosophisch in den Mittelpunkt der Wissenschaften vom Sozialen und Politischen gestellt worden. Dort wird es in mehrfacher Hinsicht grundbestimmt:

  • Der Mensch ist ein handelndes Wesen.
  • Handeln wird als motiviertes Verhalten interpretiert (Motiv: Beweggrund)
  • Das Modell des (motivierten) Handelns ist nach dem Muster des teleologischen Handelns (Telos: Ziel, Zweck) gebildet. Teleologisches Handeln meint: der Aktor verwirklicht seinen Zweck, das antizipierte Ziel eines erwünschten Zustands, indem er in einer jeweils gegebenen Situation erfolgsversprechende Mittel auswählt und in geeigneter Art und Weise anwendet.
  • Das teleologische Handlungsmodell gilt unter der Voraussetzung, dass das menschliche Lebewesen zurechnungsfähig, d.h. zum handlungsfähigen Subjekt sozialisiert ist.
  • Der Mensch ist ein zoon politikon, ein politisches Lebewesen, das durch die Teilhabe an der Polis, der öffentlichen Sozialität, in den Status des Menschen erhoben ist.

Bei der Beschäftigung mit der menschlichen Natur lassen sich zwei Orientierungen ausmachen:

  • eine eher verhaltenstheoretische Fundierung[3] der Sozialwissenschaften
  • eine eher handlungstheoretische Fundierung[4] der Sozialwissenschaften.

Verweise:

[1] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm
[2] Siehe Kapitel 4.2
[3] Siehe Kapitel 3.1.1
[4] Siehe Kapitel 3.1.2

Inhalt

3.1.1 Verhalten - Zur verhaltenstheoretischen Konzeptualisierung der Sozialwissenschaften

  • Für verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften erscheint der Mensch als tierverwandtes animal. Dabei wird der Modus des Verhaltens primär als Reaktion verstanden. Es dominiert eine deterministische Sicht des Verhaltens über eine subjektzentrierte Sicht des Handelns.
  • Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften sind am objektivistischen Wissenschaftsideal[1] exakter Naturwissenschaften[2] experimentellen Zuschnitts orientiert.
  • Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften sind bemüht, immer-und-überall geltende Invarianten des menschlichen Verhaltens herauszustellen.
  • Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften tendieren dazu, von Grundannahmen einer von Geschichte und sozialem Raum unabhängigen menschlichen Natur auszugehen.
  • Die Frage nach der Beschaffenheit der menschlichen Natur wird aus den Sozialwissenschaften ausgelagert. Die Bestimmung der Parameter der menschlichen Natur wird aus anderen Wissenschaftsdisziplinen importiert (etwa psychologischen Lerntheorien oder Neuro-Wissenschaften).
  • Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften tendieren dazu, den Subjektcharakter des menschlichen Lebewesens zugunsten naturdeterministischer Anschauungen gering anzusetzen.
  • Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften zielen auf allgemeine, in der menschlichen Natur verankerte Gesetzmäßigkeiten.
  • Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften tendieren zu einem "methodologischen Individualismus". Die Basis- und Beobachungseinheit bildet das individuelle Verhalten, woraus schließlich Theorien sozialer Gesetzmäßigkeiten menschlichen Verhaltens abgeleitet werden.
  • Dem "methodologischen Individualismus" ist eine Tendenz zum Reduktionismus eigen: Reduktion des menschlichen Verhaltensrepertoires auf eine naturale Bestimmungsbasis; zum anderen Reduktion auf das individuelle Verhalten als zentrale Einheit.
  • Verhaltenstheoretischer Sozialwissenschaften weisen auf deterministische Konzeptualisierungen, was nicht zuletzt sinnfällig wird in der Bevorzugung des Begriffs Verhalten gegenüber Handeln.
  • Dem entspricht die merkliche Vorliebe für experimentell gewonnene Beobachtungsdaten (nach naturwissenschaftlichem Leit- und Vorbild[3]).
  • Verhaltenstheoretische Sozialwissenschaften fügen sich in lineare Evolutionstheorien ein. In ihren Konzeptionen des Sozialen wird weniger die Eigenart des Sozialen[4] akzentuiert als das natural-evolutionäre Kontinuum zwischen tierischem und menschlichen Verhalten zugrundegelegt.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 1.1
[2] Siehe Kapitel 2
[3] Siehe Kapitel 2.3.1
[4] Siehe Kapitel 2.3


3.1.2 Handeln - Philosophische Anthropologie als Fundierung handlungstheoretischer Sozialwissenschaften

Handlungstheoretische Denkweisen rekurrieren auf eine philosophisch untermauerte Anthropologie, wobei der Akzent hier weniger auf der biologischen Anthropologie als auf der Sozial- und Kulturanthropologie liegt. Um ein Grundverständnis für die handlungstheoretische Fundierung der Sozialwissenschaften und hierüber ein Verständnis für die Eigenart des menschlichen Handelns bzw. für die Eigenart des Sozialen[1] zu gewinnen, soll auf wesentliche Denkansätze zurückgegriffen werden, wie sie im Werk von Arnold Gehlen[2] und Helmuth Plessner[3] niedergelegt sind. (Aus wissenschaftspolitischen Gründen heraus wird Gehlens Werk eher verschämt zitiert; wohingegen das Werk Plessners heute eine Art Renaissance erfährt.)

Differenz zwischen Gehlen und Plessner:

  • In Gehlens Anthropologie ist der Schwerpunkt des Erkenntnisinteresses auf die Seite der Norm (bzw. Institution[4]) - der sozialen Normierung des menschlich- zwischenmenschlichen Verhaltens - gelegt, ohne den Aspekt der Spontanität menschlichen Handelns zu vernachlässigen: domestikatorischer Akzent.
  • In Plessners Anthropologie liegt der Schwerpunkt stärker auf der Seite des Handelns, des menschlichen Handlungspotenzials bzw. der menschlichen Handlungsmacht: emanzipatorischer Grundimpuls.

Generalthesen der Philosophischen Anthropologie:

Wo beim Tier Verhalten und Umweltverhältnis wesentlich vom Instinktprogramm reguliert werden, tritt beim Menschen die soziale Norm in Kraft. Das Tier ist in seine artspezifische Umwelt eingepasst. Der Mensch ist gezwungen und in der Lage, seine Welt(en) zu erzeugen und umzuschaffen. Der philosophisch-anthropologisch unterbaute sozialwissenschaftliche Welt-Begriff ist außerbiologischer Natur. Durch tätige Konstitution seiner Welt(en), im Zuge kulturspezifisch-variationsreicher sozialer Normierung seiner Verhaltensweisen und Handlungskreise, seiner Beziehungen und Verkehrsabläufe, erzeugt der Mensch seine innere Natur. Die Zweite Natur (Kultur)[5] ist durch eine Doppelaspektivität charakterisiert: die Verschränkung von äußerer Sozial- und Kulturwelt einerseits und Herausbildung von Innenwelt andererseits.

Zentrale Gesichtspunkte:

  • Der Mensch erscheint als biologisches Sonderproblem, das bereits im Ansatz den Einschluss einer sozial- und kulturwissenschaftlichen Perspektive nahelegt.
  • Der Mensch ist das nicht festgestellte Tier (vgl. Nietzsche). Er ist zum Handeln genötigt und muss den sinnhaften Aufbau seiner Welt leisten.
  • Der Mensch kann - im Gegenlicht der Instinktdeterminiertheit und Spezialisiertheit des Tieres - als Mängelwesen beschrieben werden. Allerdings darf der Mangel an Instinktsicherheit und artspezifischer Spezialisierung nicht gleich gesetzt werden mit Schwäche bzw. Evolutionsnachteilen.
  • Der Mensch ist ein Möglichkeitswesen. Die vitale Einschränkung aufgrund mangelnder Instinktsicherheit und fehlender Spezialisiertheit erweist sich als Vorteil: sein Feld ist die Welt und nicht eine artspezifische Umwelt.
  • Im Unterschied zur tierischen Festgelegtheit auf eine spezifische Umwelt ist der Mensch durch Weltoffenheit charakterisiert und verfügt über die Fähigkeit, seine gegebenen Bedingungen zu überschreiten.
  • Instinktreduktion, Unspezialisiertheit und Weltoffenheit zwingen den Menschen zur permanenten Erzeugung seiner Lebensbedingungen und Lebensmöglichkeiten.
  • Der Mensch lebt nicht nur, er muss sein Leben führen: Lebensführung im Medium sozialer Praxis (Handeln) und sozialer Ordnung (Norm[6]) sowie Interaktion und Kommunikation[7] ermöglichender und garantierender Symbolwelten.
  • Führung des Lebens beinhaltet Aufbau und Ausbau beweglicher Handlungsfähigkeit entsprechend dem offenen Welthorizont, (reflexive) Bearbeitung und Organisation seiner Triebpotentiale zu Handlungsantrieben (Motive), sowie lebenslanges Lernen.
  • Der Mensch erscheint als ein Wesen, das in überaus langen Fristen und verwickelten Prozessen Sozialisation und Ich-Bildung durchlaufen muss, um seine kulturelle und soziale Handlungsfähigkeit zu erwerben.
  • Der Mensch ist ein Grenzen setzendes und Grenzen überschreitendes Wesen: er verfügt über das Vermögen zur Transzendenz. Als gesetzte Grenzen sind diese Grenzen Schwellen.
  • Der Mensch ist ein riskantes Wesen. Auch der Mensch ist in der objektiven Welt - der Natur - Gefahren und Risiken ausgesetzt, mitunter selbstprodzierten Naturkatastrophen.
  • Den Menschen zeichnet die Fähigkeit zur Imagination aus, die den Schlüssel für Planung im Zusammenhang von Phantasie und Probehandeln bilden.
  • Der Mensch ist ein selbstthematisches Wesen. In Welt-, Menschen- und Selbstbildern ortet und ordnet er seine Stellung im Kosmos.
  • Der Mensch ist ein "die Tierheit hinter sich lassendes Tier" ohne je die Naturbasis, das Animalische verlassen zu können. Der Mensch lässt seine Tierheit hinter und unter sich, indem er gezwungen ist, sein Leben zu führen, sich eine Zweite Natur[8] zu schaffen.
  • Trotz funktionierender Naturbeherrschung bleiben der Mensch und seine Welt an die Natur zurückgebunden. Weltoffenheit kann dem Menschen daher nicht ohne jede Einschränkung zugesprochen werden.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 2.3

[2] Siehe Kapitel 4.1
[3] Siehe Kapitel 4.2
[4] Siehe Kapitel 3.2.1
[5] Siehe Kapitel 3.2.2
[6] Siehe Kapitel 3.1.3
[7] Siehe Kapitel 1.7
[8] Siehe Kapitel 3.2.2


3.1.3 Norm

Charakteristika menschlicher Normregulierung:

  • Soziale Normen sind auf Dauer gestellt und können von Einzelnen nicht beliebig außer Kraft gesetzt werden.
  • Die soziale Normierung des menschlichen Lebens weist eine uferlose Variabilität auf.
  • Soziale Normen regeln Interaktionen in Gestalt von Verpflichtungen und Berechtigungen.
  • Soziale Normen sind übertretbar und suspendierbar (Normen können zeitweilig außer Kraft gesetzt werden: z.B. politischer Ausnahmezustand; bestehende Normen können auf Dauer, für immer außer Geltung gesetzt werden: Normwandel[1], Entstehung und Bildung neuer Normen).
  • Soziale Normen sind durch Sanktionen (Diskriminierung, Missachtung u.ä.) gestützt. Die Geltungskraft sozialer Normen kann an dem Grad faktischer Sanktionen abgelesen werden.
  • Einen Sonderfall der Abweichung oder Devianz stellt der Skandal dar. Der Skandal und die Folgen können als Indikator für die Geltungskraft einer Norm interpretiert werden.
  • Einen Spezialfall sozialer Normen stellen Rechtsnormen dar.
  • Soziale Normen können in Spannung zueinander stehen. Normenkonflikte treten dort auf, wo konkurrierende Ansprüche an das soziale Verhalten und Handeln gestellt werden (z.B. religiöse Asylpflicht in Konflikt mit staatlichem Asylrecht).
  • Im Zuge der sozialen Weitergabe (Sozialisation) werden soziale Normen habitualisiert und internalisiert.
  • Soziale Ordnung ist nur möglich, wenn auf die intersubjektive Geltung sozialer Normen vertraut werden kann (Erwartungs- und Ereignisfahrplan).
  • Paniksituationen oder Extremereignisse stellen Grenzfälle der Geltung normativ geregelter Interaktionen dar: normative Regelung von Ausnahmesituationen ("Katastrophenfall").
  • Soziale Normen regulieren das zwischenmenschliche Verhalten und entlasten es von chronischen Augenblicksimprovisationen (vgl. dazu auch den Terminus Institution[2]).
  • Soziale Normen sorgen für faktische Typisierungen von Verpflichtungen bzw. Berechtigungen.
  • Jede Gesellschaft kennt unterschiedliche Geltungsbereiche für Normen: Allgemeine Normen (die für alle Mitglieder gelten) und Partikulare Normen (die nur für Teilkategorien von Personen gelten).
  • Soziale Normen begrenzen die individuelle Bewegungsfreiheit und ermöglichen zugleich den Handlungsspielraum der Menschen.
  • Soziale Normgefüge zeugen von der Wirklichkeit im Sinne von Wirksamkeit von Gesellschaft.
  • Der Grad der Verbindlichkeit sozialer Normierung kann beschrieben werden als Abstufung zwischen Kann-, Soll- und Muss-Vorschriften.
  • Der Grad der Verbindlichkeit sozialer Normierung kann weiters beschrieben werden als Modalität positiver bzw. negatorischer Normregulierung: Gebot und Verbot.
  • Interaktionen steuernde und regelnde soziale Normen sind zurückgebunden an Werte und Interessen.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 3.5.2
[2] Siehe Kapitel 3.2.1


Nächstes Kapitel: 3.2 Institution und Kultur


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3.2 Institution und Kultur

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Der Terminus Institution umfasst sowohl den Aspekt des zuständlichen Resultats, der verfestigten Struktur sowie den des Prozesses. Zur unterscheidenden Verdeutlichung wird hier der Aspekt der Prozesshaftigkeit mit dem Terminus Institutionalisierung bezeichnet, der der strukturellen Verfestigung mit dem der Institution.

Das Problem der Institutionen ist im Lichte der Doppelfrage zu verhandeln:

Wie ist gesellschaftliches Leben möglich?

Wie ist soziale und kulturelle Ordnung möglich?

Der Terminus Kultur hat sich sowohl in der Alltags- wie in der wissenschaftlichen Kommunikation zu einer Art "Allerweltsbezeichnung" entwickelt. In der sozialwissenschaftlichen Perspektive erscheint es sinnvoll, den Begriff als Differenz- und Komplementärbegriff zu dem der Natur zu pointieren.

Inhalt

3.2.1 Institution

Institutionals sozialwissenschaftlicher Terminus:

Unter einer Institution ist ein Aggregat von Normen zu verstehen. Soziale Institutionen sind zu unterscheiden von den faktischen sozialen Interaktionen.

Institutionen regulieren die sozialen Interaktionen zwischen Menschen, die in bestimmte Positionen gestellt sind (soziale Position), denen ein bestimmter Status beigemessen wird (sozialer Status) und mit denen bestimmte Pflichten und Rechte verknüpft sind (soziale Rolle).

Institutionen verleihen als strukturierte Aggregate Stabilität und Ordnung für Gesellschaften und bilden den Rahmen des gesellschaftlichen Lebens.

Institutionen (Norm-Aggregate) sind in der sozialen Lebenswelt bezogen auf empirische Assoziationen von Menschen, d.h. auf Vereinigungen, Zusammenschlüsse gesellschaftlicher Individuen. Schlüssel-Institutionen: u.a. Familie, Ehe, Nachbarschaft.

Beispiel: Familie als soziale Institution: Positionsbeschreibungen, Statusbeschreibungen und Rollenbeschreibungen für Vater, Kind(er) oder sonstige Verwandte, d.h. Norm-Aggregate zur Regulierung der Beziehungen zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Geschwistern.

Institutionen können zu Organisationen formalisiert sein, bis zur rechtlichen Fixierung (Verrechtlichung) von Institutionen ("Betrieb", "Universität", Familie als Objekt des "Familienrechts"). Nichtformalisierte Institution: z.B. Freundschaft.

Die Institution kompensiert den Mangel an Instinkt, vgl. A. Gehlen: "Wie die tierischen Gruppen und Symbiosen durch Auslöser und durch Instinktbewegungen zusammengehalten werden, so die menschlichen Gruppen durch Institutionen".

Institutionen sind zwar zählebig, unterliegen dennoch dem soziokulturellen Wandel[1].

Charakteristika:

  • Stabilisierungs- und Entlastungsfunktionen: Institutionen stabilisieren sowohl die sozialen Interaktionen wie die individuelle Lebensführung.
  • Institutionen gründen in Gewohnheiten und Habitualisierungen, d.h. in Traditionen.
  • Institutionen sind via Sozialnormen bzw. Rechtsvorschriften sanktionsgestützt.
  • Institutionen sind mit Legitimation versorgt. Die Basislegitimation bilden Gewohnheiten, Traditionen.
  • Wenn Institutionen porös werden, steigt der Bedarf an (sekundären) Legitimationshilfen.
  • Institutionen bilden eigene Symbolwelten aus.
  • Institutionen bilden Transzendenzen ins Diesseits: Gruppen und Kollektive vergegenständlichen sich in Institutionen, in deren Traditionen und Symbolen.
  • Institutionen übersteigen die Grenzen der Einzelindividuen (Sozialität) und sorgen für soziale Verstrebungen über Generationen hinweg (Intergenerativität). In Institutionen ist das soziale Gedächtnis gespeichert.
  • Die Institutionen der Arbeit, Herrschaft und Familie besitzen einen Erfüllungswert für eine kontinuierte Bewältigung des gesellschaftlichen Lebens.
  • Sind Institutionen einmal zur Bewältigung von Problemen und Herausforderungen des gesellschaftlichen Lebens initiiert, verselbständigen sie sich gegenüber den Menschen: Sie gewinnen überpersönliche Macht, Geltung, Autorität.
  • Die Menschen handeln nicht nur von ihren Bedürfnissen her, sondern sie verhalten sich in und zu den Institutionen.
  • Institutionen sorgen via Gewohnheitsbildung, Habitualisierung, Normierung[2] und Orientierung für die Verinnerlichung ihrer Imperative: innerer Kompass der Lebensführung.
  • Institutionen beschreiben die Regulative des sozialen Raums (Struktur[3]) und der sozialen Zeit (Rhythmus): z.B. Werktag - Sonntag; Arbeitszeit - arbeitsfreie Zeit etc.
  • Institutionen garantieren feste Formen des Soziallebens in den interaktiven Dimensionen von Kommunikation und Kooperation.
  • Institutionen bilden die Voraussetzung für die Fortentwicklung von sozialen Formen und Gebilden zu Organisationen und Systemen.
  • Institutionen garantieren eine hohe und imperative Selektivität in Bezug auf Situationen, Symbole, Objekte, Instrumente.
  • Institutionen sorgen dafür, dass das Passende bzw. das Richtige getan wird bzw. das zum Scheitern verurteilte vorweg unterlassen wird.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 3.5.2
[2] Siehe Kapitel 3.1.3
[3] Siehe Kapitel 3.3.1


3.2.2 Kultur

In seinen "Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie" hat Hegel die Eigenart des Geistes - die Eigenart der menschlichen Kultur - in Differenz zur Natur gesetzt: "Die Natur ist, was sie ist."

Hingegen ist die Kultur die Tat des Menschen:

  • in Gestalt der vergegenständlichten, materiellen Kultur
  • in Gestalt "sich zu wissen", d.h. Kultur zugleich als Prozess der Selbstthematisierung, Selbstbeschreibung und Selbstbestimmung.

Hieraus hat die Philosophische Anthropologie[1] als Eigenart der Kultur herausgestellt: den Modus der Indirektheit.

Die Menschen leben im Medium von Vermittlungen. Die Sphäre der Indirektheit der menschlichen Existenz kann als Kultur angesprochen werden.

Sinnvoll ist es, in sozialwissenschaftlichen Theorie- und Forschungszusammenhängen von Kultur im Plural zu sprechen: Kulturen. Im Plural wird die Idee der Vielfalt und Ebenbürtigkeit der Kulturen erinnert. Kontrapunkt zu einer tiefsitzenden Tradition, die jeweils eigene Kultur zur Kultur überhaupt zu küren und Fremdkulturen als "primitiv" abzuwerten, oder ihnen gar den Status von Kultur ("Barbaren", "Wilde") abzusprechen. Wird Kultur im Singular verwendet, dann sinnvollerweise im Fundierungszusammenhang der Philosophischen Anthropologie zur Konzeptualisierung der Verschränkung von Kultur und Natur.

Die Kultursphäre steht beim Menschen an der Stelle der tierischen Umwelt und zählt zu dessen quasi-natürlichen Lebensbedingungen. "Natürlich" heißt dabei: Zweite Natur als objektive, vom Menschen erzeugte Kultur, als sozial wirksame Wirklichkeit.

  • Weil der Mensch von Natur aus Kulturwesen ist, verschränken sich in den Humanwissenschaften Kulturwissenschaften und Humanbiologie: Der Mensch ist biologisch zum soziokulturellen Management gezwungen.
  • Konzeptive Ideen zur Aufgliederung der Kultur bzw. Kulturprozesse in analytische Dimension:
  • Objektive und Subjektive Kultur;
  • Materielle und Geistige Kultur;
  • Klassen-, schicht-, milieuspezifische Kulturen;
  • Majoritätskulturen, Gegenkulturen, Subkulturen etc.;
  • Kultur als vergegenständlichtes Resultat und
  • Kultur als Praxis/Prozess.
  • Die sozialwissenschaftlich interessierenden Dimensionen der Eigenart des Kulturellen, von Kultur lassen sich weiter ausdifferenzieren.

Unter Kultur kann verstanden werden:

  • Inbegriff der Sachmittel (Werkzeuge, Technik), Vorstellungsmittel (Phantasie, Planung, Technologie), Institutionen[2] ("Sozialmittel", "Sozialmilieu", mit denen die Gesellschaft sich erhält: Arbeitsteilung, Familie, Gruppen, Organisationen, Normen)
  • Inbegriff aller darauf fundierten Folge- bzw. Anschlussinstitutionen: von Magie und Ritualen bis hin zu den modernen Systemen und Superstrukturen, den ökonomisch- technisch-wissenschaftliche Komplexen
  • Inbegriff der Sinn- und Subsinnwelten
  • Inbegriff der symbolischen Ordnung
  • Inbegriff der Wertorientierungen; Wertressourcen:
  • Im deutschsprachigen Raum erst in den letzten Jahrzehnten, gilt Kultur zudem als Inbegriff der sozialen Formen des Lebens ("way of life") und der sozialen Modi der Performance, Selbstdarstellung, Selbstpräsentation von Menschen im Everyday-life, im Alltag. Kurz: Inbegriff der Alltagskulturen
  • Die Momente der Sachmittel, Anschlussinstitutionen, Sinnwelten, symbolischen Ordnungen, der Wertorientierungen und überhaupt des "way of life", der Alltagskulturen verdichten verfugen sich jeweils zu: Typen kultureller Kristallisationen.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 3.1.2
[2] Siehe Kapitel 3.2.1


Nächstes Kapitel: 3.3 Struktur und Funktion


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3.3 Struktur und Funktion

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

File:Denkensoz-23 1.jpg "Uhr"
Foto: Uhr. Katja Jakob, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2008

Seit langem werden die Begriffe "Struktur" und "Funktion" in den Sozialwissenschaften in einem konzeptiven Zusammenhang verwendet als zwei reziprok aufeinander bezogene, jeweils unterschiedlich betonte, Perspektiven der Erschließung sozialer Erscheinungen und Vorgänge.

Vgl. dazu auch die Strukturfunktionalistischen Erkenntnisstrategien[1].

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 1.3

Inhalt

3.3.1 Struktur

  • Soziale Struktur verweist auf die Momente des Stabilen, Überpersönlichen, Geordneten (der Ordo), auf Ordnung und Gliederung des sozialen Raums und der sozialen Zeit. Feste, stabile Formen der Anordnung der Individuen: Positionsordnung, Statusordnung und Rollengefüge.
  • In der Analysenperspektive von sozialen Strukturen liegt der Akzent auf Statik, Anatomie von Gruppen, Kollektiven, Gesellschaften.
  • Soziale Strukturen können betrachtet werden in den Dimensionen horizontaler (Relationen, Beziehungen zwischen Elementen einer sozialen Einheit) und vertikaler Gliederung (Herrschaftsbeziehungen, soziale Schichtung und soziale Abhängigkeitsverhältnisse).
  • Soziale Strukturen können in der Perspektive von Mobilität untersucht werden.
  • Soziale Strukturen können auf der Makro-, Meso- und Mikro-Ebene (d.h. Gesamtgesellschaft, Einzelne Gesellschaften oder Kleingruppen) untersucht werden.
  • Soziale Strukturen sind aufzufassen als Kristallisationen von Positionen, Regeln und Ressourcen, von Institutionen und Netzwerken.
  • Soziale Strukturen besitzen überpersönlichen Charakter, werden aber von den gesellschaftlichen Individuen reproduziert.
  • Bei sozialen Strukturen ist der dynamische Aspekt zu beachten. Das Prozesshafte etwa in den Formen sozialer Umschichtungen.
  • Soziale Strukturen bezeichnen die soziales Verhalten prägenden Formen sowie die soziales Handeln ermöglichenden Formen. Sie bilden die Kristallisationen der Reproduktion des sozialen Lebens im Medium der sozialen Praxis.
  • Institutionen[1] sind in das Gefüge sozialer Strukturen eingewoben. Sie garantieren und legitimieren soziale Ordnung und soziale Veränderungen.
  • Strukturanalyse bezieht sich auf die Untersuchung der Anatomie, des inneren Aufbaus sozialer Gebilde.
  • Strukturanalyse befasst sich mit den Formen, Gliederungen und Mechanismen der Reproduktion einer sozialen Ordnung.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 3.2.1


3.3.2 Funktion

Es haben sich in vergangenen Dekaden eine Reihe von funktionalistischen, struktur- funktionalistischen[1] und systemtheoretischen Schulen rund um das Problem funktionalistischer Betrachtungen von Gesellschaft gebildet (vgl. Jetzkowitz/Stark 2003[2]). Dabei ist die Neigung zu Organismus-Analogien auffällig. So die Frage etwa: welche Organe (Institutionen) sind für den Erhalt und die Reproduktion eines sozialen Organismus (Gesellschaft) nötig? Funktionalistische Betrachtungsweisen von Gesellschaft tendieren dazu, die Frage nach dem Gleichgewicht einer sozialen Einheit eines Sozialsystems in den Mittelpunkt zu stellen.

Zur Problematik der Verwendung des Funktionsbegriffs:

Funktionsanalysen sind wissenschaftlich nur statthaft, wenn Klarheit darüber besteht, um welche Bezugsgrößen, die mit Zwecken verkoppelt sind, es sich handelt.

Zum Beispiel: wenn nach der Funktion der Institution "Schule" in einer Gesellschaft gefragt wird, so ist die Bezugsgröße woraufhin die Funktion der "Schule" geortet und untersucht werden soll: z.B. das Beschäftigungssystem. Es kann daran die empirische Untersuchungsfrage angeschlossen werden: Erfüllt das Schulsystem die Funktion, für das Beschäftigungssystem zweckdienlich auszubilden? Der Zweck also ist die Eingliederung von Schulabsolventen in das Beschäftigungssystem, die Funktion ist der Schule zugewiesen.

Für die sozialwissenschaftliche Theoriebildung ist festzuhalten, dass der Begriff der Funktion sich bezieht auf:

  • Bezugsgrößen, Zwecke, Institutionen/Handlungen, Leistungen/Beiträge, Folgen.

Merton[3] weist auf die Problematik der alltagssprachlichen Verwendung des Begriffs Funktion hin.

Einerseits wird Funktion als Ausdruck gebraucht für:

  • einen Beruf, Tätigkeit, Profession;
  • ein politisches Amt: Funktionär;
  • im mathematischen Sinne von Funktionsgleichungen;
  • im Sinne der Biologie: hier ist mit Funktion gemeint der Beitrag, den ein Element für die "vitalen oder organischen Prozesse zum Erhalt des Gesamtorganismus" leistet. In dieser Perspektive ist er zunächst von der Sozial- und Kulturanthropologie in die Sozialwissenschaften eingeführt worden.

Andererseits wird Funktion als Begriff durcheinander gebraucht mit:

  • Gebrauch, Nutzen, Zweck, Motiv, Absicht, Folgen.

Dieser Durcheinandergebrauch des Begriffs Funktion rührt daher, dass zwei Ebenen nicht oder nur unzureichend unterschieden werden, die aber für die funktionale Analyse auseinander gehalten werden müssen:

  • Die Ebene des Beobachters (der Wissenschaft, nach Luhmann: Beobachter zweiter Ordnung) von sozialen Handlungen, Vorgängen und Institutionen
  • Die Ebene des Beteiligten von sozialen Vorgängen und Institutionen.

Zur Verdeutlichung der Unterscheidung der Beobachter- von der Teilnehmerperspektive: Die soziale Funktion von Heiraten und Geburten ist die biologische Reproduktion einer Gesellschaft (Fertilitätsrate) - sozialwiss. Beobachtungsperspektive. Der Beweggrund, das Motiv von Heiraten kann Liebe und Kinderwunsch der Beteiligten sein - Teilnehmer-Perspektive

Die sozialwissenschaftliche Funktionsanalyse untersucht die Implikationen und Folgen der Beiträge/Leistungen sozialer Institutionen und kultureller Formen für jeweils anzugebende Bezugsgrößen/Zwecke. Dabei ist der Problembereich des Verhältnisses von Statik und Dynamik bzw. des sozialkulturellen Wandels einzubeziehen.

Zu beachten sich folgende Differenzierungen (nach Merton[3]):

Eine soziale Institution kann mehrfache soziale Funktionen (für bestimmte Gruppen funktional, für andere dysfunktional oder funktionslos; oder zugleich positive wie negative Funktionen) haben und ein- und dieselbe soziale Funktion kann von verschiedenen Institutionen erfüllt werden. Funktionsanalysen sind daher unter den Gesichtspunkten funktionaler Alternativen (Telefon statt Postkutsche), funktionaler Äquivalente (E-Mail statt Brief) und funktionaler Substitute (Handy statt face-to-face-Gespräch) zu untersuchen.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 1.3
[2] Siehe Kapitel 4.2
[3] Siehe Kapitel 4.1


Nächstes Kapitel: 3.4 Macht und Herrschaft


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3.4 Macht und Herrschaft

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

File:Denkensoz-26 1.jpg "Schachfiguren"
Foto: Schachfiguren. Josep Altarriba, [www.sxc.hu](http://www.sxc.hu), 2009

Nicht nur umgangssprachlich, auch in den Sozialwissenschaften ist die Tendenz zu beobachten, die Ausdrücke Macht[1] und Herrschaft[2] mehr oder weniger durcheinander zu verwenden.

Zur Einführung in die "Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen" eignet sich die Auslegung der beiden Termini, wie sie von Max Weber[3] in seinem Epochenwerk "Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der Verstehenden Soziologie" (WuG), Tübingen 1980[4], analytisch gezeichnet hat.

Es ist von Nutzen, mit Blick auf die terminologischen Distinktionen von Macht[1] und Herrschaft[2] sich den Terminus Struktur[5] zu vergegenwärtigen, besonders den Aspekt des Ordo, der sich auf die vertikale Dimension von Sozialstrukturen bezieht.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 3.4.1
[2] Siehe Kapitel 3.4.2
[3] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm
[4] Siehe Kapitel 4.2
[5] Siehe Kapitel 3.3.1

Inhalt

3.4.1 Macht

In § 16. der Soziologischen Grundbegriffe[1] (WuG) definiert Max Weber[2] :

"MACHT bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht."

Weber zufolge wohnt allen sozialen Beziehungen und Konstellationen die Potenzialität von Machtausübung ein. Der Macht-Begriff ist amorph (formlos) und äußerst schwierig bis gar nicht zu präzisieren. Das liegt nicht zuletzt an dem darin eingelagerten Problem des "Willens", und der Problematik der Willensfreiheitder Menschen. Die Sozialpsychologie befasst sich mit Machtbeziehungen im sozialen Zusammenhang, allerdings unterschlagen deren Definitionen häufig den von Max Weber stark betonten Aspekt des Gegenwillens. Macht wird bei Weber konzipiert im Lichte des potentiellen Gegeneinanders mindestens zweier Willen, nämlich "innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen."

Festzuhalten ist nach Weber:

1. Macht bezeichnet den Regelfall und nicht einen Ausnahmefall sozialer Beziehungen: die Tendenz zur Selbsterhaltung, Selbstbehauptung, Selbsterweiterung wohnt allen sozialen Beziehungen ein. 2. Der Begriff Macht kann sich auf die unterschiedlichsten sozialen Beziehungen (struktureller Aspekt) und die unterschiedlichsten sozialen Konstellationen (situativer Aspekt) beziehen.

Sozialwissenschaftliche Analyse von Machtphänomenen bedürfen daher konkreter empirischer Erforschung der Umstände der Machtausübung sowie deren diverseste Gestalten.

Sozialwissenschaftliche Machtanalysen sollten sich auf die Untersuchung der sozialen Beziehungsstrukturen bzw. der sozialen (und mithin geschichtlichen) Konstellationen, worin Machdynamik statthat, konzentrieren.

Der sozialwissenschaftliche Machtbegriff ist deutlich an die faktische Ausübung von Macht zu binden, d.h. Macht und Praxis bilden einen inneren Nexus.

Moralische Ansichten und ethische Urteile sind kein Ersatz für sozialwissenschaftliche Machtanalyse.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 4.1
[2] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm


3.4.2 Herrschaft

Das Wort Herrschaft verweist auf die Implikationen von Arbeitsteilung und Hierarchiebildung, auf strukturverfestigten Ordo[1]. Soziale Ordnung bietet sich dar als Ensemble von strukturierten (und legitimierten) Herrschaftsbeziehungen.

Vgl. Max Webers[2] § 16. der Soziologischen Grundbegriffe[3] (WuG):

zu beachten ist die Zweiteilung der Definition, worin sich eine hierarchisch gegliederte Doppelperspektivik äußert:

Die Perspektive "von oben":

"Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden;"

Als Merkmale von Herrschaft sind hervorzuheben: ein Imperativ, ein Befehlsinhalt, ein Adressat.

Die Perspektive "von unten":

"Disziplin soll heißen die Chance, kraft eingeübter Einstellung für einen Befehl prompten, automatischen und schematischen Gehorsam bei einer angebbaren Vielheit von Menschen zu finden."

Dazu noch Webers Erläuterung:

  • "Der soziologische Begriff der 'Herrschaft' muß präziser sein (als der der Macht) und kann nur die Chance bedeuten: für einen Befehl Fügsamkeit zu finden. (Perspektive "von oben")
  • "Der Begriff der 'Disziplin' schließt die 'Eingeübtheit' des kritik- und widerstandslosen Massen gehorsams ein." (Perspektive "von unten")

Herrschaft impliziert die (weitgehende) Abwesenheit von Widerstreben; angedeutet ist damit der Aspekt des wie auch immer bedingten Einverständnisses.

Festzuhalten ist nach Weber:

  • Herrschaft ist gebunden an hierarchische Struktur-Verhältnisse.
  • Herrschaft ist Ausdruck sozialer Ordnung, worin die Abhängigkeitsmechanismen funktionieren: Gehorsam.

Hier zeichnet sich eine interessante Markierung zur Differenzierung zwischen handlungstheoretischen und verhaltenstheoretischen Sozialwissenschaften[4] ab: als bloßer Vollzug nähert sich das Verhalten der instinktprogrammierten Steuerungsform an. Damit die Verschränkung von Imperativ und Gehorsam in Herrschaftsbeziehungen funktioniert, muss ein wesentliches Moment hinzutreten: die Legitimität der herrschaftlichen Ordnung (vgl. Gostmann / Merz-Benz (Hrsg.), 2007[5]).

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 3.3.1
[2] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm
[3] Siehe Kapitel 4.1
[4] Siehe Kapitel 3.1
[5] Siehe Kapitel 4.2


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3.5 Konflikt und Wandel

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Theorien des sozialen Wandels haben innerhalb der sozialwissenschaftlichen Theorielandschaft nie so recht ein prominentes Dasein geführt. Vielmehr sind die Fragen nach den Determinanten, Kräften und Verlaufsformen gesellschaftlicher Wandlungsprozesse eher stiefmütterlich behandelt worden.

  • Ursprünglich sind die Probleme des Wandels eingekapselt gewesen in die evolutionistischen Erkenntnisstrategien[1],
  • dann sind die Fragen nach den gesellschaftlichen Wandlungsprozessen transferiert worden in Modernisierungstheorien,
  • darüber ist das Problem des sozialen Wandels thematisch geworden in Transformationstheorien.
File:Denkensoz-29 1.jpg "Fabrik"
Foto: Fabrik. Andre Becker, [www.youthmedia.eu](http://www.youthmedia.eu), 2008

In den angesprochenen Forschungsrichtungen liegt das dominante Erkenntnisinteresse in der Frage nach den Chancen und Hemmnissen bei der Assimilation der als "zurückgeblieben" eingestuften Gesellschaftsformen an die als Prämisse und Richtpunkt gesetzten westlichen Standards sozialer Evolution. Gilt für den älteren Strukturfunktionalismus[2] unter der Hegemonie Talcott Parsons[3] das Stabilitätsproblem als vorrangig, so für die neueren systemtheoretischen Konzeptualisierungen unter Niklas Luhmann[4] das Problem evolutionärer Differenzierung. Gilt bei Parsons der Konflikt eher als Störvariable, so ist er bei Luhmann zum Verschwinden gebracht.

Abgesehen von sozialwissenschaftlichen Forschungszweigen, die sich ausdrücklich mit Theorien der Revolution befassen, etwa der Politologie und politischen Soziologie, finden sich ansonsten in den Sozialwissenschaften nur wenige Ansätze, die sich explizit mit dem Zusammenhang von Wandel und Konflikt befassen.

Noch immer sind Konflikttheorien älteren Datums forschungswirksam, die vor allem mit den Namen Lewis A. Coser[5] und Ralph Dahrendorf verknüpft sind.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 1.2
[2] Siehe Kapitel 1.3
[3] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/parsons/39bio.htm
[4] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/luhmann/26bio.htm
[5] Siehe Kapitel 4.1

Inhalt

3.5.1 Konflikt

In den sozialwissenschaftlichen Grundlagentheorien ist eine Scheu vorm Konflikt festzustellen. Beim Stichwort "Kampf" gibt es bei den heutigen Terminologien und Theorien sogar Absenz. Ganz anders die Klassiker der Sozialwissenschaften von Karl Marx[1] über Georg Simmel[2] bis zu Max Weber[3] :

Weber hat in seinem "Grundriß der Verstehenden Soziologie"[4] dem Begriff "Kampf" einen eigenen Paragraphen (§ 8) innerhalb der "Soziologischen Grundbegriffe" reserviert, dessen erste Bestimmung dahingeht, den Kampf als soziale Beziehung zu qualifizieren:

"Kampf soll eine soziale Beziehung insoweit heißen, als das Handeln an der Absicht der Durchsetzung des eignen Willens gegen den Widerstand des oder der Partner orientiert ist."

Vor diesem definitorischen Hintergrund definiert Weber ebendort das heute zentrale Organon des sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen Lebens: die Konkurrenz. Weber definiert Konkurrenz vom Einsatz der Mittel her:

"'Friedliche' Kampfmittel sollen solche heißen, welche nicht in aktueller physischer Gewaltsamkeit bestehen. Der 'friedliche' Kampf soll 'Konkurrenz' heißen, wenn er als formal friedliche Bewerbung [Wettbewerb - F.K.] um eigne Verfügungsgewalt über Chancen geführt wird, die auch andere begehren."

"'Geregelte Konkurrenz' soll eine Konkurrenz insoweit heißen, als sie in Zielen und Mitteln sich an einer Ordnung orientiert."

1965 erscheint in deutscher Übersetzung eine sozialtheoretische Studie von Lewis A. Coser: "Theorie sozialer Konflikte"[5], die noch immer als zentraler sozialwissenschaftlicher Entwurf in Sachen "Gesellschaft und Konflikt" gilt. Zwar haben Coser und in seiner Nachfolge einige weitere Sozialwissenschaftler einiges geleistet, um den "weißen Fleck" sozialwissenschaftlicher Konflikttheorie zu beseitigen, dennoch herrscht in den Sozialwissenschaften bis heute eine Neigung zum Konsensus vor. Nach wie vor dominieren Denkweisen und Forschungsperspektiven, die den Konflikt eher als Störung oder Abweichung beargwöhnen. Wenn Konflikt ins theoretisch-konzeptive Blickfeld gerät, dann als "Problem".

Von Ausnahmen abgesehen,neigen struktur-funktionale Denkweisen[6] zur Pathologisierung des Konflikts, der als illegitime Devianz gilt. Evolutionstheoretische Erkenntnisstrategien[7] tendieren dazu, das Phänomen des Konflikts im Paradigma "sozialer Differenzierung" zum Verschwinden zu bringen.

Das Konzept der sozialen Differenzierung hat ältere Modelle abgelöst. Konflikt erscheint im Paradigma von Differenzierung, Interpedendenz und Komplexität eher als Friktion, als Reibungsverlust denn als Ausdruck von Kollisionen. In den evolutionstheoretischen Erkenntnisstrategien ist rastlose Differenzierung selbst als einheitsstiftendes Prinzip gedacht (vgl. Spencer 1876[8]). Im Sozialevolutionismus löst sich das Phänomen des Konflikts im Modus sozialer Differenzierung auf.

Verständigungsdefinition: Sozialer Konflikt

  • Sozialen Konflikten liegen Interessenspannungen zwischen Kollektiven innerhalb eines gegebenen gesellschaftlichen Kontextes zugrunde.
  • Von sozialen Konflikten ist zu reden, wenn die sozialen Spannungen aus dem Zustand der Latenz (latente Konfliktlagen) in offene Auseinandersetzungen (manifeste Konflikte) übergehen.
  • Soziale Konflikte stellen eine spezifische Form der Interaktion dar.

Die Erforschung sozialer Konflikte umfasst:

  • Ursachenkonstellation der Interessensspannungen,
  • Kräftekonstellation,
  • Verwandlung der Spannungen in manifeste Konflikte,
  • Verlaufsformen der Konfliktaustragung,
  • Konfliktausgang.

Verweise:

[1] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/marx/30bio.htm
[2] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/simmel/42bio.htm
[3] http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/weber/49bio.htm
[4] Siehe Kapitel 4.1
[5] Siehe Kapitel 4.1
[6] Siehe Kapitel 1.3
[7] Siehe Kapitel 1.2
[8] Siehe Kapitel 4.2


3.5.2 Wandel

L.A. Coser[1], der den Zusammenhang von "Konflikt und Wandel" thematisiert, deutet Konflikt als Chance für soziokulturellen Wandel bis hin zum Wandel der Sozialstruktur. Coser unterscheidet zunächst die funktionalen Dimensionen[2] der Bedeutung des Sozialen Konflikts für Prozesse des sozialen Wandels:

  • Funktionen von Konflikten innerhalb sozialer Systeme (von der Mikro- bis zur Makro-Ebene)
  • Konflikte und Wandel des sozialen Systems (von der Mikro- bis zur Makro-Ebene)

Zentrale Thesen:

  • Jedes soziale System enthält Spannungen, d.h. Konfliktpotenziale
  • Soziale Systeme unterscheiden sich im Ausmaß der Spannungsmomente bzw. Konfliktpotenziale.
  • Die sozialen Spannungs- und Konfliktpotenziale nehmen zu, wenn die Zahl der Anspruchsträger die Zahl der Erfüllungsmöglichkeiten übersteigt (strukturelle Diskrepanz).
  • Soziale Systeme sterben nicht wie biologische Organismen. Sie entwickeln und transformieren sich.
  • Ob aus Konfliktpotenzialen Anomie hervorgeht oder Neues entsteht, ist eine offene, empirische Frage.

Funktionen von Konflikten innerhalbsozialer Systeme:

  • Soziale Konflikte erzeugen neue Normen, Institutionen und Lebensformen.
  • Soziale Konflikte stimulieren die ökonomisch-technische Entwicklung.
  • Konflikte wirken als Heilmittel gegen "lähmenden Ritualismus" sowohl auf der Ebene der sozio-kulturellen Praxen wie der der Mentalitäten.
  • Konflikte sind Initialzündungen und Antriebsmodus für soziale Produktivität (im Sinne von Popitz).

Konflikt und Wandel dessozialen Systems (vgl. Jäger / Weinzierl 2007[3]):

Wandel des Systems bedeutet, dass drastische Veränderungen zu verzeichnen sind und kann auf zwei Wegen erfolgen:

  • Plötzliche und gleichzeitige Veränderung der strukturellen, institutionellen und legitimatorischen Grundlagen (Typus: offene Revolution)
  • Sukzessive Transformation der Sozialstruktur, des Institutionensystems und der Legitimationsgrundlagen (Typus: "silent Revolution")

Die Grundformen des Wandels sind abhängig vom Charakter des Strukturtyps eines Gesellschaftssystems:

  • Starre Systeme, die Konflikte unterdrücken, fördern die Entstehung explosiver Konfliktpotenziale, begünstigen die Intensität der manifesten Konflikte und ebnen den Weg für gewaltsame Konfliktformen.
  • Elastische Systeme, welche die offene und direkte Austragung von Konflikten zulassen und veränderungsfähig sind, sind weniger anfällig für explosive Ausbrüche von Spannungspotenzialen in manifeste, gewaltsame Konflikte.

Verweise:

[1] Siehe Kapitel 4.1
[2] Siehe Kapitel 3.3.2
[3] Siehe Kapitel 4.2


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4 Literatur

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Die Literaturangaben dienen einerseits zur Untermauerung der in der vorliegenden Lernunterlage behandelten sozialwissenschaftlichen Terminologie: "Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie".

Zum anderen gibt es allgemeine weiterführende Literaturhinweise zu den behandelten Themengebieten: "Weiterführende Literaturhinweise".

Inhaltsverzeichnis

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

1 Erkenntnisstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften
2 Die Eigenart der Sozialwissenschaften im Lichte des Dualismus von Natur- und Geisteswissenschaften
3 Sozialwissenschaftliche Terminologie - Exempla


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4.1 Literatur zur sozialwissenschaftlichen Terminologie

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

Coser, Lewis A., 1967: Sozialer Konflikt und sozialer Wandel. In: Hans-Peter Dreitzel (Hrsg.), Sozialer Wandel. Zivilisation und Fortschritt als Kategorien der soziologischen Theorie, Neuwied; Berlin: Luchterhand (S. 278-294)

Gehlen, Arnold, 1986: Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, 13. Aufl., Wiesbaden: Aula Verlag

  • Auszug aus: Einführung (S. 32-50)
  • 3. Erster Begriff vom Menschen
  • 4. Fortsetzung derselben Anschauung
  • 5. Handlung und Sprache

Knorr Cetina, Karin; Grathoff, Richard, 1988: Was ist und was soll kultursoziologische Forschung? In: Soziale Welt, Sonderband 6, Kultur und Alltag, hrsg. von Hans- Georg Soeffner, Göttingen: Otto Schwartz & Co. (S. 21-36)

Luckmann, Thomas, 1992: Theorie des sozialen Handelns, Berlin; New York: Walter de Gruyter Verlag

  • Einleitung (S. 1-2)
  • 1. Einführung (S. 3-16)
  • 1.1. Handeln als Grundlage der menschlichen Welt
  • 1.2. Handlungstheorie als Grundlage der Sozialwissenschaften

Merton, Robert K., 1995: Soziologische Theorie und soziale Struktur, Berlin; New York: de Gruyter Verlag

  • Teil I., Zur theoretischen Soziologie, 1. Manifeste und latente Funktion (S. 17-33)

Popitz, Heinrich, 2006: Soziale Normen, hrsg. v. Friedrich Pohlmann und Wolfgang Eßbach, Frankfurt: Suhrkamp Verlag

  • Soziale Normen (S. 61-75)
  • Verhaltensorientierung und Verhaltensnormierung (S. 76-93)
  • Universale Konstrukte sozialer Normierung (S. 94-116)

Soeffner, Hans-Georg, 1988: Kulturmythos und kulturelle Realität(en). In: Soziale Welt, Sonderband 6, Kultur und Alltag, hrsg. von Hans-Georg Soeffner, Göttingen: Otto Schwartz & Co. (S. 3-20)

Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der Verstehenden Soziologie, 5. rev. Aufl., Studienausgabe, Tübingen: Mohr 1990

  • Soziologische Kategorienlehre, 1. Soziologische Grundbegriffe (§5, §6, und §16)


Nächstes Kapitel: 4.2 Weiterführende Literaturhinweise


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4.2 Weiterführende Literaturhinweise

Verfasst von Friedhelm Kröll und Nicole Pesendorfer

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Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hg.), 1973: Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit Band 1: Symbolischer Interaktionismus und Ethnomethodologie. Rororo-Studium, 54. Reinbek: Rowohlt.

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