Difference between revisions of "Einführung in die Religions- und Bewusstseinsforschung - Rituelle Körperhaltung & ekstatische Trance nach Felicitas Goodman"

From Eksa
Jump to: navigation, search
(Created page with "'''↵ Zurück zur Hauptseite''' = Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen (KSA)= <sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup> Die hier vor...")
 
Line 1: Line 1:
 
'''[[Main_Page|&crarr; Zurück zur Hauptseite]]'''
 
'''[[Main_Page|&crarr; Zurück zur Hauptseite]]'''
= Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen (KSA)=
+
= Einführung in die Religions- und Bewusstseinsforschung =
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
+
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
  
Die hier vorliegende Lernunterlage dient zur Unterstützung der Vorlesung: &quot;Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen&quot; von Ao. Univ.-Prof. DDr. Werner Zips. Sie fokussiert auf drei Fragestellungen, die zentral für einen sozialanthropologischen Zugang zu Sozialwissenschaften sind:
 
  
* Wer sind die Anderen? Wer sind wir?
+
== Kapitelübersicht ==
* Wie werden wir, was wir sind?
+
 
* Wie können wir zu einer Sprache finden, die unsere GesprächspartnerInnen nicht unterdrückt?
+
<div class="eksa_toc">
 +
[[Felicitas_Goodman#1 Felicitas Goodman|1 Felicitas Goodman]]<br/>
 +
:[[Felicitas_Goodman/Pionierin#1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten|1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten]]<br/>
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit#2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit|2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen|2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1.1 Erste Erlebnisberichte in der Haltung von Lascaux|2.1.1 Erste Erlebnisberichte in der Haltung von Lascaux]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen|2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2.1 Der Bärengeist — eine der häufigsten Haltungen|2.2.1 Der Bärengeist — eine der häufigsten Haltungen]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2.2 Die Fanny — die älteste Haltung|2.2.2 Die Fanny — die älteste Haltung]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen|2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt|2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte|2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.1 Eine Begegnung mit dem Bärengeist|2.4.1 Eine Begegnung mit dem Bärengeist]]<br/>
 +
:::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.1.1 Lied der Eskimo-Schamanen|2.4.1.1 Lied der Eskimo-Schamanen]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.2 Die Antworten des Wahrsagers|2.4.2 Die Antworten des Wahrsagers]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.3 Eine Reise in die untere Welt|2.4.3 Eine Reise in die untere Welt]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.4 Das uralte Thema der Verwandlung|2.4.4 Das uralte Thema der Verwandlung]]<br/>
 +
:::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.4.1 Durch die Augen des Jaguars|2.4.4.1 Durch die Augen des Jaguars]]<br/>
 +
:::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.4.2 Magische Worte|2.4.4.2 Magische Worte]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Anwendung#2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen|2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Anwendung#2.5.1 Ablauf und Durchführung des Rituals|2.5.1 Ablauf und Durchführung des Rituals]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Anwendung#2.5.2 Maskentanz als Anwendung der rituellen Körperhaltungen in einem großen Ritual|2.5.2 Maskentanz als Anwendung der rituellen Körperhaltungen in einem großen Ritual]]<br/>
 +
[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans#3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans|3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans]]<br/>
 +
:[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Das_Drama_der_Geburt#3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual|3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual]]<br/>
 +
::[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Das_Drama_der_Geburt#3.1.1 Das religöse Ritual im Wandel der Gesellschaftsformen|3.1.1 Das religöse Ritual im Wandel der Gesellschaftsformen]]<br/>
 +
::[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Das_Drama_der_Geburt#3.1.2 Das Drama der Geburt in rituellen Körperhaltungen|3.1.2 Das Drama der Geburt in rituellen Körperhaltungen]]<br/>
 +
:[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_religiöse_Trance#3.2 Die religiöse Trance|3.2 Die religiöse Trance]]<br/>
 +
::[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_religiöse_Trance#3.2.1 Die religiöse Trance in der menschlichen Evolution|3.2.1 Die religiöse Trance in der menschlichen Evolution]]<br/>
 +
:[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_andere_Wirklichkeit#3.3 Die andere Wirklichkeit|3.3 Die andere Wirklichkeit]]<br/>
 +
::[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_andere_Wirklichkeit#3.3.1 Die andere Wirklichkeit im Wandel der Kulturen und Zeiten|3.3.1 Die andere Wirklichkeit im Wandel der Kulturen und Zeiten]]<br/>
 +
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman#4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman|4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman]]<br/>
 +
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Bourguignon#4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon|4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon]]<br/>
 +
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance|4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance]]<br/>
 +
::[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2.1 Feldforschung in Yucatán|4.2.1 Feldforschung in Yucatán]]<br/>
 +
::[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2.2 Rahmenbedingungen für das Eintreten in der Trance|4.2.2 Rahmenbedingungen für das Eintreten in der Trance]]<br/>
 +
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Die_Schamanin_im_Labor#4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen|4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen]]<br/>
 +
::[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Die_Schamanin_im_Labor#4.3.1 Endokrinologische Untersuchungen München 1983|4.3.1 Endokrinologische Untersuchungen München 1983]]<br/>
 +
::[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Die_Schamanin_im_Labor#4.3.2 Neurophysiologische Untersuchung Wien 1987|4.3.2 Neurophysiologische Untersuchung Wien 1987]]<br/>
 +
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Weiterfuehrende_Untersuchungen#4.4 Weiterführende Untersuchungen|4.4 Weiterführende Untersuchungen]]<br/>
 +
::[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Weiterfuehrende_Untersuchungen#4.4.1 Immunologische Untersuchung Wien 2005|4.4.1 Immunologische Untersuchung Wien 2005]]<br/>
 +
::[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Weiterfuehrende_Untersuchungen#4.4.2 Weitere Pilotstudien und Überlegungen für weitere Fragestellungen für zukünftige Forschung|4.4.2 Weitere Pilotstudien und Überlegungen für weitere Fragestellungen für zukünftige Forschung]]<br/>
 +
[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen#5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen|5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen]]<br/>
 +
:[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen/Neue_Spiritualitaet#5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität|5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität]]<br/>
 +
:[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen/Oekologischen_Spiritualitaet#5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität|5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität]]<br/>
 +
:[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen/Weiterfuehrung#5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman|5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman]]<br/>
 +
[[Publikationen#6 Publikationen|6 Publikationen]]<br/>
 +
:[[Publikationen/Publikationen_von_Goodman#6.1 Publikationen von Felicitas Goodman|6.1 Publikationen von Felicitas Goodman]]<br/>
 +
:[[Publikationen/Publikationen_mit_und_ueber_Goodman#6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman|6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman]]<br/>
 +
[[Bibliographie#7 Bibliographie|7 Bibliographie]]<br/>
 +
:[[Bibliographie/Bilder#7.1 Bilder|7.1 Bilder]]<br/>
 +
:[[Bibliographie/Texte#7.2 Texte|7.2 Texte]]<br/>
 +
:[[Bibliographie/Filme#7.3 Filme|7.3 Filme]]<br/>
 +
:[[Bibliographie/Artikel_und_Vortraege#7.4 Artikel und Vorträge|7.4 Artikel und Vorträge]]<br/>
 +
</div>
 +
 
  
Auf die erste Frage antwortet '''Ortfried Schäffter mit seinen Modi des Fremdverstehens''', für die zweite gibt uns '''Pierre Bourdieu mit seiner Praxeologie''' sehr brauchbare Werkzeuge in die Hand und die dritte hat '''Jürgen Habermas zu seiner spezifischen Form der Diskurstheorie''' inspiriert. Diese drei Ansätze werden in dieser Lernunterlage kurz dargestellt.
 
  
  
== Kapitelübersicht ==
+
'''[[Main_Page|&crarr; Zurück zur Hauptseite]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#Einführung in die Religions- und Bewusstseinsforschung - Rituelle Körperhaltung & ekstatische Trance nach Felicitas Goodman|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Einführung_in_die_Religions-_und_Bewusstseinsforschung_-_Rituelle_Körperhaltung_&_ekstatische_Trance_nach_Felicitas_Goodman#Einführung in die Religions- und Bewusstseinsforschung - Rituelle Körperhaltung & ekstatische Trance nach Felicitas Goodman|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''
 +
=1 Felicitas Goodman=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
[[File:rebetrance-1_1.jpg|450x599px|''Foto: Felicitas Goodman (Foto © Focus-Stadtzentrum)'']]
 +
 
 +
Prof. Dr. Felicitas Goodman, '''1914''' in Budapest geboren, verbrachte ihre Kindheit unter den Wirrnissen des ersten Weltkrieges in Ungarn, Rumänien und Deutschland. Sie studierte in Heidelberg und erwarb 1936 ein Diplom als '''Lehrerin und''' '''Übersetzerin''' in englischer Sprache. Mit ihrem Mann und den ersten drei von vier Kindern wanderte sie 1947 nach Amerika aus, wo sie als mehrsprachige wissenschaftliche Übersetzerin arbeitete.
 +
 
 +
1965 begann sie im Alter von 51 Jahren erneut zu studieren – Linguistik und im späteren Verlauf Kulturanthropologie und Religionspsychologie. In Zusammenarbeit mit ihrer Lehrerin Dr. Erika Bourguignon begann ihre Forschungstätigkeit über Trance und das Religiöse in den Kulturen der Welt. 1968 bis zu ihrer Emeritierung 1979 las sie '''Linguistik, Kulturanthropologie und vergleichende Religionswissenschaften''' an der Denison University/Ohio.
 +
 
 +
1979 gründete sie das '''Cuyamungue Institut''' in New-Mexico zur Erforschung und Lehre der '''„rituellen Körperhaltungen und ekstatischen Trance'''“ und begann ihr Wissen und ihre Methode in Seminaren in den USA und Europa weiterzugeben.Zahlreiche Publikationen zeugen von ihrem Werdegang und ihrer Forschung. Felicitas Goodman verstarb am 30. März '''2005''' im Alter von 91 Jahren.
 +
 
 +
==Inhaltsverzeichnis==
  
 
<div class="eksa_toc">
 
<div class="eksa_toc">
[[Das_Fremde_verstehen#1 Das Fremde verstehen|1 Das Fremde verstehen]]<br/>
+
[[Felicitas_Goodman#1 Felicitas Goodman|1 Felicitas Goodman]]<br/>
:[[Das_Fremde_verstehen/Eurozentrismus#1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen|1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen]]<br/>
+
:[[Felicitas_Goodman/Pionierin#1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten|1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten]]<br/>
:[[Das_Fremde_verstehen/Deutungsmuster#1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens|1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens]]<br/>
 
:[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3 Ordnungsschemata des Fremderlebens|1.3 Ordnungsschemata des Fremderlebens]]<br/>
 
::[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3.1 Fremdheit als Resonanzboden|1.3.1 Fremdheit als Resonanzboden]]<br/>
 
::[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3.2 Fremdheit als Gegenbild|1.3.2 Fremdheit als Gegenbild]]<br/>
 
::[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3.3 Fremdheit als Ergänzung|1.3.3 Fremdheit als Ergänzung]]<br/>
 
::[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3.4 Fremdheit als Komplementarität|1.3.4 Fremdheit als Komplementarität]]<br/>
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus#2 Die Praxeologie Pierre Bourdieus|2 Die Praxeologie Pierre Bourdieus]]<br/>
 
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1 Kapitalformen|2.1 Kapitalformen]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.1 Symbolisches Kapital|2.1.1 Symbolisches Kapital]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.2 Ökonomisches Kapital|2.1.2 Ökonomisches Kapital]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.3 Kulturelles Kapital|2.1.3 Kulturelles Kapital]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.4 Soziales Kapital|2.1.4 Soziales Kapital]]<br/>
 
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen|2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2.1 Symbolisches Kapital und Herrschaft|2.2.1 Symbolisches Kapital und Herrschaft]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2.2 Symbolisches Kapital als Akkumulationsform|2.2.2 Symbolisches Kapital als Akkumulationsform]]<br/>
 
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|2.3 Praxis]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1 Drei Modi der theoretischen Erkenntis|2.3.1 Drei Modi der theoretischen Erkenntis]]<br/>
 
:::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.1 Phänomenologie|2.3.1.1 Phänomenologie]]<br/>
 
:::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.2 Objektivismus|2.3.1.2 Objektivismus]]<br/>
 
:::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.3 Praxeologie|2.3.1.3 Praxeologie]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.2 Habitus|2.3.2 Habitus]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|2.3.3 Struktur]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.4 Hexis|2.3.4 Hexis]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.5 Strategie|2.3.5 Strategie]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.6 Doxa|2.3.6 Doxa]]<br/>
 
:::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.6.1 Orthodoxie|2.3.6.1 Orthodoxie]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.7 Beispiel: Sexualität in der Kabylie|2.3.7 Beispiel: Sexualität in der Kabylie]]<br/>
 
[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas#3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas|3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas]]<br/>
 
:[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Orientierungslosigkeit_und_Demokratie#3.1 Moderne Orientierungslosigkeit und radikale Demokratie|3.1 Moderne Orientierungslosigkeit und radikale Demokratie]]<br/>
 
:[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Vernunft#3.2 Praktische und kommunikative Vernunft|3.2 Praktische und kommunikative Vernunft]]<br/>
 
:[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Rationalitaet#3.3 Kommunikative Rationalität|3.3 Kommunikative Rationalität]]<br/>
 
:[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Faktizitaet#3.4 Faktizität und Geltung|3.4 Faktizität und Geltung]]<br/>
 
[[Bibliographie#4 Bibliographie|4 Bibliographie]]<br/>
 
 
</div>
 
</div>
  
 +
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit#2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit|2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit]]<br/>
 +
[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans#3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans|3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans]]<br/>
 +
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman#4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman|4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman]]<br/>
 +
[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen#5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen|5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen]]<br/>
 +
[[Publikationen#6 Publikationen|6 Publikationen]]<br/>
 +
[[Bibliographie#7 Bibliographie|7 Bibliographie]]<br/>
 +
 +
'''[[Felicitas_Goodman/Pionierin#1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten|Nächstes Kapitel: 1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#1 Felicitas Goodman|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 +
 +
'''[[Felicitas_Goodman#1 Felicitas Goodman|Vorheriges Kapitel: 1 Felicitas Goodman]]'''
 +
=1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 +
 +
[[File:rebetrance-2_1.jpg|450x702px|''Foto: Felicitas Goodman in ihrem Institut in Cuyamungue mit einer Büffelfigur aus Alabaster (Hermine Brzobohaty-Theuer © 1989)'']]
 +
 +
Die Fähigkeit zur Ekstase, die Felicitas Goodman seit frühen Jahren kannte, war für ihren Lebensweg entscheidend. In ihrer Kindheit – so schreibt Felicitas Goodman in ihrem Buch '''´Wo die Geister auf den Winden reiten´''' - konnte sie die Welt um sich zum '''´''' Glühen'''´''' bringen – eine innere Tür öffnete sich und, wenn sie hindurchtrat, empfand sie eine köstliche Wandlung, alles rundum war wie verzaubert. Mit der Pubertät jedoch trat eine plötzliche Wende ein. Der frisch gefallene Schnee, das goldene Sonnenlicht am Morgen, der Geruch der Pferde, alles war das gleiche wie immer und doch – der Zauber war vorbei.
  
 +
Aus ihrer späteren Sicht der Dinge wusste sie, dass ein Großteil der '''traditionellen Pubertätsriten''' dazu dient, die in der Pubertät verlorengehende Fähigkeit zur Verzückung, zur Ekstase neu zu schaffen, zu festigen und in eine erwachsene Form überzuführen. Die Konfirmation in der lutherischen Kirche jedoch, die, wie sie meint, wahrscheinlich eine Nachbildung vorchristlicher Jugendweihen ist, war für sie damals eine bittere Enttäuschung.
  
'''[[Main_Page|&crarr; Zurück zur Hauptseite]]'''<br/>
+
Die Sehnsucht nach einer anderen Dimension war für ihr ganzes zukünftiges Leben entscheidend geworden. Erst nach ihrer Auswanderung in die USA begann sich das Tor in eine andere Wirklichkeit durch den Kontakt mit der indianischen '''Pueblo Kultur''' wieder zu öffnen. In visionsartigen Träumen wurde sie in diese neue fremdartige Welt eingeladen, was sie als Anstoß nahm, 1963 einen über hundert Hektar großen rauen Landstrich in New Mexiko zu erwerben, auf dem sie später ihr Institut gründete.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-2_2.jpg|454x276px|''Foto: Zwei Skulpturen und das Studentengebäude am Institut (Cuyamungue Institut © 1995)'']]
 +
 
 +
In ihrer universitären Laufbahn, die sie 1968 einschlug, konnte Felicitas Goodman sich wieder schrittweise dem Phänomen der Ekstase annähern und es gelang ihr, grundlegende Meilensteine in der '''Tranceforschung[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Bourguignon#4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon|[1]]]''' zu setzen.
 +
 
 +
Dass die ekstatische Trance weltweit ein sinngebender, fester Bestandteil religiöser Rituale ist, machte sie 1968 in der '''Studie unter Erika Bourguignon''' über das religiöse Erleben in nicht-westlichen Kleingesellschaften deutlich. Ihre darauffolgende Feldforschung über '''Glossolalie''' zeigte, dass die religiöse Trance bei allen Menschen mit gleichen Veränderungen der Körperfunktionen verbunden ist.
 +
 
 +
Mit der Entdeckung und gründlichen Erforschung der '''rituellen Körperhaltungen''' machte sie '''Ekstase''' auch '''außerhalb eines festliegenden religiösen Systems''' zugänglich. Die dabei auftretenden charakteristischen '''Veränderungen der Körperfunktionen''', welche die Grundlage für das religiöse Erleben bilden, hat sie in '''Laborstudien''' näher bestimmt. Die Fähigkeit in Trance zu gehen erkannte sie als eine in allen Menschen angelegte neurobiologische '''Erbanlage''', die, sofern sie ungenützt bleibt, zu '''Ekstasedeprivation''' auf körperlicher und seelisch-geistiger Ebene führt.
 +
 
 +
1979, nach ihrer Pensionierung und nach der Entdeckung der rituellen Trancehaltungen, gründete sie an ihrem Platz in New Mexiko das '''Cuyamungue Institut[http://www.cuyamungueinstitute.com/ &#91;2&#93;]''', benannt nach einer früher in dieser Gegend bedeutenden indianischen Siedlung. Das Institut diente der Erforschung und Weitergabe der von ihr entwickelten Trancetechnik. Im intensiven Austausch mit der indianischen Bevölkerung und durch den direkten Kontakt mit den Geistwesen der anderen Wirklichkeit wurde dieser Platz zu ihrer spirituelle Heimat.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-2_3.jpg|450x304px|''Foto: Felicitas Goodman mit ihrer Trommel vor der Kiva, einem halb unterirdisch angelegten Ritualraum, den sie auf dem Gelände ihres Instituts in New Mexiko errichtet hat (Hermine Brzobohaty-Theuer © 1989)'']]
 +
 
 +
Als Wissenschaftlerin und '''Pionierin der Tranceforschung''' hat Felicitas Goodman wesentlich dazu beigetragen, Trance und Ekstase aus dem zu ihrer Zeit
 +
 
 +
'''Verweise:'''<br />
 +
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Bourguignon#4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon|[1] Siehe Kapitel 4.1]]<br />
 +
[http://www.cuyamungueinstitute.com/ &#91;2&#93; http://www.cuyamungueinstitute.com/]<br />
 +
 
 +
 
 +
 
 +
'''[[Einführung_in_die_Religions-_und_Bewusstseinsforschung_-_Rituelle_Körperhaltung_&_ekstatische_Trance_nach_Felicitas_Goodman#Einführung in die Religions- und Bewusstseinsforschung - Rituelle Körperhaltung & ekstatische Trance nach Felicitas Goodman|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen (KSA)|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten|&uarr; Nach oben]]<br/>
  
  
'''[[STEOP_-_Denkweisen-KSA#Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen (KSA)|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''
+
'''[[Felicitas_Goodman/Pionierin#1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten|Vorheriges Kapitel: 1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten]]'''
=1 Das Fremde verstehen=
+
=2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit=
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
+
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
  
  
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf einen von '''Ortfried Schäffter''' 1991 herausgegebenen Sammelband mit dem Titel &quot;Das Fremde. Erfahrungsmöglichkeiten zwischen Faszination und Bedrohung&quot;. In seinem einleitenden Beitrag ('''Modi des Fremderlebens[[Das_Fremde_verstehen/Deutungsmuster#1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens|[1]]]''' - Deutungsmuster im Umgang mit Fremdheit) '''untersucht''' Schäffter '''die verschiedenen inhaltlichen Erscheinungsformen von Fremderleben auf ihre strukturellen Voraussetzungen'''.
+
''„Die in der Kunst versunkener Kulturen bewahrten außerordentlich abwechslungsreichen Körperhaltungen sind in Wirklichkeit '''in sich geschlossene Rituale''' und erstehen ohne die Notwendigkeit, die dazugehörige, meist unbekannte Kultur zu übernehmen, unter '''Hinzufügen einer rhythmischen Anregung''' zu neuem Leben.“ …''schreibt Felicitas Goodman in ihrem Buch „''Trance, der uralte Weg zu religiösem Erleben''“ über die von ihr 1977 entdeckte Bedeutung überlieferter Körperhaltungen).
  
[[File:denkenksa-1_1.jpg|380x245px|Foto: Werner Zips bei der Feldforschung in Mbekweni bei Paarl, Südafrika 2005, Matthäus Rest]]
+
[[File:rebetrance-3_1.jpg|401x552px|''Foto: Das „Paar von Cernavoda“ als Beispiel für eine rituelle Körperhaltung vermittelt ein heilendes Erleben. Mann und Frau nehmen dabei unterschiedliche Positionen ein. Die beiden Figuren wurden zusammen in einem Grab im Donaudelta (5000 v.u.Z.) bei der heutigen rumänischen Stadt Cernavoda entdeckt (ORF © Nachlese 7/96: 22)'']]
  
Diesen analytischen Zugang nimmt Schäffter vor dem sozialen Hintergrund einer immer problematischer werdenden Beziehungsgestaltung zwischen dem Eigenen und dem Fremden auf. Sein Ausgangspunkt ist das '''Spannungsverhältnis zwischen personaler, sozialer und kultureller Identität und dem von ihm Ausgegrenzten'''. Unter letzterem lässt sich das psychisch Verdrängte ebenso verstehen wie das räumlich Fremde, das Fremde des Alter Ego oder das Fremde als fremdartiger Objektbereich. Diese Grenzflächen zum Fremden haben sich emotional aufgeladen und seit dem Erscheinen des Buches (im Jahr 1991) hat sich dieser Prozess wohl noch verstärkt. Mit der Thematik lassen sich bei entsprechender Besetzung mittlerweile nicht nur demokratische Wahlen gewinnen oder verlieren, sondern unter Umständen sogar das gesamte politische System destabilisieren bzw. verändern.
+
Felicitas Goodman entdeckte, dass die vielen, teils recht merkwürdigen Körperhaltungen in der Kunst der nichtwestlichen Welt, die seit Tausenden von Jahren quer über alle Kulturen immer wieder auftauchen, ein subtiles Kommunikationssystem beinhalten. Grabbeigaben, Felsritzungen, Statuetten sind eine in Form gebrachte Codierung höchsten Wissens um die andere Wirklichkeit und die Wege dorthin. Wenn wir eine dieser rituellen Körperhaltungen einnehmen und zum gleichförmigen Rhythmus einer Rassel oder Trommel in Trance gehen, entschlüsselt sich der Code und der entsprechende öffnet sich.
  
Die '''Grenzflächen zum Fremden''' sind höchst ambivalent und '''bewegen sich zwischen Faszination und Bedrohung'''. Auch die immer stärkere globale Mobilität führt zur Auseinandersetzung mit dem konkreten Fremden in seiner ernüchternden Alltäglichkeit. So hat zum Beispiel die arabisch- islamische Kultur aus Tausendundeiner Nacht mit der gelebten Wirklichkeit während einer Urlaubsreise ebenso wenig zu tun wie mit der Begegnung mit Menschen unterschiedlicher kultureller Prägung im eigenen Land.
+
Außer einem intensiven körperlichen Wohlbefinden ergeben sich eindrucksvolle '''Begegnungen mit der anderen Wirklichkeit'''. Wir erfahren Heilung und Reinigung, erleben Verwandlung, gehen auf Reisen mit unseren Krafttieren, erkunden die Räume von Geburt und Tod und bekommen Antworten in Form von konkreten Informationen und ganzheitlichem Verstehen.
  
'''Verweise:'''<br />
+
Wir treffen den Bärengeist und erfahren seine heilsame Kraft, fliegen in einer anderen Haltung der Seelenreise als Adler über die weite Landschaft der Unterwelt, verwandeln uns in der Metamorphosehaltung in eine Löwin und jagen über die Steppe, erleben in der Haltung des Weltenbaumes die zeitlose Macht und Größe des Weltenbaums oder hören die Botschaften des Tennessee Wahrsagers, der Antworten auf unsere Fragen gibt. In der Trance finden Erlebnisse und Erkenntnisse auf ganzheitlicher Ebene statt und ein tiefes Gefühl der Verbundenheit, ein gelandet Sein im Zentrum des eigenen Wesens und tiefes Wohlgefühl schwingen nach der ekstatischen Erfahrung weiter.
[[Das_Fremde_verstehen/Deutungsmuster#1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens|[1] Siehe Kapitel 1.2]]<br />
 
  
 
==Inhaltsverzeichnis==
 
==Inhaltsverzeichnis==
  
 
<div class="eksa_toc">
 
<div class="eksa_toc">
[[Das_Fremde_verstehen#1 Das Fremde verstehen|1 Das Fremde verstehen]]<br/>
+
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit#2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit|2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit]]<br/>
:[[Das_Fremde_verstehen/Eurozentrismus#1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen|1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen]]<br/>
+
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen|2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen]]<br/>
:[[Das_Fremde_verstehen/Deutungsmuster#1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens|1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens]]<br/>
+
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1.1 Erste Erlebnisberichte in der Haltung von Lascaux|2.1.1 Erste Erlebnisberichte in der Haltung von Lascaux]]<br/>
:[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3 Ordnungsschemata des Fremderlebens|1.3 Ordnungsschemata des Fremderlebens]]<br/>
+
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen|2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen]]<br/>
::[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3.1 Fremdheit als Resonanzboden|1.3.1 Fremdheit als Resonanzboden]]<br/>
+
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2.1 Der Bärengeist — eine der häufigsten Haltungen|2.2.1 Der Bärengeist — eine der häufigsten Haltungen]]<br/>
::[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3.2 Fremdheit als Gegenbild|1.3.2 Fremdheit als Gegenbild]]<br/>
+
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2.2 Die Fanny — die älteste Haltung|2.2.2 Die Fanny — die älteste Haltung]]<br/>
::[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3.3 Fremdheit als Ergänzung|1.3.3 Fremdheit als Ergänzung]]<br/>
+
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen|2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen]]<br/>
::[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3.4 Fremdheit als Komplementarität|1.3.4 Fremdheit als Komplementarität]]<br/>
+
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt|2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte|2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.1 Eine Begegnung mit dem Bärengeist|2.4.1 Eine Begegnung mit dem Bärengeist]]<br/>
 +
:::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.1.1 Lied der Eskimo-Schamanen|2.4.1.1 Lied der Eskimo-Schamanen]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.2 Die Antworten des Wahrsagers|2.4.2 Die Antworten des Wahrsagers]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.3 Eine Reise in die untere Welt|2.4.3 Eine Reise in die untere Welt]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.4 Das uralte Thema der Verwandlung|2.4.4 Das uralte Thema der Verwandlung]]<br/>
 +
:::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.4.1 Durch die Augen des Jaguars|2.4.4.1 Durch die Augen des Jaguars]]<br/>
 +
:::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.4.2 Magische Worte|2.4.4.2 Magische Worte]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Anwendung#2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen|2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Anwendung#2.5.1 Ablauf und Durchführung des Rituals|2.5.1 Ablauf und Durchführung des Rituals]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Anwendung#2.5.2 Maskentanz als Anwendung der rituellen Körperhaltungen in einem großen Ritual|2.5.2 Maskentanz als Anwendung der rituellen Körperhaltungen in einem großen Ritual]]<br/>
 
</div>
 
</div>
  
 
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
 
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus#2 Die Praxeologie Pierre Bourdieus|2 Die Praxeologie Pierre Bourdieus]]<br/>
+
[[Felicitas_Goodman#1 Felicitas Goodman|1 Felicitas Goodman]]<br/>
[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas#3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas|3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas]]<br/>
+
[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans#3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans|3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans]]<br/>
[[Bibliographie#4 Bibliographie|4 Bibliographie]]<br/>
+
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman#4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman|4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman]]<br/>
 +
[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen#5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen|5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen]]<br/>
 +
[[Publikationen#6 Publikationen|6 Publikationen]]<br/>
 +
[[Bibliographie#7 Bibliographie|7 Bibliographie]]<br/>
  
'''[[Das_Fremde_verstehen/Eurozentrismus#1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen|Nächstes Kapitel: 1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen]]'''<br/>
+
'''[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen|Nächstes Kapitel: 2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#1 Das Fremde verstehen|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit#2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit|Vorheriges Kapitel: 2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit]]'''
 +
=2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
Das '''religiöse Erleben''', die '''direkte Erfahrung einer anderen Wirklichkeit''', war Mittelpunkt der Forschungen von Felicitas Goodman.
  
 +
Als sie schon an der Denison Universität in Ohio unterrichtete, baten ihre Studenten sie darum, ihnen die Trance „beizubringen“. Aus ihren Feldforschungen bei den Pfingstgemeinden in Yucatán waren ihr die '''Rahmenbedingungen[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2.2 Rahmenbedingungen für das Eintreten in der Trance|[1]]]''' für ein religiöses Ritual bekannt, und sie versuchte diese auf die universitäre Umgebung zu übertragen. Felicitas Goodman wies die Studenten an, sich in einer für sie geeigneten Weise zu bewegen oder zu positionieren und rasselte mit einer einfachen '''Kürbisrassel''', wie sie von Pueblo-Indianern in Neumexiko verwendet wurde, in einem konstanten Rhythmus von '''210 bpm''' eine Viertelstunde lang. Die Studenten erlebten fast alle einen anderen Bewusstseinszustand, die Erfahrungen waren jedoch nicht konstant. Sie hatten zwar visuelle und auditive Wahrnehmungen und stellten körperliche Veränderungen fest, schienen aber ziellos in anderen Bewusstseinsräumen herumzuirren.
  
'''[[Das_Fremde_verstehen#1 Das Fremde verstehen|Vorheriges Kapitel: 1 Das Fremde verstehen]]'''
+
[[File:rebetrance-4_1.jpg|454x341px|''Foto: Von Pueblo-Indianern rituell gefertigte Kürbisrasseln aus New Mexico, wie sie Felicitas Goodman verwendete'' ''(Susanne Jarausch © 2008)'']]
=1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen=
 
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
 
  
 +
Vier Jahre lang hat sie mit ihren Studenten experimentiert, um schließlich feststellen zu müssen, dass eine solche '''Anregung nicht automatisch zu einem religiösen Erleben''' führt. Das Erleben hat zu sehr gestreut, es fehlte etwas Spezifisches, ein religiöses Ritual aus dem kulturellen Hintergrund, um die Verbindung zur anderen Wirklichkeit herzustellen. „Es handelt sich um einen neurophysiologischen Vorgang, der nur durch die in der betreffenden Kultur enthaltenen Signale einen Inhalt erhält“, fasste sie das Ergebnis zusammen (Goodman 1989: 29).
  
[[File:denkenksa-2_1.jpg|380x284px|Foto: Eine Bauchtänzerin umringt von Studierenden der KSA in einem kurdischen Lokal in Kapstadt, Südafrika 2005, Severin Lenart]]
+
Der entscheidende Hinweis kam schließlich durch einen Artikel über den Zusammenhang von Körperhaltungen und Meditationserfahrungen, den F. Goodman in die Hand bekam. Die '''Körperhaltung''' hatte sie bis jetzt nicht beachtet. Aus dem Wissen, dass es bei nichtwestlichen Kleingesellschaften keine Trennung zwischen Religion, Kunst und Leben gibt, musste das, wonach sie suchte, in dem, was wir heute Kunst nennen, enthalten sein.
  
Aus analytisch-kritischer Sicht lässt sich zeigen, dass die europäischen Formen der Entdeckung von Fremdheit ihre arglose Selbstverständlichkeit verloren haben. Die Sozialwissenschaften unter Einschluss von Ethnolog/inn/en haben in den letzten Jahren der Beziehungsgestaltung an einer Entmystifizierung der romantischen Geschichte der großen Entdeckungen mit ihrer Suberzählung des kulturellen Kontaktes (die Geschichte der Begegnungen) mitgeschrieben. Daran werden die '''Modi des Fremderlebens[[Das_Fremde_verstehen/Deutungsmuster#1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens|[1]]]''' im Umgang mit eigener und fremder Andersartigkeit deutlich. Räumliche Expansion, geistige Vereinnahmung, Subsumtion in das eigene Weltbild und Unterordnung anderer Erfahrungswelten und Traditionen unter die Perspektivität unserer eigenen Geschichtsschreibung bestimmen die europäische Geistes- und Politikgeschichte. Aber der blinde, Jahrhunderte eingeübte '''Ethnozentrismus muss in einer immer begrenzter und ent-fremdeter werdenden Welt verknüpfter Lebenszusammenhänge und gegenseitiger Abhängigkeiten scheitern.''' Fremdheit lässt sich nicht mehr auf räumliche Distanz beschränken, da ehemals als ferne gedachte Lebenszusammenhänge in ein immer dichter werdendes Mosaik gepresst werden, in dem mentale und historische Distanzen überhaupt erst in Kontakt geraten. &quot;Sie erscheint vielmehr als eine konfliktträchtige Zeitgenossenschaft von unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen, zwischen denen häufig eine unüberbrückbare Distanz liegt&quot; (Schäffter 1991: 11).
+
Sie schlug das Buch „Die Welt der frühen Jäger“ von Andreas Lommel auf und stieß auf die Darstellung des Schamanen mit dem '''Bärengeist[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2.1 Der Bärengeist — eine der häufigsten Haltungen|[2]]]''', die vom Ausdruck her auf eine religiöse Szene schließen ließ. Augenblicklich nachdem ihre Studenten diese Haltung eingenommen hatten und zum Rhythmus der Rassel in Trance gingen, hat sich ein '''fest umschriebenes religiöses Erleben''' eingestellt. Auch die nächsten Körperhaltungen, wie jene des Nupe mallam, eines afrikanischen Wahrsagers, oder des Mannes von Lascaux, vermittelten ein bestimmtes, vorauszusagendes und von anderen unterscheidbares Erlebnis.
  
'''Fremdheit ist daher als Beziehungsverhältnis zu verstehen, dass durch Nähe intensiviert wird.''' Dann erst erlangen Unterschiedlichkeiten soziale Bedeutung und bauen sich zu persönlichen, gruppenbezogenen, politischen, ökonomischen oder kulturellen Reibungsflächen auf. Jedes autonome Sinnsystem (Person, soziale Gruppe, gesellschaftliche Institution oder kulturelle Einheit) verfügt über eine eigene Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie sind einander in Bezug auf ihre Temporalität fremd und existieren in verschiedenen Eigenzeiten. Diese Eigenzeiten verschränken sich im gegenseitigen Kontakt zu einer Art &quot;Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem&quot;. Wenn die Grenzen zu Kontaktflächen werden wird Fremdheit virulent. Sie kann nicht als Eigenschaft (wie früher in der Ethnologie die &quot;schriftlosen Völker&quot; oder &quot;die Naturvölker&quot;) verstanden werden, sondern als Beziehungsmodus. Daher ist Fremdheit immer ein relationaler Begriff, der nach einer Mitberücksichtigung der eigenen Anteile verlangt.
+
Mit dieser Entdeckung begann 1977 eine neue Phase ihrer Forschung. Heute sind bereits etwa 70 rituelle Trancehaltungen und deren Erlebnisinhalte bekannt.
  
 
'''Verweise:'''<br />
 
'''Verweise:'''<br />
[[Das_Fremde_verstehen/Deutungsmuster#1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens|[1] Siehe Kapitel 1.2]]<br />
+
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2.2 Rahmenbedingungen für das Eintreten in der Trance|[1] Siehe Kapitel 4.2.2]]<br />
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2.1 Der Bärengeist — eine der häufigsten Haltungen|[2] Siehe Kapitel 2.2.1]]<br />
  
 +
==Inhalt==
 +
<div class="eksa_toc">
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen|2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1.1 Erste Erlebnisberichte in der Haltung von Lascaux|2.1.1 Erste Erlebnisberichte in der Haltung von Lascaux]]<br/>
 +
</div>
  
 +
== 2.1.1 Erste Erlebnisberichte in der Haltung von Lascaux ==
  
'''[[Das_Fremde_verstehen/Deutungsmuster#1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens|Nächstes Kapitel: 1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens]]'''<br/>
+
„Ich wünschte, ich könnte noch einmal das Staunen über die Verzauberung erleben, die mich damals in ihren Bann schlug, als wir anfingen, diese neue Möglichkeit zu erforschen. “ '''' (Goodman 1989: 32)
----
 
[[#1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen|&uarr; Nach oben]]<br/>
 
  
 +
[[File:rebetrance-5_1.jpg|455x348px|''Foto: Die Felsmalerei aus der Höhle von Lascaux aus der Altsteinzeit zeigt einen Mann mit den Kennzeichen eines Schamanen (Schamanenstab, Vogelmaske), der in einem Winkel von 37 Grad zur Horizontalen liegt'']]
  
'''[[Das_Fremde_verstehen/Eurozentrismus#1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen|Vorheriges Kapitel: 1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen]]'''
+
Wie sich herausstellte, vermittelt die Haltung in dieser Schräglage das Erleben einer '''Seelenreise in die obere Welt'''. Der Winkel von 37 Grad ist auch in anderen Haltungen für ein Reiseerlebnis in obere Gefilde maßgebend.
=1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens=
 
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
 
  
 +
Die TeilnehmerInnen legten sich mit einer Arm- und Handhaltung wie auf der Darstellung auf extra vorbereitete Holzgerüste im '''37 Grad[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2.2 Die Fanny — die älteste Haltung|[1]]]''' Winkel. Schon bei der ersten Rasseltrance gab die Aneinanderreihung der Einzelberichte im Gesamtbild eine Seelenreise in die obere Welt:
  
Die eigene Identität ruft die Fremdartigkeit des Anderen hervor, wobei differente Sinnwelten auch über unterschiedliche Konzepte und Wahrnehmungstraditionen von Fremdartigkeit verfügen. Es gibt keine universellen Modi des Fremderlebens, was zu problematischen Situationen und Verhaltensunsicherheit führt. Erfahrungsmodi oder Deutungsmuster des Fremderlebens beziehen sich auf soziale Bruchlinien und können völlig unterschiedliche Bedeutungen annehmen. Darin können fünf grundsätzliche inhaltliche Ausformungen unterschieden werden:
+
''„Die Energie ist in meinem Körper herumgerast, plötzlich hat sie sich auf die Genitalien konzentriert. Schließlich hat sie begonnen, in meinem Körper aufwärts zu strömen.“ – „… wie ein Orgasmus im Kopf, als sollte alles aus mir herausgequetscht werden; ich bin durch meinen Kopf hinausgepresst worden.“ – „Es hat da so etwas wie eine riesige Ausstechform gegeben, die hat angefangen, mich zu vervielfältigen. Dann war da etwas, das wollte aus mir heraus. Alle Haare von meinem Körper sind zu Berge gestanden, als dieses Ding aus mir herausgekommen ist. Ein genauer Abklatsch von mir selbst.“ – „Ich habe einen Pfad gesehen, auf dem bin ich zu einer weißen Wolke gekommen. Dann bin ich in der Wolke drin gewesen, die hat sich geöffnet, und ich bin herausgekommen und im Blau herumgeflogen.“''
  
# '''Das Fremde als das Auswärtige''', indem die räumliche Trennungslinie das Innere, die Heimat und die Einheitssphäre betont.
+
''„Es war nicht von der Hand zu weisen, dass der veränderte Bewusstseinszustand, den die einfache rhythmische Anregung durch die Kürbisrassel hervorgerufen hatte, tatsächlich die religiöse Trance war, denn die Teilnehmer an meinen Versuchen hatten eine Seelenfahrt erlebt, also etwas Religiöses. Außerdem hatten wir gleichzeitig begonnen, ein System von Signalen an das Nervensystem wiederzuentdecken, die Zeichen einer höchst verwickelten Kunst, mit deren Hilfe die an sich '''formlose Trance in ein religiöses Erlebnis umgeformt''' werden kann, ein wahrhaft wundersames Geschenk der vielen namenlosen Künstler, die diese besonderen Haltungen gestaltet hatten.'' (Goodman 1989: 36) … der Schritt von den körperlichen Veränderungen zum ekstatischen Erlebnis, vom Diesseitigen, '''vom Profanen zum Heiligen''' war gelungen.
# '''Das Fremde als Fremdartiges''', wodurch die Anormalität, das Unpassende etc. im Gegensatz zum Normalen eines Sinnbezirkes besetzt wird.
 
# '''Das Fremde als das noch Unbekannte''', das die Möglichkeit des Kennenlernens und gegenseitigen Vertrautmachens impliziert.
 
# '''Das Fremde als das letztlich Unerkennbare''', als das für den Sinnbezirk transzendente - also nicht erfahrbare Außen.
 
# '''Das Fremde als das Unheimliche''', worin die Grenze zwischen Innen und Außen verschwimmt, wenn das Heimische unheimlich wird.
 
  
 +
'''Verweise:'''<br />
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2.2 Die Fanny — die älteste Haltung|[1] Siehe Kapitel 2.2.2]]<br />
  
  
'''[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3 Ordnungsschemata des Fremderlebens|Nächstes Kapitel: 1.3 Ordnungsschemata des Fremderlebens]]'''<br/>
+
 
 +
'''[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen|Nächstes Kapitel: 2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen|&uarr; Nach oben]]<br/>
  
  
'''[[Das_Fremde_verstehen/Deutungsmuster#1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens|Vorheriges Kapitel: 1.2 Deutungsmuster des Fremderlebens]]'''
+
'''[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen|Vorheriges Kapitel: 2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen]]'''
=1.3 Ordnungsschemata des Fremderlebens=
+
=2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen=
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
+
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
  
  
Die Modalitäten des Fremderlebens lassen sich auf Ordnungsschemata zurückführen, worunter soziale Wirklichkeitsdefinitionen zu verstehen sind (z. B. wer Asylant ist). Als Unterscheidungsmuster gliedern sie die Welt, machen sie verständlich und beherrschbar. Repressiv werden die Deutungsmuster dann, wenn sie sich als natürliche Ordnung verstehen und den dahinter liegenden Interessensstandpunkt zu objektivieren und zu verabsolutieren versuchen. Eine '''&quot;'''Phänomenologie[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.1 Phänomenologie|[1]]]''' von Fremdheit&quot;''' stellt sich daher der Aufgabe, die Deutungsmuster von Fremdheit anhand von elementaren Ordnungsschemata systemspezifischer Innen/Außen- Beziehungen zu untersuchen. Schäffter (1991: 15) unterscheidet vier elementare Ordnungsschemata:
+
<div><ul>
 +
<li style="display: inline-block;">[[File:rebetrance-6_1.jpg|294x122px|''Abbildung: Vier Darstellungen zeigen die rituelle Körperhaltung „das Rufen der Tiere“:'' ''Ein Spindelgewicht, Cowichan (amerikanische NW-Küste) 19. Jh.; eine Felszeichnung aus Kalifornien; eine Tonfigur von Cochiti Pueblo, Neumexiko und eine Felszeichnung aus Korgsta, Schweden. (Goodman 1989: 75)'']]</li>
 +
<li style="display: inline-block;">[[File:rebetrance-6_2.jpg|294x134px]]</li>
 +
</ul></div>
  
* '''Ordnungen transzendenter Ganzheit''', in denen das Fremde als tragender Grund- und Resonanzboden von Eigenheit dient.
+
Darüber, wie die Menschen im Lauf der Geschichte auf diese Haltungen kamen, wissen wir nichts. In den Mythologien finden wir dazu keine Angaben, sie erzählen uns jedoch, wie Rituale als Geschenke aus der anderen Wirklichkeit in Visionen geschaut oder in diese Wirklichkeit herübergeträumt wurden. Es liegt nahe, dass die Haltungen als religiöse Rituale ebensolche Geschenke, '''Offenbarungen aus der anderen Wirklichkeit''' sind.
* '''Ordnungen perfekter Vollkommenheit''', die das Fremde als Negation von Eigenheit betrachten.
 
* '''Ordnungskonzepte dynamischer Selbstveränderung''', die das Fremde als Chance zur Ergänzung und Vervollständigung einschätzen.
 
* '''Konzeptionen komplementärer, sich wechselseitig ergänzender Ordnung''', in denen Eigenheit und Fremdheit als Zusammenspiel sich wechselseitig hervorrufender Kontrastierungen begegnen.
 
  
'''Alle Erfahrungsmöglichkeiten stehen zwischen Faszination und Bedrohung.'''
+
Die meisten rituellen Körperhaltungen stammen '''aus den Kulturen der Jäger und Sammlerinnen und der Gartenbauer''' (jener Völkerschaften, die neben dem Jagen oder Fischen kleine Stücke Land bearbeiten und nicht wie die Ackerbauer offene Felder besitzen). Es sind Menschen, bei denen es keine Befehlsgewalt und hierarchische Ordnungen gibt, nicht einmal bei den Geistern. Das Verhalten wird vom '''Prinzip der Gegenseitigkeit''' bestimmt, die Ethik ist die der '''angemessenen Handlungsweise'''. Eine Ich-Identität, wie wir sie kennen, ist noch nicht in diesem Ausmaß ausgebildet, ein verbindendes '''Wir''' ist in der Gemeinschaft und auch mit der Umwelt tragend.
 +
 
 +
Ihre Rituale, so auch die rituellen Körperhaltungen, bilden eine Schutzmauer gegen die Welt der Ackerbauer mit ihrer Gespaltenheit in Gut und Böse und ihrer Angst vor allem Dämonischen. Bei den '''Ackerbauvölkern''' sind '''keine neuen Haltungen''' mehr aufgetaucht und die althergebrachten sind allmählich verschwunden. Eine Körperhaltung wird nicht mehr als konkrete Brücke zum Erleben der anderen Wirklichkeit gewertet, sondern als Symbol gewisser Glaubensinhalte. In dieser tiefgehenden Verschiebung des Religiösen versinkt das Geheimnis der Haltungen.
 +
 
 +
Ein und dieselbe Haltung ist oft '''weltweit''' in Darstellungen aus '''unterschiedlichen Zeitepochen''' zu sehen, von manchen, besonders den ältesten Haltungen, gibt es nur Einzelfunde.
 +
 
 +
Wie sich der Erlebnisinhalt dieser weltweit sehr häufigen Haltung aus der Jägerkultur, mit der das Wild angelockt wird, enthüllte, beschreibt Felicitas Goodman in ihrem Buch „Wo die Geister auf den Winden reiten“ (2007: 95-104).
 +
 
 +
Zwei Beispiele in den folgenden Abschnitten zeigen die weite Verbreitung und das Alter der Haltungen.
  
 
==Inhalt==
 
==Inhalt==
 
<div class="eksa_toc">
 
<div class="eksa_toc">
[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3 Ordnungsschemata des Fremderlebens|1.3 Ordnungsschemata des Fremderlebens]]<br/>
+
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen|2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen]]<br/>
:[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3.1 Fremdheit als Resonanzboden|1.3.1 Fremdheit als Resonanzboden]]<br/>
+
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2.1 Der Bärengeist — eine der häufigsten Haltungen|2.2.1 Der Bärengeist — eine der häufigsten Haltungen]]<br/>
:[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3.2 Fremdheit als Gegenbild|1.3.2 Fremdheit als Gegenbild]]<br/>
+
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2.2 Die Fanny — die älteste Haltung|2.2.2 Die Fanny — die älteste Haltung]]<br/>
:[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3.3 Fremdheit als Ergänzung|1.3.3 Fremdheit als Ergänzung]]<br/>
 
:[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3.4 Fremdheit als Komplementarität|1.3.4 Fremdheit als Komplementarität]]<br/>
 
 
</div>
 
</div>
 +
 +
== 2.2.1 Der Bärengeist — eine der häufigsten Haltungen ==
 +
 +
Die Haltung mit dem '''Bärengeist[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.1 Eine Begegnung mit dem Bärengeist|[1]]]''', eine '''Heilhaltung''', ist '''seit mindestens siebentausend Jahren auf der ganzen Welt''' sowohl bei den Jägerstämmen wie auch bei den Gartenbauvölkern und den nomadisierenden Hirten Sibiriens bekannt.
 +
 +
[[File:rebetrance-7_1.jpg|455x208px]]
 +
 +
''Abbildung: Weltkarte aus Goodman 1989: 130,131''
 +
 +
Sie ist eine der häufigsten Haltungen, auf den Kykladen allein wurden 34 dieser Haltungen gefunden. Die folgende Abbildung zeigt Darstellungen aus verschiedenen Kulturen:
 +
 +
[[File:rebetrance-7_2.jpg|455x662px|graphic]]''Abbildung: Darstellungen aus verschiedenen Kulturen (Goodman 1989: 132,133)''
 +
 +
''Abb. 25: Kreta 5000 bis 4000 v.u.Z.,''
 +
 +
''Abb. 26: Kalkbehälter aus Gold, Stamm der Quimbaya, Kolumbien präkolumbianisch,''
 +
 +
''Abb. 27: Insel im Stillen Ozean (sonst keine Angaben),''
 +
 +
''Abb. 28: Holzfigur, Pangwe (Fang), Gabon und Kamerun, Afrika,''
 +
 +
''Abb. 29: Steinfigur, Rhea County, Tennessee, 1300 bis 1700 n.u.Z.,''
 +
 +
[[File:rebetrance-7_3.jpg|401x593px|graphic]]''Abb. 30a: Holzfigur von den Gilyaken an der Mündung des Amur, Sibirien, zeitgenössisch,''
 +
 +
''Abb. 30b: Menhir, Saint-Germain-sur-Rance, Frankreich, 2000 v.u.Z.,''
 +
 +
''Abb. 30c: Walrosszahn, Eskimo, Banks Island, Northwest Territory, Kanada, 1800 bis 1850 n.u.Z,''
 +
 +
''Abb. 30d: Sitka Puppe, Holz, amerikanische Nordwestküste,''
 +
 +
''Abb. 30e: Uschebti, ein dienendes Wesen im Totenreich; blaue Fayance, Ägypten, Spätzeit.''
  
 
'''Verweise:'''<br />
 
'''Verweise:'''<br />
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.1 Phänomenologie|[1] Siehe Kapitel 2.3.1.1]]<br />
+
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.1 Eine Begegnung mit dem Bärengeist|[1] Siehe Kapitel 2.4.1]]<br />
  
  
== 1.3.1 Fremdheit als Resonanzboden ==
+
== 2.2.2 Die Fanny — die älteste Haltung ==
  
'''Das Fremde''' erscheint nach diesem Ordnungsmuster '''als abgetrennte Ursprünglichkeit'''. So werden Zivilisation und Wildnis ebenso wie Innen- und Außenwelt als Spannungsverhältnis auf der Grundlage basaler Gemeinsamkeit aufgefasst. Das Fremde ist danach das Ursprüngliche (bzw. ursprünglich Eigene; vgl. Morgan - Evolutionismus). Die Beziehung zum Fremden charakterisiert keinen Bruch, sondern eine existentielle Teilhabe – ein Gleichklang von Unterschiedlichem. Im Modus von Resonanz für das Innen/Außenverhältnis lässt sich Fremdheit über Affinität, Verständnis, Einfühlung, Solidarität, Liebe, Mitleid, Empathie als prinzipiell verstehbar einordnen. '''&quot;Sieh, das Fremde ist wie Du!&quot;'''
+
Die älteste rituelle Körperhaltung und zugleich auch älteste als weiblich erkennbare Darstellung, die bislang gefunden wurde, ist die 1988 von der österreichischen Archäologin Dr. Christine Neugebauer-Maresch in Stratzing/Krems-Rehberg entdeckte '''Venus vom Galgenberg''' (nach der bekannten Tänzerin auch '''Fanny''' genannt) mit '''32.000 Jahren'''. Eine 7,2 cm große Figur aus grünlichem, stark glänzendem Schiefer.
  
[[File:denkenksa-5_1.jpg|380x285px|Foto: Ein Hirte auf der Sani Ebene notiert seine Adresse, Lesotho 2005, Severin Lenart]]
+
[[File:rebetrance-8_1.jpg|350x606px]]
  
Das Fremde ging nach dieser Erfahrungsmöglichkeit aus einer ursprünglichen Ganzheit hervor und liefert nunmehr die Kontrastfläche für die eigene Identität. '''Faszination kann hier ebenso entstehen wie Bedrohung durch das Gefühl der Identitätsauflösung.''' '''Fremdheit[[Das_Fremde_verstehen#1 Das Fremde verstehen|[1]]]''' wird zur Schwellenerfahrung. Sie wird als Entdeckung und Wiedergewinnung des eigenen Ursprungs gedeutet. In der europäischen Tradition lassen sich als Beispiele Rousseau, Gauguin, aber auch die Beatles anführen. Gerade deutsche Dichter hatten noch um 1900 eine besondere Intuition im Umgang mit dem Fremden, auf der Grundlage einer ''conditio humana'', die auf einer gemeinsamen anthropologischen Basis die grundsätzliche Verstehbarkeit aller menschlichen Ausdrucksformen beschworen. '''In der Wissenschaft wird diese Sicht von der interkulturellen Hermeneutik repräsentiert''', die auf der angenommenen psycho-physischen Einheit der Menschheit ein gemeinsames Vorverständnis als Grundlage von Fremdverstehen auf der tieferen Basis des Allgemein Menschlichen postuliert.
+
Das Gewicht der Frau ruht auf dem durchgestreckten, linken Standbein, das rechte Bein ist in Kniehöhe leicht abgebogen. Der Oberkörper ist von den Hüften aufwärts leicht nach links gedreht, die linke Brust, der Kopf und der erhobene linke Arm sind in Seitenansicht dargestellt. Der rechte Arm ist seitlich am Körper von diesem getrennt und berührt dann den Oberschenkel. Als Fortsetzung ist neben dem rechten Bein ein länglicher Gegenstand, vielleicht ein Stab, angedeutet.
 +
 
 +
Der Winkel zwischen dem Kopf und dem hochgestreckten linken Arm misst '''37 Grad''', ein Winkel, der wie beim '''Mann von Lascaux[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1.1 Erste Erlebnisberichte in der Haltung von Lascaux|[1]]]''' ein Indikator für eine Reise in die obere Welt ist. Bei der Fanny geht das Erleben jedoch darüber hinaus, es ist eine komplexe '''Seelenreise in alle drei Welten''' .
 +
 
 +
So wie es die Aufgabe der Schamanen war bzw. ist, erleben sich die Menschen in die Weiten des Kosmos fliegen, berühren die Muster der noch ungeformten Wirklichkeit, bringen die Energien auf die Erde und schaffen hier Gleichgewicht und Harmonie. Sie erleben sich als Weltenbaum, der in die unendlichen Weiten des Kosmos reicht und reisen in die obere und untere Welt.
 +
 
 +
''„ (Ich wurde zu) einer sehr komplexen, multidimensionalen Matrix mitgenommen… einem äußerst komplizierten Muster. Ich fuhr den Linien nach und durch die Zwischenräume hindurch… Plötzlich explodierte ich in einen Lichtsamen… (Wenn ich einen Ton auf dieser anderen Ebene von mir gab), schien es zu einer Verschiebung, Wendung oder Verbindung zwischen Teilen der Matrix beizutragen, die zuvor noch nicht miteinander verbunden waren.“''
 +
 
 +
''„Ich versuchte mich zu konzentrieren. Die Versammlung (der Bäume) fand auf einer so tiefen Ebene statt – sie reichte in alle Tiefen und bis in die Sterne hinauf -, und ich begriff, dass die Bäume versuchten, sich nach einem Muster in den Sternen zu richten und dass ich das mit meinem eigenen Körper auch tun konnte – Körper, Bäume, Erde, Sterne, wenn alle in Übereinstimmung miteinander waren, konnte die Energie fließen. „Ist das alles?“ fragte ich. Eine etwas erstaunte, strenge Stimme sagte: „Wieso nicht? Das ist alles – diese Übereinstimmung mit einem großen Muster, damit die Energie durch alles fließen kann – darin liegt die Bedeutung aller Dinge.“'' (B. Gore, 1996: 222-223)
 +
 
 +
''„Ich wachse spiralig hinauf, werde sehr groß, es ist hell und klar. Mein Arm reicht wie ein riesiger Ast des Weltenbaums weit ins Universum, in seine Muster hinein. Ich bin in diesen Mustern und gleichzeitig spüre ich Energie durch den Arm herunter fließen. Dann gehen Energiestrahlen aus meinen Fingern nach oben und zeichnen Linien ins Universum. Wie Sternenstaub rieselt die neue Energie in meine erhobene Hand und durch mich hindurch in die Erde. Ich begreife, dass oben gleich unten ist, was oben sich bewegt, ohne dort eine Form anzunehmen, bewegt sich unten, sprießt in den Pflanzen, Tieren, allen Wesen auf der Erde. Es ist ein Tanz von Energie, ich tanze mit, wiege mich. Das Leben ist ein Tanz, die Verbindung von oben und unten. Eine spiralige Bewegung geht hinauf und hinunter und trifft sich mittig. Von dieser Mitte spüre ich eine unermessliche Liebe nach allen Seiten ausgehen, ein Ja zum Sein, klar und nüchtern. In dieser heilsamen und weisen Energie fühle ich mic''
  
 
'''Verweise:'''<br />
 
'''Verweise:'''<br />
[[Das_Fremde_verstehen#1 Das Fremde verstehen|[1] Siehe Kapitel 1]]<br />
+
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1.1 Erste Erlebnisberichte in der Haltung von Lascaux|[1] Siehe Kapitel 2.1.1]]<br />
 +
 
 +
 
 +
 
 +
'''[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen|Nächstes Kapitel: 2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen|Vorheriges Kapitel: 2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen]]'''
 +
=2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
  
 +
Das Geschehen, wenn Menschen in einer rituellen Haltung in Trance gehen, sieht '''von außen recht unspektakulär''' aus. Das eigentliche Erleben ist ein inneres.
  
== 1.3.2 Fremdheit als Gegenbild ==
+
Die extremen biologischen Veränderungen, die mit der Trance einhergehen, können auf '''körperlicher Ebene''' in sich ausbreitender Hitze bis starkem Schwitzen, einem Zucken kleiner Muskeln, ein Vibrieren, das den ganzen Körper erfasst, dem Anspannen von Muskeln, dem Vertiefen der Atmung spürbar sein. Manchmal ist die Erregung so intensiv, dass der Körper wie in eine Form gegossen erstarrt erlebt wird.
  
'''Diese Ordnungsstruktur''' beruht auf innerer Kohärenz und '''führt zu Ausgrenzung des &quot;Andersartigen&quot;, des &quot;Artfremden&quot;'''. Das Fremde erhält den Charakter einer Negation der Eigenheit. (&quot;Wien muss den Wienern Heimat bleiben; Wir machen ernst&quot;) – im Sinne gegenseitiger Unvereinbarkeit. Eine genau definierte Grenzlinie soll die Integrität der Eigenheit bewahren. Diese Integrität der eigenen Ordnung wird durch das Fremde bedroht. &quot;Das Fremde ist das Unding, das Nicht- Eigene&quot;. '''Die angesprochene Ordnungsstruktur der Einheit und Integrität hat die Metaphorik von Reinheit''', Unvermischtheit, innerer Stärke '''und Gesundheit''', während das Fremdartige die Konnotation von Vermischung, Unreinheit, Gift und Schmutz erhält. Vor allem tritt dieses Ordnungsmuster hervor, wenn die innere Ordnung durch &quot;Überfremdung&quot; gefährdet erscheint. Es rechnet sich in selbst bewusster Eindeutigkeit ausschließlich einer Seite des dualen Verhältnisses zu. Jede Form von Fremderleben ruft konflikthafte Gegensätzlichkeit hervor. '''Das Fremde erscheint als der natürliche Feind'''.
+
Gleichzeitig zu den körperlichen Phänomenen tritt das '''visionäre Erleben''' ein. Jede rituelle Körperhaltung öffnet in der Trance einen ihr spezifischen '''transpersonalen Erlebnisraum[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte|[1]]]''', wo das Bewusstsein oder die Wahrnehmung über die gewöhnlichen Ich-Grenzen hinaus erweitert ist und die Schranken von Raum und Zeit überschritten werden. Die '''rhythmische Anregung''' ist der auslösende Reiz, gleichsam das Fahrzeug hinüber in die Trance, die '''Haltung''' öffnet das Tor zu einem bestimmten Erlebnisraum wie z.B. der Verwandlung, des Reisens, des Heilens..., der je nach Fähigkeit, Verfassung, Übung usw. in einem breiteren oder schmäleren Spektrum erlebt wird.
  
[[File:denkenksa-6_1.jpg|390x265px|Eine Ausgabe des Stürmers von 1934, [https://web.archive.org/web/20160826214044/http://www.calvin.edu/academic/cas/gpa/ http://www.calvin.edu/academic/cas/gpa/] und ein Umschlagbild des Comicbuches Rocket to the Moon, Avon Periodicals, NY 1951 ]]
+
Dieses Erleben wird wiederum von der '''persönlichen''' '''Ebene''' gefärbt, man kann auch sagen in sie hineinübersetzt. Die Botschaften und Antworten, die man bekommt, die Heilung, die man erfährt, die Fähigkeiten, welche man in der Verwandlung erlernt, stehen in Bezug zum persönlichen Leben.
  
Viele Beziehungsverhältnisse können nach diesem Ordnungsmuster gedeutet werden: beispielsweise Geschlechterbeziehungen: statt Empathie wie im ersten Deutungsmuster entsteht danach Geschlechterkampf. Brennende Asylantenheime oder zerfetzte Roma sind andere Beispiele dafür. Da das Fremde als unzulässige Alternative einer reduzierten Eigenheit verstanden wird, kommt es zu einer innerpsychischen interpersonalen oder interkulturellen Auseinandersetzung. Das Fremde kann nicht in seiner Eigenart belassen werden, sondern erhält als Unbewusstes, als Krankheit, Irrationalität oder Aberglauben einen zutiefst bedrohlichen Charakter. '''Wenn dann Reinheit zur Stagnation der Entwicklung führt, kann das Ausgegrenzte die Bedeutung einer positiven Alternative erhalten.''' Dann drehen sich die Vorzeichen um: das vereinseitigte Sinnsystem sucht wieder nach Vielfalt, Neuheit etc., verfängt sich aber in den Fesseln einer dualen Ordnungsstruktur. Es führt zu '''Mythen der Zivilisationskritik und Natürlichkeitssehnsucht mit ihren Idealisierungen vom Edlen Wilden''' usw. Wenn sich der Edle Wilde auf dem Globus nicht mehr finden lässt bleibt nur noch die Flucht in die Zeit: utopische Zukunftsromane ersetzen die erträumten Reiseberichte. Darin äußern sich neuerlich der Herrschaftscharakter und die Aggressivität einer assimilativen Vereinnahmung des Fremdkulturellen durch diesen Modus des Fremderlebens.
+
[[File:rebetrance-9_1.jpg|455x611px]]
  
Nach einer Kritik von Duala-M‘bedy in seinem Buch &quot;Xenologie - die Wissenschaft vom Fremden&quot; (1997) benötigt die '''Europäische Kultur[[Das_Fremde_verstehen/Eurozentrismus#1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen|[1]]]''' den Mythos des Fremden, um sich selbst in den Griff zu bekommen. Abermals wird spiegelbildlich verkehrt ein vereinseitigtes und reduziertes Bild des Anderen produziert, um es als Kulturregulativ instrumentalisieren zu können. Von einem kulturpessimistischen Standpunkt aus sind die Anderen nicht unvergleichlich, sondern das, was wir nicht sind.
+
''Foto: Die Schlangenpriesterin von Knossos/Kreta, eine Fayance-Figur aus ca. 1650 v.u.Z. – eine rituelle Haltung die einen weiblichen Kraftaspekt vermittelt (Biedermann 1978)''
 +
 
 +
Am Erleben selbst sind '''alle Sinne''' beteiligt. Wir sehen, hören, riechen, schmecken, empfinden in der Trancevision in einer ganzheitlichen Weise, unser ganzer Körper/Geist ist sozusagen als Auge, Ohr… in fühlender Wahrnehmung.
 +
 
 +
Die '''Ekstase''', in die das visionäre Erleben eingebettet ist, lässt sich kaum in Worte kleiden, geschweige denn in einer wissenschaftlichen Kategorie erfassen. Ekstase als das Erleben der Seele von sich selbst ist ein ganzheitliches Aufgehen im eigenen Sein und dem Sein an sich. Ekstase ist das Heraustreten aus Zeit und Raum zu einem Erleben tiefster Verbundenheit, der Einheit des Ich und der Welt, zeitlos, grenzenlos.
 +
 
 +
Es braucht einerseits Hingabe, ein willentliches Hineinschmelzen in die Trance, gleichzeitig behält man in dieser '''Wachtrance''' die Kontrolle, d.h. die Möglichkeit in der Vision zu entscheiden und zu handeln aber auch jederzeit die Haltung zu lösen und aus der Trance auszusteigen.
 +
 
 +
Da die Haltungen aus den Kulturen der '''Jäger und Gartenbauer''' stammen, betreten auch wir die geistige Welt dieser frühen '''Gesellschaftsformen[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen|[2]]]'''. Es gelten die Prinzipien der Angemessenheit und Gegenseitigkeit, wir stehen '''auf Augenhöhe mit wohlwollenden Geistwesen''' der anderen Wirklichkeit und erleben ein '''verbindendes Wir.'''
  
 
'''Verweise:'''<br />
 
'''Verweise:'''<br />
[[Das_Fremde_verstehen/Eurozentrismus#1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen|[1] Siehe Kapitel 1.1]]<br />
+
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte|[1] Siehe Kapitel 2.4]]<br />
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen|[2] Siehe Kapitel 2.2]]<br />
 +
 
 +
==Inhalt==
 +
<div class="eksa_toc">
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen|2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3.1 Phänomenologische Studie§ Trancehaltung und Erlebnisinhalt|2.3.1 Phänomenologische Studie§ Trancehaltung und Erlebnisinhalt]]<br/>
 +
</div>
 +
 
 +
== 2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt ==
 +
 
 +
In einer phänomenologischen Studie untersuchte M. Schirmbrand (1991) die '''Korrelation zwischen bestimmten Haltungen und den auftretenden Erlebnisinhalten'''. In vier Versuchsdurchgängen hat sie einen systematischen Vergleich der Reise in die Unterwelt, der Maisgöttin und des tätowierten Jaguars vorgenommen, wobei die Ähnlichkeit der beiden zuletzt genannten Haltungen keine großen Unterschiede im Erleben erwarten ließ.
 +
 
 +
<div><ul>
 +
<li style="display: inline-block;">[[File:rebetrance-10_1.jpg|251x353px]]</li>
 +
<li style="display: inline-block;">[[File:rebetrance-10_2.jpg|251x335px]]</li>
 +
</ul></div>
 +
 
 +
[[File:rebetrance-10_3.jpg|251x380px]]
 +
 
 +
(Die 3 Bilder nebeneinander in eine Reihe, je 250P)
 +
 
 +
''Abbildung: Reisehaltung, Maisgöttin und tätowierter Jaguar (aus Goodman 1989)''
 +
 
 +
Abb. li.: Südamerikanische Reisehaltung nach M. Harner (1973: 83) – Tonfigur von einer Schülerin von Felicitas Goodman gestaltet.
 +
 
 +
Abb. mi.: Maisgöttin; Zentralmexiko, aztekisch.
 +
 
 +
Abb. re.: Tätowierter Jaguar; La Venta, olmekisch.
 +
 
 +
Die VersuchsteilnehmerInnen wussten nichts von den möglichen Erlebnisinhalten und hatten keinerlei Vorerfahrung. Ihr Erleben, welches sie nach der Trance berichteten, wurde inhaltsanalytisch nach '''Befinden''' und Wahrnehmungen '''visueller''', '''akkustischer''' und '''kinästhetischer''' Art differenziert.
 +
 
 +
In allen diesen vier Bereichen zeigten sich deutliche und charakteristische Unterschiede, '''genau jene Unterschiede, die auch aus Feldstudien bekannt''' sind. (vgl. Guttmann 2001)
  
  
== 1.3.3 Fremdheit als Ergänzung ==
 
  
Durch die steigende Komplexität eines Sinnsystems wird die duale Ordnung bedroht. Eine Person, Gruppe oder Kultur verfügt durch interne Differenzierung über eine Vielzahl unterschiedlicher Umwelten, über ein Spektrum interner Fremdartigkeit. '''Diese Ordnungsstruktur ist''' daher nicht eine Form der schützenden Abgrenzung, sondern '''der Versuch der Regelung von Prozessen der '''Verinnerlichung des Äußeren[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1 Drei Modi der theoretischen Erkenntis|[1]]]''' und des Entäußern des Inneren.''' Charakterisiert wird sie durch ein Zusammenspiel von Aneignung von Fremdem mit struktureller Selbstveränderung. Das Fremde erhält für dieses dynamische Ordnungsgefüge die Funktion eines externen Spielraumes mit entwicklungsfördernden Impulsen und Lernanlässen. Nach dem Motto &quot;Werde, wer Du bist!&quot; ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten. '''In einem Wechselspiel zwischen Assimilation''' (Angleichung) '''und Akkomodation''' (Aneignung) '''erscheint die Fremderfahrung als Selbsterfahrung''' (Esoterik, Ashrams etc.). Es entsteht Faszination durch die Verbindung von Informationsbedarf, Abwechslungsbedürfnis, Neugierde und Wissenstransfer.
+
'''[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte|Nächstes Kapitel: 2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen|&uarr; Nach oben]]<br/>
  
[[File:denkenksa-7_1.jpg|380x256px|Foto: Ein Kind bestaunt ein selbstgebautes Auto am Naßfeld, Salzburg, Österreich ca. 1990, Heidemarie Rest-Hinterseer]]
 
  
Freilich wird durch das skizzierte expansive Selbstverständnis das Fremderleben auf die genannten Funktionen reduziert und es entsteht in der Folge ein Problem der Verarbeitungskapazität. Das wiederum kann dazu führen, '''dass die Faszination unvermittelt in eine Bedrohung umschlagen kann'''. Jede Selbstveränderung hat die Potenz der Bereicherung ebenso wie der System sprengenden Überforderung. Darin zeigt sich die tiefe Ambivalenz des Deutungsmusters (z.B. Kulturschock). Wenn die Verarbeitungskapazität gesprengt und als Selbstentfremdung erlebt wird, muss das expansive Deutungsmuster auf die Sicherheit des zweiten Typus zurückgreifen (z.B. interpersonale Beziehungen).
+
'''[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen|Vorheriges Kapitel: 2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen]]'''
 +
=2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
Die rituellen Körperhaltungen lassen sich nach ihren '''Erlebnisinhalten[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt|[1]]]''', den transpersonalen Erlebnisräumen, die sich in der Trance öffnen, thematisch in verschiedene Gruppen zusammenfassen.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-11_1.jpg|221x506px]]
 +
 
 +
''Abbildung: Gipfelheiligtum aus Kreta (aus dem Katalog &quot;Im Labyrinth des Minos&quot; 2000: 253)''
 +
 
 +
Zu den wichtigsten Bereichen zählen:
 +
 
 +
* Heilen, Reinigung und Kräftigung
 +
* Wahrsagen
 +
* Reisen in die obere, untere und über die mittlere Welt
 +
* Metamorphose
 +
* Geburt, Tod, Wiedergeburt und Initiation
 +
* Feiern und Rufen der Geister
 +
* Erleben von Mythen
 +
* Weibliche und männliche Kraft
 +
* Erneuerung
 +
 
 +
Dieses Gipfelheiligtum aus Kreta, 19. Jh.v.u.Z. ist ein Beispiel für eine weibliche Heilhaltung. Sie wird Haltung der Chiltangeister genannt nach jenen weiblichen Geistwesen, welche von Schamaninnen in den Tälern von Uzbekistan zum Heilen gerufen werden. Beim Ritual sitzen die Schamaninnen mit eben dieser Armhaltung im Schneidersitz (Goodman 1989: 144).
 +
 
 +
Ist man vertraut mit den Erlebnisinhalten der Haltungen, kann man für ein '''aktuelles Anliegen''' das Reiseziel definieren und diejenige '''Haltung auswählen''', die in den passenden Erlebnisraum führt.
 +
 
 +
Stehen Entscheidungen an, fragt man den Wahrsager um Auskunft, bei Krankheit oder Unausgewogenheit kann man den Bärengeist mit seiner erdigen, großväterlichen Energie oder auch die Chiltangeister, jene 41 weiblichen Geistwesen um Hilfe bitten. Bei einem Todesfall weist der Ritt zum Totenreich dem Verstorbenen den Weg, will ein Kind auf die Welt kommen, bereitet die Geburtshaltung die werdende Mutter vor.
 +
 
 +
Natürlich können immer auch Haltungen einfach ausprobiert werden — Touristen sind drüben immer willkommen — vorausgesetzt die Reise wird in einer Haltung des '''Respekts und der Achtung''' (nach den Prinzipien der '''Angemessenheit und Gegenseitigkeit[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen|[2]]]''' unternommen.
 +
 
 +
Vier Beispiele geben einen Einblick in die unterschiedlichen Erlebnisinhalte des Heilens, des Wahrsagens, der Seelenreise und der Metamorphose.
  
 
'''Verweise:'''<br />
 
'''Verweise:'''<br />
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1 Drei Modi der theoretischen Erkenntis|[1] Siehe Kapitel 2.3.1]]<br />
+
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt|[1] Siehe Kapitel 2.3.1]]<br />
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Herkunft#2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen|[2] Siehe Kapitel 2.2]]<br />
  
 +
==Inhalt==
 +
<div class="eksa_toc">
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte|2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.1 Eine Begegnung mit dem Bärengeist|2.4.1 Eine Begegnung mit dem Bärengeist]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.1.1 Lied der Eskimo-Schamanen|2.4.1.1 Lied der Eskimo-Schamanen]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.2 Die Antworten des Wahrsagers|2.4.2 Die Antworten des Wahrsagers]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.3 Eine Reise in die untere Welt|2.4.3 Eine Reise in die untere Welt]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.4 Das uralte Thema der Verwandlung|2.4.4 Das uralte Thema der Verwandlung]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.4.1 Durch die Augen des Jaguars|2.4.4.1 Durch die Augen des Jaguars]]<br/>
 +
::[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.4.2 Magische Worte|2.4.4.2 Magische Worte]]<br/>
 +
</div>
 +
 +
== 2.4.1 Eine Begegnung mit dem Bärengeist ==
 +
 +
[[File:rebetrance-12_1.jpg|455x402px]]
 +
 +
''Abbildung: Schamane mit dem Bärengeist, Holzschnitzerei vom Stamm der Kwakiutl, Nordwestamerika, spätes 19. Jahrhundert (aus Lommel 1980: 85)''
 +
 +
Von allen rituellen Körperhaltungen ist die Bärenhaltung die bekannteste. Auf den Kykladen allein hat man 34 solcher Figuren gefunden. Darstellungen der Haltung gibt es '''auf der ganzen Welt''' (1.2.2.1) von 6000 v.u.Z. bis heute.
  
== 1.3.4 Fremdheit als Komplementarität ==
+
Will man diese Haltung einnehmen, stellt man sich mit leicht gebeugten Knien hin oder setzt sich, vorzugsweise in den Kniesitz, die Hände ruhen dabei in lockeren Fäusten am Bauch, wobei die Knöchel der Zeigefinger einander berühren. Der Kopf ist leicht nach hinten geneigt, Mund und Augen sind geschlossen.
  
Den bisher besprochenen Varianten des Fremderlebens ist gemeinsam, dass sie das Fremde nicht in seiner Besonderheit stehen lassen können. Die Auseinandersetzung ist darin nicht partnerschaftlich-dialogisch, sondern die Andersheit wird als Eben-doch-Eigenes vereinnahmt. Das beruht auf der Funktion des Fremden für die Konstitution der eigenen Identität.
+
Die Haltung mit dem Bärengeist zählt zu den '''Heilhaltungen''', wobei '''Heilen bedeutet, das Gleichgewicht und die Ganzheit wieder zu gewinnen und zu erhalten'''. Dabei wird nicht zwischen körperlichen, seelischen, geistigen oder sozialen Problemen unterschieden. ''''''
  
'''Das vierte Ordnungsmuster''' nach dem von Schäffter vorgeschlagenen Modell (die Fremdheit als Komplementarität) unterscheidet sich von den bisher skizzierten Strukturen dahingehend, dass es '''auf einer wechselseitigen, sich gegenseitig hervorrufenden Fremdheit beruht'''. Es ist eine Ordnungsstruktur, die verschiedene Einzelperspektiven übergreift. Inneres und Äußeres werden nicht als separate Bereiche behandelt, indem sich Eigenes und Fremdes wechselseitig relativieren und bestimmen. Aus der Vielzahl eigenständiger Perspektiven und möglicher Interpretationen der Welt, ergibt sich ein Abgehen von einem unbestreitbaren Fundament im Aufeinandertreffen unterschiedlicher Bezugssysteme; es entsteht ein Verzicht auf einen übergeordneten Bezugspunkt. '''Damit wird auch auf die Annahme einer universellen Rationalität und einer universell beobachtbaren empirischen Welt verzichtet.''' Das Wissen über die Welt bleibt nach diesem Ordnungsmuster unaufhebbar an lokale und soziale Konstitutionsprozesse gebunden. Für die Übersetzung und Verbindung zwischen lokalen Wissensbeständen gibt es keine (angenommene) Garantie mehr.
+
Die Haltung des Bärengeistes vermittelt die großväterliche, erdige Energie des Bärengeistes, eines mächtigen Heilesr in verschiedenen Traditionen, die von den TeilnehmerInnen auf ganz persönliche Weise als heilsam erfahren wird. Oft erscheint der Bärengeist selbst und überträgt seine Kraft, was von dem Erleben tiefer '''Geborgenheit''' und eines '''genährt Werdens''' bis zum zerstückelt und wieder neugeboren Werden, ähnlich einer schamanischen '''Initiation''', reicht.
  
[[File:denkenksa-8_1.jpg|380x287px|Foto: Eine Köchin als Kamerafrau am Weingut Nelson's Creek bei Paarl, Südafrika 2005, Severin Lenart]]
+
''„…Die Rassel war wunderschön, es ist eine Kindheitserinnerung aufgetaucht, wo ich in einem Waschbecken Murmeln herumgerollt habe. Ich habe gesehen, wie sie herumgerollt sind und war traurig, dass das Bild nur sehr kurz war. Ich krabble wie durch einen Tunnel, und alles ist weg, meine Trauer, mein Schmerz. Ich komme zu einer Bärenfamilie, es sind 13 kleine Bären und weit weg ist die Mutterbärin. Ich wollte nicht weg, aber die Rassel hat gesagt: „Rüben raspeln, Rüben raspeln!“ Dann habe ich gesagt: „Ich kann es!“ und bin weg von den Bären und fühle mich sehr stark. …Hinter mir war ein schwarzes Gefühl, und zwei schwere Pranken haben mich umarmt. Ich musste Vögel füttern, dafür bekam ich ein weißes Bärenfell geschenkt. Die 13 Bärchen sind auf mir herumgekrabbelt, und ich habe mich in einen Bären verwandelt.“''
  
'''Die Erkenntnistheorie''' - so Schäffter (1991: 25) - '''wird beim komplementären Ordnungsmuster durch die Hermeneutik abgelöst.''' Die Ordnungsstrukturen sind damit nicht mehr ambivalent, sondern polyvalent; sie beziehen sich auf eine Praxis des Unterscheidens. Die Ordnung lebt vom permanenten Oszillieren (Pendeln) zwischen Positionen der Eigenheit und Fremdheit, die sich in wechselseitigem Kontakt hervorrufen. Es kann sich keine reine Innen- oder Außenwelt mehr etablieren, keine reine Eigen- oder Fremdwelt. Darin äußert sich '''eine komplementäre Ordnung wechselseitiger Fremdheit'''. Ab einem gewissen Moment ersetzt die Feststellung von „Nicht- Verstehbarkeit“ den Versuch der Akkomodation. Darin ist keine Verweigerung des Verstehens zu konstatieren, sondern die Anerkennung einer Grenzerfahrung - einer eigenen Grenzlinie der Erfahrungsmöglichkeit. Das ist eine Konsequenz aus der Erfahrung, dass externe Berichte nicht völlig aneignungsfähig sind und daher in ihrem Eigenwert zu respektieren. Solche Schwellenerfahrungen werden dann als Zwang zur radikalen Anerkennung von gegenseitiger Differenz aufgefasst - als '''Sensibilität für gegenseitige Fremdheit'''.
+
Dieser Erlebnisbericht aus einem Seminar mit Felicitas Goodman zeigt, wie sich ein durch eine schlimme Kindheit verursachter Schmerz zu lösen beginnt und Kraft und Stärke erfahren werden. Wie häufig berichtet wird, stellt sich der Bärengeist hinter die Teilnehmerin und umarmt sie. Als Gegenleistung für ihre Gabe an die Vögel bekommt sie die '''Bärenkraft''' in Form des weißen Fells geschenkt und '''verwandelt''' sich schließlich selbst in einen Bären, der manchmal die Welt völlig anders wahrnimmt, wie folgender Bericht verdeutlicht.
  
Die Ordnungsleistung bezieht sich daher auf die Praxis des Fremderlebens. Das Fremde wird als Ergebnis einer Unterscheidungspraxis in wechselseitiger Interaktion erkennbar, aber nicht endgültig bestimmbar. '''&quot;Es kann nur noch beobachtet werden, wie der Beobachter die anderen Beobachter beim Beobachten des Beobachtens beobachtet&quot;''' (ebd.: 27). Damit verbindet sich ein neues Verständnis von kulturhistorischer Distanz. Es zielt darauf ab, die Verwurzelung in unserer eigenen Kultur klar zu erkennen und unsere Abhängigkeit von den eigenen gesellschaftlichen Normen, die sich im Denken, Empfinden und Handeln zeigt. '''&quot;Erst wenn wir bewusste '''Eurozentriker[[Das_Fremde_verstehen/Eurozentrismus#1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen|[1]]]''' sind, vermögen wir das Fremde unvoreingenommen''' (...) '''wahrzunehmen.''' (...) Der eigenen Perspektivität bewusst, könnten wir dann das Fremde als ''Fremdes'' belassen&quot; (ebd.: 28). Das Fremde macht dann die blinden Flecken unserer eigenen Wahrnehmungsfähigkeit erkennbar. Im Resultat kommt es zu einer Erfahrung einer gegenseitigen Grenze. Dann - so hofft Schäffter - kann es vielleicht zu neuen Formen von Gemeinsamkeit kommen, die tragfähiger sind, als die Einfühlung in die vermeintlich universellen Grundlagen des Humanen.
+
''„….Ich habe mich in einen Bären verwandelt und mich völlig anders gefühlt. Meine Nase ist riesig geworden. Ich habe die Welt durch das Riechen wahrgenommen. Ich habe gerochen, wo es etwas zu fressen gibt, ja die Welt war ein Informationsnetz aus Gerüchen. Ich habe'' '''''verstanden''''''', wo es lang geht, es war wunderbar, eine ganz andere Welt…“''
 +
 
 +
Diese Teilnehmerin aus einem Seminar von S. Jarausch hat die gewonnene Klarheit für eine anstehende Entscheidung in den Alltag mitnehmen können.
 +
 
 +
Heilung bringt der Bär auf sanfte, manchmal auch auf heftige Art.
 +
 
 +
''„…Der Bär ist von hinten gekommen und hat seine Arme um mich gelegt, und ich habe mich in mütterlicher Geborgenheit gefühlt. Dann hat er mich mit seinen T''
 +
 
 +
 
 +
== 2.4.1.1 Lied der Eskimo-Schamanen ==
 +
 
 +
[[File:rebetrance-13_1.jpg|300x451px]]
 +
 
 +
''Foto: Maske und Foto von Gabriele Wimmer-Weinzettl © 2002''
 +
 
 +
'''Den Bären-Traum Tanzen'''
 +
 
 +
Wenn ein Mensch krank ist,
 +
 
 +
Verwandle ich mich in einen Bären -
 +
 
 +
Den Großen Bären der ersten Schöpfung.
 +
 
 +
Mein Pelz ist weiß -
 +
 
 +
Doch nicht, weil ich ein Eisbär wäre,
 +
 
 +
Ich bin der Bär der Ersten Schöpfung.
 +
 
 +
Ich lecke sorgsam meine Tatzen,
 +
 
 +
Umschließe den Menschen mit meinen Armen,
 +
 
 +
Drücke ihn an mich mit all seinen Schmerzen.
 +
 
 +
Dann blase ich über seinen Leib
 +
 
 +
Meinen heilenden Atem
 +
 
 +
Den Geist-Atem der ersten Schöpfung.
 +
 
 +
Bärenlied der Eskimo Schamanen ''Reindeer Chukchee''
 +
 
 +
Waldemar Bogoras ''The Chukchee.''
 +
 
 +
Dieses Lied war der Teilnehmerin eines '''Maskentanzes[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Anwendung#2.5.2 Maskentanz als Anwendung der rituellen Körperhaltungen in einem großen Ritual|[1]]]''' nicht bekannt, als sich in ihrer Vision ein weißer Bär zeigte. Sie war vertraut mit dem Bärengeist, in vielen Trancereisen hatte sie sich mit seiner heilsamen Kraft schon verbunden. Aber diesmal war der Bärengeist von einer ganz anderen Kraft.
 +
 
 +
''„… Ich habe einen weißen Bären gesehen, er war ungewöhnlich, von einer Kraft, die ich nicht beschreiben kann. Ich musste ganz tief atmen, so als wäre die Luft eine Substanz und meine Hände sind heiß geworden. Der Bär war weiß, aber eindeutig kein Eisbär.“''
 +
 
 +
Beim Maskentanz selbst hatte dieser weiße Bär eine besondere Funktion. Er brachte Heilung für die anderen Tierwesen, indem er immer wieder mit seinen Tatzen über sie hinwegstrich und seinen Atem über sie blies.
  
 
'''Verweise:'''<br />
 
'''Verweise:'''<br />
[[Das_Fremde_verstehen/Eurozentrismus#1.1 Eurozentrismus: Europa und die Anderen|[1] Siehe Kapitel 1.1]]<br />
+
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Anwendung#2.5.2 Maskentanz als Anwendung der rituellen Körperhaltungen in einem großen Ritual|[1] Siehe Kapitel 2.5.2]]<br />
  
  
 +
== 2.4.2 Die Antworten des Wahrsagers ==
  
'''[[STEOP_-_Denkweisen-KSA#Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen (KSA)|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
+
'''In allen Gesellschaften''' werden Wahrsagerituale durchgeführt, und meist stellen sie einen wesentlichen Bestandteil der jeweiligen religiösen Systeme dar. Die Jäger haben den Ritus vor allem gebraucht, um mit seiner Hilfe das Jagdwild leichter finden zu können. Als sich dann auch andere Gesellschaftstypen entwickelten, wurde das Wahrsagen den veränderten Umständen angepasst, hat aber immer wichtigen gesellschaftlichen Belangen gedient.
 +
 
 +
Wahrsagen bedeutet nicht notwendigerweise ein Voraussagen der Zukunft, sondern eher eine Deutung und Auslegung der bestehenden Verhältnisse. Wahrsagerituale dienen dem Ratsuchenden dazu, '''wahr-zu-sagen''', heller und klarer zu sehen, '''was ist''', ihm etwas Wichtiges über sich selbst oder sein gesellschaftliches Umfeld zu enthüllen.
 +
 
 +
Es gibt unterschiedliche Haltungen des Wahrsagens, in denen man über verschiedene Bereiche des Lebens Auskunft bekommen kann. Die Antworten spiegeln einerseits den Charakter der jeweiligen Wahrsagehaltung wieder und sind gleichzeitig sehr persönlicher Natur. Sie können sich in klaren Bildern und Sätzen, in intuitivem Wissen und Verstehen zeigen.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-14_1.jpg|450x524px]]
 +
 
 +
''Foto: Nupe mallam, ein Wahrsager der in Zentralnigeria lebenden Nupe (Mair 1969: 94)''
 +
 
 +
In der Haltung des '''Nupe mallams''', bekommt man Auskünfte, die sich auf das '''soziale Umfeld''' beziehen. Wie aus den Erlebnisberichten hervorgeht, erfahren die Menschen zu Beginn der Trance oft eine V-förmige Aufspaltung des Kopfes, eine Verwandlung in einen Wirbelwind oder die Wahrnehmung einer Spirale, ein Zeichen dafür, dass sich die nötige Energie aufbaut, um die Informationen ganzheitlich verarbeiten zu können. „Du sollst nicht schauen, sondern verstehen!“ war die Anweisung des Wahrsagers an eine Teilnehmerin.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-14_2.jpg|350x517px]]
 +
 
 +
''Foto: Steinfigur aus Tennessee (Frank H. McClung Museum © University of Tennessee, Knoxville)''
 +
 
 +
Der '''Wahrsager von Tennessee''', eine etwa 800 Jahre alte Sandsteinstatue aus einem Grab im Bezirk Wilson im Staate Tennessee, weist zwei Besonderheiten auf: eine spezielle Kappe und einen schwarzen Strich, der von einem Ohrläppchen über die Nase zum anderen Ohrläppchen gezogen ist. Zusätzlich hält er die Zunge zwischen den Lippen, was an die Reihe von Traditionen aus der amerikanischen NW-Küste und auch aus Asien erinnert, wo man von den Geistern Kraft über die herausgestreckte Zunge erhält. Wenn man beim Einnehmen der Haltung diese Besonderheiten nachmacht, verstärkt sich das Tranceerleben.
 +
 
 +
Der Wahrsager von Tennessee gibt uns in recht knapper Form Auskunft über persönliche Angelegenheiten, wirklicher '''Sachverständiger''' ist er '''in rituellen Dingen'''. Wenn ihm Fragen auf diesem Gebiet, wie z.B. Inhalt und Ablauf eines Maskentanzes, vorgelegt werden, fallen die Antworten ausführlich und detailreich aus.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-14_3.jpg|352x552px]]
 +
 
 +
''Abbildung: Tonfigur aus Cholula, Mexiko, präkolumbianisch (Goodman 1989: 109)''
 +
 
 +
Die '''Dame von Cholula''' wiederum gibt in einer weiblichen, fast mütterlichen Note ausführlich und geduldig Auskunft über '''persönliche Belange'''. Von dieser Haltung gibt es zwei kleine Tonstatuetten aus den Jahren um 1350 n.u.Z. aus Cholula, einem der wichtigsten religiösen Zentren Mittelamerikas. Sie tragen spitze Mützen und weite Krägen mit Quasten, sitzen auf einem Schemel und haben die Zunge zwischen den Lippen.
 +
 
 +
&lt;
 +
 
 +
== 2.4.3 Eine Reise in die untere Welt ==
 +
 
 +
Die älteste Kosmologie ist die des Weltenbaumes oder einer Weltenachse, über die der religiöse Spezialist in die '''obere[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1.1 Erste Erlebnisberichte in der Haltung von Lascaux|[1]]]''' und untere Welt und über die mittlere Welt reisen kann.
 +
 
 +
Die Unterwelt hat einen '''reichen Schatz an Erlebnissen''' zu bieten. Sie ist genauso reich bestückt wie das gesamte Menschenreich. Sie enthält unsere Landschaften und Städte, die Tiere und Pflanzen, unsere Geschichte und Erinnerungen, unsere Mythen und auch unsere Totengeister. Sie hat nichts mit den finsteren Höllenorten zu tun, zu welchen die einstmals '''fröhliche, bunte und kraftspendende''' Welt in späteren Kulturen gemacht wurde.
 +
 
 +
Vielerorts in der Welt, in Sibirien, Australien oder in Südamerika ist die Unterwelt der Ort, wo man das '''Heilen''' lernt oder wohin der Schamane hinabsteigt, um eine verlorene Seele wiederzufinden, was ebenfalls eine Heilung darstellt. Bei der Arbeit mit den Haltungen steht dies nicht im Vordergrund, Heilung kann in einer Reihe von verschiedenen Haltungen stattfinden und ist vor allem ein Geschenk des mächtigsten aller Heiler, des Großvater Bär.
 +
 
 +
Wir reisen in die Unterwelt, um unsere Verwandten, die sogenannten '''Krafttiere''' zu treffen, wir begegnen '''Lehrern''', die uns aus ihrem empirischen Wissen heraus lehren, kommen in Kontakt mit '''Verstorbenen''', erfahren das '''Wissen der Pflanzen und Steine''' oder genießen es einfach mit dem Adler '''über die weite Landschaft zu fliegen'''.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-15_1.jpg|455x259px]]
 +
 
 +
''Abbildung: Schamanische Reise: Stich von Johannes Scheffer (aus „Lappland“, 1675)'' ''(aus Hoppal 2002: 116)''
 +
 
 +
Die Reisehaltung ist liegend, entweder am Rücken, wie die Darstellung der '''südamerikanischen Reisehaltung[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt|[2]]]''' nach M. Harner (1973: 83) zeigt, oder am Bauch, wie aus dem Stich von Johannes Scheffer hervorgeht. Der '''Sami-Schamane''' (noaide) liegt auf dem Boden und hat die Trommel auf dem Rücken. (Hoppal 2002: 116)
 +
 
 +
Auch ohne den Erlebnisinhalt der Haltung zu kennen, erfahren die Teilnehmer, wenn sie einer dieser Haltungen in Trance gehen, eine '''Bewegung nach unten'''. Sie reisen durch einen Tunnel, durch einen See, oder das Meer, über einen Fluss hinunter oder schmelzen in die Erde, um in den Bereich der Unterwelt zu gelangen.
 +
 
 +
Nach der Reise in die untere Welt schwingt öfters eine Wehmut nach, so als wäre man gerade endlich zu Hause gewesen, in einer '''Heimat der Freude und Kraft''', die aus der Sicht der Alltagsrealität wieder hinter einem Schleier verschwindet. „Du kannst ja wieder kommen“ trösten uns die Geistwesen. Bei den Hopis wird erzählt, dass die Menschen aus einer unteren Welt in die jetzige aufgestiegen sind. Die Reise hinunter ist demnach eine Reise zu unserer Quelle, zu unserem Ursprung.
 +
 
 +
'''Verweise:'''<br />
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1.1 Erste Erlebnisberichte in der Haltung von Lascaux|[1] Siehe Kapitel 2.1.1]]<br />
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt|[2] Siehe Kapitel 2.3.1]]<br />
 +
 
 +
 
 +
== 2.4.4 Das uralte Thema der Verwandlung ==
 +
 
 +
Spuren '''weicher Grenzen zwischen Mensch und Tier''' finden wir überall. Ägyptische, indische und keltische Gottheiten tragen Tierköpfe oder haben sogar Tierkörper. In der ganzen Welt gibt es Mythen darüber, bei den australischen Eingeborenen ebenso wie in den Märchen der Gebrüder Grimm und natürlich auch bei den Indianern.
 +
 
 +
Eine Sage der Nordamerikanischen Indianer z.B. erzählt von einem Jäger, der einst Gelächter aus einer Höhle hörte. Als er zum Eingang schlich und hineinschaute, sah er Tiere, die sich einen Riesenspaß daraus machten, sich in Menschen zu verwandeln.
 +
 
 +
Es ist zu erwarten, dass die Menschen ebenfalls die Fähigkeit haben, die Grenzen ihrer Art zu überschreiten. In der Literatur finden wir sogar Berichte über außergewöhnliche Schamanen, die nicht nur im visionären Erleben, sondern tatsächlich ihre Gestalt wechseln können.
 +
 
 +
Bei den heute noch bestehenden '''Jägerstämmen''' gibt es '''heilige Tänze''', in denen Menschen sich in jene Tiere verwandeln, zu denen sie eine besondere Beziehung haben. Die Bewegungen der Tiere werden so lange sachkundig nachgeahmt, bis sich die Tänzer in der religiösen Trance in die dargestellten Wesen verwandeln. Auf dieser alten Felszeichnung aus Südafrika wird dargestellt, wie die Buschmänner die Bewegung der Antilope nachahmen, während die Frauen dazu klatschen. Einer der Männer ist in der Metamorphose begriffen und hat sich bereits bis zur Hälfte in eine Antilope verwandelt.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-16_1.jpg|428x294px]]
 +
 
 +
''Abbildung: Felszeichnung eines Buschmanntanzes aus Südafrika (Goodman 1989: 156).''
 +
 
 +
Felicitas Goodman hat diese ursprüngliche Technik der Metamorphose übernommen. Das '''Krafttier''', dem man in einer Seelenreise begegnet oder der Tiergeist, der im '''Maskentanz''' zum Leben erwacht, kann in einem solchen Tiertanz zum Rhythmus der Trommel getanzt werden. Gibt man den Bewegungsimpulsen des Körpers Ausdruck, erfährt man in der Metamorphose die speziellen Fähigkeiten und Kräfte des Tiergeistes.
 +
 
 +
Die Tradition der '''Tiertänze''' hat sich in den '''Gartenbaugesellschaften''' (jene Völkerschaften, die neben der Jagd auch kleine Stücke Land bearbeiten) fortgesetzt. Reste davon gibt es noch in den Hirsch-, Büffel- und Schmetterlingstänzen der Pueblo- Indianer. Als Ausdruck eines neuen Kulturgedankens, in dem die Metamorphose im Vordergrund steht, finden wir nun eine Vielzahl an rituellen Körperhaltungen, die ebenfalls das Erleben der Verwandlung vermitteln.
 +
 
 +
 
 +
== 2.4.4.1 Durch die Augen des Jaguars ==
 +
 
 +
Menschen, die neben der Jagd begannen, kleine Gärten anzulegen, erlebten, wie aus dem Samen die Pflanze wuchs, die wiederum Samen spendete. In jenen Gesellschaften wurde diese Beobachtung zum zentralen '''Kulturgedanken''' – dem des Wandels, der '''Metamorphose'''. Gleichermaßen erscheinen in der Geschichte eine Vielzahl von rituellen Körperhaltungen, die eigens dazu dienen, das Erleben der Metamorphose, des Übergangs von der menschlichen in eine nicht-menschliche Form zu ermöglichen.
 +
 
 +
Figuren aus der '''olmekischen Tradition''', in welcher der '''Jaguar''' das wichtigste Krafttier war, zeigen meist deutliche Hinweise auf diesen Erlebnisinhalt. Z.B. weist der Kopf die Züge des Jaguars auf, die Hände liegen in Pfotenstellung oder es sind Krallen an den Füßen abgebildet wie bei folgender Darstellung:
 +
 
 +
[[File:rebetrance-17_1.jpg|455x341px]]
 +
 
 +
''Foto: Eine Bildurne aus Ton, 300 bis 600 n.u.Z. (Anton 1986: Fig.137)''
 +
 
 +
Auch die beiden fast gleichen Figuren aus La Venta, eine mit einem Menschen-, die andere mit einem Jaguarkopf dargestellt, scheinen auszudrücken: „Wenn du in dieser Haltung eine Trance erlebst, verwandelst du dich in einen Jaguar und wirst auf diese Weise an seiner Kraft teilhaben.“
 +
 
 +
[[File:rebetrance-17_2.jpg|450x349px]]
 +
 
 +
''Abbildung: „Der tätowierte Jaguar“, La Venta, olmekisch, 800 bis 600 v.u.Z. (Goodman 1989: 162).''
 +
 
 +
Da der Jaguargeist bei uns, anders als im olmekischen Ritual, nicht ohne weiteres präsent ist, verwandeln sich die TeilnehmerInnen eher selten in ihn. Die in der Metamorphose übernommenen Gestalten stammen hingegen aus dem '''gesamten Spektrum der Erscheinungsformen''', angefangen von Vögeln, Säugetieren, Insekten, bis hin zu Wolken, Bergen und Sand.
 +
 
 +
Das Selbst, die erlebende Persönlichkeit bleibt trotz aller Verwandlungen unverändert. Es ist, wie einen Mantel zu wechseln, das beobachtende Ich bleibt dabei gleich.
 +
 
 +
Ein weiteres Beispiel einer sehr kräftigen Verwandlungshaltung ist der '''Olmekische Prinz''' :
 +
 
 +
[[File:rebetrance-17_3.jpg|455x341px]]
 +
 
 +
''Foto: „Principe de la Cruz del Milagro&quot;, Andesit, etwa 1200 bis 800 v.u.Z. (Anton 1986: Fig.36)''
 +
 
 +
Haltungen aus anderen Kulturen, welche die Metamorphose nicht schon im Aussehen andeuten, lassen die Verwandlung genauso erleben, wie jene aus der olmekischen Kultur.
 +
 
 +
 
 +
== 2.4.4.2 Magische Worte ==
 +
 
 +
In sehr früher Zeit
 +
 
 +
Als sowohl die Menschen wie auch die Tiere auf der Erde lebten,
 +
 
 +
konnte jemand ein Tier werden,
 +
 
 +
wenn er das wollte,
 +
 
 +
und ein Tier konnte ein Mensch werden.
 +
 
 +
Manchmal waren die Wesen Menschen,
 +
 
 +
dann wieder Tiere.
 +
 
 +
Es gab keinen Unterschied.
 +
 
 +
Alle sprachen sie dieselbe Sprache.
 +
 
 +
Das war die Zeit,
 +
 
 +
in der Worte wie Zauber waren.
 +
 
 +
Ein Wort, zufällig gesprochen,
 +
 
 +
konnte merkwürdige Folgen haben.
 +
 
 +
Es wurde plötzlich lebendig,
 +
 
 +
und was die Menschen wünschten,
 +
 
 +
das geschah –
 +
 
 +
alles, was man tun musste, war, es zu sagen.
 +
 
 +
Niemand kann das erklären:
 +
 
 +
So war es ganz einfach.
 +
 
 +
(Lied der Eskimo, Hetmann 1995: 196)
 +
 
 +
 
 +
 
 +
'''[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Anwendung#2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen|Nächstes Kapitel: 2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#1.3 Ordnungsschemata des Fremderlebens|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte|&uarr; Nach oben]]<br/>
  
  
'''[[Das_Fremde_verstehen/Ordnungsschemata#1.3 Ordnungsschemata des Fremderlebens|Vorheriges Kapitel: 1.3 Ordnungsschemata des Fremderlebens]]'''
+
'''[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte|Vorheriges Kapitel: 2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte]]'''
=2 Die Praxeologie Pierre Bourdieus=
+
=2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen=
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
+
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
  
  
Die kritische Auseinandersetzung mit Herrschaftssystemen und deren Reproduktion gehört zu den Forschungsinteressen der Politischen Anthropologie. In mehreren Publikationen, vor allem im '''&quot;Entwurf einer Theorie der Praxis&quot;''' hat '''Pierre Bourdieu''' (1979) eine '''Handlungstheorie''' vorgelegt, die das '''symbolische Kapital[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.1 Symbolisches Kapital|[1]]]''' '''der Handlungssubjekte analytisch auf dieselbe Stufe stellt wie deren''' '''ökonomisches Kapital[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.2 Ökonomisches Kapital|[2]]]''', um sie so als Strategien in der Konkurrenz um die Stellung in der Sozialhierarchie deuten zu können. Beide Kapitalformen dienen den sozialen Gruppen als Mittel, mit deren Hilfe sie ihre gesellschaftliche Position verbessern können. Mit der Erweiterung des ökonomischen Kapitalbegriffes um das '''kulturelle[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.3 Kulturelles Kapital|[3]]]''' und '''soziale Kapital[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.4 Soziales Kapital|[4]]]''' gelang es Bourdieu (1983: 184), alle die Praxisformen in die soziologische bzw. ethnologische Analyse der Gesellschaft mit ein zu beziehen, die zwar objektiv ökonomischen Charakter tragen, aber als solche im sozialen Leben nicht erkennbar sind: &quot;'''Eine allgemeine ökonomische''' '''Praxiswissenschaft[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[5]]]''' '''muss sich deshalb bemühen, das Kapital und den Profit in allen ihren Erscheinungsformen zu erfassen''' und die Gesetze zu bestimmen, nach denen die verschiedenen Arten von Kapital (oder, was auf dasselbe herauskommt, die verschiedenen Arten von Macht) gegenseitig ineinander transformiert werden.&quot; Bourdieu unterscheidet in einer ersten Differenzierung '''kulturelles, soziales und ökonomisches Kapital'''. Jede dieser Kapitalformen '''kann durch gesellschaftliche Anerkennung in symbolisches Kapital transformiert werden'''.
+
[[File:rebetrance-19_1.jpg|455x372px]]
  
[[File:denkenksa-9_1.jpg|500x219px|Foto: Ein Junge beim Drachensteigen während Dashain, einem nationalen Fest, in Kathmandu, Nepal 2008, Matthäus Rest]]
+
''Foto: Innenansicht der Kiwa (Cuyamungue-Institut © 1995)''
  
'''Verweise:'''<br />
+
Das Foto zeigt die Innenansicht der Kiwa, des runden, halbunterirdischen Ritualraums, den F. Goodman auf dem Gelände ihres Institutes in Cuyamungue erbaut hat. Man sieht u.a. ihre Rasseln und Trommeln, eine Muschel zum Räuchern von Steppensalbei auf dem Tisch, Masken von KursteilnehmerInnen an der Wand und peruanische Flöten im Regal.
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.1 Symbolisches Kapital|[1] Siehe Kapitel 2.1.1]]<br />
+
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.2 Ökonomisches Kapital|[2] Siehe Kapitel 2.1.2]]<br />
+
Rituale stehen in Bezug zur Kultur, aus der sie stammen. Da nun der Großteil der rituellen Körperhaltungen aus jenen Kulturen stammen, die neben der Jagd kleine Stücke Land und noch keine großen Felder wie die Ackerbauern bearbeiteten, hat Felicitas Goodman bei der äußeren Gestaltung des Rituals '''Handlungselemente''' aus diesen Kulturen, die transkulturell große Ähnlichkeiten besitzen und z.B. bei den Pueblo- Indianern noch lebendig sind, übernommen. Die Rahmenbedingungen für ein religiöses Erleben waren ihr aus ihrer Feldforschung bekannt.
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.3 Kulturelles Kapital|[3] Siehe Kapitel 2.1.3]]<br />
+
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.4 Soziales Kapital|[4] Siehe Kapitel 2.1.4]]<br />
+
Im '''einführenden Teil''' wird der heilige Raum geschaffen, im '''Hauptteil''' findet der Übertritt in die Trance statt, im '''abschließenden Teil''' wird der Raum wieder verabschiedet.
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[5] Siehe Kapitel 2.3]]<br />
+
 
 +
Eine gute '''Vorbereitung''', zu welcher
 +
 
 +
- die eigene Verfassung und Einstellung,
 +
 
 +
- die Gestaltung der Umgebung und Situation und
 +
 
 +
- die Auswahl und das Einüben der Haltung zählt,
 +
 
 +
bildet den Boden für die Durchführung des Rituals.
 +
 
 +
Die '''Nachbereitung''' hilft zur Integration des Erlebten.
 +
 
 +
==Inhalt==
 +
<div class="eksa_toc">
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Anwendung#2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen|2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Anwendung#2.5.1 Ablauf und Durchführung des Rituals|2.5.1 Ablauf und Durchführung des Rituals]]<br/>
 +
:[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Anwendung#2.5.2 Maskentanz als Anwendung der rituellen Körperhaltungen in einem großen Ritual|2.5.2 Maskentanz als Anwendung der rituellen Körperhaltungen in einem großen Ritual]]<br/>
 +
</div>
 +
 
 +
== 2.5.1 Ablauf und Durchführung des Rituals ==
 +
 
 +
Das Ritual ist so beschrieben, wie Felicitas Goodman es ausführte. Sie begann mit dem Räuchern, der Speisegabe an die Rassel, dem Einladen der Wesen und der Atemübung. In die Stille der Atemübung setzte sie ein Signal mit der Rassel, worauf die TeilnehmerInnen die Haltung einnahmen und Felicitas Goodman 15 min rasselte. Ein paar langsame, kräftige Schläge mit der Rassel markierten das Ende der Trancephase. Während Felicitas Goodman die Geister mit der Mehlstraße verabschiedete, lösten die TeilnehmerInnen die Haltung und ließen sich entspannt nieder. Die Erlebnisse wurden aufgeschrieben, im Kreis mitgeteilt, von Felicitas Goodman zusammengefasst und mit dem transpersonalen Erlebnisinhalt der jeweiligen Haltung in Zusammenhang gebracht - ohne Wertung und Interpretation.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-20_1.jpg|450x401px]]
 +
 
 +
''Foto: Das Räuchern mit Salbei zu Beginn eines Rituals (Susanne Jarausch © 2008)''
 +
 
 +
'''Die Rituelle Reinigung:'''
 +
 
 +
Zu Beginn des Rituals zündet die LeiterIn zum '''Räuchern''' z.B. getrockneten Salbei (sage / Steppenbeifuß bei den Puebloindianern) an, geht reihum und jede RitualteilnehmerIn streicht sich den Rauch über den Körper. Verschiedene Kräuter entfalten unterschiedliche Wirkungen, wobei Salbei reinigend wirkt.
 +
 
 +
'''Das „Wecken“ der Rassel oder Trommel:'''
 +
 
 +
Mit einer rituellen Gabe wird die energetische Entsprechung, das Geistwesen des Instrumentes in der anderen Wirklichkeit, gerufen, geehrt – „geweckt“. Puebloindianer verwenden eine '''Speisegabe''' aus dem heiligen, rituell verwendeten, blauen Maismehl. Wenn kein Maismehl zur Hand ist, empfiehlt Felicitas Goodman eine Gabe aus traditionellem Mehl wie z.B. Dinkelmehl. Etwas Mehl wird behaucht, um die eigene Geistsubstanz hineinzuhauchen, in die vier Himmelsrichtungen und nach oben und unten gewiesen und mit persönlichen Worten über die Instrumente gestreut. Das Mehl wird nun leicht angeblasen, um es um die Instrumente zu verteilen, wo der Geist der Rassel oder Trommel es „essen“ kann.
 +
 
 +
'''Das Einladen der Wesen:'''
 +
 
 +
Durch viermaliges '''Rasseln oder Trommeln in die vier Himmelsrichtungen, zum Himmel und zur Erde''' werden die Tore zu den Richtungen geöffnet und die Geister eingeladen. Sie sind damit anwesend und werden mit einer '''Speisegabe''' aus Mehl begrüßt, das man ebenfalls zuerst anhaucht, in die sechs Richtungen weist und in weitem Bogen in die Luft streut. Die Geister sammeln die Essenz ein, der Rest fällt zu Boden.
 +
 
 +
'''Eine Konzentrationsübung:'''
 +
 
 +
Eine einfache '''Atemübung''' hat die Aufgabe, den Körper auf die nachfolgende Trance einzustellen, sich zu beruhigen und einzustimmen. In bequemer Haltung wird der Atem beobachtet, ohne ihn zu verändern. Dabei werden die Atemzüge gezählt bis etwa 50.
 +
 
 +
'''Der Hauptteil mit der Rasseltrance:'''
 +
 
 +
Die vorab gewählte und eingeübte Körperhaltung wird eingenommen, die Augen werden geschlossen und die LeiterIn rasselt oder trommelt 15 Minuten lang mit etwa 200 bis 210 Schlägen pro Minute. Wahlweise kann auch eine Rassel- oder Trommel-CD oder –MC verwendet werden. Der gleichförmige Rhythmus der '''Rassel oder Trommel''' führt in die '''Trance''', die dabei eingenommene rituelle '''Körperhaltung''' öffnet den ihr entsprechenden '''Erlebnisraum''' (link zu 1.2.4).
 +
 
 +
[[File:rebetrance-20_2.jpg|450x336px]]
 +
 
 +
''Foto: Ritual in der Haltung der Venus von Willendorf, angeleitet von S. Jarausch''
 +
 
 +
''(M. Ploderer © 2008)''
 +
 
 +
Nach Beenden des Rasselns oder Trommelns wird die Haltung gelöst und die TeilnehmerInnen kehren wieder in den gewöhnlichen Bewusstseinszustand zurück.
 +
 
 +
'''Der Abschluss:'''
 +
 
 +
Um die Tore zwischen den Welten wieder zu schließen, sich bei den Wesen zu bedanken und sie zu verabschieden, wird wiederum eine Speisegabe gegeben. Die LeiterIn haucht ein wenig Mehl an und streut damit einen dünnen '''Mehlpfad''' von sich oder der Kreismitte zum nächsten Fen
 +
 
 +
 
 +
== 2.5.2 Maskentanz als Anwendung der rituellen Körperhaltungen in einem großen Ritual ==
 +
 
 +
'''Traditionelle Maskentänze''' kennen wir von verschiedenen Völkern Afrikas, Asiens, Polynesiens, Amerikas usw. Sie weisen einen seit Generationen '''überlieferten Ablauf''' auf und haben für das jeweilige Volk eine tiefe und ganz spezifische Bedeutung. Dabei kann die Maske einfach daraus bestehen, dass das Gesicht bzw. der Körper mit Lehm, Ruß oder Farbe bedeckt wird. Andererseits gibt es z.B. aus Holz geschnitzte Masken, die, ebenso wie die dazugehörigen Kostüme, von ganz einfachen bis komplexen Ausführungen reichen und bei den entsprechenden Tänzen immer wieder zum Leben gerufen werden.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-21_1.jpg|350x263px]]
 +
 
 +
''Foto: Ein Beispiel für eine traditionelle Maske: Kaloqutsuis ´gekrümmter Schnabel der oberen Welt´, ein riesiger Vogel – Qagyuhl, 1914 (aus Curtis 1996: 74)''
 +
 
 +
Wir, die aus der westlichen Tradition kommen, bleiben Beobachter, sehen den Maskentanz von außen, sind vielleicht irgendwie von dem Zauber berührt. Das Geheimnis bleibt jedoch verborgen. Es geht um das direkte Erleben, die Verwandlung, das hinüberwechseln Können auf die andere Seite. Nur in diesem Grenzgang erschließt sich der Sinn.
 +
 
 +
'''Der Maskentanz nach Felicitas Goodman ist eine Schöpfung des Rituals aus dem direkten Kontakt mit der Anderen Wirklichkeit.'''
 +
 
 +
Felicitas Goodman wusste, dass sie ein traditionelles Ritual nicht einfach übernehmen konnte – es hätte für uns keine kulturelle Bedeutung, wäre nicht aus unserer Vision gewachsen. Vor die Aufgabe gestellt, einen Maskentanz zu gestalten, hat sie eine Anleitung geschaffen, bei welcher '''in der direkten Vision''', der Begegnung mit der Anderen Wirklichkeit, der '''Inhalt''' des Rituals und die '''Wesen''', die sich in der Maske verkörpern wollen, erfahren werden.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-21_2.jpg|454x303px]]
 +
 
 +
''Foto: Beim Maskentanz in Cuyamungue 1995 führt Felicitas Goodman als Büffelfrau mit ihrer Rassel die Tierwesen an (Cuyamungue Institut © 1995)''
 +
 
 +
Werkzeug dafür ist die Rasseltrance mit den Körperhaltungen, die uns in die jeweils wichtigen <u>Erfahrungen</u> (1.2.4) führen.
 +
 
 +
• Die '''Reise in die Unterwelt''' lässt das Geistwesen, welches sich meist in Tiergestalt zeigt, erfahren, worauf der Bau der Maske beginnen kann. Die Maske wird zuerst in Ton geformt, dann mit einigen Schichten Papier und Kleister überzogen. Wenn diese trocken sind, wird diese Papiermachee-Maske bemalt und fertiggestellt.
 +
 
 +
• '''Verwandlungshaltungen''' erlauben das Erleben der Qualitäten, Kräfte und Fähigkeiten dieses Geistwesens von innen her.
 +
 
 +
• Der '''Wahrsager von Tennessee''' gibt Auskunft über den Inhalt des Tanzes. Die Erlebnisse, welche die TeilnehmerInnen in dieser Haltung berichten, werden gesammelt und wie ein Puzzle zu einem großen Ganzen zusammen gefügt.
 +
 
 +
• '''Heilhaltungen''' begleiten die eigene Transformation.
 +
 
 +
• Mit der '''gefiederten Schlange''' wird das Sterben und Wiederauferstehen – die eigene Neugeburt im Ritual gefeiert.
 +
 
 +
• In der Haltung des '''Rufens der Geister''' werden die Wesen am Vorabend des Tanzes eingeladen.
 +
 
 +
Der Höhepunkt '''am Ende der Woche ist der Tanz, das Drama''' - absolut neu und einzigartig. Aufgeführt ohne Zuschauer, ein einziges Mal, um gleich wieder wie ein Sandbild zu verwehen. Ein '''Tiertanz''', wie wir ihn aus Jägerkulturen kennen, bildet den Abschluss des Rituals.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-21_3.jpg|454x341px|graphic]]''Foto: Maskentanz 1995 (Cuyamungue Institut © 1995)''
 +
 
 +
Auf '''transpersonaler Ebene''' ist es ist ein Tanz, eine Bewegung zwischen den Welten, die, aus schamanischer Sicht, das Muster, nach dem das Netz der Wirklichkeiten gewebt wird, neu ordnet und stärkt.
 +
 
 +
Auf '''persönlicher Ebene''' ist es ein Tanz, der unsere persönlichen Muster neu webt, neue Zugänge entdecken lässt und Mut zur effektiven Neugestaltung macht.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-21_4.jpg|350x526px]]
 +
 
 +
''Foto: Felicitas Goodman mit ihrer Büffelmaske beim Maskentanz 1995 in Cuyamungue (Cuyamungue Institut © 1995)''
 +
 
 +
„Die wohl wichtigste Einsicht, die wir aus den Maskent
 +
 
 +
 
 +
 
 +
'''[[Einführung_in_die_Religions-_und_Bewusstseinsforschung_-_Rituelle_Körperhaltung_&_ekstatische_Trance_nach_Felicitas_Goodman#Einführung in die Religions- und Bewusstseinsforschung - Rituelle Körperhaltung & ekstatische Trance nach Felicitas Goodman|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Anwendung#2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen|Vorheriges Kapitel: 2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen]]'''
 +
=3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
Felicitas Goodman beschreibt das religiöse Ritual als eine geschlossene Form von Handlungen, deren ausdrückliche Aufgabe es ist, die '''Verbindung zur anderen Wirklichkeit''' herzustellen und auf diese Weise die Ausübenden zu einem '''religiösen Erlebnis''' zu führen.
 +
 
 +
Oder in anderen Worten: „Das '''Ritual ist die Regenbogenbrücke''', über die wir zu den Geistern gelangen können und über die sie in unsere Welt herüberwechseln. Warum sie das möchten, ist nicht ohne weiteres klar. Es liegt wohl daran, dass sie wissen, was wir in der westlichen Welt vergessen haben, nämlich, dass die gewöhnliche und die andere Wirklichkeit zusammengehören, als '''zwei Hälften eines Ganzen'''. Nur wenn beide Hälften zusammengefügt sind, ergibt sich die Welt als Ganzheit, eine Welt, in der es sich zu leben lohnt. Das Menschendasein ist leer ohne die Geister, aber auch das Geisterdasein ist unvollständig ohne uns Menschen und unsere Welt. Und obgleich die Geister soviel mächtiger sind als wir Menschen, brauchen sie uns in diesem Sinne eben auch.“ (Goodman 1989: 68)
 +
 
 +
Es ist das Verdienst der Ethnologin, Religionswissenschaftlerin und Tranceforscherin Felicitas Goodman, das religiöse Ritual von den ersten erkennbaren Manifestationen bis zur heutigen Gesellschaft systematisch erforscht zu haben. Die '''Grundlagen des Religiösen und deren Wandel in den unterschiedlichen Gesellschaftsformen''' sind Thema ihres Buches „Die andere Wirklichkeit – über das Religiöse in den Kulturen der Welt“. Auszüge daraus bilden die Basis für dieses Kapitel.
  
 
==Inhaltsverzeichnis==
 
==Inhaltsverzeichnis==
  
 
<div class="eksa_toc">
 
<div class="eksa_toc">
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus#2 Die Praxeologie Pierre Bourdieus|2 Die Praxeologie Pierre Bourdieus]]<br/>
+
[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans#3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans|3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans]]<br/>
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1 Kapitalformen|2.1 Kapitalformen]]<br/>
+
:[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Das_Drama_der_Geburt#3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual|3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual]]<br/>
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.1 Symbolisches Kapital|2.1.1 Symbolisches Kapital]]<br/>
+
::[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Das_Drama_der_Geburt#3.1.1 Das religöse Ritual im Wandel der Gesellschaftsformen|3.1.1 Das religöse Ritual im Wandel der Gesellschaftsformen]]<br/>
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.2 Ökonomisches Kapital|2.1.2 Ökonomisches Kapital]]<br/>
+
::[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Das_Drama_der_Geburt#3.1.2 Das Drama der Geburt in rituellen Körperhaltungen|3.1.2 Das Drama der Geburt in rituellen Körperhaltungen]]<br/>
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.3 Kulturelles Kapital|2.1.3 Kulturelles Kapital]]<br/>
+
:[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_religiöse_Trance#3.2 Die religiöse Trance|3.2 Die religiöse Trance]]<br/>
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.4 Soziales Kapital|2.1.4 Soziales Kapital]]<br/>
+
::[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_religiöse_Trance#3.2.1 Die religiöse Trance in der menschlichen Evolution|3.2.1 Die religiöse Trance in der menschlichen Evolution]]<br/>
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen|2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen]]<br/>
+
:[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_andere_Wirklichkeit#3.3 Die andere Wirklichkeit|3.3 Die andere Wirklichkeit]]<br/>
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2.1 Symbolisches Kapital und Herrschaft|2.2.1 Symbolisches Kapital und Herrschaft]]<br/>
+
::[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_andere_Wirklichkeit#3.3.1 Die andere Wirklichkeit im Wandel der Kulturen und Zeiten|3.3.1 Die andere Wirklichkeit im Wandel der Kulturen und Zeiten]]<br/>
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2.2 Symbolisches Kapital als Akkumulationsform|2.2.2 Symbolisches Kapital als Akkumulationsform]]<br/>
 
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|2.3 Praxis]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1 Drei Modi der theoretischen Erkenntis|2.3.1 Drei Modi der theoretischen Erkenntis]]<br/>
 
:::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.1 Phänomenologie|2.3.1.1 Phänomenologie]]<br/>
 
:::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.2 Objektivismus|2.3.1.2 Objektivismus]]<br/>
 
:::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.3 Praxeologie|2.3.1.3 Praxeologie]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.2 Habitus|2.3.2 Habitus]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|2.3.3 Struktur]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.4 Hexis|2.3.4 Hexis]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.5 Strategie|2.3.5 Strategie]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.6 Doxa|2.3.6 Doxa]]<br/>
 
:::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.6.1 Orthodoxie|2.3.6.1 Orthodoxie]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.7 Beispiel: Sexualität in der Kabylie|2.3.7 Beispiel: Sexualität in der Kabylie]]<br/>
 
 
</div>
 
</div>
  
 
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
 
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
[[Das_Fremde_verstehen#1 Das Fremde verstehen|1 Das Fremde verstehen]]<br/>
+
[[Felicitas_Goodman#1 Felicitas Goodman|1 Felicitas Goodman]]<br/>
[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas#3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas|3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas]]<br/>
+
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit#2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit|2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit]]<br/>
[[Bibliographie#4 Bibliographie|4 Bibliographie]]<br/>
+
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman#4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman|4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman]]<br/>
 +
[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen#5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen|5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen]]<br/>
 +
[[Publikationen#6 Publikationen|6 Publikationen]]<br/>
 +
[[Bibliographie#7 Bibliographie|7 Bibliographie]]<br/>
 +
 
 +
'''[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Das_Drama_der_Geburt#3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual|Nächstes Kapitel: 3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans#3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans|Vorheriges Kapitel: 3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans]]'''
 +
=3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
Bei der Dekonstruktion der Rituale und der Reihung ihrer Elemente zu logischen Abfolgen gab sich für Felicitas Goodman… „die gesuchte Tiefenstruktur plötzlich zu erkennen. Es ist gut möglich, dass sie deshalb noch niemandem aufgefallen ist, weil Ritualstrukturen bisher ausschließlich von Männern analysiert worden sind. Was mir als Frau äußerst sinnvoll erschien, sobald ich es einmal erkannt hatte, war die Tatsache, dass es sich bei dem verborgenen Muster um das ergreifende '''Drama der Geburt''' handelte. Klar und deutlich stellen die Rituale eine '''Transformation der Geburtsvorgänge ins Rituelle''' dar: angefangen bei den Wehen der Mutter über das Ausstoßen der Frucht aus dem Schoß bis hin zum Willkommenheißen des Neugeborenen, zu seiner Versorgung und schließlich dem Anlegen an die Mutterbrust zur ersten Nahrungsaufnahme.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-23_1.jpg|455x318px]]
 +
 
 +
''Abbildung: Das menschliche Drama (Originalzeichnung © Reed Campbell)''
 +
 
 +
Wiewohl der Geburtsvorgang den Mittelpunkt des Ereignisses bildet, handelt es sich jedoch nicht um ein ausschließlich weibliches Drama. Denn mit Einsetzen des Geburtsaktes erscheinen die Totengeister, Männer wie Frauen, zur Aufwartung. Und die Männer bringen das Drama zum Abschluss und beginnen gleichzeitig in einer rituellen Andeutung der Zeugung den Kreislauf von neuem. Figur l ist der Versuch, den »Grundriss« des Geschehens wiederzugeben. Sie zeigt die körperlichen Erfahrungen, den physischen Bereich, den ich als Tiefenstruktur begreife und der mir für den Ablauf der Ereignisse bestimmend zu sein scheint.
 +
 
 +
Das religiöse Ritual stellt meiner Meinung nach die '''erhabenste Form menschlicher Kommunikation''' dar, und die Entdeckung der genannten Tiefenstruktur weckt ein Gefühl der Achtung, das über den früheren dürren Analysen völlig verlorengegangen war. Man kann sich das, was Menschen in ihren Ritualen geschaffen haben, als eine '''Feier des Menschseins''' vorstellen, '''ein riesiges Gemälde, das zeigt, was den Menschen zum Menschen macht'''.
 +
 
 +
Dies zu erkennen, war deshalb so schwer, weil die Schöpfer des Gemäldes eher surrealistisch gearbeitet haben (wie, sagen wir, Salvador Dali) als realistisch (wie Michelangelo Buonarrotti). Denn obgleich sie das Grundschema nie außer acht lassen, gehen sie doch mit den Einzelheiten in denkbar großzügiger Weise um. In einem australischen Ritual z.B. ist der Mann einmal männlich, dann stellt er ein Mädchen dar; schließlich wird er von einer Jamswurzel vertreten. Oder man geht zu einer Art Kurzschrift über – in der gleichen Weise, wie Abendmahl und Heilsgeschichte in den engen Rahmen einer Messe eingepasst werden, wobei das Festmahl aus einer Oblate und einem Schluck Wein besteht. Um es noch einfacher zu sagen: '''das Ritual versetzt uns auf eine völlig andere Ebene der Wirklichkeit, in eine ebenso geordnete Welt, wie es unsere Alltagswelt ist, aber die Regeln sind andere, und die Gesetze der Alltagswirklichkeit haben keine Gültigkeit'''. Der Säugling erscheint plötzlich als Initiand, der Schmerzen – die Wehen – erleiden muss; oder das Kind ist der Patient, der durch eine Wiedergeburt geleitet wird, die ihm Genesung bringt; oder aber das Kind ist der Gast, der willkommen geheißen wird, den man zum Mahl lädt und dem man aufwartet. Der Gast seinerseits kann aus der anderen Wirklichkeit kommen, bereit, das Opfer des ehrfürchtig dargebotenen Mahls entgegenzunehmen. Wie dem auch sei, der '''Grundplan bleibt der gleiche,''' und die vielen uns überlieferten Rituale sind voll von '''großartigen Variationen über das komplexe Grundthema menschlichen Lebens.“''' (Goodman 1994: 44-46)
 +
 
 +
(Hervorhebungen im Text durch die Autorin hinzugefügt)
 +
 
 +
==Inhalt==
 +
<div class="eksa_toc">
 +
[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Das_Drama_der_Geburt#3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual|3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual]]<br/>
 +
:[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Das_Drama_der_Geburt#3.1.1 Das religöse Ritual im Wandel der Gesellschaftsformen|3.1.1 Das religöse Ritual im Wandel der Gesellschaftsformen]]<br/>
 +
:[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Das_Drama_der_Geburt#3.1.2 Das Drama der Geburt in rituellen Körperhaltungen|3.1.2 Das Drama der Geburt in rituellen Körperhaltungen]]<br/>
 +
</div>
 +
 
 +
== 3.1.1 Das religöse Ritual im Wandel der Gesellschaftsformen ==
 +
 
 +
„Rituale wandeln sich mit den Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt. In Sammler- Jäger-Kulturen füllt das Ritual (mit dem Drama der Geburt) die '''gesamte Fläche''' des Gemäldes aus. Mit der Hinwendung zum Gartenbau '''verengt''' sich notwendigerweise auch das Bild. Anfänglich drückt sich das nur in einer Akzentverschiebung aus, doch rückt bei den Ackerbauern das '''gemeinsame rituelle Mahl''' in den Vordergrund, während andere Aspekte zurücktreten. In der Stadtkultur schließlich erleben wir eine Umkehrung des Kommunikationsvorgangs: '''statt Einverleibung Entäußerung'''. Die bei städtischen Massen so beliebten Sportveranstaltungen sind eigentlich nichts anderes als enorme exorzistische Spektakel. Das einst im hellsten Licht erstrahlende Gemälde wird im Laufe der Zeit immer dunkler, bis nur noch ein schmaler Lichtstrahl die eine oder andere Einzelheit heraushebt.“ (Goodman 1994: 46)
 +
 
 +
(Hervorhebungen im Text durch die Autorin hinzugefügt)
  
  
'''[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1 Kapitalformen|Nächstes Kapitel: 2.1 Kapitalformen]]'''<br/>
+
== 3.1.2 Das Drama der Geburt in rituellen Körperhaltungen ==
 +
 
 +
[[File:rebetrance-25_1.jpg|251x497px]]
 +
 
 +
''Foto: Der Gott Tangaroa, Eisenholzschnitzerei, Rurutu, Austral Islands, 17. Jh. n.u.Z.''
 +
 
 +
''(aus Cotterell 2004: 225)''
 +
 
 +
Unter den '''rituellen Körperhaltungen''' gibt es solche, die das '''Geburtserlebnis in allen seinen rituellen Aspekten''' vermitteln. Sowohl weibliche als auch männliche Figuren in der Geburtshaltung wurden überall auf der Welt gefunden, von etwa 7000 Jahre alten im Negeb im Nahen Osten zu modernen in Zentral- und Westafrika, Neuseeland und überall in Polynesien.
 +
 
 +
Bei dem Erlebnis handelt es sich nicht darum, sich an die eigene Geburt zurückzuerinnern, sondern um das Erleben, das im weitesten Sinn mit dem Ereignis des Geborenwerdens zusammenhängt. Es kann der Zeugungsakt erlebt werden als Übergang von der Seelenebene zum Körperlichen; die Ankunft der Ahnengeister, die bei der Geburt anwesend sein und sie feiern wollen; der Traum des Ungeborenen von der Welt, in die es bald eintreten wird; die Geburt selbst, wobei das Wasser auftauchen kann und ein Gefühl der Erschöpfung, man sieht vielleicht einen Lichtkreis, eine V- förmige Öffnung oder ein Auge; man fühlt sich gestützt, denn es kommen Besucher, um das Neugeborene zu begrüßen; lila Kreise sind die Brüste, die die Nahrung ankündigen.
 +
 
 +
Die Statue zeigt den ursprünglichen Schöpfergott Ostpolynesiens, der andere Götter und Menschen zur Welt bringt, die überall auf seinem Körper als kleine Figürchen in verschiedenen rituellen Haltungen eingeschnitzt sind.
 +
 
 +
 
 +
 
 +
'''[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_religiöse_Trance#3.2 Die religiöse Trance|Nächstes Kapitel: 3.2 Die religiöse Trance]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#2 Die Praxeologie Pierre Bourdieus|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Das_Drama_der_Geburt#3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual|Vorheriges Kapitel: 3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual]]'''
 +
=3.2 Die religiöse Trance=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
Eine wichtige Begleiterscheinung des rituellen Geschehens ist die religiöse Trance und das damit verbundene ekstatische Erlebnis. In der westlichen Kultur ist im Laufe der historischen Entwicklung das unmittelbare sinnliche religiöse Erleben zu Gunsten des Glaubens, also des theoretischen „Für-wahr-Haltens“, in den Hintergrund gedrängt worden, meint F. Goodman im Vorwort zu ihrem Buch „Trance, der uralte Weg zum religiösen Erleben“.
 +
 
 +
„In der chrislich-protestantischen Tradition, in der ich erzogen worden bin, ist man der Auffassung, dass man mit den Wesenheiten, die die andere Wirklichkeit bewohnen, nur über das Gebet in Verbindung treten kann. Die Mehrzahl der anderen Traditionen ist jedoch der Ansicht, dass die Rede, als Kommunikationsmittel der gewöhnlichen Wirklichkeit, zu diesem Zweck recht ungeeignet sei. Sie ist wie ein kaum wahrnehmbares Klopfen an der dicken Mauer, die die Menschen vom Reich der Geister trennt. Die Menschen müssen sich mächtig anstrengen, um auf der anderen Seite bemerkt zu werden. Einfach nur andächtig zu sprechen, ein ‚transzendentes’, ‚numinöses’, ‚ozeanisches’ Gefühl heraufzubeschwören, oder wie immer Fachausdrücke es auch beschreiben mögen, ist einfach nicht genug. Wenn jemand aus solchen Traditionen wirklich das dringende Bedürfnis hat, sich durch einen Spalt in der Mauer zu zwängen, muss er eine '''grundlegende Änderung der Körperfunktionen''' herbeiführen. Diese Änderungen werden als '''''religiöse Trance''''' bezeichnet. Sie ist eine aus einer ganzen Reihe von veränderten Bewusstseinszuständen, zu denen alle Menschen fähig sind. Sie wird als religiös bezeichnet, weil sie bei religiösen Erlebnissen beobachtet wird, das heißt, '''in Situationen, in denen man mit der anderen, der heiligen Wirklichkeit in Verbindung tritt''' .“ (Goodman, 1989: 21) (Hervorhebungen in fett durch die Autorin)
  
 +
Die Untersuchung, die Felicitas Goodman unter E. Bourguignon durchgeführt hat, zeigte, dass die religiöse Trance im Rahmen eines kulturellen Phänomens ein '''normales menschliches Verhalten''' ist.
  
'''[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus#2 Die Praxeologie Pierre Bourdieus|Vorheriges Kapitel: 2 Die Praxeologie Pierre Bourdieus]]'''
+
Gemeinschaften, die Trance praktizieren, entwickeln Rituale, um die Trance herbeizuführen und die Teilnehmer lernen auf die '''auslösenden Reize''' zu reagieren. Rasseln, Trommeln, Klatschen, Drehen um die eigene Achse, das Schauen auf ein bewegtes Wasser oder in das Flackern einer Kerze, Weihrauchduft – es gibt kaum einen Sinnesreiz, der nicht zu diesem Zweck eingesetzt werden kann, so dass nicht der Reiz an sich, sondern die '''Erwartung''' in Verbindung mit dem rituellen Geschehen zu einer starken '''Konzentration''' führt – die Voraussetzung für das Erleben von Trance.
=2.1 Kapitalformen=
 
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
 
  
 +
[[File:rebetrance-26_1.jpg|454x298px]]
  
Bei der Analyse von Herrschaftsweisen gilt es – nach Bourdieu (1987: 222ff.) – die Dichotomie zwischen Ökonomischem und Nichtökonomischem über Bord zu werfen. So wird symbolisches Kapital durch die entsprechende Verwendung der anderen '''Kapitalarten''' geschaffen; diese '''sind ineinander konvertierbar'''. Symbolische Dankesbezeugungen, Widmungen, Achtungserweise, moralische Verpflichtungen können Gegenleistungen für die Erhöhung des ökonomischen Kapitals darstellen. Ehrverhalten ist danach Politik. '''Sozialleistungen des Staates oder die Anhäufung von Luxusgütern''' scheinen mit der Logik der Ausbeutung und mit faktischer Herrschaft nur oberflächlich betrachtet nichts mehr zu tun zu haben; sie sind aber nicht nur Kapital an Glaubwürdigkeit und gutem Geschmack, sondern '''können als &quot;Einzahlungen auf der Bank der öffentlichen Meinung&quot; gedeutet werden'''.
+
''Foto: Trommel und Rassel eines Tänzers der Musquakie, Nordamerika, 19. Jh. (aus Hultkrantz 2002: 72)''
  
[[File:denkenksa-10_1.jpg|780x197px|Foto: Bauern beim Silieren von Heuballen, Polen 2006, Matthäus Rest]]
+
Die Trance selbst verläuft auf der physiologischen Ebene bei allen Menschen ziemlich ähnlich – wir haben alle das gleiche Nervensystem – doch treten große Unterschiede im Erleben der Ekstase auf. Das gemeinsame Eingangstor sind die '''physiologischen Veränderungen''' (link zu 1.4.3), doch der Weg dahinter führt zu einer jeweils unterschiedlichen '''anderen Wirklichkeit''', '''die kulturell geformt''' und geprägt ist. Ein Pygmäe findet sich im Urwald wieder, in der übertragenen Wirklichkeit seine Urwaldheimat, wohingegen ein Sufi-Jünger etwa einen goldenen Vogel am Himmel sieht und die Dämonen in der Erde.
 +
 
 +
Die religiöse Trance endet auf ein bestimmtes '''Signal''', die Menschen kehren reich beschenkt in ihren gewöhnlichen Bewusstseinszustand zurück mit einem noch weiter anhaltenden intensiven Wohlgefühl bis Euphorie. Wenigen Menschen wird das Glück zuteil, von einem extremen Gipfelerleben durchflutet zu werden, eine im Leben meist einmalige Erfahrung, wonach die Person von Grund auf verändert erscheint.
  
 
==Inhalt==
 
==Inhalt==
 
<div class="eksa_toc">
 
<div class="eksa_toc">
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1 Kapitalformen|2.1 Kapitalformen]]<br/>
+
[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_religiöse_Trance#3.2 Die religiöse Trance|3.2 Die religiöse Trance]]<br/>
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.1 Symbolisches Kapital|2.1.1 Symbolisches Kapital]]<br/>
+
:[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_religiöse_Trance#3.2.1 Die religiöse Trance in der menschlichen Evolution|3.2.1 Die religiöse Trance in der menschlichen Evolution]]<br/>
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.2 Ökonomisches Kapital|2.1.2 Ökonomisches Kapital]]<br/>
 
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.3 Kulturelles Kapital|2.1.3 Kulturelles Kapital]]<br/>
 
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.4 Soziales Kapital|2.1.4 Soziales Kapital]]<br/>
 
 
</div>
 
</div>
  
== 2.1.1 Symbolisches Kapital ==
+
== 3.2.1 Die religiöse Trance in der menschlichen Evolution ==
 +
 
 +
[[File:rebetrance-27_1.jpg|454x567px]]
 +
 
 +
''Foto: „Der Mann mit dem grünen Poncho“ der Jama Coaque-Kultur, 300 bis 800 n.u.Z. zählt zu den rituellen Körperhaltungen, die eine Verwandlung erleben lassen''
 +
 
 +
Ändert sich die Beziehung zur Umwelt, dann ändert sich auch das Ziel der religiösen Trance. Jägerkulturen wenden die Trance zum '''Heilen''' und vor allem auch zur '''Seelenfahrt''' an. Bei den Gartenbauern, die in ihren Pflanzungen den Kreislauf der Natur beobachteten, entwickelte sich der zentrale Kulturgedanke des Wandels. In der religiösen Trance steht dann auch das Erleben der Verwandlung, der '''Metamorphose[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.4 Das uralte Thema der Verwandlung|[1]]]''' im Vordergrund. Diese Form der Trance ist den Ackerbauern verloren gegangen, und stattdessen wurde das Phänomen der '''Besessenheit''' vorherrschend. Hirtennomaden wenden die Trance ihren entwicklungsgeschichtlichen Gegebenheiten entsprechend für Seelenfahrten, Weissagungen oder Besessenheit an.
 +
 
 +
Mit dem Aufkommen von '''Ackerbau, Viehzucht und Sesshaftigkeit''' treten die Aspekte der Verbundenheit mit der Natur und ihren allgegenwärtigen Geistern sukzessive zurück. Die sich ausbildende Ethik polarisiert in Gut und Böse, es entstehen Privateigentum und patriarchale Hierarchien. Das individuelle Ich gewinnt an Stärke, der heilende Wert der Gemeinschaft schwindet. So wie territoriale Grenzen gezogen werden, entsteht die Furcht vor dem Anderen, dem Fremden. Die Qualität des Ritualwesens verschiebt sich zu einer Schutzmauer gegen die Welt des Dämonischen, gespeist aus der Angst vor dem Unbekannten und der Gespaltenheit in Gut und Böse.
  
'''Symbolisches Kapital wird durch Anerkennung erworben.''' Es kann bei jeder Gelegenheit vorgeführt werden. Sogar auf dem Markt, als dem Inbegriff eines Ortes des ökonomischen Austausches. Auch auf dem Markt gilt das Ehrenkapital und Ansehen als Kreditwürdigkeit und Vertrauenskapital. Dank des Vertrauens, das die Inhaber von symbolischem Kapital besitzen, können sie anstelle von Geld bloß ihr Gesicht, ihren Namen, ihre Ehre auf den Markt bringen. Symbolisches Kapital bringt damit Kredit, Vorschuss, Diskont. Seine Zurschaustellung ist einer der Mechanismen, die dafür sorgen, '''dass Kapital zu Kapital kommt[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2.2 Symbolisches Kapital als Akkumulationsform|[1]]]'''. An anderer Stelle meint Bourdieu (1992: 153) noch deutlicher: '''&quot;Symbolische Macht ist die Macht, Dinge mit Wörtern zu schaffen.&quot;''' Sie muss sich auf den Besitz von symbolischem Kapital stützen; dieses bildet einen Kredit. '''Es ist die Macht, die Anerkennung durchsetzen zu können.'''
+
Das Erleben in der Trance wandelt sich immer mehr von der vormalig klar bewussten Wachtrance der Jäger- und Sammlerinnenzeit zur Besessenheitstrance, mit schwindender Bewusstheit über das eigentliche Tranceerleben, das bis zur vollkommenen Abwesenheit der Erinnerung gehen kann. Nicht mehr Verwandlung geschieht in der Trance, sondern ein Besitz Ergreifen des Körpers durch ein Wesen aus der anderen Wirklichkeit.
  
 
'''Verweise:'''<br />
 
'''Verweise:'''<br />
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2.2 Symbolisches Kapital als Akkumulationsform|[1] Siehe Kapitel 2.2.2]]<br />
+
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Inhalte#2.4.4 Das uralte Thema der Verwandlung|[1] Siehe Kapitel 2.4.4]]<br />
  
  
== 2.1.2 Ökonomisches Kapital ==
 
  
Unter '''ökonomischem Kapital''' subsumiert Bourdieu '''das unmittelbar und direkt in Geld konvertierbare Kapital''', das sich besonders zur Institutionalisierung in Eigentumstiteln eignet. Kulturelles Kapital (z.B.: Bildung, Schriften, Gemälde etc.) ist nur unter bestimmten Vorraussetzungen in ökonomisches Kapital '''konvertierbar[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen|[1]]]'''; es wird häufig in Form von schulischen Titeln institutionalisiert. Das soziale Kapital besteht in sozialen Verpflichtungen oder &quot;Beziehungen&quot; (es verleiht im weitesten Sinn Kreditwürdigkeit) und ist grundsätzlich ebenfalls in ökonomisches Kapital konvertierbar; es kann vor allem in Adelstiteln institutionalisiert werden. '''Mit dieser Einsicht''' in die Logik des Kapitals (-einsatzes) und der Kapitalumwandlungsformen '''widerspricht Bourdieu''' (1983: 197) '''sowohl dem &quot;Ökonomismus&quot; (des orthodoxen Marxismus)''', der alle Kapitalformen für ökonomisch hält und daher die Wirksamkeit der anderen Kapitalformen (in der Lebenswelt) übersieht '''als auch dem &quot;Semiologismus&quot; des Strukturalismus, des symbolischen Interaktionismus und der Ethnomethodologie'''; diese Richtungen reduzieren die sozialen Austauschbeziehungen auf Kommunikationsphänomene und übersehen die ihnen innewohnenden (ökonomischen) '''Herrschaftsformen[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2.1 Symbolisches Kapital und Herrschaft|[2]]]'''.
+
'''[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_andere_Wirklichkeit#3.3 Die andere Wirklichkeit|Nächstes Kapitel: 3.3 Die andere Wirklichkeit]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#3.2 Die religiöse Trance|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_religiöse_Trance#3.2 Die religiöse Trance|Vorheriges Kapitel: 3.2 Die religiöse Trance]]'''
 +
=3.3 Die andere Wirklichkeit=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
[[File:rebetrance-28_1.jpg|350x598px]]
 +
 
 +
''Foto: Eine etwa 3500 Jahre alte Terracottafigur aus Tlatilco/Mexiko (Anton 1986: Fig.5)''
 +
 
 +
Aus allen Zeiten, von allen Orten gibt es zuverlässige Berichte über menschliche Gemeinschaften, deren Verhalten wir entnehmen können, dass für sie die Existenz einer anderen Wirklichkeit und die Dualität der Wirklichkeit an sich etwas Selbstverständliches war.
 +
 
 +
Man kann die '''doppelte Natur der Wirklichkeit''' am besten verstehen, indem man sich klarzumachen versucht, dass in dieser Weltsicht, beide Aspekte der Wirklichkeit nebeneinander existieren, '''zur gleichen Zeit und am gleichen Ort vorhanden''' sind. Es kommt auf den '''Bewusstseinszustand des Betrachters''' an, ob die gewöhnliche oder die andere Wirklichkeit wahrgenommen wird. Beim gewöhnlichen Sehen sieht man z.B. einen Baumstumpf im Wald, für den Schauenden, das heißt, den in der religiösen Trance Befindlichen, steht an der Stelle ein Zwerg.
 +
 
 +
Dass es um das '''Schauen''' geht, zeigt uns die kleine, etwa 3500 Jahre alte Terracottafigur aus Tlatilco/Mexiko. Es war wohl “künstlerische Absicht, eine in sich ruhende Persönlichkeit zu zeigen, deren Harmonie darin begründet ist, dass sie in beiden Dimensionen der Wirklichkeit zu Hause ist: Wenn sie sich zur einen Seite dreht, blickt sie in die gewöhnliche Wirklichkeit, wenn sie sich der anderen Seite zuwendet, erscheint ihr die andere, zweite Wirklichkeit. Und das ist es, worum es im menschlichen Leben geht.“ …schreibt Felicitas Goodman in ihrem Buch „Die andere Wirklichkeit“ (1994: 57).
 +
 
 +
In der Literatur gibt es zahlreiche Beispiele für das ekstatische Schauen. Buddha schaut das frühere Leben, das Sterben und die Wiedergeburt aller Wesen am Weg zu seiner Erleuchtung, Propheten des Alten Testaments kennen dieses Schauen, Jesus erschaute den Teufel nach seinem Fasten in der Wüste, Schamanenlehrlinge lernen diese Schau, sie lernen die Geistwesen zu sehen.
 +
 
 +
Wie diese andere Wirklichkeit gestaltet ist, welche Geistwesen sie bevölkern, steht in Zusammenhang mit der jeweiligen menschlichen Gesellschaftsform und spiegelt deren zentrale Kulturgedanken wieder.
 +
 
 +
==Inhalt==
 +
<div class="eksa_toc">
 +
[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_andere_Wirklichkeit#3.3 Die andere Wirklichkeit|3.3 Die andere Wirklichkeit]]<br/>
 +
:[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_andere_Wirklichkeit#3.3.1 Die andere Wirklichkeit im Wandel der Kulturen und Zeiten|3.3.1 Die andere Wirklichkeit im Wandel der Kulturen und Zeiten]]<br/>
 +
</div>
 +
 
 +
== 3.3.1 Die andere Wirklichkeit im Wandel der Kulturen und Zeiten ==
 +
 
 +
Die andere Wirklichkeit, in welche die Seele oder ein Teil derselben entweder während einer Vision oder beim Tod eintritt, ist je nach Kultur- und Gesellschaftsform sehr verschieden.
 +
 
 +
• Wie aus dem ethnographischen Material aus dem zweiten Teil des Buches „Die Andere Wirklichkeit“ von F. Goodman hervorgeht, treffen die '''Sammlerinnen und Jäger''' an jenem anderen Ort den Geist oder Geistaspekt der ihnen aus der gewöhnlichen Wirklichkeit bekannten Tiere an. Sie jagen und lieben nach dem Tod genauso wie im Leben.
 +
 
 +
• Die '''Gartenbauern''' sehen nach ihrem Tod die ihnen aus ihrem Erdenleben vertrauten Siedlungen.
 +
 
 +
• Für die '''nomadischen Hirten''' der Wüste ist das Reich der Toten üppig und grün.
 +
 
 +
'''Ackerbauern''', die im Leben gut waren, knien im Jenseits anbetend vor ihren Herrschern, wohingegen die Bösen auf immer und ewig in ihre verschiedenen Höllen verdammt sind.
 +
 
 +
• Die '''Städter''' schließlich sind mit einigen Verwandten und Freunden in einem Reich des Lichts vereint.
 +
 
 +
(Goodman 1994: 60)
 +
 
 +
 
 +
 
 +
'''[[Einführung_in_die_Religions-_und_Bewusstseinsforschung_-_Rituelle_Körperhaltung_&_ekstatische_Trance_nach_Felicitas_Goodman#Einführung in die Religions- und Bewusstseinsforschung - Rituelle Körperhaltung & ekstatische Trance nach Felicitas Goodman|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#3.3 Die andere Wirklichkeit|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans/Die_andere_Wirklichkeit#3.3 Die andere Wirklichkeit|Vorheriges Kapitel: 3.3 Die andere Wirklichkeit]]'''
 +
=4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
Das Studium der Linguistik, welches F. Goodman im zweiten Bildungsweg mit 51 Jahren begonnen hatte, bezeichnete sie als sehr trockenes Studium. Eine innere Befriedigung fand sie erst in einer fachfremden Vorlesung aus dem Bereich der Anthropologie: „Religion der Eingeborenen“ unter Dr. Erika Bourguignon. Die Untersuchungen, die Felicitas Goodman unter Erika Bourguignon durchführte, bildeten die Grundlage für ihre spätere Arbeit.
 +
 
 +
• Die '''Wertung von religiösen Trancezuständen''' bei etwa 500 Kleingesellschaften.
 +
 
 +
• Die Untersuchung der '''Glossolalie''' mit der '''Feldforschung''' in Yucatán.
 +
 
 +
Aus ihrer Forschung über Glossolalie gewann F. Goodman die Erkenntnis einheitlicher biologischer Veränderungen, welche die Grundlage jedes religiösen Erlebens, der religiösen Trance bilden.
 +
 
 +
Nach ihrer Entdeckung der rituellen Körperhaltungen führte sie weitere Untersuchungen durch, die ein erstes Licht in diese biologischen Veränderungen brachten.
 +
 
 +
'''Endokrinologische und neurophysiologische Studien'''.
 +
 
 +
Zur Zeit sind weitere Pilotstudien und Untersuchungen über die körperlichen Veränderungen bei der Trance im Laufen.
 +
 
 +
In einer '''phänomenologischen Studie[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt|[1]]]''' (Schirmbrand 1991) wurde die Korrelation zwischen den rituellen Körperhaltungen und ihren Erlebnisinhalten untersucht.
 +
 
 +
Die Ergebnisse lassen sich zusammenfassen:
 +
 
 +
• Die ekstatische Trance, die weltweit ein '''sinngebender, fester Bestandteil''' religiöser Rituale ist, korreliert mit bei jedem Menschen gleichen Veränderungen der Körperfunktionen.
 +
 
 +
• In den Pilotstudien über ekstatische Trance mit rituellen Körperhaltungen wurden '''dramatische Veränderungen der Körperfunktionen''' festgestellt. Der Zustand einer '''paradoxen Erregung''' unterscheidet diese Form der Trance wesentlich von anderen Bewusstseinszuständen.
 +
 
 +
• Die Fähigkeit zur Trance ist in jedem Menschen '''erblich angelegt'''.
 +
 
 +
Forschungen bringen einen Einblick in die Begleiterscheinungen veränderter Bewusstseinszustände, die an sich nur im Erleben fassbar werden.
  
 
'''Verweise:'''<br />
 
'''Verweise:'''<br />
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen|[1] Siehe Kapitel 2.2]]<br />
+
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Erleben#2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt|[1] Siehe Kapitel 2.3.1]]<br />
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2.1 Symbolisches Kapital und Herrschaft|[2] Siehe Kapitel 2.2.1]]<br />
+
 
 +
==Inhaltsverzeichnis==
 +
 
 +
<div class="eksa_toc">
 +
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman#4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman|4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman]]<br/>
 +
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Bourguignon#4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon|4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon]]<br/>
 +
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance|4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance]]<br/>
 +
::[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2.1 Feldforschung in Yucatán|4.2.1 Feldforschung in Yucatán]]<br/>
 +
::[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2.2 Rahmenbedingungen für das Eintreten in der Trance|4.2.2 Rahmenbedingungen für das Eintreten in der Trance]]<br/>
 +
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Die_Schamanin_im_Labor#4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen|4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen]]<br/>
 +
::[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Die_Schamanin_im_Labor#4.3.1 Endokrinologische Untersuchungen München 1983|4.3.1 Endokrinologische Untersuchungen München 1983]]<br/>
 +
::[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Die_Schamanin_im_Labor#4.3.2 Neurophysiologische Untersuchung Wien 1987|4.3.2 Neurophysiologische Untersuchung Wien 1987]]<br/>
 +
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Weiterfuehrende_Untersuchungen#4.4 Weiterführende Untersuchungen|4.4 Weiterführende Untersuchungen]]<br/>
 +
::[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Weiterfuehrende_Untersuchungen#4.4.1 Immunologische Untersuchung Wien 2005|4.4.1 Immunologische Untersuchung Wien 2005]]<br/>
 +
::[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Weiterfuehrende_Untersuchungen#4.4.2 Weitere Pilotstudien und Überlegungen für weitere Fragestellungen für zukünftige Forschung|4.4.2 Weitere Pilotstudien und Überlegungen für weitere Fragestellungen für zukünftige Forschung]]<br/>
 +
</div>
 +
 
 +
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
 +
[[Felicitas_Goodman#1 Felicitas Goodman|1 Felicitas Goodman]]<br/>
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit#2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit|2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit]]<br/>
 +
[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans#3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans|3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans]]<br/>
 +
[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen#5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen|5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen]]<br/>
 +
[[Publikationen#6 Publikationen|6 Publikationen]]<br/>
 +
[[Bibliographie#7 Bibliographie|7 Bibliographie]]<br/>
 +
 
 +
'''[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Bourguignon#4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon|Nächstes Kapitel: 4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman|&uarr; Nach oben]]<br/>
  
  
== 2.1.3 Kulturelles Kapital ==
+
'''[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman#4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman|Vorheriges Kapitel: 4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman]]'''
 +
=4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
  
[[File:denkenksa-13_1.jpg|480x224px|Foto: Jugendliche spielen Carrom, ein Brettspiel, am Marktplatz von Num, Nepal 2008, Matthäus Rest]]
 
  
Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse oder Region hinterlässt beispielsweise Spuren in den Sprechweisen. Wer über eine '''bestimmte Kulturkompetenz (z.B.: Lesen, gute Rhetorik etc.)''' verfügt, hat einen Seltenheitswert, aus dem sich extra Profite ziehen lassen; er besitzt (inkorporiertes) '''Kulturkapital'''. Bei der Übertragung von Kulturkapital handelt es sich um die am besten verschleierte Form von erblicher '''Kapitalübertragung[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen|[1]]]''' (und damit einer Grundlage für Herrschaft und Macht). '''Durch Titel wird das inkorporierte Kulturkapital objektiviert und letztlich institutionalisiert.''' Es wird durch den Titel, zum Unterschied von einem Autodidakt, rechtlich garantiert (z.B.: akademischer Maler). '''Dieser Anerkennung durch ein Wort wohnt eine schöpferische Magie inne.'''
+
'''Als Forschungsassistentin von Erika Bourguignon''' an der staatlichen Universität von Ohio arbeitete Felicitas Goodman ab 1968 an einer '''großangelegten Untersuchung''' mit, die vom National Institute of Mental Health finanziell gestützt war. Unter Berücksichtigung der damals weltweit größten ethnographischen Datenbank wurden 488 nichtwestliche Kleingesellschaften dahingehed untersucht, ob die '''religiöse Trance''' - ein nach den Maßstäben der westlichen städtischen Industriegesellschaft als psychotisch bezeichnetes Verhalten – in einem anderen kulturellen Rahmen als abnormal galt oder nicht.
  
'''Verweise:'''<br />
+
Ziel war es, „eine vielfältige Analyse von einem psychokulturellen Phänomen vorzunehmen, über das befremdenderweise kaum etwas Systematisches bekannt ist. Das Phänomen, das uns beschäftigte, ist '''die religiöse Wertung''' … eines psychologischen Zustandes, bekannt unter verschiedenen Bezeichnungen wie ´Dissoziation´, ´Trance´ oder neuerdings, und etwas allgemeiner, ´veränderte Bewusstseinszustände“. (Bourguignon 1973)
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen|[1] Siehe Kapitel 2.2]]<br />
+
 
 +
[[File:rebetrance-31_1.jpg|455x365px]]
 +
 
 +
''Foto: Traditioneller Tewa Tablita oder Corn Dance im Santa Clara Pueblo (Dozier 1970)''
  
 +
Die Studie zeigte auf, dass '''in 92% der untersuchten Ethnien''' das '''Tranceerleben ein sinngebender fester Bestandteil religiöser Rituale''' war.
  
== 2.1.4 Soziales Kapital ==
+
Im Gegensatz zur westlichen Anschauung wird in diesen Kleingesellschaften eine Wirklichkeit, die nicht von allen wahrgenommen wird, als normal betrachtet. Und diejenigen, die ihr Bewusstsein nicht ändern und keine parallele Wirklichkeit wahrnehmen können, werden als psychologisch gestört betrachtet.
  
[[File:denkenksa-14_1.jpg|400x533px|Foto: Männer beim Fällen eines Baums nahe Nautanwa, Indien 2008, Matthäus Rest]]
+
''„Will man sich nicht zu der Behauptung versteigen, die überwiegende Mehrheit der Menschheit sei zumindest zeitweilig und in regelmäßigen Abständen geistesgestört, so muss man einräumen, dass'' '''''die religiöse Trance ein völlig normales menschliches Verhalten''''' ''ist. Mit einer Einschränkung: Die religiöse Trance als kulturelles Phänomen “'' (Goodman 1994: 48) Das heißt, wenn Trance ein gezieltes Verhalten darstellt, wenn sie ritualisiert ist und als Institution auftritt, wenn sie auf ein Signal hin beginnt und beendet wird, ist sie eine völlig normale Erscheinung.
  
Unter '''sozialem Kapital''' versteht Bourdieu (1983: 189) diejenigen '''Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen''': &quot;Der Umfang des Sozialkapitals, das der einzelne besitzt, hängt demnach sowohl von der Ausdehnung des Netzes von Beziehungen ab, die er tatsächlich mobilisieren kann als auch von dem Umfang des (ökonomischen, kulturellen oder symbolischen) Kapitals das diejenigen besitzen, mit denen er in Beziehung steht.&quot; Für die Erhaltung bzw. den Ausbau der sozialen Beziehungen ist ständige Beziehungsarbeit in Form von Austauschakten erforderlich. '''Sozialkapital bewegt sich in der Logik des Kennens und Anerkennens und funktioniert daher immer als symbolisches Kapital.''' Die Verteilungsstruktur der verschiedenen Kapitalarten entspricht der Struktur der gesellschaftlichen Welt. Kapital ist akkumulierte Arbeit, entweder in Form von Materie oder in verinnerlichter, inkorporierter Form. Vor der Einsicht, dass diese Akkumulation Zeit benötigt, formuliert Bourdieu (1983: 183): '''&quot;Die gesellschaftliche Welt ist akkumulierte Geschichte.&quot;'''
+
In der ethnographischen Literatur, welche F. Goodman für dieser Studie durcharbeitete, fand sie immer wieder Andeutungen, dass die Menschen im religiösen Ritual auf besondere Weise sprachen. Das weckte ihr Interesse auch als Linguistikerin und war Anlass zu weiterer Forschung.
  
  
  
'''[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen|Nächstes Kapitel: 2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen]]'''<br/>
+
'''[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance|Nächstes Kapitel: 4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#2.1 Kapitalformen|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Bourguignon#4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon|Vorheriges Kapitel: 4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon]]'''
 +
=4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
Wenn Menschen, während sie in Trance sind, zu reden oder singen beginnen, verändert sich ihr stimmliche Ausdruck in charakteristischer Weise. In der Linguistik wird dies als '''Glossolalie''' bezeichnet, im Christentum als '''Sprechen in Zungen''' .
 +
 
 +
Es entsteht eine rhythmische, wie ein Versmaß '''pulsierende Vokalisation''', die gewöhnlich aus '''Silben''' besteht, die an sich keine Bedeutung haben, wie etwa ‚siösiösiösiö’‚ ?ulalaladalalla’, wobei jede Silbe mit einem '''Konsonanten''', bzw. Kehlverschlusslaut beginnt.
 +
 
 +
Hinweise auf dieses eigenartige Sprechen, das in religiösen Ritualen beobachtet wurde, fand Felicitas Goodman in der ethnographischen Literatur, die sie für ihre Untersuchung unter E. Bourguignon durchforschte. Ihr Interesse, auch als Linguistikerin war geweckt. Sie begann Tonbandaufnahmen mit Glossolalie aus verschiedenen Kulturen mit unterschiedlichen Muttersprachen zu untersuchen, auch jene aus ihrer Feldforschung bei den Pfingstgemeinden in Yucatán.
 +
 
 +
Es zeigte sich bei allen Aufnahmen ein einheitlich zugrundeliegendes Sprechmuster. Die '''Intonation''', die Satzbetonung, die für jeden Bewusstseinszustand eine andere Kurve ergibt, war '''gesetzmäßig gleich''' '''bei allen Sprechern in Zungen.''' Die Kurve stieg an bis zu einer Betonungsspitze am Ende des ersten Drittels der Silbenfolge, um dann bis zum Schluss gleichmäßig abzusinken. (Goodman 1972)
 +
 
 +
<div><ul>
 +
<li style="display: inline-block;">[[File:rebetrance-32_1.jpg|251x346px]]</li>
 +
<li style="display: inline-block;">[[File:rebetrance-32_2.jpg|251x356px]]</li>
 +
</ul></div>
 +
 
 +
[[File:rebetrance-32_3.jpg|251x480px]]
 +
 
 +
Abb. 1a Abb. 1b Abb. 1c
 +
 
 +
''Abbildung: Intonationskurven beim Sprechen in Zungen mit deutlichem Anfang, Höhepunkt und Ende:''
 +
 
 +
''Abb. 1a: Muttersprache Rungus-Dusun, Austronesisch, Nordborneo (3 Sprecheinheiten).''
 +
 
 +
''Abb. 1b: Muttersprache amerikanisches Englisch, Newark, Ohio, USA (1 Spercheinheit).''
 +
 
 +
''Abb. 1c: Muttersprache afrikanisches Englisch, Saint Kitts Island, Karibik (1 Sprecheinheit).''
 +
 
 +
''(Goodman 1996: 20,18,19)''
  
 +
Zum Vergleich zwei Intonationskurven in anderen Bewusstseinslagen:
  
'''[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1 Kapitalformen|Vorheriges Kapitel: 2.1 Kapitalformen]]'''
+
Beim Sprechen in der '''gewöhnlichen Bewusstseinslage''' (Abb.1d) hebt und senkt sich die aufgezeichnete Linie ohne erkennbare Regelmäßigkeit. Auch wenn in '''Hypnose''' gesprochen wird (Abb.1e), zeigt die Intonationskurve keine besondere sich wiederholende, sondern eine eher monotone Sprechweise zwischen den langen Pausen. (Goodman 1996: 14,15)
=2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen=
 
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
 
  
 +
<div><ul>
 +
<li style="display: inline-block;">[[File:rebetrance-32_4.jpg|251x294px]]</li>
 +
<li style="display: inline-block;">[[File:rebetrance-32_5.jpg|251x278px]]</li>
 +
</ul></div>
  
Die Zirkulation zwischen den verschiedenen Kapitalarten zwingt uns zur '''Aufgabe der Dichotomie von Ökonomischem und Nicht-Ökonomischem'''. Vielmehr sind die ökonomischen Praktiken als besonderer Fall einer allgemeinen Wissenschaft der Ökonomie praktischer Handlungen zu fassen. Nur diese ist in der Lage, auch die scheinbar interesselosen und zweckfreien Handlungen als gewinngerichtet (auf einen materiellen oder symbolischen Gewinn) zu begreifen. Als eine verschleierte Form von '''ökonomischem Kapital[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.2 Ökonomisches Kapital|[1]]]''' beruht das '''symbolische Kapital[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.1 Symbolisches Kapital|[2]]]''' auf dem Gelingen dieser Verschleierung (Bourdieu 1979: 356f.). In Gesellschaften ohne ''self-regulating market'' (Karl Polanyi), ohne Unterrichtssystem und juristischen Apparat, setzen sich die Herrschaftsformen nur kraft ständig erneuerter und fortwährend angewandter '''Strategien[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.5 Strategie|[3]]]''' durch. Sie sind ja nicht den objektiven '''Strukturen[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|[4]]]''' eingeschrieben. Im einen Fall sind die Herrschaftsbeziehungen durch objektive und institutionalisierte Mechanismen (die wie schulische, monetäre und ständische Titel den undurchdringlichen Charakter von Dingen aufweisen) abgesichert, im anderen Fall werden sie durch Interaktion gebildet, aufgelöst und wieder hergestellt. Der Unterschied zwischen den Herrschaftsformen liegt also im Objektivierungsgrad des akkumulierten gesellschaftlichen Kapitals. Für die Bedeutung des symbolischen Kapitals auf dem Markt in der Kabylie (Algerien) steht der Satz: '''&quot;Er ist imstande mit dem gesamten Markt heimzukehren, obwohl er doch mit leeren Taschen davonzog.&quot;''' Das Vertrauen und die Beziehungen erlauben es, nur das Gesicht, den Namen, die '''Ehre als &quot;Kapital&quot;''' auf den Markt mitzunehmen (ebd.: 358-360).
+
Abb. 1d Abb. 1e
  
'''Verweise:'''<br />
+
Felicitas Goodman kam zu dem Schluss, den sie auch in einer heute noch gültigen Studie festhielt, dass Glossolalie formal keine Sprache ist, sondern vielmehr eine '''Stimmgebung, die mit den physiologischen Veränderungen in der religiösen Trance einhergeht''' .
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.2 Ökonomisches Kapital|[1] Siehe Kapitel 2.1.2]]<br />
+
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.1 Symbolisches Kapital|[2] Siehe Kapitel 2.1.1]]<br />
+
Daraus folgerte Felicitas Goodman, dass '''der Mensch im religiösen Ritual''' , vorausgesetzt es gibt eine körperliche Anregung, immer in den '''gleichen Bewusstseinszustand''' mit den '''gleichen Veränderungen der Körperfunktionen''' versetzt wird, ganz gleich, um welches religiöse Ritual es sich handelt und wo und bei welcher Gruppe es stattfindet.
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.5 Strategie|[3] Siehe Kapitel 2.3.5]]<br />
+
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|[4] Siehe Kapitel 2.3.3]]<br />
+
Die Untersuchung ist eine Bestätigung dafür, dass alle Menschen die ererbte Fähigkeit besitzen, außer dem gewöhnlichen Bewusstseinszustand auch andere Bewusstseinszustände,
  
 
==Inhalt==
 
==Inhalt==
 
<div class="eksa_toc">
 
<div class="eksa_toc">
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen|2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen]]<br/>
+
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance|4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance]]<br/>
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2.1 Symbolisches Kapital und Herrschaft|2.2.1 Symbolisches Kapital und Herrschaft]]<br/>
+
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2.1 Feldforschung in Yucatán|4.2.1 Feldforschung in Yucatán]]<br/>
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2.2 Symbolisches Kapital als Akkumulationsform|2.2.2 Symbolisches Kapital als Akkumulationsform]]<br/>
+
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2.2 Rahmenbedingungen für das Eintreten in der Trance|4.2.2 Rahmenbedingungen für das Eintreten in der Trance]]<br/>
 
</div>
 
</div>
  
== 2.2.1 Symbolisches Kapital und Herrschaft ==
+
== 4.2.1 Feldforschung in Yucatán ==
 +
 
 +
Das, was allgemein als unverständliches, keineswegs beachtenswertes Kauderwelsch betrachtet wurde, erregte schon bei ihrer Forschung über Trance unter Erika Bourguignon das Interesse von Felicitas Goodman, zumal diese Sprechform während religiöser Rituale auftrat. Als Linguistikerin hatte sie begonnen diese Sprechform, Sprechen in Zungen oder Glossolalie genannt, bei englisch und spanisch sprechenden Pfingstgemeinden zu untersuchen.
 +
 
 +
Für ihre Feldforschungen besuchte Felicitas Goodman ab 1969 kleine charismatische '''Pfingstgemeinden''' in Yucatán / Mexiko, deren Muttersprache das Maya ist, welches nicht der indoeuropäischen Sprachfamilie angehört. Das Forschungsinteresse lag nun darin festzustellen, ob die Glossolalie hier andere Sprechmuster zeigen würde als jene aus einer englischen oder spanischen Sprache.
  
Die theoretische Konstruktion der mechanischen Reziprozität bringt das Verfahren der organisierten und institutionell abgesicherten Verkennung zum Verschwinden. Ein Gutteil der symbolischen Arbeit wird aber dafür verwendet, die unabwendbaren Beziehungen der Verwandtschaft, Nachbarschaft oder Arbeit in auf Wahl beruhende Reziprozitätsbeziehungen umzuwandeln. In die Arbeit der Reproduktion bestehender Beziehungen durch Feste, Zeremonien, Geschenkaustausch, Besuche, Höflichkeiten, Heiraten geht nicht nur die zur Erfüllung der Tauschfunktion erforderliche Arbeit, sondern auch die Arbeit zur Verschleierung dieser Funktion ein. '''Eine auf Treu und Glauben aufgebaute Ökonomie wendet hohe Kosten für die Verschleierung der ökonomischen Strukturen auf.'''
+
[[File:rebetrance-33_1.jpg|455x373px]]
  
[[File:denkenksa-16_1.jpg|400x301px|Foto: Eine Gruppe von Schneiderinnen aus Num bereitet sich auf den Nachtmarkt im Nachbardorf vor, Nepal 2008, Matthäus Rest]]
+
''Foto: Der Tempel der Pfingstgemeinde in Yucatan 1969 (Goodman 2001: 377)''
  
Das lässt der Vergleich mit der Ökonomie des unverschleierten Interesses erkennen. Ein in Paris aufgewachsener Maurer hatte 1955 in der Kabylie einen Skandal verursacht, als er die ihm während der Arbeit angebotenen Speisen abgelehnt und danach einen Spesenersatz für Essen verrechnet hatte. Damit hat er die soziale Alchimie, die den Lohn für die Arbeitszeit in eine huldvolle Gabe verwandeln möchte, bloßgestellt. So hat das Abschlussessen bei der Ernte oder dem Bau eines Hauses die Funktion, eine interessegeleitete Transaktion in einen edelmütigen Austausch zu transformieren (Bourdieu 1979: 335-338). &quot;Man kann einfach nicht, es sei denn, man wollte jemand beleidigen, ein Geschäft auf der Basis von Treu und Glauben und unter Menschen guten Glaubens, und gar noch zwischen Verwandten, von einem Notar, einem Kadi oder selbst einem Zeugen beglaubigen lassen wollen&quot; (ebd.: 339). Bei Heiratsverhandlungen treten in einer ersten Phase angesehene Verwandte oder Verbündete als Garanten auf, wobei das zur Schau gestellte '''symbolische Kapital[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.1 Symbolisches Kapital|[1]]]''' eine Waffe während der Verhandlungen und eine Sicherheit nach Einigung bietet (ebd.: 340).
+
Immer wieder beobachtete sie den '''Ablauf der religiösen Zeremonie''' und nahm das Zungensprechen auf Tonband auf. Zu Beginn des Gottesdienstes sang die Kirchengemeinde zu einer fröhlichen Musik. Dabei standen die Menschen keineswegs still, sondern bewegten sich in gleichbleibender Abfolge immer einige Schritte vor und zurück, im selben Rhythmus dazu klatschend. Am Ende dieser Phase, die etwa 20 Minuten dauerte, trat auf ein bestimmtes '''Signal''' (link zu 1.3.2) (ein besonderes, kurzes Kirchenlied, bei dem der Herr um sein Feuer gebeten wird), eine Wende ein, die Menschen fielen in '''Trance''' und begannen in '''Zungen zu sprechen.''' Die Musik verstummte und das Stimmengewirr füllte ekstatisch die Kirche. Dabei konnten sich bei den Menschen die Gesichter röten, die Muskeln anspannen und die Hände zu zittern beginnen. Manche fielen auf die Knie und brachen in Tränen aus, andere hoben in wellenartigen Bewegungen immer wieder die Arme über den Kopf. Genauso plötzlich wechselten sie nach etwa weiteren 10 Minuten auf ein Signal hin wieder in den Alltagszustand über, und der Gottesdienst wurde unter Gesängen zu Ende geführt. Nachher berichteten die Menschen, dass der Heilige Geist in sie eingefahren sei und dann diese wunderbaren Silben aus ihnen herausgeströmt wären. Nun erlebten sie die Welt wieder strahlend, rein und in Harmonie.
  
'''Verweise:'''<br />
+
[[File:rebetrance-33_2.jpg|455x312px|graphic]]''Foto: Das Zungen-Sprechen während eines Gottesdienstes in der Pfingstgemeinde in Yucatan (Goodman 2001: 379)''
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.1 Symbolisches Kapital|[1] Siehe Kapitel 2.1.1]]<br />
+
 
 +
Zungensprechen wurde als eine '''natürliche Fähigkeit''' erachtet und als krank wurden jene betrachtet, die das Zungensprechen nicht beherrschten.
 +
 
 +
Felicitas Goodman untersuchte die Tonbandaufnahmen im phonetischen Labor und verglich die '''Intonationskurve''' mit anderen Aufnahmen von Glossolalie aus anderen Kulturen mit anderen Muttersprachen. Bei allen Aufnahmen war die gleiche charakteristische Intonationskurve festzustellen. Sie unterschied sich deutlich von jenen in anderen Bewusstseinszuständen. Diese Feststellung lässt darauf schließen, dass bei allen Menschen in der Trance die '''gleichen körperlichen Veränderungen''' zu diesem Sprechmuster führen, unabhängig von ihrer Kultur und ihrer Muttersprache, dass somit die '''Fähigkeit zur Trance''' in allen Menschen angelegt ist.
 +
 
 +
Die Feldforschung in Yucatán nahm eine überraschende Wende. Auf die Vorhersage des Weltunterganges für den 1. September 1970, den ein Gemeindemitglied in einer Vision offenbart bekam, kam die Gemeinde im Folgejahr in eine Glaubenskrise, an der sie beinahe zerbrach. Bis 1986 verbrachte F. Goodman noch jedes Jahr einige Zeit mit den Frauen der Gemeinde. Diese 17 Jahre einer außergewöhnlichen Langzeit- Feldforschung bis zum Abebben des rituellen Geschehens und das Leben der Frauen in der Gemeinde hat sie in dem Buch „Maya Apocalypse: Seventeen Years with the Women of a Yucatán Village“ dokumentiert.
 +
 
 +
 
 +
== 4.2.2 Rahmenbedingungen für das Eintreten in der Trance ==
 +
 
 +
[[File:rebetrance-34_1.jpg|401x582px]]
 +
 
 +
''Foto: Im Tempel der Pfingstgemeinde in Yucatán (Goodman 2001: 378)''
 +
 
 +
Während ihrer Feldforschung konnte Felicitas Goodman beim Gottesdienst der Pfingstgemeinden in Yucatán wichtige '''Rahmenbedingungen für die Trance''' beobachten, die sie später in den '''Tranceversuchen[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen|[1]]]''' mit ihren Studenten in Ohio anwendete.
 +
 
 +
• Die Zeremonie fand in einem '''vom Alltäglichen getrennten Raum''' (Kirche) statt.
 +
 
 +
• Die TeilnehmerInnen sahen ihr Vorhaben als '''normal''' an und als etwas, worauf sie sich '''freudig''' einlassen konnten.
  
 +
• Die '''Konzentration''' und '''geistige Ausrichtung''' wurde vor der Trance gesteigert, indem die Menschen Kirchenlieder sangen unter der Aufforderung des Priesters, den Alltag hinter sich zu lassen.
  
== 2.2.2 Symbolisches Kapital als Akkumulationsform ==
+
• Eine '''gleichförmige rhythmische Anregung''' (Singen, Klatschen, Musik, Schritte) induzierte die Trance (mit dem Zungensprechen).
  
'''Das symbolische Kapital''', das sich wie Prestige oder ein guter Ruf jederzeit in '''ökonomisches Kapital[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.2 Ökonomisches Kapital|[1]]]''' verwandeln lässt, '''bildet eine kostbare Akkumulationsform''', vor allem in Gesellschaften, wo es an unmittelbaren Akkumulationsmöglichkeiten für ökonomisches Kapital (aufgrund des schwach entwickelten Standes der Produktionsmittel) mangelt. Zudem wird die Konzentration materiellen Kapitals durch die fehlende kollektive Legitimation für die &quot;Bereicherung&quot; weiter gebremst. Daher muss das ökonomische Interesse verschleiert werden. Am besten lässt sich das durch die Umwandlung von ökonomischem in '''symbolisches Kapital[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.1 Symbolisches Kapital|[2]]]''' erreichen. In der auf Treu und Glauben beruhenden Wirtschaftsform in der Kabylie sind die beiden Kapitalformen (symbolisch und ökonomisch) derart ineinander verschränkt, dass ein guter Leumund die beste wenn nicht die einzige ökonomische Sicherheit bietet. Angesehene Verbündete können solchermaßen Gewinn abwerfen. Keine Gelegenheit wird ausgelassen, das symbolische Kapital zur Schau zu stellen, durch feierliche Umzüge der Verwandten und Verbündeten, in Brauteskorten, deren Wert sich nach der Zahl der Gewehre und der Stärke der abgefeuerten Salven zu Ehren der Brautleute bemisst, in blendenden Geschenken, endlich durch Zeugen und Garanten (bei Marktgeschäften und Heiratsverhandlungen).
+
• Auf ein '''Signal''' (ein corrito, ein bestimmtes kurzes Kirchenlied) wechselten die Menschen in den anderen Bewusstseinszustand über und kehrten auf ein weiters Signal wieder in den gewöhnlichen Bewusstseinszustand zurück.
  
'''Symbolisches Kapital stellt einen Kredit dar'''; seine regelmäßig überaus kostspielige Zurschaustellung wirkt als Mechanismus, warum Kapital zu Kapital kommt (vgl. Ghana: Saltpond, Ashanti). '''Diese symbolischen Gewinne''', werden sie aufgerechnet, '''belegen die Rationalität von Verhaltensweisen, die der Ökonomismus als absurd abtut'''. Der Ankauf eines zweiten Ochsengespanns zu einem Zeitpunkt, wenn es nicht zur Aussaat gebraucht wird, verschafft der Familie aber möglicherweise eine Vermehrung an symbolischem Kapital für die Zeit der Eheverhandlungen. Demnach liegt den Verhaltensweisen der Ehre ein Interesse zugrunde, das als symbolisches Kapital an Ehre bzw. Kredit an Ehrenhaftigkeit besonders wertvoll und schutzwürdig ist (vgl. die Standesehre von Arzt und Rechtsanwalt) (ebd.: 348-353).
+
'''Es bestand ein den TeilnehmerInnen''' gemeinsamer kultureller Hintergrund'''.'''
  
 
'''Verweise:'''<br />
 
'''Verweise:'''<br />
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.2 Ökonomisches Kapital|[1] Siehe Kapitel 2.1.2]]<br />
+
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit/Entdeckung#2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen|[1] Siehe Kapitel 2.1]]<br />
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Kapitalformen#2.1.1 Symbolisches Kapital|[2] Siehe Kapitel 2.1.1]]<br />
 
  
  
  
'''[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|Nächstes Kapitel: 2.3 Praxis]]'''<br/>
+
'''[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Die_Schamanin_im_Labor#4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen|Nächstes Kapitel: 4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
  
 +
'''[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance|Vorheriges Kapitel: 4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance]]'''
 +
=4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
  
'''[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen|Vorheriges Kapitel: 2.2 Zirkulation und Umwandlung von Kapitalformen]]'''
 
=2.3 Praxis=
 
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
 
  
 +
Was im Menschen während des religiösen Erlebens vor sich geht, hat Felicitas Goodman seit Beginn ihres Studiums in Ohio interessiert. Bei ihren Untersuchungen der '''Glossolalie[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance|[1]]]''' 1972 hat sie bereits erkannt, dass in der religiösen Trance '''Veränderungen der Körperfunktionen''' auftreten, die bei allen Menschen gleich sind. Weitere Untersuchungen deckten ein unerwartetes und z.T. dramatisches Geschehen auf.
  
Als eine Art teilnehmende BeobachterIn und DechiffreurIn steht die EthnologIn in der '''Gefahr, die gesellschaftlichen Praxisformen auf symbolische Tauschbeziehungen zu reduzieren''' und die gesellschaftlichen Beziehungen als Kommunikationsphänomene zu interpretieren. Sprache wird damit vom Handlungs- und Ausdrucksmittel zum bloßen Decodierungsinstrument. So wie ArchitektInnen häufig Städte für ZuschauerInnen und nicht BewohnerInnen entworfen haben, verhält sich die EthnologIn zum praktischen Handeln distanziert aus der BeobachterInnenrolle. '''Die Praxis sollte aber nicht wie in zahlreichen impliziten oder expliziten Theorien als Objekt behandelt, sondern als Praxis konstituiert werden.''' Führen wir den Faktor der Unsicherheit ein, lässt sich beispielweise von den beobachtbaren Ehrverhaltensweisen eine der Improvisierkunst des Ehrenmannes adäquatere Darstellung geben als durch aufwendige mechanische Modelle. In der Sprache der Regel und des Modells erscheint die praktische Beherrschung der Symbolik sozialer Interaktionen (wie Takt, Fingerspitzengefühl oder Ehrgefühl) ausgeblendet. Es gibt klare Korrelationen zwischen verwendeter Sprache und Eigenschaften wie Geschlecht, Alter, Wohnsitz und Beruf; der Inhalt der Kommunikation wird durch die Beziehungsstruktur der Sprecher verändert. Bestimmte Situationen verlangen unter dem Druck der gesellschaftlich bestimmten objektiven Situation nach einer ganzen Sprache (Scherze, Ton, Akzent); die Art der Sprache und Ausdrucksformen in Gang, Haltung, Mimik ergibt sich durch den fortwährenden unbewussten Bezug auf die Struktur der sozialen Beziehungen zwischen den Individuen, auf ihre jeweiligen Positionen innerhalb der Hierarchien von Alter, Macht, Prestige und Bildung. Durch dieses permanente praktische Erkennen erfolgt die Anpassung der Praktiken und Expressionen an die Erwartungen und Reaktionen der anderen Handlungssubjekte (Bourdieu 1979: 140-146).
+
Laboruntersuchungen unter Prof. Kugler in München (1983) und weitere in Zusammenarbeit mit Prof. Guttmann in Wien (1987) brachten Aufschluss oder zumindest einen sehr eindrücklichen Einblick in das komplexe biologische Geschehen bei der Trance. '''Paradoxe Phänomene''', die in anderen Bewusstseinszuständen nicht auftraten, charakterisierten die Trance als einen außergewöhnlichen Zustand '''hochwacher Entspanntheit'''.
  
[[File:denkenksa-18_1.jpg|780x222px|Foto: Kinder beim Spielen in Kampong Cham, Kambodscha 2004, Anna Ellmer]]
+
„Wenn die Schamanin ins Labor geht“ lautet der Titel der Tonbandabschrift eines von Felicitas Goodman und Giselher Guttmann 1991 an der Universität Wien gehaltenen Vortrages, in welchem die Forschungsergebnisse über die biologischen Veränderungen während der Trance zur Sprache kamen. Der Titel drückt aus, wie konsequent Felicitas Goodman die beiden, in der westlichen Welt oft getrennt gehaltenen Bereiche von direktem Erleben und wissenschaftlicher Forschung zusammenbrachte.
 +
 
 +
In der sterilen, kühlen '''Laborathmosphäre''', inmitten von Messgeräten, baute sie einen rituellen Raum auf, lud die Geistwesen mit der traditionellen Mehlgabe ein und rasselte 15 Minuten, während die teilnehmenden ProbandInnen mit den vorher am Kopf angebrachten Elektroden – sozusagen verkabelt – auf Trancereise gingen. Die Geistwesen ließen sich nicht abschrecken und die schillernde Vielfalt der anderen Wirklichkeit wurde im '''Ritual''' auch unter Laborbedingungen zugänglich. Die Ergebnisse der Messungen waren überraschend.
 +
 
 +
'''Verweise:'''<br />
 +
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Glossolalie#4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance|[1] Siehe Kapitel 4.2]]<br />
  
 
==Inhalt==
 
==Inhalt==
 
<div class="eksa_toc">
 
<div class="eksa_toc">
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|2.3 Praxis]]<br/>
+
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Die_Schamanin_im_Labor#4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen|4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen]]<br/>
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1 Drei Modi der theoretischen Erkenntis|2.3.1 Drei Modi der theoretischen Erkenntis]]<br/>
+
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Die_Schamanin_im_Labor#4.3.1 Endokrinologische Untersuchungen München 1983|4.3.1 Endokrinologische Untersuchungen München 1983]]<br/>
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.1 Phänomenologie|2.3.1.1 Phänomenologie]]<br/>
+
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Die_Schamanin_im_Labor#4.3.2 Neurophysiologische Untersuchung Wien 1987|4.3.2 Neurophysiologische Untersuchung Wien 1987]]<br/>
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.2 Objektivismus|2.3.1.2 Objektivismus]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.3 Praxeologie|2.3.1.3 Praxeologie]]<br/>
 
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.2 Habitus|2.3.2 Habitus]]<br/>
 
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|2.3.3 Struktur]]<br/>
 
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.4 Hexis|2.3.4 Hexis]]<br/>
 
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.5 Strategie|2.3.5 Strategie]]<br/>
 
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.6 Doxa|2.3.6 Doxa]]<br/>
 
::[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.6.1 Orthodoxie|2.3.6.1 Orthodoxie]]<br/>
 
:[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.7 Beispiel§ Sexualität in der Kabylie|2.3.7 Beispiel§ Sexualität in der Kabylie]]<br/>
 
 
</div>
 
</div>
  
== 2.3.1 Drei Modi der theoretischen Erkenntis ==
+
== 4.3.1 Endokrinologische Untersuchungen München 1983 ==
  
Bourdieu unterscheidet '''drei Modi der theoretischen Erkenntnis, denen gemeinsam ist, in Gegensatz zum praktischen Erkenntnismodus zu stehen''':
+
Erste Pilotstudien zu den biologischen Veränderungen in der Trance wurden 1983 '''unter Prof. Kugler''' an der psychiatrischen Klinik der Universität München durchgeführt und brachten unerwartete Ergebnisse.
  
# '''den phänomenologischen''' (z.B. interaktionistische oder ethnomethodologische),
+
Unter Anleitung von F. Goodman begaben sich die TeilnehmerInnen in einer liegenden Position auf die Reise in die Unterwelt. Während dieser Trancereise wurden ihnen in regelmäßigen Abständen Blutproben entnommen, deren '''endokrinologische Untersuchung''' folgendes Bild ergab:
# '''den objektivistischen''' (z.B. strukturalistische Hermeneutik)
 
# '''und den praxeologischen'''.
 
  
Die phänomenologische Erkenntnis erklärt die Primärerfahrung mit der sozialen Welt und schließt nach Auffassung Bourdieus die Frage nach den Bedingungen ihrer eigenen Erkenntnis aus; die objektivistische erstellt die objektiven (ökonomischen oder linguistischen) Beziehungen, welche die Praxisformen und ihre Repräsentationen strukturieren - um den Preis des Bruches mit der primären praktischen Erfahrung. '''Die praxeologische Erkenntnisweise dagegen erforscht''' nicht nur das System objektiver Relationen, sondern die dialektischen Beziehungen zwischen diesen objektiven '''Strukturen[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|[1]]]''' und den strukturierten Dispositionen, die diese reproduzieren - kurz '''den doppelten Prozess der Verinnerlichung des Äußeren und der Veräußerlichung des Inneren''' (Interiorisierung der Exteriorität und Exteriorisierung der Interiorität) (ebd.: 146f.).
+
• Bei '''Absinken des Blutdrucks''' wurde '''gleichzeitig''' ein '''Ansteigen der Pulsfrequenz''' festgestellt. Dieses außergewöhnliche gegenläufige Phänomen erregte Aufsehen, da es normalerweise nur bei einem lebensbedrohlichen Schockzustand oder beim Verbluten auftritt, in der Trance aber keineswegs als bedrohlich empfunden wird.
  
'''Verweise:'''<br />
+
• Der '''Spiegel der Stress auslösenden Hormone''' (Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol) im Blutserum '''sank''' ab und gleichzeitig wurden
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|[1] Siehe Kapitel 2.3.3]]<br />
+
 
 +
• '''ß-Endorphine''' (körpereigene Opiate mit schmerzstillender und euphorisierender Wirkung) im Gehirn '''ausgeschüttet'''.
 +
 
 +
Die letzten beiden Werte erklären den entspannten, ruhigen und ausgeglichenen Zustand, von dem nach der Trance berichtet wird und das enorme, noch länger anhaltende Wohlgefühl - die Ekstase der Schamanen oder auch die Süße des Erlebens, von der die deutschen Mystiker immer wieder berichten.
  
 +
Bei EEG-Messungen zeigten sich langsame '''Theta-Wellen''', was sich in der späteren Untersuchung durch Prof. G. Guttmann in Wien bestätigte.
  
== 2.3.1.1 Phänomenologie ==
+
Von dieser damals vielversprechenden Untersuchung liegen leider kaum Dokumentationen vor. Die Ergebnisse sollten jedoch zu weiterer Forschung inspirieren.
  
Dem phänomenologischen Ansatz konzediert '''Bourdieu''' (1979: 149f.) seine Konstruktionen zweiten Grades, den account of accounts im Sinne Alfred Schütz‘ oder Garfinkel‘s, '''kritisiert''' aber '''den Anspruch, diese vorwissenschaftliche Repräsentation der sozialen Welt als Wissenschaft dieser sozialen Welt auszugeben'''. Denn - wie '''Habermas[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas#3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas|[1]]]''' sagen würde: damit wird alles ausgeblendet, was auf diese Lebenswelt und deren Repräsentation von außen einwirkt. Die Konstruktion objektiver Strukturen (Preiskurven, Bildungschancen, Gesetze des Heiratsmarktes) lässt erst die Mechanismen erkennen, durch welche die Beziehungen zwischen '''Strukturen[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|[2]]]''' und '''Praktiken[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[3]]]''', respektive deren Repräsentationen gestaltet werden. Dadurch - so Bourdieu in seiner Kritik weiter - schließt der Interaktionismus den Einfluss der Strukturen auf die Interaktionen und deren Repräsentationen aus. Diese Richtung übernimmt damit die Spontantheorie des Handelns, die das Subjekt zum quasi freien, strategisch entscheidenden Subjekt erklärt und hebt die kleinbürgerliche Sicht gesellschaftlicher Beziehungen als freien Gestaltungsraum zu einer Theorie der sozialen Welt.
 
  
'''Das hat zur Konsequenz, die Wissenschaft von der Gesellschaft zu einer Bestandsaufnahme des krud Gegebenen, der herrschenden Ordnung zu reduzieren.''' Mit der bloßen Konzeptualisierung der (gemeinsamen) Alltagserfahrung geht die Reformulierung einer Repräsentation gesellschaftlicher Wirklichkeit einher, die in der Regel mit den Interessen einer bestimmten Gruppe im Einklang steht. In der Ethnologie lässt sich das an manchen herrschaftsunkritischen Darstellungen zeigen, die mitunter einen bestimmten (z.B. androzentrischen) Standpunkt privilegieren. Das hängt damit zusammen, dass herrschende Gesellschaftsgruppen auch die Macht zur Repräsentation innehaben. '''Was könnte dagegen eine Soziologie oder Anthropologie der Politik leisten, die sich um die Aufdeckung der erkenntnistheoretischen Mechanismen bemühte, die der Aufrechterhaltung der herrschenden Ordnung dienen?'''
+
== 4.3.2 Neurophysiologische Untersuchung Wien 1987 ==
  
'''Verweise:'''<br />
+
Durch die Begegnung mit '''Prof.Dr. Giselher Guttmann''' 1987, dem damaligen Leiter des Psychologischen Instituts Wien, ergab sich für Felicitas Goodman die Gelegenheit zu einer neurobiologischen Annäherung an das Phänomen der Trance.
[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas#3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas|[1] Siehe Kapitel 3]]<br />
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|[2] Siehe Kapitel 2.3.3]]<br />
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[3] Siehe Kapitel 2.3]]<br />
 
  
 +
Guttmann et al. untersuchten in einer Pilotstudie verschiedene Bewusstseinszustände, u.a. Schlaf, Hypnose und Trance nach Goodman in Bezug auf zwei unterschiedliche hirnphysiologische Kennwerte, das kortikale Gleichspannungspotential ('''DC-Potential''') — die batterieähnliche Aufladung der Großhirnrinde — und das Hirnstrombild der '''Gehirnwellen'''.
  
== 2.3.1.2 Objektivismus ==
+
Zum Verständnis der Vorgänge in der Trance sind hier alle drei Beispiele angeführt.
  
[[File:denkenksa-21_1.jpg|380x285px|Foto: Ein Milchtransport in der Nähe von Dukla, Polen 2006, Matthäus Rest]]
+
[[File:rebetrance-37_1.jpg|401x666px]]
  
'''Der Objektivismus nimmt die''' '''Praxis[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[1]]]''' '''negativ, das heißt als Ausübung/Ausführung wahr.''' Daraus ergibt sich die Alternative, sich mit deren Bestandsaufnahme zu begnügen, ohne die Frage nach den Erzeugungsprinzipien dieser Praxis zu stellen, oder den wissenschaftlichen Konstrukten wie Kultur, Struktur, Klasse, Produktionsweise etc. Subjekthaftigkeit zu geben, die sie wie Subjekte handeln und auf die Praxis Zwang ausüben lässt. '''Es ist naiv, zu glauben, dass die Praktiken quasi gehorsam Regeln befolgen.''' Regeln im Sinne eines Schemas oder Prinzips sind der Praxis aber insofern eingeschrieben, als sie innerhalb der Praxis der Handlungssubjekte in praktischem Zustand zur Anwendung kommen, ohne sich in deren Bewusstsein zu befinden. Die Theorie des Handelns auf eine einfache Ausübung des Modells zu reduzieren, schafft ein Missverständnis, denn '''die Sache der Logik ist nicht identisch mit der Logik der Sache''': die objektive Bedeutung der Praxisformen entspricht nicht dem subjektiven Zweck des Handelns der Produzenten dieser Praxisformen. Den homo oeconomicus, der ständig nach rationalem Kalkül entscheidet, gibt es ebenso wenig wie Akteure, die bloße Rollen ausführen oder gemäß Modellen handeln (Bourdieu 1979: 158-164).
+
''Abbildung: Die drei Diagramme zeigen das Gleichspannungspotential während veränderter Bewusstseinszuständen (Guttmann, Goodman, Korunka 1988)''
  
'''Verweise:'''<br />
+
<br />
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[1] Siehe Kapitel 2.3]]<br />
 
  
 +
'''Schlaf:'''
  
== 2.3.1.3 Praxeologie ==
+
Während das DC-Potential im Wachzustand nur im Bereich von durchschnittlich 20 Mikrovolt schwankte, war im '''Schlaf''' ein '''Abfallen der Aufladung um bis zu 4000 Mikrovolt''' festzustellen. Die „Batterie Großhirnrinde“ entleerte sich.
  
[[File:denkenksa-22_1.jpg|780x200px|Foto: Rai-Frauen bei einer Feuerbestattung nahe Hedangna, Nepal 2008, Matthäus Rest]]
+
<br />
 +
<br />
  
'''Der Strukturalismus hypostasiert die Systeme objektiver Beziehungen.''' Er verwandelt sie in präkonstruierte Totalitäten, jenseits der Geschichte des Individuums und der Geschichte der Gruppe. '''Um ihn zu überwinden, genügt es, vom opus operatum''', den statistischen Regelmäßigkeiten bzw. der algebraischen Struktur, '''zum modus operandi''', dem Erzeugungsprinzip '''dieser beobachteten Ordnung überzugehen'''. Die daraus folgende Theorie der Praxis, oder präziser die Theorie des Erzeugungsmodus der Praxisformen, hat die '''Dialektik der Verinnnerlichung des Äußeren und der Veräußerlichung des Inneren''' zum Gegenstand: die für eine soziale Umgebung konstitutiven Strukturen erzeugen '''Habitusformen[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.2 Habitus|[1]]]''', d.h. Systeme dauerhafter Dispositionen, strukturierte '''Strukturen[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|[2]]]''', die als strukturierende Strukturen wirken. Damit ist gemeint, dass die Habitusformen als Erzeugungs- und Strukturierungsprinzipien von '''Praxisformen[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[3]]]''' und deren Repräsentationen funktionieren; sie sind objektiv &quot;geregelt&quot;, ohne auf der gehorsamen Erfüllung von Regeln zu beruhen. Disposition drückt für Bourdieu (1979: 446) das aus, was der Begriff '''Habitus''' umfasst: zum einen '''das Resultat einer organisierenden Aktion''', zum anderen '''eine Seinsweise, einen habituellen Zustand''' (vor allem des Körpers) '''und eine Tendenz oder Neigung'''. Die Habitusformen können bestimmten Zwecken angepasst sein, ohne dass die Handlungssubjekte diese Zwecke bewusst anvisieren müssen. Sie können weiters kollektiv abgestimmt sein, ohne eines Dirigenten zu bedürfen. Der Habitus erzeugt gewissermaßen '''Strategien[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.5 Strategie|[4]]]''', die es erlauben, neuartigen Situationen entgegenzutreten, weist aber durch seine vergangenen Bedingungen die Tendenz auf, die objektiven Strukturen zu reproduzieren (ebd.: 164-165).
+
'''Trance:'''
  
'''Verweise:'''<br />
+
In der '''Trance''' nach Goodman kam es zu einer Gleichspannungsverschiebung um etwa '''2000 Mikrovolt''' – ähnlich wie im Schlaf – nur '''in anderer Richtung'''. Ein Zustand '''extremer Aktivierung''' – wacher als hellwach. Diese enorme Aufladung der Gehirnrinde konnte in keinem anderen Bewusstseinszustand festgestellt werden.
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.2 Habitus|[1] Siehe Kapitel 2.3.2]]<br />
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|[2] Siehe Kapitel 2.3.3]]<br />
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[3] Siehe Kapitel 2.3]]<br />
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.5 Strategie|[4] Siehe Kapitel 2.3.5]]<br />
 
  
 +
<br />
  
== 2.3.2 Habitus ==
+
'''Hypnose:'''
  
'''Der Habitus ist zur &quot;Natur&quot; gewordene Geschichte, die negiert wird, weil sie als Natur empfunden wird.''' Dieser Mensch der Vergangenheit, diese vergessene Geschichte bildet den unbewussten Teil unserer selbst. Durch die objektive Übereinstimmung der Habitusformen der Gruppen und Klassen stehen die Praxisformen und Praktiken objektiv in Einklang. '''Der Habitus ist das durch die primäre Sozialisation dem Individuum eingegebene immanente Gesetz''', das wie ein gemeinsamer Code zumindest ein Minimum an Übereinstimmung innerhalb einer Gruppe bewirkt. '''Jedes Individuum ist gewollt oder nicht, bewusst oder nicht Produzent und Reproduzent eines bestimmten objektiven Sinns.''' Durch die Theorie des allen Klassen oder &quot;Kulturen&quot; eigenen Habitus wird die situationalistische Reduktion der Ethnomethodologie oder des Interaktionismus überwunden, indem die interpersonalen Beziehungen nicht losgelöst von den sozialen Faktoren und Beziehungen betrachtet werden. Denn die physischen Personen tragen ihre gegenwärtige wie vergangene Position innerhalb der Sozialstruktur in Gestalt der Habitusformen immer und überall mit sich herum. Die Übereinstimmung ästhetischer Geschmäcker oder ethischer Neigungen hat gesellschaftliche Bedingungen (Bourdieu 1979: 171- 182): '''&quot;Kurz, der Habitus, dieses Produkt der Geschichte, erzeugt entsprechend den von der Geschichte erzeugten Schemata individuelle und kollektive Praxisformen - folglich Geschichte&quot;''' (ebd.: 182).
+
In der '''Hypnose''' zeigte sich '''keine Potentialänderung''' . Aus der Sicht des DC- Potentials entsprach die Hypnose einem normalen Wachzustand.
  
[[File:denkenksa-23_1.jpg|380x274px|Foto: Ein ehemaliger Häftling von Robben Island vor einer Originalaufnahme mit Häftlingen und Gefängniswärtern, Robben Island, Südafrika 2005, Matthäus Rest]]
+
<br />
 +
<br />
 +
<br />
 +
<br />
 +
<br />
 +
<br />
  
'''Praxis[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[1]]]''' versteht Bourdieu (1987: 98) als den Ort der Dialektik von objektivierten und einverleibten Ergebnissen der historischen Praxis, von '''Strukturen[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|[2]]]''' und Habitusformen. Diese '''Habitusformen''' werden durch Konditionierungen, die mit einer bestimmten Klasse von Existenzbedingungen verknüpft sind, erzeugt. &quot;'''Sie sind Systeme dauerhafter und übertragbarer Dispositionen - strukturierte Strukturen, die als strukturierende Strukturen fungieren'''; d.h.: als Erzeugungs- und Ordnungsgrundlagen für Praktiken und Vorstellungen. Als Produkt der Geschichte produziert der Habitus individuelle Praktiken und kollektive Praktiken, also Geschichte, nach den von der Geschichte erzeugten Schemata; er gewährleistet die aktive Präsenz früherer Erfahrungen, die sich in jedem Organismus in Gestalt von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata niederschlagen...&quot; (Bourdieu 1987: 101). '''Über den Habitus regiert die Struktur die Praxis'''; er erzeugt die vernünftigen Verhaltensweisen des Alltagsverstandes. &quot;Als einverleibte, zur Natur gewordene und damit vergessene Geschichte ist der Habitus wirkende Präsenz der gesamten Vergangenheit, die ihn erzeugt hat&quot; (ebd.: 105). '''Geschichte wird damit aus Geschichte erzeugt, wodurch Dauerhaftigkeit im Wandel gewährleistet wird.'''
+
Überraschend war, dass bei der Goodman-Trance gerade '''im Zustand allerhöchster Aktivierung''', meist gegen Ende der Trance-Phase, langsame '''Theta-Wellen''' auftraten, wie sie für einen mitteltiefen Schlafzustand typisch sind.
  
Diese theoretische Sichtweise vom Habitus steht sowohl zu Annahmen der mechanischen Notwendigkeit von Praktiken als auch zur völligen Freiheit der Reflexion in Widerspruch; das praktische Handeln wird weder geschichtslosen Mechanismen noch trägheitslosen Subjekten rationalistischer Theorien überlassen. Praktiken von Mitgliedern einer Gruppe oder Klasse sind besser aufeinander abgestimmt, als die Handelnden selbst wissen. Der Habitus versucht sich selbst zu bestärken, indem er die Auswahl zwischen Orten, Ereignissen und Personen des Umgangs trifft; dadurch schützt sich der Habitus vor Krisen, indem er sich ein Milieu schafft, an das er vorangepasst ist.
+
[[File:rebetrance-37_2.jpg|455x212px]]
  
Für Bourdieu sind die sozialen Akteure keine Epiphänomene der Strukturen; Handlungen bestehen nicht nur im Vollzug von Regeln. Sie sind keine geregelten Automaten, die mechanischen Gesetzen gehorchen. Noch in den kompliziertesten Handlungsverläufen setzen sie inkorporierte Prinzipien eines generativen '''Habitus''' ein: dieses System von Dispositionen wird durch Erfahrung erworben, '''ist folglich je nach Ort und Zeit variabel'''. Statt einer Verwandtschaftsregel - wie die Strukturalisten - erkennt Bourdieu eine Heiratsstrategie, allerdings ohne teleologische Gerichtetheit. '''Denn das Verhalten kann auf Ziele gerichtet sein, ohne bewusst durch sie geleitet zu werden.''' In den kollektiven Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata der sozialen Gruppen können sich positionsbedingte Nutzenkalküle eingelagert haben, die nicht mehr individuell bewusst gehalten werden. Diese gruppenpezifischen Handlungsorientierungen nannte er Habitusformen; sie reichen über den individuellen Sinnhorizont hinaus (Honneth 1990: 169-170).
+
''Abbildung: Hirnstrombild während der Trance nach F. Goodman (Guttmann, Goodman, Korunka 1988)''
  
'''Verweise:'''<br />
+
Die Trance mit rituellen Körperhaltungen nach Goodman ist nicht mit dem Zustand der Hypnose vergleichbar, für den ebenfalls der Begriff Trance verwendet wird, und der im DC-Potential dem Wachzustand mit normaler Aktiviertheit gleicht. Sie unterscheidet sich auch wesentlich vom Schlaf, der von einer kortikalen Desaktivierung begleitet wird.
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[1] Siehe Kapitel 2.3]]<br />
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|[2] Siehe Kapitel 2.3.3]]<br />
 
  
 +
Die Trance erwies sich als ein von allen anderen Bewusstseinslagen abweichender Zustand, der durch eine '''gleichzeitige Desaktivierung''' (langsame Theta-Wellen) '''und Aktivierung''' (Aufladung der Großhirnrinde) gekennzeichnet ist und für welchen Guttman den Begriff '''„paradoxical arousal“''' geprägt hat – ein Zustand entspannter Hochspannung oder hochgespannter Entspanntheit.
  
== 2.3.3 Struktur ==
 
  
'''Das Verhältnis zwischen Struktur und''' '''Praxis[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[1]]]''' '''ist nicht vergleichbar mit jenem zwischen Partitur und Ausführung.''' Ein solcher '''Objektivismus[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.2 Objektivismus|[2]]]''' konstruiert einen von Gesetzen der Naturgeschichte unterjochten Menschen. Haben die Strukturen als Erzeugnisse menschlicher Aktion die Macht, sich nach eigenen Gesetzen zu entwickeln und andere Strukturen zu determinieren? Anhand der Habitustheorie lässt sich diese Frage verneinen. Die Diskussion über das Verhältnis Kultur-Individuum in der amerikanischen Anthropologie erscheint deshalb so karikaturhaft weil sie anstatt einer dialektischen Sichtweise die &quot;Basispersönlichkeit&quot; als eine Art Miniausgabe der Kultur entwarf. Hingegen stellt der Habitus das Produkt der Einprägungs- und Aneignungsarbeit dar, die für die (individuelle) Reproduktion der Hervorbringungen der kollektiven Geschichte (Sprache, Wirtschaftsform etc) einer den gleichen Existenzbedingungen unterworfenen Gruppe erforderlich ist.
 
  
[[File:denkenksa-24_1.jpg|380x254px|Foto: Ein Klassenfoto aus mehreren Perspektiven, Simigaon, Nepal 2004, Matthäus Rest]]
+
'''[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Weiterfuehrende_Untersuchungen#4.4 Weiterführende Untersuchungen|Nächstes Kapitel: 4.4 Weiterführende Untersuchungen]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen|&uarr; Nach oben]]<br/>
  
Die Erfahrungen der Mitglieder dieser Gruppe werden zwar niemals völlig identisch sein, aber die Aussichten mit bestimmten Situationen häufiger als Mitglieder anderer Gruppen konfrontiert zu sein, sind zweifellos größer (z.B. Beschäftigungsrate, Schulbildung, Einkommenskurven, Urlaubshäufigkeit und -ziele). '''Der Habitus ist keineswegs statisch, sondern bestimmt die Rezeption bestimmter Erfahrungen''', wie beispielsweise der schulischen Erfahrung, wird dadurch verändert und liegt wieder der Strukturierung durch die Berufserfahrung oder den von der Kulturindustrie ausgesandten Botschaften zugrunde; '''und das von Restrukturierung zu Restrukturierung'''. Im persönlichen Stil zeigt sich der Habitus ebenso in seinem Verweis auf den gemeinsamen Stil durch die Unterscheidung. Die Systeme der individuellen Dispositionen können als strukturelle Varianten des Gruppen- oder Klassenhabitus gesehen werden. Der persönliche Stil ist daher nicht mehr als eine geregelte und zuweilen sogar kodifizierte Abweichung gegenüber dem Gruppenstil.
 
  
'''Verweise:'''<br />
+
'''[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Die_Schamanin_im_Labor#4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen|Vorheriges Kapitel: 4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen]]'''
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[1] Siehe Kapitel 2.3]]<br />
+
=4.4 Weiterführende Untersuchungen=
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.2 Objektivismus|[2] Siehe Kapitel 2.3.1.2]]<br />
+
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
  
  
== 2.3.4 Hexis ==
+
Die bisherigen Untersuchungen haben erstaunliche und zum Teil dramatische Ergebnisse gebracht, die Anlass und Ausgangspunkt für weiterführende Forschungen sein sollten und zum Teil auch bereits sind.
  
[[File:denkenksa-25_1.jpg|380x532px|Foto: Die beiden Köchinnen der Sonop Wine Farm, Paarl, Südafrika 2005, Matthäus Rest]]
 
  
Kinder schenken in allen Gesellschaften den Gesten und Haltungen der Erwachsenen Aufmerksamkeit; ob in Diskursen wie Sprichwörtern, Redewendungen, Liedern, Spielen, in den Objekten wie Werkzeuge, Haus oder Dorf oder in '''Praktiken[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[1]]]''' wie Ehrenduelle, Riten oder Gabentausch, das Material des Lernens bleibt stets das Produkt der Anwendung einer kleinen Anzahl zusammenhängender praktischer Prinzipien. Im Bereich der geschlechtlichen Arbeitsteilung werden die Schemata durch die Asymmetrie der Beziehungen zu Vater und Mutter verinnerlicht. '''Wie das Ethos oder der Geschmack ist auch die Hexis eine einverleibte permanente Disposition: die dauerhafte Art und Weise, sich zu geben, zu sprechen, zu gehen, zu fühlen und zu denken.''' Die gesamte Moral des Ehrverhaltens ist in der Hexis sowohl symbolisiert wie realisiert. So ist der Gang des Ehrenmannes entschieden und resolut, im Gegensatz zum zögerlichen unsicheren Schritt. Der männliche Mann bietet die Stirn und schaut seinem Gegenüber ins Gesicht; wachsam, weil ständig bedroht nimmt er alles in seiner Umgebung wahr, während ein in die Luft schauernder Blick einen unverantwortlichen Mann kennzeichnet (Bourdieu 1979: 189-192).
+
==Inhalt==
 +
<div class="eksa_toc">
 +
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Weiterfuehrende_Untersuchungen#4.4 Weiterführende Untersuchungen|4.4 Weiterführende Untersuchungen]]<br/>
 +
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Weiterfuehrende_Untersuchungen#4.4.1 Immunologische Untersuchung Wien 2005|4.4.1 Immunologische Untersuchung Wien 2005]]<br/>
 +
:[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Weiterfuehrende_Untersuchungen#4.4.2 Weitere Pilotstudien und Überlegungen für weitere Fragestellungen für zukünftige Forschung|4.4.2 Weitere Pilotstudien und Überlegungen für weitere Fragestellungen für zukünftige Forschung]]<br/>
 +
</div>
  
'''Verweise:'''<br />
+
== 4.4.1 Immunologische Untersuchung Wien 2005 ==
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[1] Siehe Kapitel 2.3]]<br />
 
  
 +
Eine immunologische Untersuchung wird zur Zeit von '''Mag. Berthold Schrödl''' durchgeführt. Er ist klinischer Psychologe und schreibt derzeit am Institut für Psychologische Grundlagenforschung eine Dissertation zum Thema Trance und Immunsystem.
  
== 2.3.5 Strategie ==
+
In seiner Arbeit soll im speziellen die menschliche Immunantwort in Abhängigkeit von der schamanischen Trance nach Felicitas Goodman untersucht werden.
  
Um die faktischen Abweichungen zwischen dem tatsächlichen Verhalten der sozialen Akteure und den im Strukturalismus unterstellten Regeln erklären zu können, führte Bourdieu die Erklärungsvariable der kollektiven und gruppenspezifischen Handlungsstrategien ein, die in Form von '''habituellen[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.2 Habitus|[1]]]''' Dispositionen das Verhalten der Akteure steuern. Dadurch versuchen die Akteure unbewusst Ziele zu erreichen, die im strategischen Interesse ihrer jeweiligen Bezugsgruppe liegen. Aus theoretischer Sicht ging es ihm um eine Überwindung der Dichotomie zwischen Strukturalismus und Subjektphilosophie. Der Praxis handelnder Akteure sollte die vom Strukturalismus ausgeblendete aktive, schöpferische Dimension zurückgegeben werden, ohne die generativen Fähigkeiten der Dispositionen, als erworbene, gesellschaftlich konstituierte Habitusformen aufzugeben.
+
Die zentrale, interessierende Variable (in der Sprache der Statistiker: die abhängige Variable) ist hier das '''sekretorische Immunglobulin A''', durch dessen Konzentration man Rückschlüsse auf die Aktivität des Immunsystems ziehen möchte.
  
[[File:denkenksa-26_1.jpg|200x304px|Foto: Ein Schmied bei der Arbeit, Simigaon, Nepal 2004, Matthäus Rest]]
+
'''Eine der zentralen Fragen ist:'''
  
'''Habitus bezeichnet also das System erworbener Schemata von Anschauungs- und Wertungskategorien bzw. von Klassifizierungs- und Organisationsprinzipien des Handelns''', das den sozialen Akteur beim praktischen Handeln nicht in idealistischer Weise völlig frei von gesellschaftlichen Verhältnissen erscheinen lässt. Allerdings scheint zwischen der kreativen, schöpferischen Dimension aller menschlichen '''Praxis[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[2]]]''' und der habitualisierten, sozial gesteuerten Bestimmung allen gesellschaftlichen Handelns eine unaufgelöste Spannung zu bestehen, wie Honneth (1985) argumentiert. Dieser Mangel erscheint mir nur durch eine kommunikationstheoretische Erweiterung des Ansatzes, im Sinne der Habermasschen '''Theorie des kommunikativen Handelns[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas#3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas|[3]]]''' (Habermas1985) behebbar.
+
Lässt sich das Immunsystem durch ein 20 minütiges Tranceritual nach Felicitas Goodman stimulieren? Und wenn ja, wie intensiv sind die Auswirkungen einer solchen Stimulation.
  
Dafür scheint auch die Einführung des Begriffes der Strategie in die Sozialtheorie Bourdieus zu sprechen. Methodisch äußert sich diese Sichtweise im empirischen Nachfragen der Gründe ihrer Praktiken bei den Handlungssubjekten. Dabei ergaben sich erhebliche Unterschiede beispielsweise für das Heiratsverhalten von Berbern in Algerien, die aus der wissenschaftlich objektivistischen Analyse (z.B. der Genealogie) nicht zu gewinnen gewesen wären. Jenes Primat der '''objektivistischen Analyse[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.2 Objektivismus|[4]]]''' gegenüber der Auffassung der Betroffenen erschien Bourdieu zunehmend als Ausdruck einer Berufsideologie. Um diesem Defizit zu begegnen, verwendet er den '''Begriff der Strategie'''. '''Damit verbindet sich die Vorstellung, dass die sozialen Gruppen miteinander um gesellschaftliche Ehre kämpfen''' und die Handlungsstrategien, von denen sich die verschiedenen Sozialgruppen leiten lassen, auf den Erwerb von Prestige und Anerkennung gerichtet sind. In den Kämpfen um Anerkennung liegt eine fundamentale Dimension des sozialen Lebens, bei der es um die Akkumulation von symbolischem, d.h. auf Bekanntheit und Anerkennung begründetem Kapital geht.
+
'''Was ist dieses sekretorische Immunglobulin A und wozu dient es?'''
  
'''Verweise:'''<br />
+
Das menschliche Immunsystem kann zwischen körpereigenen und körperfremden Substanzen unterscheiden. Es kann also körperfremde Erreger, so genannte Antigene erkennen. Um diese Antigene abwehren zu können, stellt der Körper spezifische Antikörper, so genannte Immunglobuline, her. Bei diesen Immunglobulinen handelt es sich um '''Eiweißstrukturen''', die sich in ihrem Aufbau und ihrer Funktion voneinander unterscheiden. Aus diesem Grund werden sie in 5 verschiedene Klassen eingeteilt. Immunglobulin G, A, M, D und Immunglobulin E.
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.2 Habitus|[1] Siehe Kapitel 2.3.2]]<br />
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[2] Siehe Kapitel 2.3]]<br />
 
[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas#3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas|[3] Siehe Kapitel 3]]<br />
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.2 Objektivismus|[4] Siehe Kapitel 2.3.1.2]]<br />
 
  
 +
Bei dieser Untersuchung wird besonderes Augenmerk auf das so genannte sekretorische Immunglobulin A gelegt. Dieses Immunglobulin wird vom Körper relativ schnell gebildet und lässt sich in Körperflüssigkeiten wie dem Speichel relativ leicht nachweisen.
  
== 2.3.6 Doxa ==
+
'''Zum Ablauf des Hauptversuches:'''
  
Die strenge Unterordnung unter kollektive Rhythmen beruht darauf, dass die Zeitformen und räumlichen Strukturen die Gruppe selbst strukturieren. Die Frauen gehen zum Brunnen wenn entweder keine Männer auf der Straße sind oder nehmen einen Weg, auf dem sich keine Männer befinden. Seine Aufgabe als Mann erfüllen, heißt der Sozialordnung und ihren Rhythmen zu folgen. '''In der Konformität und nicht in der Vereinzelung liegt eine fundamentale Tugend.''' Handlungen zur Unzeit sind suspekte Verhaltensweisen (z.B. lange schlafen). &quot;Wer bis in die Mitte des Tages schläft, wird den ''suq'' verpassen.&quot; Sowohl Überstürzung als auch Langsamkeit sind gegen den kollektiven Rhythmus. Übereifer verwandelt die zirkuläre Zeit in eine lineare und die einfache Reproduktion in grenzenlose Akkumulation (Bourdieu 1979: 318- 324).
+
Alle 33 Versuchspersonen gaben vor und nach dem Tranceritual '''Speichelproben''' ab, in welchen in weiterer Folge die Konzentration des sIgAs gemessen wurde. Insgesamt wurde an allen Versuchspersonen zu sechs verschiedenen Zeitpunkten die sIgA Konzentration gemessen.
  
[[File:denkenksa-27_1.jpg|780x248px|Foto: Eine Bäuerin beim Kühetreiben in Zyndranowa, Polen 2006, Matthäus Rest]]
+
Das 20-minütige Tranceritual nach F. Goodman, bei welchem die Haltung mit dem Bärengeist eingenommen wurde, wurde von S. Jarausch angeleitet. Vor und nach dem Tranceritual wurde der IgA Wert von B. Schrödl bestimmt.
  
'''Jede herrschende Ordnung tendiert dazu, ihren spezifischen Willkürcharakter zu neutralisieren. Im Grenzfall erscheint die natürliche und soziale Welt als selbstverständlich'''; objektive Ordnung und subjektive Organisationsprinzipien fallen zusammen (wie bei den archaischen Gesellschaften). Die Willkür wird zugleich verkannt und damit auch anerkannt. '''Diese Erfahrung nennt Bourdieu &quot;Doxa&quot;''' und unterscheidet sie von der entweder orthodoxen oder heterodoxen Überzeugung: diese schließen eine Kenntnis und Anerkennung von unterschiedlichen oder antagonistischen Überzeugungen mit ein. Die Denk- und Wahrnehmungsschemata produzieren Objektivität, indem sie die Grenzen der Erkenntnis, die sie ermöglichen, unkenntlich machen. Über diesen Modus der Doxa realisieren sie das unmittelbare Verwachsensein mit der als natürlich erlebten und wie selbstverständlich vorgegebenen Welt der Überlieferung. Die von der sozialen Ordnung benachteiligten Kategorien, wie Frauen oder Jugendliche, müssen die Legitimität der herrschenden Ordnung anerkennen. Die Interessensgegensätze (etwa zwischen Geschlechtern) können sich nur in Handlungen und Diskursen ausdrücken, die sie im Akt des Auflehnens auch schon wieder annullieren. Die Taxonomien des mythisch- rituellen Systems legitimieren die Einheit in der Trennung, mithin die Hierarchie.
+
Außerdem wurden mittels verschiedener Fragebögen die Bewusstseinslage und andere psychologische Parameter der Versuchsteilnehmer vor und nach dem Tranceritual untersucht.
  
'''Dieses Feld der Doxa, des stillschweigend als selbstverständlich Wahrgenommenen, ist umso größer, je stabiler die objektiven Strukturen einer jeweiligen Gesellschaftsformation sind''' und je vollständiger sie sich in den Dispositionen der Handlungssubjekte reproduzieren. Wenn die objektiven und verinnerlichten Strukturen perfekt übereinstimmen, wird die kosmologische und politische Ordnung nicht als willkürlich wahrgenommen; vielmehr wird sie als fraglos und selbstverständlich vorgegebene, also als evidente und natürliche Ordnung verkannt und erkannt. Die Evidenz der Welt wird durch die Evidenz des institutionalisierten Diskurses über die Welt gleichsam verdoppelt. Zwischen das Kind und die Welt tritt die gesamte Gruppe als Vermittler. Sie vermittelt die Doxa mittels des gesamten Universums der rituellen Praktiken und Diskurse (der Redewendungen und Sprichwörter), die allesamt gemäß den Prinzipien des konformen '''Habitus[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.2 Habitus|[1]]]''' strukturiert sind. Im doxischen Verhältnis zur gesellschaftlichen Welt kommt das Verwachsensein zum Ausdruck - noch bevor die Frage nach der Legitimität auftritt. Denn diese Frage setzt Konkurrenz voraus, mithin den Konflikt zwischen Gruppen.
+
'''Einige Ergebnisse:'''
  
'''Die Doxa bildet jenes Ensemble von Thesen, die stillschweigend und jenseits des Fragens postuliert werden.''' Sie lassen sich nur aus der Retrospektive erkennen, wenn sie bereits fallengelassen wurden. Das Universum der Meinung als Universum konkurrierender Diskurse schafft die komplementäre Klasse zum Selbstverständlichen. Erst die Krise stellt die unmittelbare Anpassung der subjektiven an die objektiven '''Strukturen[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|[2]]]''' zur Diskussion. Die Beherrschten müssen dafür aber über die materiellen und symbolischen Mittel verfügen, um die Definition der sozialen Welt zurückzuweisen (ebd.: 322-330).
+
Es kam in 28 von 33 Fällen zu einer statistisch signifikanten Zunahme der sIgA Konzentration.
  
'''Verweise:'''<br />
+
In einem Fall kam es sogar zu einem Anstieg um 385 % in einem anderen Fall von 300 %.
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.2 Habitus|[1] Siehe Kapitel 2.3.2]]<br />
 
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.3 Struktur|[2] Siehe Kapitel 2.3.3]]<br />
 
  
 +
Die '''durchschnittliche Zunahme liegt bei ca. 100 %'''
  
== 2.3.6.1 Orthodoxie ==
+
Außerdem lässt sich eine ähnlich starke Veränderung des Bewusstseinszustandes herbeiführen wie etwa durch andere Bewusstseinsverändernde Techniken, oder auch durch Halluzinogene LSD etc., von denen nachgewiesen ist, dass sie – abhängig von ihrer Konzentration - '''stark bewusstseinsverändernd''' wirken können.
  
Wenn die willkürlichen Prinzipien der geltenden Klassifikation in Erscheinung treten, wird die bewusste Systematisierung und Rationalisierung erst notwendig. Das kennzeichnet den Übergang von der Doxa zur Orthodoxie. Diese ist ein System von Euphemismen, das die häretischen Äußerungen als Blasphemien zurückweist. Der Bereich des Diskurses ist alles, was diskutiert wird, in Relation zur komplementären Klasse des Unformulierten, Undiskutierten, Ungeprüften. In diesem Sinn ist die Sprache das praktische Bewusstsein. '''Die Grenze zwischen dem Bereich der Doxa und des orthodoxen oder heterodoxen Diskurses ist die Grenze zwischen radikalster Verkennung und Bewusstwerdung.''' Sartre meinte, dass Worte Verheerungen anrichten, wenn sie einmal benennen, was vorher ohne Benennung gelebt worden war. Die Macht der Sprache liegt darin, unformulierte Erfahrungen zu objektivieren, d.h. öffentlich werden zu lassen. Jede Sprache ist eine autorisierte Sprache, ausgestattet mit der Autorität einer Gruppe, die sie hören lässt. Die häretische Macht des Zauberers, des Propheten oder politischen Führers, welcher der Gruppe verkündet, was sie hören will, beruht auf der dialektischen Beziehung zwischen der autorisierenden und autorisierten Sprache und der Gruppe, die sie und darin sich selbst autorisiert (z.B. Xenophobie - Ausländerfeindlichkeit).
+
'''Vermutung:'''
  
 +
Es hat sich also gezeigt, dass sich nach einer 20 minütigen Trance ein um durchschnittlich 100% höherer sIgA Wert nachweisen lässt.
  
== 2.3.7 Beispiel: Sexualität in der Kabylie ==
+
Aus den bisher gewonnenen Daten ließe sich weiters vermuten, dass Personen, auch wenn sie keine, oder nur sehr geringe Vorerfahrung in der besagten Trancetechnik besitzen, einen vergleichbaren Anstieg des sekretorischen Immunglobulins A erfahren, wie Personen, die schon viele Jahre sehr regelmäßig diese Technik anwenden.
  
Bourdieu erkennt den Gegensatz zwischen männlicher zentrifugaler und weiblicher zentripedaler Orientierung auch in der Sexualität reflektiert. Wie in jeder von männlichen Werten beherrschten Gesellschaft (welche die Männer der Politik, der Geschichte und dem Krieg überantwortet und die Frauen dem Herd, dem Roman und der Psychologie), ist auch in der kabylischen Gesellschaft das männliche Verhältnis zur Sexualität durch Sublimation gekennzeichnet. '''Der Mann nimmt den weiblichen Orgasmus beim Geschlechtsakt weder bewusst wahr''', noch kümmert er sich darum '''und sieht in der Wiederholung statt in der Fortsetzung den Beweis männlicher Stärke'''. Sein Streben nach der sexuellen Heldentat und seine Angst vor Impotenz setzen die öffentliche Blamage durch den &quot;Tratsch&quot; der Frauen voraus. '''Gleichwohl ist''' in der Kabylie '''selbst die weibliche Rede von den männlichen Kategorien der Virilität und Heldentat strukturiert'''. Diese zu Körpern gemachten Werte finden sich jenseits der Bewusstseinsprozesse einverleibt.
 
  
Eine ganze Kosmologie, Ethik, Metaphysik und Politik werden durch so bedeutungslos erscheinende Befehle wie &quot;halte dich gerade&quot; oder &quot;halte das Messer nicht in der linken Hand&quot; eingeschärft. Die Institutionen und Gruppen geben den Konzessionen der Höflichkeit solche Bedeutung, weil sie auch politische Konzessionen beinhalten, nämlich den strukturellen Ausschluss der Auflehnung gegen die '''herrschende Ordnung[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2.1 Symbolisches Kapital und Herrschaft|[1]]]'''. Die Institutionen bestehen auf den symbolischen Beiträgen der Unterworfenen (wie Übergangsriten, Höflichkeitszeremonien - z.B. persönliche Einladungsschreiben); es sind Nichtigkeiten, deren Erfüllung nichts kostet und die so natürlich einklagbar scheinen (&quot;das wäre doch das wenigste gewesen&quot;). Ihre Unterlassung kommt einer Weigerung oder Herausforderung gleich (Bourdieu 1979: 195-201). &quot;Die praktische Beherrschung dessen, was Höflichkeitsregel genannt wird, und vor allem die Kunst, jede der verfügbaren Formulierungen (etwa am Ende eines Briefes) den verschiedenen Klassen möglicher Empfänger oder Hörer anzupassen, setzt die implizite Anerkennung und Verkennung einer für die implizite Axiomatik einer bestimmten Ordnung konstitutiven Gesamtheit von Gegensätzen voraus&quot; (ebd.: 201).
+
== 4.4.2 Weitere Pilotstudien und Überlegungen für weitere Fragestellungen für zukünftige Forschung ==
  
'''Verweise:'''<br />
+
…….IN ARBEIT……..
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Zirkulation#2.2.1 Symbolisches Kapital und Herrschaft|[1] Siehe Kapitel 2.2.1]]<br />
 
  
  
  
'''[[STEOP_-_Denkweisen-KSA#Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen (KSA)|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
+
'''[[Einführung_in_die_Religions-_und_Bewusstseinsforschung_-_Rituelle_Körperhaltung_&_ekstatische_Trance_nach_Felicitas_Goodman#Einführung in die Religions- und Bewusstseinsforschung - Rituelle Körperhaltung & ekstatische Trance nach Felicitas Goodman|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#2.3 Praxis|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#4.4 Weiterführende Untersuchungen|&uarr; Nach oben]]<br/>
  
  
'''[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|Vorheriges Kapitel: 2.3 Praxis]]'''
+
'''[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman/Weiterfuehrende_Untersuchungen#4.4 Weiterführende Untersuchungen|Vorheriges Kapitel: 4.4 Weiterführende Untersuchungen]]'''
=3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas=
+
=5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen=
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
+
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
  
  
In seinem Buch &quot;Faktizität und Geltung. Beiträge zu einer Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates&quot; (1992) intendiert Jürgen Habermas die Grundannahmen seiner Theorie des kommunikativen Handelns im Bereich der Rechtsbegründung und -entwicklung einzulösen. Dafür bedarf es eines '''methodenpluralistischen Vorgehens'''. Das bedeutet den Rückgriff auf die '''Perspektiven der Rechtstheorie, der Rechtssoziologie und -geschichte, der Moral- und der Gesellschaftstheorie'''. Darin soll sich auch die laut Habermas oft verkannte pluralistische Anlage der Theorie des kommunikativen Handelns deutlich machen lassen. Die theoretischen Grundannahmen müssen sich danach in den verschiedenen Diskursuniversen innerhalb der vorgefundenen Argumentationskontexte bewähren (ebd.: 9).
+
Die Trance mit den rituellen Körperhaltungen führt uns wieder in eine ursprüngliche Verbundenheit mit uns und der Umwelt jenseits dualistischer Werte-Kategorien von gut und böse und mit einem Handeln, welches von den Prinzipien der Gegenseitigkeit und Angemessenheit bestimmt ist. In der Ekstase finden wir Zugang zu einem spontanen, nicht berechnenden, überpersönlichen Instinkt, der uns leitet und erleben die eigene Individualität in einem verbindenden Wir.
  
[[File:denkenksa-30_1.jpg|780x207px|Foto: Eine junge Frau vor ANC-Graffitis in Mbekweni bei Paarl, Südafrika 2005, Matthäus Rest]]
+
Wenn Religion die Funktion hat, '''sich zurückzubeziehen auf das, was nährt''', so ist es angesagt, auch in unseren Breitengraden wieder das Experiment der unvoreingenommenen Wahrnehmung – das Nehmen und Annehmen von Wahrheit – zu wagen. Eine solche Wahrnehmung, die in einer Körper-Geist-Seelischen Gesamterfahrung liegt, überschreitet die Grenzen der Ich-Identität, ohne diese auszuschalten, und schließt die Umwelt mit ein: die sichtbare, wie die unsichtbare.
  
Das moralisch-praktische Selbstverständnis der Moderne artikuliert sich in den (neuzeitlichen) Kontroversen über die rechtliche Verfassung des politischen Gemeinwesens; es äußert sich ebenso im universalistischen Moralbewusstsein wie in den freiheitlichen Institutionen des demokratischen Rechtsstaates. Mit der Diskurstheorie versucht Habermas, dieses Selbstverständnis so zu rekonstruieren, dass es einen Eigensinn sowohl gegenüber den systemtheoretischen und anderen szientistischen Positionen (z.B. Luhmann 1992) als auch gegenüber der postmodernen Auflösung in &quot;ästhetischen Assimilationen&quot; (z.B. Derrida 1991) behaupten kann. Obwohl die letzten Reste von essentialistischem Vernunftvertrauen an den Schrecken existierender Unvernunft (z.B. Nationalsozialismus) aufgerieben wurden, bleibt das Projekt jeglicher Kritik auf die Vernunft angewiesen. '''Habermas hat eine gegen sich selbst prozessierende Vernunft vor Augen: die Kritik der Vernunft ist deren eigenes Werk''', denn es gibt weder Höheres noch Tieferes, an das wir appellieren könnten (Habermas 1992: 11).
+
Dazu braucht der Organismus eine '''gezielte''' und größere '''Stimulation''', als er meist bekommt. Und diese Stimulation ist wohl nicht die eines oberflächlichen Reiz-Angebots, wie es die Medien bieten, sondern eine Stimulation, die ihm mehr Energie zuführt, bzw. ihn dazu erzieht, mehr Energie auszuhalten.
  
 
==Inhaltsverzeichnis==
 
==Inhaltsverzeichnis==
  
 
<div class="eksa_toc">
 
<div class="eksa_toc">
[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas#3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas|3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas]]<br/>
+
[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen#5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen|5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen]]<br/>
:[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Orientierungslosigkeit_und_Demokratie#3.1 Moderne Orientierungslosigkeit und radikale Demokratie|3.1 Moderne Orientierungslosigkeit und radikale Demokratie]]<br/>
+
:[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen/Neue_Spiritualitaet#5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität|5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität]]<br/>
:[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Vernunft#3.2 Praktische und kommunikative Vernunft|3.2 Praktische und kommunikative Vernunft]]<br/>
+
:[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen/Oekologischen_Spiritualitaet#5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität|5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität]]<br/>
:[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Rationalitaet#3.3 Kommunikative Rationalität|3.3 Kommunikative Rationalität]]<br/>
+
:[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen/Weiterfuehrung#5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman|5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman]]<br/>
:[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Faktizitaet#3.4 Faktizität und Geltung|3.4 Faktizität und Geltung]]<br/>
 
 
</div>
 
</div>
  
 
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
 
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
[[Das_Fremde_verstehen#1 Das Fremde verstehen|1 Das Fremde verstehen]]<br/>
+
[[Felicitas_Goodman#1 Felicitas Goodman|1 Felicitas Goodman]]<br/>
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus#2 Die Praxeologie Pierre Bourdieus|2 Die Praxeologie Pierre Bourdieus]]<br/>
+
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit#2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit|2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit]]<br/>
[[Bibliographie#4 Bibliographie|4 Bibliographie]]<br/>
+
[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans#3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans|3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans]]<br/>
 +
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman#4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman|4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman]]<br/>
 +
[[Publikationen#6 Publikationen|6 Publikationen]]<br/>
 +
[[Bibliographie#7 Bibliographie|7 Bibliographie]]<br/>
  
'''[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Orientierungslosigkeit_und_Demokratie#3.1 Moderne Orientierungslosigkeit und radikale Demokratie|Nächstes Kapitel: 3.1 Moderne Orientierungslosigkeit und radikale Demokratie]]'''<br/>
+
'''[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen/Neue_Spiritualitaet#5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität|Nächstes Kapitel: 5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen|&uarr; Nach oben]]<br/>
  
  
'''[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas#3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas|Vorheriges Kapitel: 3 Die Diskurstheorie von Jürgen Habermas]]'''
+
'''[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen#5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen|Vorheriges Kapitel: 5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen]]'''
=3.1 Moderne Orientierungslosigkeit und radikale Demokratie=
+
=5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität=
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
+
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
  
  
Mit seiner Ideologiekritik am bürgerlichen Rechtsstaat hat Marx das Naturrecht so nachhaltig diskreditiert, dass sich die Klammer um Naturrecht und Revolution gelöst hat. Der Nachlass wurde von den Parteien eines internationalisierten Bürgerkrieges aufgeteilt: die Ideologie des Naturrechts für die eine Seite, die Revolution für die andere. Nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus zeigt sich der theoretische Fehler; dieser besteht in der Verwechslung des sozialistischen Projektes mit dem Entwurf und der gewaltsamen Durchsetzung einer Lebensform. &quot;Wenn man jedoch ‚Sozialismus‘ als Inbegriff notwendiger Bedingungen für emanzipierte Lebensformen begreift, über die sich die Beteiligten selbst erst verständigen müssen, erkennt man, dass die demokratische Selbstorganisation einer Rechtsgemeinschaft den normativen Kern auch dieses Projekts bildet&quot; (Habermas 1992: 12).
+
„Ekstase-Entzug“ nannte Felicitas Goodman in einem Vortrag an der Universität Wien 1986 das Grundleiden unserer Gesellschaft. Sie sprach die Überlegung aus, dass dieser Ekstase-Entzug für vieles Leid in unserer modernen Welt verantwortlich ist, von psychosomatischen Erkrankungen bis hin zur Sucht.
  
Die andere (bürgerliche) Partei versagt aber im Moment ihres scheinbaren Triumphes an der sozialstaatlichen und ökologischen Zähmung des Kapitalismus im Kontext der Weltgesellschaft. Daher kann auch sie nicht das ungeteilte Erbe des moralisch- praktischen Selbstverständnisses der Moderne antreten. Es mangelt ihr an Sensibilität für die gefährdete Ressource der in rechtlichen Strukturen aufbewahrten und regenerationsbedürftigen gesellschaftlichen Solidarität. Schlagworte der Orientierungslosigkeit sind: Ökologische Begrenzung des ökonomischen Wachstums, Disparität der Lebensverhältnisse im Norden und im Süden, Umbau staatssozialistischer Systeme, Migrationsströme, ethnische, religiöse und nationale Kriege, atomare Erpressungen und internationale Verteilungskämpfe. '''Vor diesem politischen Hintergrund will die Diskurstheorie nachweisen, dass der Rechtsstaat im Zeichen einer vollständig säkularisierten Politik ohne radikale Demokratie nicht zu haben und nicht zu erhalten ist.''' Jene radikalen Gehalte des demokratischen Rechtsstaates sind nicht in defätistischer Wendung aufzugeben, sondern in einer neuen, den komplexen gesellschaftlichen Verhältnissen entsprechend, zur Durchsetzung zu bringen (ebd.: 13).
+
Den Ekstase-Entzug versteht sie einerseits in Bezug auf die '''körperliche Ebene'''. Unser Nervensystem ist auf die Vielfalt der Bewusstseinszustände angelegt und braucht möglicherweise auch jene dramatischen biologischen Veränderungen, die mit einer religiösen Trance einhergehen.
  
 +
Zum Anderen bedeutet der aus dem konsequenten Verdrängen (religiösen) Fühlens, der Fühlungnahme mit der anderen Wirklichkeit entstehende Ekstase-Entzug auch '''Wirklichkeits-Entzug'''. Die Welt des modernen Städters ist flächig, hat keine Tiefe, meint Felicitas Goodman. Erst mit dem Eintritt in die andere Dimension, die andere Wirklichkeit, in die Ekstase, ergibt sich die Vollendung.
  
 +
Es hat nie eine Stammesgesellschaft, eine Horde gegeben, die nicht eine Religion gehabt hätte. Und mit Religion ist eben dies gemeint: das '''Erleben der anderen Wirklichkeit'''. Die Trance mit den rituellen Körperhaltungen gibt den westlichen Menschen die Möglichkeit, wieder in dieses Erleben einzutreten und den Weg der Schönheit zu gehen – wie die Navahos es ausdrücken – in der Bedeutung einer Sinn spendenden Verbundenheit.
  
'''[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Vernunft#3.2 Praktische und kommunikative Vernunft|Nächstes Kapitel: 3.2 Praktische und kommunikative Vernunft]]'''<br/>
+
''„Und schließlich stellt sich angesichts der gegenwärtigen Suche nach einer überzeugenden Religionskultur die Frage, ob nicht diese uralten religiösen Erlebnismöglichkeiten auf eine neue, ganzheitliche, tiefgründige und ursprüngliche Spiritualität verweisen.“'' (Goodman 1996: 123)
 +
 
 +
 
 +
 
 +
'''[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen/Oekologischen_Spiritualitaet#5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität|Nächstes Kapitel: 5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen/Neue_Spiritualitaet#5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität|Vorheriges Kapitel: 5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität]]'''
 +
=5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
In der religiösen Trance wird die Welt, das Universum als sinnvolles Ganzes erlebt. Der Mensch erkennt sich als Teil dieser '''Ganzheit''' und kann gleichzeitig '''in Dialog''' treten mit den Wesen und Erscheinungsformen. Aus dieser Kommunikation, aus den Erfahrungen, die uns der Wind, die Steine, die Pflanzen, Tiere usw. uns vermitteln, wird man die Alltagswirklichkeit nicht mehr mit einer Einstellung betrachten, die auf bloße Nützlichkeit ausgerichtet ist. Wenn die versachlichte Welt wieder in ihrer Wesenhaftigkeit, in ihrem Geistaspekt erlebt und erkannt wird, ändert sich die Beziehung zu ihr.
 +
 
 +
F. Goodman betont, dass, wenn wir einmal erfahren haben, wie sich ein Baum von innen her anspürt, durch die Augen eines Jaguars geschaut haben, die heilende Weisheit des Bärengeistes erlebt haben oder uns gar in der zeitlosen Kraft des Universums ausgedehnt haben, tritt aus einer '''mitfühlenden Verbundenheit''' heraus respektvolles Staunen und eine '''selbstverantwortliche Haltung der Angemessenheit und Gegenseitigkeit''' an die Stelle von Ausbeutung und Profit.
 +
 
 +
Die vielen als Gegenbewegung zur mechanistischen Ausbeutung der Welt entstandenen '''Umweltschutzbewegungen''', meint F. Goodman, würden um eine spirituelle Dimension bereichert werden. Das Motiv, z. B. bestimmte Arten zu erhalten, welches auch immer es jetzt ist, bekommt aus einer erlebten Seinsverbundenheit eine völlig andere Tiefe.
 +
 
 +
[[File:rebetrance-43_1.jpg|455x341px]]
 +
 
 +
''Foto: Maskentanz in Cuyamungue 1995. Der in einer Vision geschauten Libelle wurde in der Maske Gestalt verliehen, im abschließenden Tanz wurde die Verwandlung erlebt (Foto Cuyamungue Institut © 1995)''
 +
 
 +
 
 +
 
 +
'''[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen/Weiterfuehrung#5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman|Nächstes Kapitel: 5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#3.1 Moderne Orientierungslosigkeit und radikale Demokratie|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität|&uarr; Nach oben]]<br/>
  
  
'''[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Orientierungslosigkeit_und_Demokratie#3.1 Moderne Orientierungslosigkeit und radikale Demokratie|Vorheriges Kapitel: 3.1 Moderne Orientierungslosigkeit und radikale Demokratie]]'''
+
'''[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen/Oekologischen_Spiritualitaet#5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität|Vorheriges Kapitel: 5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität]]'''
=3.2 Praktische und kommunikative Vernunft=
+
=5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman=
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
+
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
  
  
In der modernen Prägung erscheint die '''praktische Vernunft als Ausdruck eines subjektiven Vermögens''' und nimmt damit eine zentrale Stellung in der Subjektphilosophie ein: Praktische Vernunft '''richtet sich auf das individualistische Glück''' und die moralisch vertretbare Autonomie der Einzelnen innerhalb der Rollen einer StaatsbürgerIn, Mitglieds der bürgerlichen Gesellschaft und WeltbürgerIn. In ihre Lebensgeschichte ist das einzelne Subjekt auf ähnliche Weise verstrickt wie die Staaten als Subjekte des Völkerrechts in die Geschichte der Nationen (Habermas 1992: 15).
+
……….IN ARBEIT…..
  
[[File:denkenksa-32_1.jpg|360x240px|Foto: Ein Träger, ein Maultiertreiber und zwei Schulkinder treffen sich am Weg nach Singati, Nepal 2008, Matthäus Rest]]
 
  
Die systemtheoretische Perspektive verzichtet auf jeden Anschluss an normative Gehalte der praktischen Vernunft. Bei Luhmann folgt die Autopoiesis (&quot;Sich-selbst-Herstellung&quot;) selbstbezüglich gesteuerter Systeme aus dieser Eliminierung der praktischen Vernunft. Damit ging der Zusammenhang von Ethik und Politik, von Vernunftrecht und Moraltheorie, von Geschichtsphilosophie und Gesellschaftstheorie verloren. Diesen Zusammenhalt können empiristische Ansätze und historische Rehabilitierungsversuche nicht wiederherstellen. Denn die geschichtlichen Prozesse lassen nur soviel Vernunft erkennen wie zuvor teleologisch vom Standpunkt eines geschichtsphilosophischen Paradigmas hineingelesen wurde. Weder aus der Geschichte noch aus der naturgeschichtlichen Konstitution des Menschen sind normativ gerichtete Imperative für eine vernünftige Lebensführung zu entnehmen. Das erklärt die Attraktivität des Dementis von Vernunft überhaupt in der Form einer fundamentalen Vernunftkritik oder in der Variante des sozialwissenschaftlichen Funktionalismus. '''Deshalb hat Habermas einen anderen Weg eingeschlagen und mit der Theorie des kommunikativen Handelns an die Stelle der praktischen Vernunft die kommunikative gesetzt.''' Zwischen praktischer Vernunft und gesellschaftlicher '''Praxis[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[1]]]''' besteht kein unmittelbarer Zusammenhang. Es gibt nicht ''die'' einzig richtige weil durch die praktische Vernunft normativ verbindliche politische und gesellschaftliche Ordnung. '''Wird die Vernunft''' aber '''konzeptuell in das sprachliche Medium verlegt, wie das die Theorie des kommunikativen Handelns unternimmt, wird sie von der ausschließlichen Bindung ans Moralische entlastet'''. Dieses Vernunftkonzept kann sowohl den deskriptiven Zwecken der Rekonstruktion vorgefundener Kompetenz- und Bewusstseinsstrukturen dienen als auch den Anschluss an funktionale Betrachtungsweisen und empirische Erklärungen finden. Denn es ist das sprachliche Medium, durch das sich Interaktionen vernetzen und Lebensformen strukturieren. Dadurch wird kommunikative Vernunft ermöglicht (ebd.: 15-18).
+
 
 +
'''[[Einführung_in_die_Religions-_und_Bewusstseinsforschung_-_Rituelle_Körperhaltung_&_ekstatische_Trance_nach_Felicitas_Goodman#Einführung in die Religions- und Bewusstseinsforschung - Rituelle Körperhaltung & ekstatische Trance nach Felicitas Goodman|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen/Weiterfuehrung#5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman|Vorheriges Kapitel: 5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman]]'''
 +
=6 Publikationen=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
[[File:rebetrance-45_1.jpg|450x311px]]
 +
 
 +
''Foto: Felicitas Goodman während eines Vortrages (Foto © Focus-Stadtzentrum)''
 +
 
 +
Felicitas Goodman hat zahlreiche Publikationen über die verschiedenen Bereiche ihrer '''Trance-Forschung''', über die '''Rituellen Trancehaltungen''', das '''Religiöse in den Kulturen der Welt''', das Phänomen der '''Besessenheit''' aus ihrer Sicht, ihre persönliche '''Vision des Sterbens''' … herausgegeben. Leider sind viele der deutschsprachigen Bücher nicht mehr im Handel erhältlich, man kann sie mit Glück noch gebraucht erwerben. Die englischsprachigen Publikationen sind, wenn nicht anders angegeben, im Handel oder auch unter<br />
 +
'''http://www.cuyamungueinstitute.com/[http://www.cuyamungueinstitute.com/ &#91;1&#93;]''' zu beziehen.
 +
 
 +
Eine Auflistung der Bücher, die unter '''6.1[[Publikationen/Publikationen_von_Goodman#6.1 Publikationen von Felicitas Goodman|[2]]]''' im Detail beschrieben sind:
 +
 
 +
• Wo die Geister auf den Winden reiten — Trancereisen und ekstatische Erlebnisse
 +
 
 +
• Trance — der uralte Weg zum religiösen Erleben
 +
 
 +
• Die andere Wirklichkeit — über das Religiöse in den Kulturen der Welt
 +
 
 +
''Speaking in Tongues: A Cross-Cultural Study of Glossolalia''
 +
 
 +
''Maya Apocalypse: Seventeen Years with the Women of a Yucatan Village''
 +
 
 +
• Ekstase Besessenheit Dämonen — Die geheimnisvolle Seite der Religion
 +
 
 +
• Anneliese Michel und ihre Dämonen
 +
 
 +
• Trancerituale für Jugendliche
 +
 
 +
''Jewels on the Path: A Spirit Notebook, Vol. I, II''
 +
 
 +
• Die Blaue Brücke
 +
 
 +
• Meine letzten 40 Tage — Eine indianische Vision über das Sterben und den Tod
 +
 
 +
• Artikel und Vorträge
 +
 
 +
'''Publikationen mit und über F. Goodman''' geben ein Bild von ihrem Leben und ihrer Tranceforschung. Sie werden unter 6.2 näher beschrieben.
 +
 
 +
• ''Buffalo Seed Women''
 +
 
 +
• Ekstatische Körperhaltungen — Ein natürlicher Wegweiser zur erweiterten Wirklichkeit
 +
 
 +
• Ekstatische Trance, Das Arbeitsbuch
 +
 
 +
• Film: Felicitas Goodman — Rituelle Körperhaltungen und ekstatische Trance
 +
 
 +
• Interviews im ORF und SWD-Rundfunk
  
 
'''Verweise:'''<br />
 
'''Verweise:'''<br />
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3 Praxis|[1] Siehe Kapitel 2.3]]<br />
+
[http://www.cuyamungueinstitute.com/ &#91;1&#93; http://www.cuyamungueinstitute.com/]<br />
 +
[[Publikationen/Publikationen_von_Goodman#6.1 Publikationen von Felicitas Goodman|[2] Siehe Kapitel 6.1]]<br />
 +
 
 +
==Inhaltsverzeichnis==
  
 +
<div class="eksa_toc">
 +
[[Publikationen#6 Publikationen|6 Publikationen]]<br/>
 +
:[[Publikationen/Publikationen_von_Goodman#6.1 Publikationen von Felicitas Goodman|6.1 Publikationen von Felicitas Goodman]]<br/>
 +
:[[Publikationen/Publikationen_mit_und_ueber_Goodman#6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman|6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman]]<br/>
 +
</div>
  
 +
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
 +
[[Felicitas_Goodman#1 Felicitas Goodman|1 Felicitas Goodman]]<br/>
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit#2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit|2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit]]<br/>
 +
[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans#3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans|3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans]]<br/>
 +
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman#4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman|4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman]]<br/>
 +
[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen#5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen|5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen]]<br/>
 +
[[Bibliographie#7 Bibliographie|7 Bibliographie]]<br/>
  
'''[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Rationalitaet#3.3 Kommunikative Rationalität|Nächstes Kapitel: 3.3 Kommunikative Rationalität]]'''<br/>
+
 
 +
'''[[Publikationen/Publikationen_von_Goodman#6.1 Publikationen von Felicitas Goodman|Nächstes Kapitel: 6.1 Publikationen von Felicitas Goodman]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#3.2 Praktische und kommunikative Vernunft|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#6 Publikationen|&uarr; Nach oben]]<br/>
  
  
'''[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Vernunft#3.2 Praktische und kommunikative Vernunft|Vorheriges Kapitel: 3.2 Praktische und kommunikative Vernunft]]'''
+
'''[[Publikationen#6 Publikationen|Vorheriges Kapitel: 6 Publikationen]]'''
=3.3 Kommunikative Rationalität=
+
=6.1 Publikationen von Felicitas Goodman=
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
+
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
  
  
'''Die kommunikative Theorie des Handelns beruht auf der Grundannahme, dass diese Rationalität dem sprachlichen''' '''''telos''''' '''eingeschrieben ist.''' Sie bildet ein Ensemble zugleich ermöglichender und beschränkender Bedingungen. &quot;Wer immer sich einer natürlichen Sprache bedient, um sich mit einem Adressaten über etwas in der Welt zu verständigen, sieht sich genötigt, eine performative Einstellung einzunehmen und sich auf bestimmte Präsuppositionen (stillschweigende Voraussetzungen; etwas was dem '''Habitus[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.2 Habitus|[1]]]''' bei Bourdieu in mancher Hinsicht verwandt ist) einzulassen. Er muss unter anderem davon ausgehen, dass die Beteiligten ihre illokutionären Ziele (Anm.: Kommunikative Funktionen des Sprechaktes) ohne Vorbehalte verfolgen, ihr Einverständnis an die intersubjektive Anerkennung von kritisierbaren Geltungsansprüchen binden und die Bereitschaft zeigen, interaktionsfolgenrelevante Verbindlichkeiten, die sich aus einem Konsens ergeben, zu übernehmen. Was derart in die Geltungsbasis der Rede eingelassen ist, teilt sich auch den übers kommunikative Handeln reproduzierten Lebensformen mit. '''Die kommunikative Rationalität äußert sich in einem dezentrierten Zusammenhang transzendental ermöglichender, strukturbildender und imprägnierender Bedingungen, aber sie ist kein subjektives Vermögen, das den Aktoren sagen würde, was sie tun sollen'''&quot; (Habermas 1992: 18).
+
[[File:rebetrance-46_1.jpg|350x425px]]
  
[[File:denkenksa-33_1.jpg|780x160px|Foto: Zwei SennerInnen unterhalten sich in Habkern, Schweiz 2007, Matthäus Rest ]]
+
''Foto: Felicitas Goodman bei einem Vortrag im Focus-Stadtzentrum (Foto © Focus- Stadtzentrum)''
 +
 
 +
Eine Auflistung der Bücher und einiger Artikel in derselben Reihenfolge, wie sie unten im Detail beschrieben sind:
 +
 
 +
Wo die Geister auf den Winden reiten — Trancereisen und ekstatische Erlebnisse
 +
 
 +
Trance — der uralte Weg zum religiösen Erleben
 +
 
 +
Die andere Wirklichkeit — über das Religiöse in den Kulturen der Welt
 +
 
 +
''Speaking in Tongues: A Cross-Cultural Study of Glossolalia''
 +
 
 +
''Maya Apocalypse: Seventeen Years with the Women of a Yucatan Village''
 +
 
 +
Anneliese Michel und ihre Dämonen
 +
 
 +
Ekstase Besessenheit Dämonen — Die geheimnisvolle Seite der Religion
 +
 
 +
Trancerituale für Jugendliche
 +
 
 +
''Jewels on the Path: A Spirit Notebook, Vol. I, II''
 +
 
 +
Die Blaue Brücke
 +
 
 +
Meine letzten 40 Tage — Eine indianische Vision über das Sterben und den Tod
 +
 
 +
Artikel und Vorträge
 +
 
 +
Leider sind viele der deutschsprachigen Bücher nicht mehr im Handel erhältlich, man kann sie mit Glück noch gebraucht erwerben. Die englischsprachigen Publikationen sind, wenn nicht anders angegeben, im Handel oder auch unter '''http://www.cuyamungueinstitute.com/[http://www.cuyamungueinstitute.com/ &#91;1&#93;]''' zu beziehen.
 +
 
 +
'''Wo die Geister auf den Winden reiten — Trancereisen und ekstatische Erlebnisse'''
 +
 
 +
Erstauflage 1989: Freiburg i. Br., Hermann Bauer;
 +
 
 +
2007: Haarlem, Holland. Binkey Kok Publications; ISBN 90-78302-19-4
 +
 
 +
Felicitas Goodman nimmt den Leser mit auf ihren Weg der Wiederentdeckung des religiösen Erlebens, das ihr in der Kindheit so vertraut war und das sie dann später schmerzlich vermisste. Sie beschreibt die wichtigsten Stationen ihrer Tranceforschung bis zur Entdeckung der rituellen Körperhaltungen, durch welche sich schließlich das Tor zur schillernden Welt der anderen Wirklichkeit öffnete. Zu den Themenbereichen der Seelenfahrt und Verwandlung, des Wahrsagens und Heilens, des Feierns, den Bereichen von Tod und Wiedergeburt und zu Haltungen, die in das Erleben von Mythen führen, bringt sie die wichtigsten Beispiele mit ausführlichen Erlebnisberichten, Angaben über den kulturellen Hintergrund und der Beschreibung, wie die Haltungen ihren Erlebnisinhalt nach und nach enthüllten. Es ist ihr erstes, sehr persönlich und spannend geschriebenes Buch über ihren Weg und die rituellen Körperhaltungen.
 +
 
 +
'''Trance — der uralte Weg zum religiösen Erleben'''
 +
 
 +
Erstauflage 1992
 +
 
 +
2003: Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus; ISBN 3-579-00969-9
 +
 
 +
Nicht mehr im Handel erhältlich.
 +
 
 +
Ein kompaktes Handbuch über ekstatische Trance und rituelle Körperhaltungen. Veränderte Bewusstseinszustände, das religiöse Ritual, Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen, psychologische Archäologie, mythologische Bezüge und die wichtigsten Haltungen mit praktischer Kurzbeschreibung für den ‚täglichen Gebrauch’ sind die Inhalte dieses Buches.
 +
 
 +
'''''Ecstacy, Ritual, and Alternate Reality'''''
 +
 
 +
''1988: Bloomington &amp; Indianapolis, Indiana University Press;''
 +
 
 +
ISBN 0-253-31899-8
 +
 
 +
'''Die andere Wirklichkeit - über das Religiöse in den Kulturen der Welt'''
 +
 
 +
1994: München, Trickster; ISBN 3-923804-61-X
 +
 
 +
Die deutsche Ausgabe ist nicht mehr im Handel erhältlich.
 +
 
 +
Felicitas Goodman untersucht die Grundlagen des Religiösen und beschreibt das Ritualverhalten, die religiöse Trance, die andere Wirklichkeit, die Vorstellungen von Glück, die Ethik und Religion im Wandel der Gesellschaftsformenformen von den Jägern bis zu den Städtern mit zahlreichen ethnographischen Fallstudien. Das Buch spannt einen Bogen über das Religiöse in der menschlichen Evolution.
  
 
'''Verweise:'''<br />
 
'''Verweise:'''<br />
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.2 Habitus|[1] Siehe Kapitel 2.3.2]]<br />
+
[http://www.cuyamungueinstitute.com/ &#91;1&#93; http://www.cuyamungueinstitute.com/]<br />
  
  
  
'''[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Faktizitaet#3.4 Faktizität und Geltung|Nächstes Kapitel: 3.4 Faktizität und Geltung]]'''<br/>
+
'''[[Publikationen/Publikationen_mit_und_ueber_Goodman#6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman|Nächstes Kapitel: 6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#3.3 Kommunikative Rationalität|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#6.1 Publikationen von Felicitas Goodman|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Publikationen/Publikationen_von_Goodman#6.1 Publikationen von Felicitas Goodman|Vorheriges Kapitel: 6.1 Publikationen von Felicitas Goodman]]'''
 +
=6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
[[File:rebetrance-47_1.jpg|454x307px]]
 +
 
 +
''Foto: Felicitas Goodman (Foto © Hermine Brzobohaty-Theuer)''
 +
 
 +
Es sind hier einige Publikationen mit und über F. Goodman herausgegriffen, die ein Bild von ihrem Leben und ihrer Arbeit geben. Sie werden unten näher beschrieben.
 +
 
 +
• ''Buffalo Seed Women''
 +
 
 +
• Ekstatische Körperhaltungen — Ein natürlicher Wegweiser zur erweiterten Wirklichkeit
  
 +
• Film: Felicitas Goodman Rituelle Körperhaltungen und ekstatische Trance
  
'''[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Rationalitaet#3.3 Kommunikative Rationalität|Vorheriges Kapitel: 3.3 Kommunikative Rationalität]]'''
+
'''''Buffalo Seed Women'''''
=3.4 Faktizität und Geltung=
 
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
 
  
 +
''Susan Josephson''
  
Die Rationalität veständigungsorientierten Handelns wirkt nicht normativ, liefert keine verbindliche Orientierung des Handelns. '''Im Begriff der kommunikativen Vernunft findet sich bei Habermas keine Anleitung mehr zu einer normativen Theorie des Rechts und der Moral.''' Ihr kommt ein heuristischer Wert für die Rekonstruktion des Geflechts meinungsbildender und entscheidungsvorbereitender Diskurse zu, in das die rechtsförmig ausgeübte demokratische Herrschaft eingebettet ist. Die rechtsstaatlichen Kommunikationsformen der politischen Willensbildung, der Gesetzgebung und der richterlichen Entscheidungspraxis sind somit als ein prozessualer Bestandteil der Rationalisierung der Lebenswelten in modernen, unter dem Druck systemischer Imperative stehenden Gesellschaften zu lesen. In dieser theoretischen Rekonstruktionsweise liegt auch ein kritischer Maßstab, der die Praktiken einer unübersichtlichen Verfassungswirklichkeit beurteilbar machen könnte (Habermas 1992: 19-20).
+
Erhältlich über: '''http://www.cuyamungueinstitute.com/[http://www.cuyamungueinstitute.com/ &#91;1&#93;]'''
  
'''Am Spannungsverhältnis zwischen Faktizität und Geltung spalten sich Politik- und Rechtstheorie''', wobei sich die eine wissenschaftstheoretische Position den normativistischen (dem Sollen vor dem Sein den Vorrang gebenden) Ansätzen verbunden sieht, während die andere Seite den '''objektivistischen Ansätzen[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.2 Objektivismus|[1]]]''' verhaftet ist. '''Dagegen hilft nur ein Offenhalten für alle methodischen Standorte''' (Teilnehmer vs. Beobachter) und '''theoretischen Zielsetzungen''' (sinnverstehende Explikation und begriffliche Analyse vs. Beschreibung und empirische Erklärung), '''verschiedene Rollenperspektiven''' (Richter, Politiker, Gesetzgeber, Klient, Staatbürger) '''und forschungspragmatische Einstellungen''' (Hermeneutiker, Kritiker, Analytiker etc.). Unter funktionalen Gesichtpunkten lässt sich begründen, warum die Gestalt der prinzipiengeleiteten Moral auf das positive Recht angewiesen ist. Dem kann sich der diskurstheoretische Ansatz nicht entziehen. Die Theorie des kommunikativen Handelns ordnet dem Recht einen zentralen Stellenwert zu und bildet daher den geeigneten Kontext für eine Diskurstheorie des Rechts. Habermas entscheidet sich bei diesem Vorgehen für einen rekonstruktiven Ansatz, der die beiden Perspektiven der soziologischen Rechts- und der philosophischen Gerechtigkeitstheorie in sich aufnimmt. Denn die Theorie des kommunikativen Handelns nimmt die Spannung zwischen Faktizität und Geltung schon in ihre Grundbegriffe auf (ebd.: 21-22).
+
''The true story (in graphic novel form, with some of the names changed) about spirit encounters and Native American religion in the Southwest. Buffalo Seed Woman is based on the life of Felicitas D. Goodman, famous for her research on altered states of consciousness and her discoveries of ritual body postures. The book tells the story of Felicitas Goodman’s quest for contact with ancient Pueblo Indian spirits in New Mexico and how that nearly cost her life.''
  
'''Daher bejaht sie den internen Zusammenhalt zwischen Gesellschaft und Vernunft''': die Beschränkungen und Zwänge, unter denen sich die Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens vollzieht, bleiben mit der Idee einer bewussten Lebensführung (wie auch immer) vermittelt. Wie allerdings lässt sich die Reproduktion der Gesellschaft auf so einem fragilen Boden wie dem transzendierender (von einem Bereich in den anderen übergehender) Geltungsansprüche erklären? Das (insbesondere positive) Recht bietet sich dafür an. Dessen Rechtsnormen ermöglichen nämlich hoch artifizielle Gemeinschaften von gleichen und freien Rechtsgenossen; deren Zusammenhalt beruht gleichermaßen auf der Androhung von Sanktionen wie auf der Unterstellung eines rational motivierten Einverständnisses. '''Sprache wird im Begriff des kommunikativen Handelns als ein universales Medium der Verkörperung von Vernunft begriffen.''' Mit ihrem verständigungsorientierten Gebrauch erfüllt sie die (illokutionäre) Funktion der Handlungskoordinierung. Durch diese theoretische Sicht zieht die Spannung zwischen Faktizität und Geltung in den Modus der Handlungskoordinierung ein und stellt somit hohe Anforderungen an die Aufrechterhaltung sozialer Ordnungen: &quot;Lebenswelt, naturwüchsige Institutionen und Recht müssen die Instabilitäten einer Vergesellschaftung auffangen, die sich über die Ja-/Nein- Stellungnahmen zu kritisierbaren Geltungsansprüchen vollzieht&quot; (ebd.: 23).
+
''Susan Josephson is the daughter of Felicitas Goodman, she also has illustrated most of the books of her mother.''
 +
 
 +
'''Ekstatische Körperhaltungen — Ein natürlicher Wegweiser zur erweiterten Wirklichkeit'''.
 +
 
 +
Belinda Gore, Vorw. Felicitas D. Goodman
 +
 
 +
1996: Synthesis, Essen, Synthesis; ISBN 3-922026-83-4
 +
 
 +
Im einführenden Teil gibt Belinda Gore ein detailliertes Bild über den Werdegang von Felicitas Goodman, ihre Forschung und die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen. Eine praktische Anleitung zur Durchführung des Rituals und die ausführliche Beschreibung von 39 rituellen Haltungen betreffend ihren kulturellen und mythologischen Hintergrund, ihre praktische Anwendung und ihre Erlebnisinhalte, bilden den Hauptteil dieses Arbeitsbuches.
 +
 
 +
Belinda Gore, Studium der Psychologie an der Ohio State University, Psychologin in eigener Praxis, Schülerin von Felicitas Goodman seit 1985, zur Zeit Präsidentin des von Felicitas Goodman gegründeten Cuyamungue Institutes in New Mexiko.
 +
 
 +
'''Video-Film: Felicitas Goodman — Rituelle Körperhaltungen und ekstatische Trance'''
 +
 
 +
Ein Film (VHS-Kasette) von Johanna Peltner-Rambeck und Hans Rambeck
 +
 
 +
2001: München, Südwind-Film (auch in Wien unter '''http://www.focus.at/[http://www.focus.at/ &#91;2&#93;]''' zu beziehen).
 +
 
 +
Dieser Dokumentarfilm wurde in Cuyamungue / New Mexico, in Ohio und Wien gedreht, er verdeutlicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Lebenshaltung von Felicitas Goodman.
 +
 
 +
'''Interviews''' im ORF und SWD-Rundfunk ''''''
  
 
'''Verweise:'''<br />
 
'''Verweise:'''<br />
[[Die_Praxeologie_Pierre_Bourdieus/Praxis#2.3.1.2 Objektivismus|[1] Siehe Kapitel 2.3.1.2]]<br />
+
[http://www.cuyamungueinstitute.com/ &#91;1&#93; http://www.cuyamungueinstitute.com/]<br />
 +
[http://www.focus.at/ &#91;2&#93; http://www.focus.at/]<br />
 +
 
 +
 
 +
 
 +
'''[[Einführung_in_die_Religions-_und_Bewusstseinsforschung_-_Rituelle_Körperhaltung_&_ekstatische_Trance_nach_Felicitas_Goodman#Einführung in die Religions- und Bewusstseinsforschung - Rituelle Körperhaltung & ekstatische Trance nach Felicitas Goodman|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Publikationen/Publikationen_mit_und_ueber_Goodman#6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman|Vorheriges Kapitel: 6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman]]'''
 +
=7 Bibliographie=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
'''BILDER''':
 +
 
 +
Hoppál, Mihály. 2002'': Das Buch der Schamanen — Europa und Asien.'' München, Econ Ullstein List.
 +
 
 +
Lommel, Andreas. 1980: ''Schamanen und Medizinmänner.'' München, Callwey.
 +
 
 +
Anton, Ferdinand. 1986: Altindianische Kunst in Mexiko. Leipzig, List.
 +
 
 +
Curtis, Edward S. 1996: ''Hidden Faces''. München, Knesebeck.
 +
 
 +
Badisches Landesmuseum. 2000: ''Im Labyrinth des Minos''. Ausstellungskatalog. München, Biering &amp; Brinkmann.
 +
 
 +
Hultkrantz, Ake. 2002: ''Das Buch der Schamanen — Nord- und Südamerika.'' Luzern, Motovun Book GmbH.
 +
 
 +
Edward P., Dozier. 1970: ''The Pueblo Indians of North America''. USA, Holt, Rinehart and Winston.
 +
 
 +
Erlebnis Trance – Peter Huemer im Gespräch mit Felicitas Goodman. In: ''ORF Nachlese'' 7/1996.
 +
 
 +
Goodman, Felicitas D. 2001: ''Maya Apocalypse: Seventeen Years with the Women of a Yucatan Village.'' Bloomington &amp; Indianapolis, Indiana University Press
 +
 
 +
Cotterell, Arthur (Hg.) 2004: ''Mythologie, Götter, Helden, Mythen.'' Bath, UK, Parragon.
 +
 
 +
Biedermann, Hans. 1987: ''Die großen Mütter.'' Graz – Wien, Böhlau.
 +
 
 +
Mair, L. 1969: ''Witchcraft''. New York, McGraw-Hill.
 +
 
 +
''''''
 +
 
 +
'''TEXTE''':
 +
 
 +
Bourguignon, Erika. Hrsg. 1973: ''Religion, Altered States of Consciousness, and Sozial Change''. Columbus, Ohio State University Press
 +
 
 +
Bourguignon, Erika. 1968: ''A Cross-Cultural Study of Dissociational States: Final Report.'' Columbus, Ohio, Research Foundation.
 +
 
 +
Goodman, Felicitas D. 1996: ''Trance, der uralte Weg zum religiösen Erleben.'' Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus.
 +
 
 +
Goodman, Felicitas D. 1989: ''Wo die Geister auf den Winden reiten.'' Freiburg i. Br., Hermann Bauer.
 +
 
 +
Goodman, Felicitas D. 1994: ''Die andere Wirklichkeit – über das Religiöse in den Kulturen der Welt.'' München, Trickster.
 +
 
 +
Goodman, Felicitas D. 1972: ''Speaking in Tongues: A Cross-Cultural Study of Glossolalia''. Chicago, University of Chicago Press.
 +
 
 +
Goodman, Felicitas D. 1999: ''Die Blaue Brücke – Märchen.'' Kirchgellersen, Edition Nana
 +
 
 +
Guttmann, Giselher. 1990: ''Zur Psychophysiologie der Bewusstseinssteuerung. Meditation-Trance-Hypnose: Wurzeln und biologische Korrelate.'' Wien, Gerold.
 +
 
 +
Guttmann, G., Goodman, F.D., Korunka, C. Bauer, H. &amp; Leodolter, M. 1988: ''DC- Potential Recordings During Altered States of Consciousness''. Institut für Psychologie, Universität Wien, Research Bulletin.
 +
 
 +
Guttmann, Giselher. 1991: ''„Mind Machines''“. Dokumentation zur Informationstagung. Gottlieb Duttweiler Institut.
 +
 
 +
Harner, Michael J. 1973:''The Jivaro: People of the Sacred Waterfalls''. Garden City, NY, Anchor/Doubleday.
 +
 
 +
Schirmbrand, Michaela. 1991: ''Psychologische Untersuchung der Trance nach Felicitas Goodman.'' Wien, Diplomarbeit.
 +
 
 +
'''FILM''':
 +
 
 +
Peltner-Rambeck, J., Rambeck, H. 2001: ''Felicitas Goodman – Rituelle Körperhaltungen und ekstatische Trance.'' München, Südwind-Film
 +
 
 +
'''ARTIKEL UND VORTRÄGE:'''
 +
 
 +
Verein FOCUS Stadtzentrum Wien, Verein zur Förderung ganzheitlicher Persönlichkeitsentwicklung und Bewusstseinskultur, '''www.focus.at
 +
 
 +
==Inhaltsverzeichnis==
  
 +
<div class="eksa_toc">
 +
[[Bibliographie#7 Bibliographie|7 Bibliographie]]<br/>
 +
:[[Bibliographie/Bilder#7.1 Bilder|7.1 Bilder]]<br/>
 +
:[[Bibliographie/Texte#7.2 Texte|7.2 Texte]]<br/>
 +
:[[Bibliographie/Filme#7.3 Filme|7.3 Filme]]<br/>
 +
:[[Bibliographie/Artikel_und_Vortraege#7.4 Artikel und Vorträge|7.4 Artikel und Vorträge]]<br/>
 +
</div>
  
 +
==Weitere Kapitel dieser Lernunterlage==
 +
[[Felicitas_Goodman#1 Felicitas Goodman|1 Felicitas Goodman]]<br/>
 +
[[Rituelle_Körperhaltungen_als_Tore_in_die_andere_Wirklichkeit#2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit|2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit]]<br/>
 +
[[Das_religiöse_Ritual_aus_der_Sicht_Felicitas_Goodmans#3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans|3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans]]<br/>
 +
[[Tranceforschung_durch_Felicitas_Goodman#4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman|4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman]]<br/>
 +
[[Bedeutung_einer_zeitgemaeßen_Trancekultur_fuer_den_modernen_Menschen#5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen|5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen]]<br/>
 +
[[Publikationen#6 Publikationen|6 Publikationen]]<br/>
  
'''[[STEOP_-_Denkweisen-KSA#Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen (KSA)|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
+
'''[[Bibliographie/Bilder#7.1 Bilder|Nächstes Kapitel: 7.1 Bilder]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#3.4 Faktizität und Geltung|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#7 Bibliographie|&uarr; Nach oben]]<br/>
  
  
'''[[Die_Diskurstheorie_von_Juergen_Habermas/Faktizitaet#3.4 Faktizität und Geltung|Vorheriges Kapitel: 3.4 Faktizität und Geltung]]'''
+
'''[[Bibliographie#7 Bibliographie|Vorheriges Kapitel: 7 Bibliographie]]'''
=4 Bibliographie=
+
=7.1 Bilder=
<sup>verfasst von Werner Zips und Matthäus Rest</sup>
+
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
  
  
'''Bourdieu, Pierre'''
+
Hoppál, Mihály. 2002'': Das Buch der Schamanen — Europa und Asien.'' München, Econ Ullstein List.
  
1979. Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der Kabylischen Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
+
Lommel, Andreas. 1980: ''Schamanen und Medizinmänner.'' München, Callwey.
  
1983. Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
+
Anton, Ferdinand. 1986: Altindianische Kunst in Mexiko. Leipzig, List.
  
1987. Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
+
Curtis, Edward S. 1996: ''Hidden Faces''. München, Knesebeck.
  
1992. Homo academicus. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
+
Badisches Landesmuseum. 2000: ''Im Labyrinth des Minos'' . Ausstellungskatalog. München, Biering &amp; Brinkmann.
  
'''Bonny Duala-M’bedy, Leopold-Joseph'''
+
Hultkrantz, Ake. 2002: ''Das Buch der Schamanen — Nord- und Südamerika.'' Luzern, Motovun Book GmbH.
  
1997. Xenologie. Die Wissenschaft vom Fremden und die Verdrängung der Hunamität in der Anthropologie. Freiburg: Alber.
+
Edward P., Dozier. 1970: ''The Pueblo Indians of North America''. USA, Holt, Rinehart and Winston.
  
'''Derrida, Jacques'''
+
Erlebnis Trance – Peter Huemer im Gespräch mit Felicitas Goodman. In: ''ORF Nachlese'' 7/1996.
  
1991. Gesetzeskraft. Der &quot;mystische Grund der Autorität&quot;. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
+
Goodman, Felicitas D. 2001: ''Maya Apocalypse: Seventeen Years with the Women of a Yucatan Village.'' Bloomington &amp; Indianapolis, Indiana University Press
  
'''Habermas, Jürgen'''
+
Cotterell, Arthur (Hg.) 2004: ''Mythologie, Götter, Helden, Mythen.'' Bath, UK, Parragon.
  
1985. Theorie des kommunikativen Handelns. Bd. 1 u 2. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
+
Biedermann, Hans. 1987: ''Die großen Mütter.'' Graz – Wien, Böhlau.
  
1992. Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
+
Mair, L. 1969: ''Witchcraft''. New York, McGraw-Hill.
  
'''Honneth, Axel'''
 
  
1985. Kritik der Macht. Reflexionsstufen einer kritischen Gesellschaftstheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
 
  
'''Luhmann, Niklas'''
+
'''[[Bibliographie/Texte#7.2 Texte|Nächstes Kapitel: 7.2 Texte]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#7.1 Bilder|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Bibliographie/Bilder#7.1 Bilder|Vorheriges Kapitel: 7.1 Bilder]]'''
 +
=7.2 Texte=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
Bourguignon, Erika. Hrsg. 1973: ''Religion, Altered States of Consciousness, and Sozial Change''. Columbus, Ohio State University Press
 +
 
 +
Bourguignon, Erika. 1968: ''A Cross-Cultural Study of Dissociational States: Final Report.'' Columbus, Ohio, Research Foundation.
 +
 
 +
Goodman, Felicitas D. 1996: ''Trance, der uralte Weg zum religiösen Erleben.'' Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus.
 +
 
 +
Goodman, Felicitas D. 1989: ''Wo die Geister auf den Winden reiten.'' Freiburg i. Br., Hermann Bauer.
 +
 
 +
Goodman, Felicitas D. 1994: ''Die andere Wirklichkeit – über das Religiöse in den Kulturen der Welt.'' München, Trickster.
 +
 
 +
Goodman, Felicitas D. 1972: ''Speaking in Tongues: A Cross-Cultural Study of Glossolalia''. Chicago, University of Chicago Press.
 +
 
 +
Goodman, Felicitas D. 1999: ''Die Blaue Brücke – Märchen.'' Kirchgellersen, Edition Nana
 +
 
 +
Guttmann, Giselher. 1990: ''Zur Psychophysiologie der Bewusstseinssteuerung. Meditation-Trance-Hypnose: Wurzeln und biologische Korrelate.'' Wien, Gerold.
 +
 
 +
Guttmann, G., Goodman, F.D., Korunka, C. Bauer, H. &amp; Leodolter, M. 1988: ''DC- Potential Recordings During Altered States of Consciousness''. Institut für Psychologie, Universität Wien, Research Bulletin.
 +
 
 +
Guttmann, Giselher. 1991: ''„Mind Machines'' “. Dokumentation zur Informationstagung. Gottlieb Duttweiler Institut.
 +
 
 +
Harner, Michael J. 1973:''The Jivaro: People of the Sacred Waterfalls''. Garden City, NY, Anchor/Doubleday.
 +
 
 +
Schirmbrand, Michaela. 1991: ''Psychologische Untersuchung der Trance nach Felicitas Goodman.'' Wien, Diplomarbeit.
 +
 
 +
 
 +
 
 +
'''[[Bibliographie/Filme#7.3 Filme|Nächstes Kapitel: 7.3 Filme]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#7.2 Texte|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
 +
 
 +
'''[[Bibliographie/Texte#7.2 Texte|Vorheriges Kapitel: 7.2 Texte]]'''
 +
=7.3 Filme=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
 +
 
 +
 
 +
Peltner-Rambeck, J., Rambeck, H. 2001: ''Felicitas Goodman – Rituelle Körperhaltungen und ekstatische Trance.'' München, Südwind-Film
 +
 
 +
 
 +
 
 +
'''[[Bibliographie/Artikel_und_Vortraege#7.4 Artikel und Vorträge|Nächstes Kapitel: 7.4 Artikel und Vorträge]]'''<br/>
 +
----
 +
[[#7.3 Filme|&uarr; Nach oben]]<br/>
 +
 
  
1992. Beobachtungen der Moderne. Opladen: Westdeutscher Verlag
+
'''[[Bibliographie/Filme#7.3 Filme|Vorheriges Kapitel: 7.3 Filme]]'''
 +
=7.4 Artikel und Vorträge=
 +
<sup>verfasst von Susanne Jarausch</sup>
  
'''Schäffter, Ortfried'''
 
  
1991. Modi des Fremderlebens. Deutungsmuster im Umgang mit Fremdheit, 7–28. In: Ortfried Schäffter (Hg.), Das Fremde. Erfahrungsmöglichkeiten zwischen Faszination und Bedrohung. Opladen: Westdeutscher Verlag.
+
Verein FOCUS Stadtzentrum Wien, Verein zur Förderung ganzheitlicher Persönlichkeitsentwicklung und Bewusstseinskultur, '''www.focus.at[http://www.focus.at/ &#91;1&#93; http://www.focus.at/]<br />
  
  
'''[[STEOP_-_Denkweisen-KSA#Grundlagen sozialwissenschaftlicher Denkweisen (KSA)|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
+
'''[[Einführung_in_die_Religions-_und_Bewusstseinsforschung_-_Rituelle_Körperhaltung_&_ekstatische_Trance_nach_Felicitas_Goodman#Einführung in die Religions- und Bewusstseinsforschung - Rituelle Körperhaltung & ekstatische Trance nach Felicitas Goodman|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''<br/>
 
----
 
----
[[#4 Bibliographie|&uarr; Nach oben]]<br/>
+
[[#7.4 Artikel und Vorträge|&uarr; Nach oben]]<br/>

Revision as of 17:58, 24 August 2020

↵ Zurück zur Hauptseite

Contents

Einführung in die Religions- und Bewusstseinsforschung

verfasst von Susanne Jarausch


Kapitelübersicht

1 Felicitas Goodman

1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten

2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit

2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen
2.1.1 Erste Erlebnisberichte in der Haltung von Lascaux
2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen
2.2.1 Der Bärengeist — eine der häufigsten Haltungen
2.2.2 Die Fanny — die älteste Haltung
2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen
2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt
2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte
2.4.1 Eine Begegnung mit dem Bärengeist
2.4.1.1 Lied der Eskimo-Schamanen
2.4.2 Die Antworten des Wahrsagers
2.4.3 Eine Reise in die untere Welt
2.4.4 Das uralte Thema der Verwandlung
2.4.4.1 Durch die Augen des Jaguars
2.4.4.2 Magische Worte
2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen
2.5.1 Ablauf und Durchführung des Rituals
2.5.2 Maskentanz als Anwendung der rituellen Körperhaltungen in einem großen Ritual

3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans

3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual
3.1.1 Das religöse Ritual im Wandel der Gesellschaftsformen
3.1.2 Das Drama der Geburt in rituellen Körperhaltungen
3.2 Die religiöse Trance
3.2.1 Die religiöse Trance in der menschlichen Evolution
3.3 Die andere Wirklichkeit
3.3.1 Die andere Wirklichkeit im Wandel der Kulturen und Zeiten

4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman

4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon
4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance
4.2.1 Feldforschung in Yucatán
4.2.2 Rahmenbedingungen für das Eintreten in der Trance
4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen
4.3.1 Endokrinologische Untersuchungen München 1983
4.3.2 Neurophysiologische Untersuchung Wien 1987
4.4 Weiterführende Untersuchungen
4.4.1 Immunologische Untersuchung Wien 2005
4.4.2 Weitere Pilotstudien und Überlegungen für weitere Fragestellungen für zukünftige Forschung

5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen

5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität
5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität
5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman

6 Publikationen

6.1 Publikationen von Felicitas Goodman
6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman

7 Bibliographie

7.1 Bilder
7.2 Texte
7.3 Filme
7.4 Artikel und Vorträge



↵ Zurück zur Hauptseite


↑ Nach oben


↵ Zurück zur Übersicht

1 Felicitas Goodman

verfasst von Susanne Jarausch


Foto: Felicitas Goodman (Foto © Focus-Stadtzentrum)

Prof. Dr. Felicitas Goodman, 1914 in Budapest geboren, verbrachte ihre Kindheit unter den Wirrnissen des ersten Weltkrieges in Ungarn, Rumänien und Deutschland. Sie studierte in Heidelberg und erwarb 1936 ein Diplom als Lehrerin und Übersetzerin in englischer Sprache. Mit ihrem Mann und den ersten drei von vier Kindern wanderte sie 1947 nach Amerika aus, wo sie als mehrsprachige wissenschaftliche Übersetzerin arbeitete.

1965 begann sie im Alter von 51 Jahren erneut zu studieren – Linguistik und im späteren Verlauf Kulturanthropologie und Religionspsychologie. In Zusammenarbeit mit ihrer Lehrerin Dr. Erika Bourguignon begann ihre Forschungstätigkeit über Trance und das Religiöse in den Kulturen der Welt. 1968 bis zu ihrer Emeritierung 1979 las sie Linguistik, Kulturanthropologie und vergleichende Religionswissenschaften an der Denison University/Ohio.

1979 gründete sie das Cuyamungue Institut in New-Mexico zur Erforschung und Lehre der „rituellen Körperhaltungen und ekstatischen Trance“ und begann ihr Wissen und ihre Methode in Seminaren in den USA und Europa weiterzugeben.Zahlreiche Publikationen zeugen von ihrem Werdegang und ihrer Forschung. Felicitas Goodman verstarb am 30. März 2005 im Alter von 91 Jahren.

Inhaltsverzeichnis

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit
3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans
4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman
5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen
6 Publikationen
7 Bibliographie

Nächstes Kapitel: 1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 1 Felicitas Goodman

1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten

verfasst von Susanne Jarausch


Foto: Felicitas Goodman in ihrem Institut in Cuyamungue mit einer Büffelfigur aus Alabaster (Hermine Brzobohaty-Theuer © 1989)

Die Fähigkeit zur Ekstase, die Felicitas Goodman seit frühen Jahren kannte, war für ihren Lebensweg entscheidend. In ihrer Kindheit – so schreibt Felicitas Goodman in ihrem Buch ´Wo die Geister auf den Winden reiten´ - konnte sie die Welt um sich zum ´ Glühen´ bringen – eine innere Tür öffnete sich und, wenn sie hindurchtrat, empfand sie eine köstliche Wandlung, alles rundum war wie verzaubert. Mit der Pubertät jedoch trat eine plötzliche Wende ein. Der frisch gefallene Schnee, das goldene Sonnenlicht am Morgen, der Geruch der Pferde, alles war das gleiche wie immer und doch – der Zauber war vorbei.

Aus ihrer späteren Sicht der Dinge wusste sie, dass ein Großteil der traditionellen Pubertätsriten dazu dient, die in der Pubertät verlorengehende Fähigkeit zur Verzückung, zur Ekstase neu zu schaffen, zu festigen und in eine erwachsene Form überzuführen. Die Konfirmation in der lutherischen Kirche jedoch, die, wie sie meint, wahrscheinlich eine Nachbildung vorchristlicher Jugendweihen ist, war für sie damals eine bittere Enttäuschung.

Die Sehnsucht nach einer anderen Dimension war für ihr ganzes zukünftiges Leben entscheidend geworden. Erst nach ihrer Auswanderung in die USA begann sich das Tor in eine andere Wirklichkeit durch den Kontakt mit der indianischen Pueblo Kultur wieder zu öffnen. In visionsartigen Träumen wurde sie in diese neue fremdartige Welt eingeladen, was sie als Anstoß nahm, 1963 einen über hundert Hektar großen rauen Landstrich in New Mexiko zu erwerben, auf dem sie später ihr Institut gründete.

Foto: Zwei Skulpturen und das Studentengebäude am Institut (Cuyamungue Institut © 1995)

In ihrer universitären Laufbahn, die sie 1968 einschlug, konnte Felicitas Goodman sich wieder schrittweise dem Phänomen der Ekstase annähern und es gelang ihr, grundlegende Meilensteine in der Tranceforschung[1] zu setzen.

Dass die ekstatische Trance weltweit ein sinngebender, fester Bestandteil religiöser Rituale ist, machte sie 1968 in der Studie unter Erika Bourguignon über das religiöse Erleben in nicht-westlichen Kleingesellschaften deutlich. Ihre darauffolgende Feldforschung über Glossolalie zeigte, dass die religiöse Trance bei allen Menschen mit gleichen Veränderungen der Körperfunktionen verbunden ist.

Mit der Entdeckung und gründlichen Erforschung der rituellen Körperhaltungen machte sie Ekstase auch außerhalb eines festliegenden religiösen Systems zugänglich. Die dabei auftretenden charakteristischen Veränderungen der Körperfunktionen, welche die Grundlage für das religiöse Erleben bilden, hat sie in Laborstudien näher bestimmt. Die Fähigkeit in Trance zu gehen erkannte sie als eine in allen Menschen angelegte neurobiologische Erbanlage, die, sofern sie ungenützt bleibt, zu Ekstasedeprivation auf körperlicher und seelisch-geistiger Ebene führt.

1979, nach ihrer Pensionierung und nach der Entdeckung der rituellen Trancehaltungen, gründete sie an ihrem Platz in New Mexiko das Cuyamungue Institut[2], benannt nach einer früher in dieser Gegend bedeutenden indianischen Siedlung. Das Institut diente der Erforschung und Weitergabe der von ihr entwickelten Trancetechnik. Im intensiven Austausch mit der indianischen Bevölkerung und durch den direkten Kontakt mit den Geistwesen der anderen Wirklichkeit wurde dieser Platz zu ihrer spirituelle Heimat.

Foto: Felicitas Goodman mit ihrer Trommel vor der Kiva, einem halb unterirdisch angelegten Ritualraum, den sie auf dem Gelände ihres Instituts in New Mexiko errichtet hat (Hermine Brzobohaty-Theuer © 1989)

Als Wissenschaftlerin und Pionierin der Tranceforschung hat Felicitas Goodman wesentlich dazu beigetragen, Trance und Ekstase aus dem zu ihrer Zeit

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 4.1
[2] http://www.cuyamungueinstitute.com/


↵ Zurück zur Übersicht


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 1.1 Pionierin der Tranceforschung und Reisende zwischen den Welten

2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit

verfasst von Susanne Jarausch


„Die in der Kunst versunkener Kulturen bewahrten außerordentlich abwechslungsreichen Körperhaltungen sind in Wirklichkeit in sich geschlossene Rituale und erstehen ohne die Notwendigkeit, die dazugehörige, meist unbekannte Kultur zu übernehmen, unter Hinzufügen einer rhythmischen Anregung zu neuem Leben.“ …schreibt Felicitas Goodman in ihrem Buch „Trance, der uralte Weg zu religiösem Erleben“ über die von ihr 1977 entdeckte Bedeutung überlieferter Körperhaltungen).

Foto: Das „Paar von Cernavoda“ als Beispiel für eine rituelle Körperhaltung vermittelt ein heilendes Erleben. Mann und Frau nehmen dabei unterschiedliche Positionen ein. Die beiden Figuren wurden zusammen in einem Grab im Donaudelta (5000 v.u.Z.) bei der heutigen rumänischen Stadt Cernavoda entdeckt (ORF © Nachlese 7/96: 22)

Felicitas Goodman entdeckte, dass die vielen, teils recht merkwürdigen Körperhaltungen in der Kunst der nichtwestlichen Welt, die seit Tausenden von Jahren quer über alle Kulturen immer wieder auftauchen, ein subtiles Kommunikationssystem beinhalten. Grabbeigaben, Felsritzungen, Statuetten sind eine in Form gebrachte Codierung höchsten Wissens um die andere Wirklichkeit und die Wege dorthin. Wenn wir eine dieser rituellen Körperhaltungen einnehmen und zum gleichförmigen Rhythmus einer Rassel oder Trommel in Trance gehen, entschlüsselt sich der Code und der entsprechende öffnet sich.

Außer einem intensiven körperlichen Wohlbefinden ergeben sich eindrucksvolle Begegnungen mit der anderen Wirklichkeit. Wir erfahren Heilung und Reinigung, erleben Verwandlung, gehen auf Reisen mit unseren Krafttieren, erkunden die Räume von Geburt und Tod und bekommen Antworten in Form von konkreten Informationen und ganzheitlichem Verstehen.

Wir treffen den Bärengeist und erfahren seine heilsame Kraft, fliegen in einer anderen Haltung der Seelenreise als Adler über die weite Landschaft der Unterwelt, verwandeln uns in der Metamorphosehaltung in eine Löwin und jagen über die Steppe, erleben in der Haltung des Weltenbaumes die zeitlose Macht und Größe des Weltenbaums oder hören die Botschaften des Tennessee Wahrsagers, der Antworten auf unsere Fragen gibt. In der Trance finden Erlebnisse und Erkenntnisse auf ganzheitlicher Ebene statt und ein tiefes Gefühl der Verbundenheit, ein gelandet Sein im Zentrum des eigenen Wesens und tiefes Wohlgefühl schwingen nach der ekstatischen Erfahrung weiter.

Inhaltsverzeichnis

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

1 Felicitas Goodman
3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans
4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman
5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen
6 Publikationen
7 Bibliographie

Nächstes Kapitel: 2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit

2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen

verfasst von Susanne Jarausch


Das religiöse Erleben, die direkte Erfahrung einer anderen Wirklichkeit, war Mittelpunkt der Forschungen von Felicitas Goodman.

Als sie schon an der Denison Universität in Ohio unterrichtete, baten ihre Studenten sie darum, ihnen die Trance „beizubringen“. Aus ihren Feldforschungen bei den Pfingstgemeinden in Yucatán waren ihr die Rahmenbedingungen[1] für ein religiöses Ritual bekannt, und sie versuchte diese auf die universitäre Umgebung zu übertragen. Felicitas Goodman wies die Studenten an, sich in einer für sie geeigneten Weise zu bewegen oder zu positionieren und rasselte mit einer einfachen Kürbisrassel, wie sie von Pueblo-Indianern in Neumexiko verwendet wurde, in einem konstanten Rhythmus von 210 bpm eine Viertelstunde lang. Die Studenten erlebten fast alle einen anderen Bewusstseinszustand, die Erfahrungen waren jedoch nicht konstant. Sie hatten zwar visuelle und auditive Wahrnehmungen und stellten körperliche Veränderungen fest, schienen aber ziellos in anderen Bewusstseinsräumen herumzuirren.

Foto: Von Pueblo-Indianern rituell gefertigte Kürbisrasseln aus New Mexico, wie sie Felicitas Goodman verwendete (Susanne Jarausch © 2008)

Vier Jahre lang hat sie mit ihren Studenten experimentiert, um schließlich feststellen zu müssen, dass eine solche Anregung nicht automatisch zu einem religiösen Erleben führt. Das Erleben hat zu sehr gestreut, es fehlte etwas Spezifisches, ein religiöses Ritual aus dem kulturellen Hintergrund, um die Verbindung zur anderen Wirklichkeit herzustellen. „Es handelt sich um einen neurophysiologischen Vorgang, der nur durch die in der betreffenden Kultur enthaltenen Signale einen Inhalt erhält“, fasste sie das Ergebnis zusammen (Goodman 1989: 29).

Der entscheidende Hinweis kam schließlich durch einen Artikel über den Zusammenhang von Körperhaltungen und Meditationserfahrungen, den F. Goodman in die Hand bekam. Die Körperhaltung hatte sie bis jetzt nicht beachtet. Aus dem Wissen, dass es bei nichtwestlichen Kleingesellschaften keine Trennung zwischen Religion, Kunst und Leben gibt, musste das, wonach sie suchte, in dem, was wir heute Kunst nennen, enthalten sein.

Sie schlug das Buch „Die Welt der frühen Jäger“ von Andreas Lommel auf und stieß auf die Darstellung des Schamanen mit dem Bärengeist[2], die vom Ausdruck her auf eine religiöse Szene schließen ließ. Augenblicklich nachdem ihre Studenten diese Haltung eingenommen hatten und zum Rhythmus der Rassel in Trance gingen, hat sich ein fest umschriebenes religiöses Erleben eingestellt. Auch die nächsten Körperhaltungen, wie jene des Nupe mallam, eines afrikanischen Wahrsagers, oder des Mannes von Lascaux, vermittelten ein bestimmtes, vorauszusagendes und von anderen unterscheidbares Erlebnis.

Mit dieser Entdeckung begann 1977 eine neue Phase ihrer Forschung. Heute sind bereits etwa 70 rituelle Trancehaltungen und deren Erlebnisinhalte bekannt.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 4.2.2
[2] Siehe Kapitel 2.2.1

Inhalt

2.1.1 Erste Erlebnisberichte in der Haltung von Lascaux

„Ich wünschte, ich könnte noch einmal das Staunen über die Verzauberung erleben, die mich damals in ihren Bann schlug, als wir anfingen, diese neue Möglichkeit zu erforschen. “ ' (Goodman 1989: 32)

Foto: Die Felsmalerei aus der Höhle von Lascaux aus der Altsteinzeit zeigt einen Mann mit den Kennzeichen eines Schamanen (Schamanenstab, Vogelmaske), der in einem Winkel von 37 Grad zur Horizontalen liegt

Wie sich herausstellte, vermittelt die Haltung in dieser Schräglage das Erleben einer Seelenreise in die obere Welt. Der Winkel von 37 Grad ist auch in anderen Haltungen für ein Reiseerlebnis in obere Gefilde maßgebend.

Die TeilnehmerInnen legten sich mit einer Arm- und Handhaltung wie auf der Darstellung auf extra vorbereitete Holzgerüste im 37 Grad[1] Winkel. Schon bei der ersten Rasseltrance gab die Aneinanderreihung der Einzelberichte im Gesamtbild eine Seelenreise in die obere Welt:

„Die Energie ist in meinem Körper herumgerast, plötzlich hat sie sich auf die Genitalien konzentriert. Schließlich hat sie begonnen, in meinem Körper aufwärts zu strömen.“ – „… wie ein Orgasmus im Kopf, als sollte alles aus mir herausgequetscht werden; ich bin durch meinen Kopf hinausgepresst worden.“ – „Es hat da so etwas wie eine riesige Ausstechform gegeben, die hat angefangen, mich zu vervielfältigen. Dann war da etwas, das wollte aus mir heraus. Alle Haare von meinem Körper sind zu Berge gestanden, als dieses Ding aus mir herausgekommen ist. Ein genauer Abklatsch von mir selbst.“ – „Ich habe einen Pfad gesehen, auf dem bin ich zu einer weißen Wolke gekommen. Dann bin ich in der Wolke drin gewesen, die hat sich geöffnet, und ich bin herausgekommen und im Blau herumgeflogen.“

„Es war nicht von der Hand zu weisen, dass der veränderte Bewusstseinszustand, den die einfache rhythmische Anregung durch die Kürbisrassel hervorgerufen hatte, tatsächlich die religiöse Trance war, denn die Teilnehmer an meinen Versuchen hatten eine Seelenfahrt erlebt, also etwas Religiöses. Außerdem hatten wir gleichzeitig begonnen, ein System von Signalen an das Nervensystem wiederzuentdecken, die Zeichen einer höchst verwickelten Kunst, mit deren Hilfe die an sich formlose Trance in ein religiöses Erlebnis umgeformt werden kann, ein wahrhaft wundersames Geschenk der vielen namenlosen Künstler, die diese besonderen Haltungen gestaltet hatten.“ (Goodman 1989: 36) … der Schritt von den körperlichen Veränderungen zum ekstatischen Erlebnis, vom Diesseitigen, vom Profanen zum Heiligen war gelungen.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.2.2


Nächstes Kapitel: 2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 2.1 Die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen

2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen

verfasst von Susanne Jarausch


  • Abbildung: Vier Darstellungen zeigen die rituelle Körperhaltung „das Rufen der Tiere“: Ein Spindelgewicht, Cowichan (amerikanische NW-Küste) 19. Jh.; eine Felszeichnung aus Kalifornien; eine Tonfigur von Cochiti Pueblo, Neumexiko und eine Felszeichnung aus Korgsta, Schweden. (Goodman 1989: 75)
  • Rebetrance-6 2.jpg

Darüber, wie die Menschen im Lauf der Geschichte auf diese Haltungen kamen, wissen wir nichts. In den Mythologien finden wir dazu keine Angaben, sie erzählen uns jedoch, wie Rituale als Geschenke aus der anderen Wirklichkeit in Visionen geschaut oder in diese Wirklichkeit herübergeträumt wurden. Es liegt nahe, dass die Haltungen als religiöse Rituale ebensolche Geschenke, Offenbarungen aus der anderen Wirklichkeit sind.

Die meisten rituellen Körperhaltungen stammen aus den Kulturen der Jäger und Sammlerinnen und der Gartenbauer (jener Völkerschaften, die neben dem Jagen oder Fischen kleine Stücke Land bearbeiten und nicht wie die Ackerbauer offene Felder besitzen). Es sind Menschen, bei denen es keine Befehlsgewalt und hierarchische Ordnungen gibt, nicht einmal bei den Geistern. Das Verhalten wird vom Prinzip der Gegenseitigkeit bestimmt, die Ethik ist die der angemessenen Handlungsweise. Eine Ich-Identität, wie wir sie kennen, ist noch nicht in diesem Ausmaß ausgebildet, ein verbindendes Wir ist in der Gemeinschaft und auch mit der Umwelt tragend.

Ihre Rituale, so auch die rituellen Körperhaltungen, bilden eine Schutzmauer gegen die Welt der Ackerbauer mit ihrer Gespaltenheit in Gut und Böse und ihrer Angst vor allem Dämonischen. Bei den Ackerbauvölkern sind keine neuen Haltungen mehr aufgetaucht und die althergebrachten sind allmählich verschwunden. Eine Körperhaltung wird nicht mehr als konkrete Brücke zum Erleben der anderen Wirklichkeit gewertet, sondern als Symbol gewisser Glaubensinhalte. In dieser tiefgehenden Verschiebung des Religiösen versinkt das Geheimnis der Haltungen.

Ein und dieselbe Haltung ist oft weltweit in Darstellungen aus unterschiedlichen Zeitepochen zu sehen, von manchen, besonders den ältesten Haltungen, gibt es nur Einzelfunde.

Wie sich der Erlebnisinhalt dieser weltweit sehr häufigen Haltung aus der Jägerkultur, mit der das Wild angelockt wird, enthüllte, beschreibt Felicitas Goodman in ihrem Buch „Wo die Geister auf den Winden reiten“ (2007: 95-104).

Zwei Beispiele in den folgenden Abschnitten zeigen die weite Verbreitung und das Alter der Haltungen.

Inhalt

2.2.1 Der Bärengeist — eine der häufigsten Haltungen

Die Haltung mit dem Bärengeist[1], eine Heilhaltung, ist seit mindestens siebentausend Jahren auf der ganzen Welt sowohl bei den Jägerstämmen wie auch bei den Gartenbauvölkern und den nomadisierenden Hirten Sibiriens bekannt.

Rebetrance-7 1.jpg

Abbildung: Weltkarte aus Goodman 1989: 130,131

Sie ist eine der häufigsten Haltungen, auf den Kykladen allein wurden 34 dieser Haltungen gefunden. Die folgende Abbildung zeigt Darstellungen aus verschiedenen Kulturen:

graphicAbbildung: Darstellungen aus verschiedenen Kulturen (Goodman 1989: 132,133)

Abb. 25: Kreta 5000 bis 4000 v.u.Z.,

Abb. 26: Kalkbehälter aus Gold, Stamm der Quimbaya, Kolumbien präkolumbianisch,

Abb. 27: Insel im Stillen Ozean (sonst keine Angaben),

Abb. 28: Holzfigur, Pangwe (Fang), Gabon und Kamerun, Afrika,

Abb. 29: Steinfigur, Rhea County, Tennessee, 1300 bis 1700 n.u.Z.,

graphicAbb. 30a: Holzfigur von den Gilyaken an der Mündung des Amur, Sibirien, zeitgenössisch,

Abb. 30b: Menhir, Saint-Germain-sur-Rance, Frankreich, 2000 v.u.Z.,

Abb. 30c: Walrosszahn, Eskimo, Banks Island, Northwest Territory, Kanada, 1800 bis 1850 n.u.Z,

Abb. 30d: Sitka Puppe, Holz, amerikanische Nordwestküste,

Abb. 30e: Uschebti, ein dienendes Wesen im Totenreich; blaue Fayance, Ägypten, Spätzeit.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.4.1


2.2.2 Die Fanny — die älteste Haltung

Die älteste rituelle Körperhaltung und zugleich auch älteste als weiblich erkennbare Darstellung, die bislang gefunden wurde, ist die 1988 von der österreichischen Archäologin Dr. Christine Neugebauer-Maresch in Stratzing/Krems-Rehberg entdeckte Venus vom Galgenberg (nach der bekannten Tänzerin auch Fanny genannt) mit 32.000 Jahren. Eine 7,2 cm große Figur aus grünlichem, stark glänzendem Schiefer.

Rebetrance-8 1.jpg

Das Gewicht der Frau ruht auf dem durchgestreckten, linken Standbein, das rechte Bein ist in Kniehöhe leicht abgebogen. Der Oberkörper ist von den Hüften aufwärts leicht nach links gedreht, die linke Brust, der Kopf und der erhobene linke Arm sind in Seitenansicht dargestellt. Der rechte Arm ist seitlich am Körper von diesem getrennt und berührt dann den Oberschenkel. Als Fortsetzung ist neben dem rechten Bein ein länglicher Gegenstand, vielleicht ein Stab, angedeutet.

Der Winkel zwischen dem Kopf und dem hochgestreckten linken Arm misst 37 Grad, ein Winkel, der wie beim Mann von Lascaux[1] ein Indikator für eine Reise in die obere Welt ist. Bei der Fanny geht das Erleben jedoch darüber hinaus, es ist eine komplexe Seelenreise in alle drei Welten .

So wie es die Aufgabe der Schamanen war bzw. ist, erleben sich die Menschen in die Weiten des Kosmos fliegen, berühren die Muster der noch ungeformten Wirklichkeit, bringen die Energien auf die Erde und schaffen hier Gleichgewicht und Harmonie. Sie erleben sich als Weltenbaum, der in die unendlichen Weiten des Kosmos reicht und reisen in die obere und untere Welt.

„ (Ich wurde zu) einer sehr komplexen, multidimensionalen Matrix mitgenommen… einem äußerst komplizierten Muster. Ich fuhr den Linien nach und durch die Zwischenräume hindurch… Plötzlich explodierte ich in einen Lichtsamen… (Wenn ich einen Ton auf dieser anderen Ebene von mir gab), schien es zu einer Verschiebung, Wendung oder Verbindung zwischen Teilen der Matrix beizutragen, die zuvor noch nicht miteinander verbunden waren.“

„Ich versuchte mich zu konzentrieren. Die Versammlung (der Bäume) fand auf einer so tiefen Ebene statt – sie reichte in alle Tiefen und bis in die Sterne hinauf -, und ich begriff, dass die Bäume versuchten, sich nach einem Muster in den Sternen zu richten und dass ich das mit meinem eigenen Körper auch tun konnte – Körper, Bäume, Erde, Sterne, wenn alle in Übereinstimmung miteinander waren, konnte die Energie fließen. „Ist das alles?“ fragte ich. Eine etwas erstaunte, strenge Stimme sagte: „Wieso nicht? Das ist alles – diese Übereinstimmung mit einem großen Muster, damit die Energie durch alles fließen kann – darin liegt die Bedeutung aller Dinge.“ (B. Gore, 1996: 222-223)

„Ich wachse spiralig hinauf, werde sehr groß, es ist hell und klar. Mein Arm reicht wie ein riesiger Ast des Weltenbaums weit ins Universum, in seine Muster hinein. Ich bin in diesen Mustern und gleichzeitig spüre ich Energie durch den Arm herunter fließen. Dann gehen Energiestrahlen aus meinen Fingern nach oben und zeichnen Linien ins Universum. Wie Sternenstaub rieselt die neue Energie in meine erhobene Hand und durch mich hindurch in die Erde. Ich begreife, dass oben gleich unten ist, was oben sich bewegt, ohne dort eine Form anzunehmen, bewegt sich unten, sprießt in den Pflanzen, Tieren, allen Wesen auf der Erde. Es ist ein Tanz von Energie, ich tanze mit, wiege mich. Das Leben ist ein Tanz, die Verbindung von oben und unten. Eine spiralige Bewegung geht hinauf und hinunter und trifft sich mittig. Von dieser Mitte spüre ich eine unermessliche Liebe nach allen Seiten ausgehen, ein Ja zum Sein, klar und nüchtern. In dieser heilsamen und weisen Energie fühle ich mic

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.1.1


Nächstes Kapitel: 2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 2.2 Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen

2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen

verfasst von Susanne Jarausch


Das Geschehen, wenn Menschen in einer rituellen Haltung in Trance gehen, sieht von außen recht unspektakulär aus. Das eigentliche Erleben ist ein inneres.

Die extremen biologischen Veränderungen, die mit der Trance einhergehen, können auf körperlicher Ebene in sich ausbreitender Hitze bis starkem Schwitzen, einem Zucken kleiner Muskeln, ein Vibrieren, das den ganzen Körper erfasst, dem Anspannen von Muskeln, dem Vertiefen der Atmung spürbar sein. Manchmal ist die Erregung so intensiv, dass der Körper wie in eine Form gegossen erstarrt erlebt wird.

Gleichzeitig zu den körperlichen Phänomenen tritt das visionäre Erleben ein. Jede rituelle Körperhaltung öffnet in der Trance einen ihr spezifischen transpersonalen Erlebnisraum[1], wo das Bewusstsein oder die Wahrnehmung über die gewöhnlichen Ich-Grenzen hinaus erweitert ist und die Schranken von Raum und Zeit überschritten werden. Die rhythmische Anregung ist der auslösende Reiz, gleichsam das Fahrzeug hinüber in die Trance, die Haltung öffnet das Tor zu einem bestimmten Erlebnisraum wie z.B. der Verwandlung, des Reisens, des Heilens..., der je nach Fähigkeit, Verfassung, Übung usw. in einem breiteren oder schmäleren Spektrum erlebt wird.

Dieses Erleben wird wiederum von der persönlichen Ebene gefärbt, man kann auch sagen in sie hineinübersetzt. Die Botschaften und Antworten, die man bekommt, die Heilung, die man erfährt, die Fähigkeiten, welche man in der Verwandlung erlernt, stehen in Bezug zum persönlichen Leben.

Rebetrance-9 1.jpg

Foto: Die Schlangenpriesterin von Knossos/Kreta, eine Fayance-Figur aus ca. 1650 v.u.Z. – eine rituelle Haltung die einen weiblichen Kraftaspekt vermittelt (Biedermann 1978)

Am Erleben selbst sind alle Sinne beteiligt. Wir sehen, hören, riechen, schmecken, empfinden in der Trancevision in einer ganzheitlichen Weise, unser ganzer Körper/Geist ist sozusagen als Auge, Ohr… in fühlender Wahrnehmung.

Die Ekstase, in die das visionäre Erleben eingebettet ist, lässt sich kaum in Worte kleiden, geschweige denn in einer wissenschaftlichen Kategorie erfassen. Ekstase als das Erleben der Seele von sich selbst ist ein ganzheitliches Aufgehen im eigenen Sein und dem Sein an sich. Ekstase ist das Heraustreten aus Zeit und Raum zu einem Erleben tiefster Verbundenheit, der Einheit des Ich und der Welt, zeitlos, grenzenlos.

Es braucht einerseits Hingabe, ein willentliches Hineinschmelzen in die Trance, gleichzeitig behält man in dieser Wachtrance die Kontrolle, d.h. die Möglichkeit in der Vision zu entscheiden und zu handeln aber auch jederzeit die Haltung zu lösen und aus der Trance auszusteigen.

Da die Haltungen aus den Kulturen der Jäger und Gartenbauer stammen, betreten auch wir die geistige Welt dieser frühen Gesellschaftsformen[2]. Es gelten die Prinzipien der Angemessenheit und Gegenseitigkeit, wir stehen auf Augenhöhe mit wohlwollenden Geistwesen der anderen Wirklichkeit und erleben ein verbindendes Wir.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.4
[2] Siehe Kapitel 2.2

Inhalt

2.3.1 Phänomenologische Studie: Trancehaltung und Erlebnisinhalt

In einer phänomenologischen Studie untersuchte M. Schirmbrand (1991) die Korrelation zwischen bestimmten Haltungen und den auftretenden Erlebnisinhalten. In vier Versuchsdurchgängen hat sie einen systematischen Vergleich der Reise in die Unterwelt, der Maisgöttin und des tätowierten Jaguars vorgenommen, wobei die Ähnlichkeit der beiden zuletzt genannten Haltungen keine großen Unterschiede im Erleben erwarten ließ.

Rebetrance-10 3.jpg

(Die 3 Bilder nebeneinander in eine Reihe, je 250P)

Abbildung: Reisehaltung, Maisgöttin und tätowierter Jaguar (aus Goodman 1989)

Abb. li.: Südamerikanische Reisehaltung nach M. Harner (1973: 83) – Tonfigur von einer Schülerin von Felicitas Goodman gestaltet.

Abb. mi.: Maisgöttin; Zentralmexiko, aztekisch.

Abb. re.: Tätowierter Jaguar; La Venta, olmekisch.

Die VersuchsteilnehmerInnen wussten nichts von den möglichen Erlebnisinhalten und hatten keinerlei Vorerfahrung. Ihr Erleben, welches sie nach der Trance berichteten, wurde inhaltsanalytisch nach Befinden und Wahrnehmungen visueller, akkustischer und kinästhetischer Art differenziert.

In allen diesen vier Bereichen zeigten sich deutliche und charakteristische Unterschiede, genau jene Unterschiede, die auch aus Feldstudien bekannt sind. (vgl. Guttmann 2001)


Nächstes Kapitel: 2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 2.3 Das Erleben in der Trance mit den rituellen Körperhaltungen

2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte

verfasst von Susanne Jarausch


Die rituellen Körperhaltungen lassen sich nach ihren Erlebnisinhalten[1], den transpersonalen Erlebnisräumen, die sich in der Trance öffnen, thematisch in verschiedene Gruppen zusammenfassen.

Rebetrance-11 1.jpg

Abbildung: Gipfelheiligtum aus Kreta (aus dem Katalog "Im Labyrinth des Minos" 2000: 253)

Zu den wichtigsten Bereichen zählen:

  • Heilen, Reinigung und Kräftigung
  • Wahrsagen
  • Reisen in die obere, untere und über die mittlere Welt
  • Metamorphose
  • Geburt, Tod, Wiedergeburt und Initiation
  • Feiern und Rufen der Geister
  • Erleben von Mythen
  • Weibliche und männliche Kraft
  • Erneuerung

Dieses Gipfelheiligtum aus Kreta, 19. Jh.v.u.Z. ist ein Beispiel für eine weibliche Heilhaltung. Sie wird Haltung der Chiltangeister genannt nach jenen weiblichen Geistwesen, welche von Schamaninnen in den Tälern von Uzbekistan zum Heilen gerufen werden. Beim Ritual sitzen die Schamaninnen mit eben dieser Armhaltung im Schneidersitz (Goodman 1989: 144).

Ist man vertraut mit den Erlebnisinhalten der Haltungen, kann man für ein aktuelles Anliegen das Reiseziel definieren und diejenige Haltung auswählen, die in den passenden Erlebnisraum führt.

Stehen Entscheidungen an, fragt man den Wahrsager um Auskunft, bei Krankheit oder Unausgewogenheit kann man den Bärengeist mit seiner erdigen, großväterlichen Energie oder auch die Chiltangeister, jene 41 weiblichen Geistwesen um Hilfe bitten. Bei einem Todesfall weist der Ritt zum Totenreich dem Verstorbenen den Weg, will ein Kind auf die Welt kommen, bereitet die Geburtshaltung die werdende Mutter vor.

Natürlich können immer auch Haltungen einfach ausprobiert werden — Touristen sind drüben immer willkommen — vorausgesetzt die Reise wird in einer Haltung des Respekts und der Achtung (nach den Prinzipien der Angemessenheit und Gegenseitigkeit[2] unternommen.

Vier Beispiele geben einen Einblick in die unterschiedlichen Erlebnisinhalte des Heilens, des Wahrsagens, der Seelenreise und der Metamorphose.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.3.1
[2] Siehe Kapitel 2.2

Inhalt

2.4.1 Eine Begegnung mit dem Bärengeist

Rebetrance-12 1.jpg

Abbildung: Schamane mit dem Bärengeist, Holzschnitzerei vom Stamm der Kwakiutl, Nordwestamerika, spätes 19. Jahrhundert (aus Lommel 1980: 85)

Von allen rituellen Körperhaltungen ist die Bärenhaltung die bekannteste. Auf den Kykladen allein hat man 34 solcher Figuren gefunden. Darstellungen der Haltung gibt es auf der ganzen Welt (1.2.2.1) von 6000 v.u.Z. bis heute.

Will man diese Haltung einnehmen, stellt man sich mit leicht gebeugten Knien hin oder setzt sich, vorzugsweise in den Kniesitz, die Hände ruhen dabei in lockeren Fäusten am Bauch, wobei die Knöchel der Zeigefinger einander berühren. Der Kopf ist leicht nach hinten geneigt, Mund und Augen sind geschlossen.

Die Haltung mit dem Bärengeist zählt zu den Heilhaltungen', wobei Heilen bedeutet, das Gleichgewicht und die Ganzheit wieder zu gewinnen und zu erhalten. Dabei wird nicht zwischen körperlichen, seelischen, geistigen oder sozialen Problemen unterschieden. '

Die Haltung des Bärengeistes vermittelt die großväterliche, erdige Energie des Bärengeistes, eines mächtigen Heilesr in verschiedenen Traditionen, die von den TeilnehmerInnen auf ganz persönliche Weise als heilsam erfahren wird. Oft erscheint der Bärengeist selbst und überträgt seine Kraft, was von dem Erleben tiefer Geborgenheit und eines genährt Werdens bis zum zerstückelt und wieder neugeboren Werden, ähnlich einer schamanischen Initiation, reicht.

„…Die Rassel war wunderschön, es ist eine Kindheitserinnerung aufgetaucht, wo ich in einem Waschbecken Murmeln herumgerollt habe. Ich habe gesehen, wie sie herumgerollt sind und war traurig, dass das Bild nur sehr kurz war. Ich krabble wie durch einen Tunnel, und alles ist weg, meine Trauer, mein Schmerz. Ich komme zu einer Bärenfamilie, es sind 13 kleine Bären und weit weg ist die Mutterbärin. Ich wollte nicht weg, aber die Rassel hat gesagt: „Rüben raspeln, Rüben raspeln!“ Dann habe ich gesagt: „Ich kann es!“ und bin weg von den Bären und fühle mich sehr stark. …Hinter mir war ein schwarzes Gefühl, und zwei schwere Pranken haben mich umarmt. Ich musste Vögel füttern, dafür bekam ich ein weißes Bärenfell geschenkt. Die 13 Bärchen sind auf mir herumgekrabbelt, und ich habe mich in einen Bären verwandelt.“

Dieser Erlebnisbericht aus einem Seminar mit Felicitas Goodman zeigt, wie sich ein durch eine schlimme Kindheit verursachter Schmerz zu lösen beginnt und Kraft und Stärke erfahren werden. Wie häufig berichtet wird, stellt sich der Bärengeist hinter die Teilnehmerin und umarmt sie. Als Gegenleistung für ihre Gabe an die Vögel bekommt sie die Bärenkraft in Form des weißen Fells geschenkt und verwandelt sich schließlich selbst in einen Bären, der manchmal die Welt völlig anders wahrnimmt, wie folgender Bericht verdeutlicht.

„….Ich habe mich in einen Bären verwandelt und mich völlig anders gefühlt. Meine Nase ist riesig geworden. Ich habe die Welt durch das Riechen wahrgenommen. Ich habe gerochen, wo es etwas zu fressen gibt, ja die Welt war ein Informationsnetz aus Gerüchen. Ich habe verstanden'', wo es lang geht, es war wunderbar, eine ganz andere Welt…“

Diese Teilnehmerin aus einem Seminar von S. Jarausch hat die gewonnene Klarheit für eine anstehende Entscheidung in den Alltag mitnehmen können.

Heilung bringt der Bär auf sanfte, manchmal auch auf heftige Art.

„…Der Bär ist von hinten gekommen und hat seine Arme um mich gelegt, und ich habe mich in mütterlicher Geborgenheit gefühlt. Dann hat er mich mit seinen T


2.4.1.1 Lied der Eskimo-Schamanen

Rebetrance-13 1.jpg

Foto: Maske und Foto von Gabriele Wimmer-Weinzettl © 2002

Den Bären-Traum Tanzen

Wenn ein Mensch krank ist,

Verwandle ich mich in einen Bären -

Den Großen Bären der ersten Schöpfung.

Mein Pelz ist weiß -

Doch nicht, weil ich ein Eisbär wäre,

Ich bin der Bär der Ersten Schöpfung.

Ich lecke sorgsam meine Tatzen,

Umschließe den Menschen mit meinen Armen,

Drücke ihn an mich mit all seinen Schmerzen.

Dann blase ich über seinen Leib

Meinen heilenden Atem

Den Geist-Atem der ersten Schöpfung.

Bärenlied der Eskimo Schamanen Reindeer Chukchee

Waldemar Bogoras The Chukchee.

Dieses Lied war der Teilnehmerin eines Maskentanzes[1] nicht bekannt, als sich in ihrer Vision ein weißer Bär zeigte. Sie war vertraut mit dem Bärengeist, in vielen Trancereisen hatte sie sich mit seiner heilsamen Kraft schon verbunden. Aber diesmal war der Bärengeist von einer ganz anderen Kraft.

„… Ich habe einen weißen Bären gesehen, er war ungewöhnlich, von einer Kraft, die ich nicht beschreiben kann. Ich musste ganz tief atmen, so als wäre die Luft eine Substanz und meine Hände sind heiß geworden. Der Bär war weiß, aber eindeutig kein Eisbär.“

Beim Maskentanz selbst hatte dieser weiße Bär eine besondere Funktion. Er brachte Heilung für die anderen Tierwesen, indem er immer wieder mit seinen Tatzen über sie hinwegstrich und seinen Atem über sie blies.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.5.2


2.4.2 Die Antworten des Wahrsagers

In allen Gesellschaften werden Wahrsagerituale durchgeführt, und meist stellen sie einen wesentlichen Bestandteil der jeweiligen religiösen Systeme dar. Die Jäger haben den Ritus vor allem gebraucht, um mit seiner Hilfe das Jagdwild leichter finden zu können. Als sich dann auch andere Gesellschaftstypen entwickelten, wurde das Wahrsagen den veränderten Umständen angepasst, hat aber immer wichtigen gesellschaftlichen Belangen gedient.

Wahrsagen bedeutet nicht notwendigerweise ein Voraussagen der Zukunft, sondern eher eine Deutung und Auslegung der bestehenden Verhältnisse. Wahrsagerituale dienen dem Ratsuchenden dazu, wahr-zu-sagen, heller und klarer zu sehen, was ist, ihm etwas Wichtiges über sich selbst oder sein gesellschaftliches Umfeld zu enthüllen.

Es gibt unterschiedliche Haltungen des Wahrsagens, in denen man über verschiedene Bereiche des Lebens Auskunft bekommen kann. Die Antworten spiegeln einerseits den Charakter der jeweiligen Wahrsagehaltung wieder und sind gleichzeitig sehr persönlicher Natur. Sie können sich in klaren Bildern und Sätzen, in intuitivem Wissen und Verstehen zeigen.

Rebetrance-14 1.jpg

Foto: Nupe mallam, ein Wahrsager der in Zentralnigeria lebenden Nupe (Mair 1969: 94)

In der Haltung des Nupe mallams, bekommt man Auskünfte, die sich auf das soziale Umfeld beziehen. Wie aus den Erlebnisberichten hervorgeht, erfahren die Menschen zu Beginn der Trance oft eine V-förmige Aufspaltung des Kopfes, eine Verwandlung in einen Wirbelwind oder die Wahrnehmung einer Spirale, ein Zeichen dafür, dass sich die nötige Energie aufbaut, um die Informationen ganzheitlich verarbeiten zu können. „Du sollst nicht schauen, sondern verstehen!“ war die Anweisung des Wahrsagers an eine Teilnehmerin.

Rebetrance-14 2.jpg

Foto: Steinfigur aus Tennessee (Frank H. McClung Museum © University of Tennessee, Knoxville)

Der Wahrsager von Tennessee, eine etwa 800 Jahre alte Sandsteinstatue aus einem Grab im Bezirk Wilson im Staate Tennessee, weist zwei Besonderheiten auf: eine spezielle Kappe und einen schwarzen Strich, der von einem Ohrläppchen über die Nase zum anderen Ohrläppchen gezogen ist. Zusätzlich hält er die Zunge zwischen den Lippen, was an die Reihe von Traditionen aus der amerikanischen NW-Küste und auch aus Asien erinnert, wo man von den Geistern Kraft über die herausgestreckte Zunge erhält. Wenn man beim Einnehmen der Haltung diese Besonderheiten nachmacht, verstärkt sich das Tranceerleben.

Der Wahrsager von Tennessee gibt uns in recht knapper Form Auskunft über persönliche Angelegenheiten, wirklicher Sachverständiger ist er in rituellen Dingen. Wenn ihm Fragen auf diesem Gebiet, wie z.B. Inhalt und Ablauf eines Maskentanzes, vorgelegt werden, fallen die Antworten ausführlich und detailreich aus.

Rebetrance-14 3.jpg

Abbildung: Tonfigur aus Cholula, Mexiko, präkolumbianisch (Goodman 1989: 109)

Die Dame von Cholula wiederum gibt in einer weiblichen, fast mütterlichen Note ausführlich und geduldig Auskunft über persönliche Belange. Von dieser Haltung gibt es zwei kleine Tonstatuetten aus den Jahren um 1350 n.u.Z. aus Cholula, einem der wichtigsten religiösen Zentren Mittelamerikas. Sie tragen spitze Mützen und weite Krägen mit Quasten, sitzen auf einem Schemel und haben die Zunge zwischen den Lippen.

<

2.4.3 Eine Reise in die untere Welt

Die älteste Kosmologie ist die des Weltenbaumes oder einer Weltenachse, über die der religiöse Spezialist in die obere[1] und untere Welt und über die mittlere Welt reisen kann.

Die Unterwelt hat einen reichen Schatz an Erlebnissen zu bieten. Sie ist genauso reich bestückt wie das gesamte Menschenreich. Sie enthält unsere Landschaften und Städte, die Tiere und Pflanzen, unsere Geschichte und Erinnerungen, unsere Mythen und auch unsere Totengeister. Sie hat nichts mit den finsteren Höllenorten zu tun, zu welchen die einstmals fröhliche, bunte und kraftspendende Welt in späteren Kulturen gemacht wurde.

Vielerorts in der Welt, in Sibirien, Australien oder in Südamerika ist die Unterwelt der Ort, wo man das Heilen lernt oder wohin der Schamane hinabsteigt, um eine verlorene Seele wiederzufinden, was ebenfalls eine Heilung darstellt. Bei der Arbeit mit den Haltungen steht dies nicht im Vordergrund, Heilung kann in einer Reihe von verschiedenen Haltungen stattfinden und ist vor allem ein Geschenk des mächtigsten aller Heiler, des Großvater Bär.

Wir reisen in die Unterwelt, um unsere Verwandten, die sogenannten Krafttiere zu treffen, wir begegnen Lehrern, die uns aus ihrem empirischen Wissen heraus lehren, kommen in Kontakt mit Verstorbenen, erfahren das Wissen der Pflanzen und Steine oder genießen es einfach mit dem Adler über die weite Landschaft zu fliegen.

Rebetrance-15 1.jpg

Abbildung: Schamanische Reise: Stich von Johannes Scheffer (aus „Lappland“, 1675) (aus Hoppal 2002: 116)

Die Reisehaltung ist liegend, entweder am Rücken, wie die Darstellung der südamerikanischen Reisehaltung[2] nach M. Harner (1973: 83) zeigt, oder am Bauch, wie aus dem Stich von Johannes Scheffer hervorgeht. Der Sami-Schamane (noaide) liegt auf dem Boden und hat die Trommel auf dem Rücken. (Hoppal 2002: 116)

Auch ohne den Erlebnisinhalt der Haltung zu kennen, erfahren die Teilnehmer, wenn sie einer dieser Haltungen in Trance gehen, eine Bewegung nach unten. Sie reisen durch einen Tunnel, durch einen See, oder das Meer, über einen Fluss hinunter oder schmelzen in die Erde, um in den Bereich der Unterwelt zu gelangen.

Nach der Reise in die untere Welt schwingt öfters eine Wehmut nach, so als wäre man gerade endlich zu Hause gewesen, in einer Heimat der Freude und Kraft, die aus der Sicht der Alltagsrealität wieder hinter einem Schleier verschwindet. „Du kannst ja wieder kommen“ trösten uns die Geistwesen. Bei den Hopis wird erzählt, dass die Menschen aus einer unteren Welt in die jetzige aufgestiegen sind. Die Reise hinunter ist demnach eine Reise zu unserer Quelle, zu unserem Ursprung.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.1.1
[2] Siehe Kapitel 2.3.1


2.4.4 Das uralte Thema der Verwandlung

Spuren weicher Grenzen zwischen Mensch und Tier finden wir überall. Ägyptische, indische und keltische Gottheiten tragen Tierköpfe oder haben sogar Tierkörper. In der ganzen Welt gibt es Mythen darüber, bei den australischen Eingeborenen ebenso wie in den Märchen der Gebrüder Grimm und natürlich auch bei den Indianern.

Eine Sage der Nordamerikanischen Indianer z.B. erzählt von einem Jäger, der einst Gelächter aus einer Höhle hörte. Als er zum Eingang schlich und hineinschaute, sah er Tiere, die sich einen Riesenspaß daraus machten, sich in Menschen zu verwandeln.

Es ist zu erwarten, dass die Menschen ebenfalls die Fähigkeit haben, die Grenzen ihrer Art zu überschreiten. In der Literatur finden wir sogar Berichte über außergewöhnliche Schamanen, die nicht nur im visionären Erleben, sondern tatsächlich ihre Gestalt wechseln können.

Bei den heute noch bestehenden Jägerstämmen gibt es heilige Tänze, in denen Menschen sich in jene Tiere verwandeln, zu denen sie eine besondere Beziehung haben. Die Bewegungen der Tiere werden so lange sachkundig nachgeahmt, bis sich die Tänzer in der religiösen Trance in die dargestellten Wesen verwandeln. Auf dieser alten Felszeichnung aus Südafrika wird dargestellt, wie die Buschmänner die Bewegung der Antilope nachahmen, während die Frauen dazu klatschen. Einer der Männer ist in der Metamorphose begriffen und hat sich bereits bis zur Hälfte in eine Antilope verwandelt.

Rebetrance-16 1.jpg

Abbildung: Felszeichnung eines Buschmanntanzes aus Südafrika (Goodman 1989: 156).

Felicitas Goodman hat diese ursprüngliche Technik der Metamorphose übernommen. Das Krafttier, dem man in einer Seelenreise begegnet oder der Tiergeist, der im Maskentanz zum Leben erwacht, kann in einem solchen Tiertanz zum Rhythmus der Trommel getanzt werden. Gibt man den Bewegungsimpulsen des Körpers Ausdruck, erfährt man in der Metamorphose die speziellen Fähigkeiten und Kräfte des Tiergeistes.

Die Tradition der Tiertänze hat sich in den Gartenbaugesellschaften (jene Völkerschaften, die neben der Jagd auch kleine Stücke Land bearbeiten) fortgesetzt. Reste davon gibt es noch in den Hirsch-, Büffel- und Schmetterlingstänzen der Pueblo- Indianer. Als Ausdruck eines neuen Kulturgedankens, in dem die Metamorphose im Vordergrund steht, finden wir nun eine Vielzahl an rituellen Körperhaltungen, die ebenfalls das Erleben der Verwandlung vermitteln.


2.4.4.1 Durch die Augen des Jaguars

Menschen, die neben der Jagd begannen, kleine Gärten anzulegen, erlebten, wie aus dem Samen die Pflanze wuchs, die wiederum Samen spendete. In jenen Gesellschaften wurde diese Beobachtung zum zentralen Kulturgedanken – dem des Wandels, der Metamorphose. Gleichermaßen erscheinen in der Geschichte eine Vielzahl von rituellen Körperhaltungen, die eigens dazu dienen, das Erleben der Metamorphose, des Übergangs von der menschlichen in eine nicht-menschliche Form zu ermöglichen.

Figuren aus der olmekischen Tradition, in welcher der Jaguar das wichtigste Krafttier war, zeigen meist deutliche Hinweise auf diesen Erlebnisinhalt. Z.B. weist der Kopf die Züge des Jaguars auf, die Hände liegen in Pfotenstellung oder es sind Krallen an den Füßen abgebildet wie bei folgender Darstellung:

Rebetrance-17 1.jpg

Foto: Eine Bildurne aus Ton, 300 bis 600 n.u.Z. (Anton 1986: Fig.137)

Auch die beiden fast gleichen Figuren aus La Venta, eine mit einem Menschen-, die andere mit einem Jaguarkopf dargestellt, scheinen auszudrücken: „Wenn du in dieser Haltung eine Trance erlebst, verwandelst du dich in einen Jaguar und wirst auf diese Weise an seiner Kraft teilhaben.“

Rebetrance-17 2.jpg

Abbildung: „Der tätowierte Jaguar“, La Venta, olmekisch, 800 bis 600 v.u.Z. (Goodman 1989: 162).

Da der Jaguargeist bei uns, anders als im olmekischen Ritual, nicht ohne weiteres präsent ist, verwandeln sich die TeilnehmerInnen eher selten in ihn. Die in der Metamorphose übernommenen Gestalten stammen hingegen aus dem gesamten Spektrum der Erscheinungsformen, angefangen von Vögeln, Säugetieren, Insekten, bis hin zu Wolken, Bergen und Sand.

Das Selbst, die erlebende Persönlichkeit bleibt trotz aller Verwandlungen unverändert. Es ist, wie einen Mantel zu wechseln, das beobachtende Ich bleibt dabei gleich.

Ein weiteres Beispiel einer sehr kräftigen Verwandlungshaltung ist der Olmekische Prinz :

Rebetrance-17 3.jpg

Foto: „Principe de la Cruz del Milagro", Andesit, etwa 1200 bis 800 v.u.Z. (Anton 1986: Fig.36)

Haltungen aus anderen Kulturen, welche die Metamorphose nicht schon im Aussehen andeuten, lassen die Verwandlung genauso erleben, wie jene aus der olmekischen Kultur.


2.4.4.2 Magische Worte

In sehr früher Zeit

Als sowohl die Menschen wie auch die Tiere auf der Erde lebten,

konnte jemand ein Tier werden,

wenn er das wollte,

und ein Tier konnte ein Mensch werden.

Manchmal waren die Wesen Menschen,

dann wieder Tiere.

Es gab keinen Unterschied.

Alle sprachen sie dieselbe Sprache.

Das war die Zeit,

in der Worte wie Zauber waren.

Ein Wort, zufällig gesprochen,

konnte merkwürdige Folgen haben.

Es wurde plötzlich lebendig,

und was die Menschen wünschten,

das geschah –

alles, was man tun musste, war, es zu sagen.

Niemand kann das erklären:

So war es ganz einfach.

(Lied der Eskimo, Hetmann 1995: 196)


Nächstes Kapitel: 2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 2.4 Haltungen und transpersonale Erlebnisinhalte

2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen

verfasst von Susanne Jarausch


Rebetrance-19 1.jpg

Foto: Innenansicht der Kiwa (Cuyamungue-Institut © 1995)

Das Foto zeigt die Innenansicht der Kiwa, des runden, halbunterirdischen Ritualraums, den F. Goodman auf dem Gelände ihres Institutes in Cuyamungue erbaut hat. Man sieht u.a. ihre Rasseln und Trommeln, eine Muschel zum Räuchern von Steppensalbei auf dem Tisch, Masken von KursteilnehmerInnen an der Wand und peruanische Flöten im Regal.

Rituale stehen in Bezug zur Kultur, aus der sie stammen. Da nun der Großteil der rituellen Körperhaltungen aus jenen Kulturen stammen, die neben der Jagd kleine Stücke Land und noch keine großen Felder wie die Ackerbauern bearbeiteten, hat Felicitas Goodman bei der äußeren Gestaltung des Rituals Handlungselemente aus diesen Kulturen, die transkulturell große Ähnlichkeiten besitzen und z.B. bei den Pueblo- Indianern noch lebendig sind, übernommen. Die Rahmenbedingungen für ein religiöses Erleben waren ihr aus ihrer Feldforschung bekannt.

Im einführenden Teil wird der heilige Raum geschaffen, im Hauptteil findet der Übertritt in die Trance statt, im abschließenden Teil wird der Raum wieder verabschiedet.

Eine gute Vorbereitung, zu welcher

- die eigene Verfassung und Einstellung,

- die Gestaltung der Umgebung und Situation und

- die Auswahl und das Einüben der Haltung zählt,

bildet den Boden für die Durchführung des Rituals.

Die Nachbereitung hilft zur Integration des Erlebten.

Inhalt

2.5.1 Ablauf und Durchführung des Rituals

Das Ritual ist so beschrieben, wie Felicitas Goodman es ausführte. Sie begann mit dem Räuchern, der Speisegabe an die Rassel, dem Einladen der Wesen und der Atemübung. In die Stille der Atemübung setzte sie ein Signal mit der Rassel, worauf die TeilnehmerInnen die Haltung einnahmen und Felicitas Goodman 15 min rasselte. Ein paar langsame, kräftige Schläge mit der Rassel markierten das Ende der Trancephase. Während Felicitas Goodman die Geister mit der Mehlstraße verabschiedete, lösten die TeilnehmerInnen die Haltung und ließen sich entspannt nieder. Die Erlebnisse wurden aufgeschrieben, im Kreis mitgeteilt, von Felicitas Goodman zusammengefasst und mit dem transpersonalen Erlebnisinhalt der jeweiligen Haltung in Zusammenhang gebracht - ohne Wertung und Interpretation.

Rebetrance-20 1.jpg

Foto: Das Räuchern mit Salbei zu Beginn eines Rituals (Susanne Jarausch © 2008)

Die Rituelle Reinigung:

Zu Beginn des Rituals zündet die LeiterIn zum Räuchern z.B. getrockneten Salbei (sage / Steppenbeifuß bei den Puebloindianern) an, geht reihum und jede RitualteilnehmerIn streicht sich den Rauch über den Körper. Verschiedene Kräuter entfalten unterschiedliche Wirkungen, wobei Salbei reinigend wirkt.

Das „Wecken“ der Rassel oder Trommel:

Mit einer rituellen Gabe wird die energetische Entsprechung, das Geistwesen des Instrumentes in der anderen Wirklichkeit, gerufen, geehrt – „geweckt“. Puebloindianer verwenden eine Speisegabe aus dem heiligen, rituell verwendeten, blauen Maismehl. Wenn kein Maismehl zur Hand ist, empfiehlt Felicitas Goodman eine Gabe aus traditionellem Mehl wie z.B. Dinkelmehl. Etwas Mehl wird behaucht, um die eigene Geistsubstanz hineinzuhauchen, in die vier Himmelsrichtungen und nach oben und unten gewiesen und mit persönlichen Worten über die Instrumente gestreut. Das Mehl wird nun leicht angeblasen, um es um die Instrumente zu verteilen, wo der Geist der Rassel oder Trommel es „essen“ kann.

Das Einladen der Wesen:

Durch viermaliges Rasseln oder Trommeln in die vier Himmelsrichtungen, zum Himmel und zur Erde werden die Tore zu den Richtungen geöffnet und die Geister eingeladen. Sie sind damit anwesend und werden mit einer Speisegabe aus Mehl begrüßt, das man ebenfalls zuerst anhaucht, in die sechs Richtungen weist und in weitem Bogen in die Luft streut. Die Geister sammeln die Essenz ein, der Rest fällt zu Boden.

Eine Konzentrationsübung:

Eine einfache Atemübung hat die Aufgabe, den Körper auf die nachfolgende Trance einzustellen, sich zu beruhigen und einzustimmen. In bequemer Haltung wird der Atem beobachtet, ohne ihn zu verändern. Dabei werden die Atemzüge gezählt bis etwa 50.

Der Hauptteil mit der Rasseltrance:

Die vorab gewählte und eingeübte Körperhaltung wird eingenommen, die Augen werden geschlossen und die LeiterIn rasselt oder trommelt 15 Minuten lang mit etwa 200 bis 210 Schlägen pro Minute. Wahlweise kann auch eine Rassel- oder Trommel-CD oder –MC verwendet werden. Der gleichförmige Rhythmus der Rassel oder Trommel führt in die Trance, die dabei eingenommene rituelle Körperhaltung öffnet den ihr entsprechenden Erlebnisraum (link zu 1.2.4).

Rebetrance-20 2.jpg

Foto: Ritual in der Haltung der Venus von Willendorf, angeleitet von S. Jarausch

(M. Ploderer © 2008)

Nach Beenden des Rasselns oder Trommelns wird die Haltung gelöst und die TeilnehmerInnen kehren wieder in den gewöhnlichen Bewusstseinszustand zurück.

Der Abschluss:

Um die Tore zwischen den Welten wieder zu schließen, sich bei den Wesen zu bedanken und sie zu verabschieden, wird wiederum eine Speisegabe gegeben. Die LeiterIn haucht ein wenig Mehl an und streut damit einen dünnen Mehlpfad von sich oder der Kreismitte zum nächsten Fen


2.5.2 Maskentanz als Anwendung der rituellen Körperhaltungen in einem großen Ritual

Traditionelle Maskentänze kennen wir von verschiedenen Völkern Afrikas, Asiens, Polynesiens, Amerikas usw. Sie weisen einen seit Generationen überlieferten Ablauf auf und haben für das jeweilige Volk eine tiefe und ganz spezifische Bedeutung. Dabei kann die Maske einfach daraus bestehen, dass das Gesicht bzw. der Körper mit Lehm, Ruß oder Farbe bedeckt wird. Andererseits gibt es z.B. aus Holz geschnitzte Masken, die, ebenso wie die dazugehörigen Kostüme, von ganz einfachen bis komplexen Ausführungen reichen und bei den entsprechenden Tänzen immer wieder zum Leben gerufen werden.

Rebetrance-21 1.jpg

Foto: Ein Beispiel für eine traditionelle Maske: Kaloqutsuis ´gekrümmter Schnabel der oberen Welt´, ein riesiger Vogel – Qagyuhl, 1914 (aus Curtis 1996: 74)

Wir, die aus der westlichen Tradition kommen, bleiben Beobachter, sehen den Maskentanz von außen, sind vielleicht irgendwie von dem Zauber berührt. Das Geheimnis bleibt jedoch verborgen. Es geht um das direkte Erleben, die Verwandlung, das hinüberwechseln Können auf die andere Seite. Nur in diesem Grenzgang erschließt sich der Sinn.

Der Maskentanz nach Felicitas Goodman ist eine Schöpfung des Rituals aus dem direkten Kontakt mit der Anderen Wirklichkeit.

Felicitas Goodman wusste, dass sie ein traditionelles Ritual nicht einfach übernehmen konnte – es hätte für uns keine kulturelle Bedeutung, wäre nicht aus unserer Vision gewachsen. Vor die Aufgabe gestellt, einen Maskentanz zu gestalten, hat sie eine Anleitung geschaffen, bei welcher in der direkten Vision, der Begegnung mit der Anderen Wirklichkeit, der Inhalt des Rituals und die Wesen, die sich in der Maske verkörpern wollen, erfahren werden.

Rebetrance-21 2.jpg

Foto: Beim Maskentanz in Cuyamungue 1995 führt Felicitas Goodman als Büffelfrau mit ihrer Rassel die Tierwesen an (Cuyamungue Institut © 1995)

Werkzeug dafür ist die Rasseltrance mit den Körperhaltungen, die uns in die jeweils wichtigen Erfahrungen (1.2.4) führen.

• Die Reise in die Unterwelt lässt das Geistwesen, welches sich meist in Tiergestalt zeigt, erfahren, worauf der Bau der Maske beginnen kann. Die Maske wird zuerst in Ton geformt, dann mit einigen Schichten Papier und Kleister überzogen. Wenn diese trocken sind, wird diese Papiermachee-Maske bemalt und fertiggestellt.

Verwandlungshaltungen erlauben das Erleben der Qualitäten, Kräfte und Fähigkeiten dieses Geistwesens von innen her.

• Der Wahrsager von Tennessee gibt Auskunft über den Inhalt des Tanzes. Die Erlebnisse, welche die TeilnehmerInnen in dieser Haltung berichten, werden gesammelt und wie ein Puzzle zu einem großen Ganzen zusammen gefügt.

Heilhaltungen begleiten die eigene Transformation.

• Mit der gefiederten Schlange wird das Sterben und Wiederauferstehen – die eigene Neugeburt im Ritual gefeiert.

• In der Haltung des Rufens der Geister werden die Wesen am Vorabend des Tanzes eingeladen.

Der Höhepunkt am Ende der Woche ist der Tanz, das Drama - absolut neu und einzigartig. Aufgeführt ohne Zuschauer, ein einziges Mal, um gleich wieder wie ein Sandbild zu verwehen. Ein Tiertanz, wie wir ihn aus Jägerkulturen kennen, bildet den Abschluss des Rituals.

graphicFoto: Maskentanz 1995 (Cuyamungue Institut © 1995)

Auf transpersonaler Ebene ist es ist ein Tanz, eine Bewegung zwischen den Welten, die, aus schamanischer Sicht, das Muster, nach dem das Netz der Wirklichkeiten gewebt wird, neu ordnet und stärkt.

Auf persönlicher Ebene ist es ein Tanz, der unsere persönlichen Muster neu webt, neue Zugänge entdecken lässt und Mut zur effektiven Neugestaltung macht.

Rebetrance-21 4.jpg

Foto: Felicitas Goodman mit ihrer Büffelmaske beim Maskentanz 1995 in Cuyamungue (Cuyamungue Institut © 1995)

„Die wohl wichtigste Einsicht, die wir aus den Maskent


↵ Zurück zur Übersicht


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 2.5 Die praktische Anwendung der rituellen Körperhaltungen

3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans

verfasst von Susanne Jarausch


Felicitas Goodman beschreibt das religiöse Ritual als eine geschlossene Form von Handlungen, deren ausdrückliche Aufgabe es ist, die Verbindung zur anderen Wirklichkeit herzustellen und auf diese Weise die Ausübenden zu einem religiösen Erlebnis zu führen.

Oder in anderen Worten: „Das Ritual ist die Regenbogenbrücke, über die wir zu den Geistern gelangen können und über die sie in unsere Welt herüberwechseln. Warum sie das möchten, ist nicht ohne weiteres klar. Es liegt wohl daran, dass sie wissen, was wir in der westlichen Welt vergessen haben, nämlich, dass die gewöhnliche und die andere Wirklichkeit zusammengehören, als zwei Hälften eines Ganzen. Nur wenn beide Hälften zusammengefügt sind, ergibt sich die Welt als Ganzheit, eine Welt, in der es sich zu leben lohnt. Das Menschendasein ist leer ohne die Geister, aber auch das Geisterdasein ist unvollständig ohne uns Menschen und unsere Welt. Und obgleich die Geister soviel mächtiger sind als wir Menschen, brauchen sie uns in diesem Sinne eben auch.“ (Goodman 1989: 68)

Es ist das Verdienst der Ethnologin, Religionswissenschaftlerin und Tranceforscherin Felicitas Goodman, das religiöse Ritual von den ersten erkennbaren Manifestationen bis zur heutigen Gesellschaft systematisch erforscht zu haben. Die Grundlagen des Religiösen und deren Wandel in den unterschiedlichen Gesellschaftsformen sind Thema ihres Buches „Die andere Wirklichkeit – über das Religiöse in den Kulturen der Welt“. Auszüge daraus bilden die Basis für dieses Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

1 Felicitas Goodman
2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit
4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman
5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen
6 Publikationen
7 Bibliographie

Nächstes Kapitel: 3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans

3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual

verfasst von Susanne Jarausch


Bei der Dekonstruktion der Rituale und der Reihung ihrer Elemente zu logischen Abfolgen gab sich für Felicitas Goodman… „die gesuchte Tiefenstruktur plötzlich zu erkennen. Es ist gut möglich, dass sie deshalb noch niemandem aufgefallen ist, weil Ritualstrukturen bisher ausschließlich von Männern analysiert worden sind. Was mir als Frau äußerst sinnvoll erschien, sobald ich es einmal erkannt hatte, war die Tatsache, dass es sich bei dem verborgenen Muster um das ergreifende Drama der Geburt handelte. Klar und deutlich stellen die Rituale eine Transformation der Geburtsvorgänge ins Rituelle dar: angefangen bei den Wehen der Mutter über das Ausstoßen der Frucht aus dem Schoß bis hin zum Willkommenheißen des Neugeborenen, zu seiner Versorgung und schließlich dem Anlegen an die Mutterbrust zur ersten Nahrungsaufnahme.

Rebetrance-23 1.jpg

Abbildung: Das menschliche Drama (Originalzeichnung © Reed Campbell)

Wiewohl der Geburtsvorgang den Mittelpunkt des Ereignisses bildet, handelt es sich jedoch nicht um ein ausschließlich weibliches Drama. Denn mit Einsetzen des Geburtsaktes erscheinen die Totengeister, Männer wie Frauen, zur Aufwartung. Und die Männer bringen das Drama zum Abschluss und beginnen gleichzeitig in einer rituellen Andeutung der Zeugung den Kreislauf von neuem. Figur l ist der Versuch, den »Grundriss« des Geschehens wiederzugeben. Sie zeigt die körperlichen Erfahrungen, den physischen Bereich, den ich als Tiefenstruktur begreife und der mir für den Ablauf der Ereignisse bestimmend zu sein scheint.

Das religiöse Ritual stellt meiner Meinung nach die erhabenste Form menschlicher Kommunikation dar, und die Entdeckung der genannten Tiefenstruktur weckt ein Gefühl der Achtung, das über den früheren dürren Analysen völlig verlorengegangen war. Man kann sich das, was Menschen in ihren Ritualen geschaffen haben, als eine Feier des Menschseins vorstellen, ein riesiges Gemälde, das zeigt, was den Menschen zum Menschen macht.

Dies zu erkennen, war deshalb so schwer, weil die Schöpfer des Gemäldes eher surrealistisch gearbeitet haben (wie, sagen wir, Salvador Dali) als realistisch (wie Michelangelo Buonarrotti). Denn obgleich sie das Grundschema nie außer acht lassen, gehen sie doch mit den Einzelheiten in denkbar großzügiger Weise um. In einem australischen Ritual z.B. ist der Mann einmal männlich, dann stellt er ein Mädchen dar; schließlich wird er von einer Jamswurzel vertreten. Oder man geht zu einer Art Kurzschrift über – in der gleichen Weise, wie Abendmahl und Heilsgeschichte in den engen Rahmen einer Messe eingepasst werden, wobei das Festmahl aus einer Oblate und einem Schluck Wein besteht. Um es noch einfacher zu sagen: das Ritual versetzt uns auf eine völlig andere Ebene der Wirklichkeit, in eine ebenso geordnete Welt, wie es unsere Alltagswelt ist, aber die Regeln sind andere, und die Gesetze der Alltagswirklichkeit haben keine Gültigkeit. Der Säugling erscheint plötzlich als Initiand, der Schmerzen – die Wehen – erleiden muss; oder das Kind ist der Patient, der durch eine Wiedergeburt geleitet wird, die ihm Genesung bringt; oder aber das Kind ist der Gast, der willkommen geheißen wird, den man zum Mahl lädt und dem man aufwartet. Der Gast seinerseits kann aus der anderen Wirklichkeit kommen, bereit, das Opfer des ehrfürchtig dargebotenen Mahls entgegenzunehmen. Wie dem auch sei, der Grundplan bleibt der gleiche, und die vielen uns überlieferten Rituale sind voll von großartigen Variationen über das komplexe Grundthema menschlichen Lebens.“ (Goodman 1994: 44-46)

(Hervorhebungen im Text durch die Autorin hinzugefügt)

Inhalt

3.1.1 Das religöse Ritual im Wandel der Gesellschaftsformen

„Rituale wandeln sich mit den Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt. In Sammler- Jäger-Kulturen füllt das Ritual (mit dem Drama der Geburt) die gesamte Fläche des Gemäldes aus. Mit der Hinwendung zum Gartenbau verengt sich notwendigerweise auch das Bild. Anfänglich drückt sich das nur in einer Akzentverschiebung aus, doch rückt bei den Ackerbauern das gemeinsame rituelle Mahl in den Vordergrund, während andere Aspekte zurücktreten. In der Stadtkultur schließlich erleben wir eine Umkehrung des Kommunikationsvorgangs: statt Einverleibung Entäußerung. Die bei städtischen Massen so beliebten Sportveranstaltungen sind eigentlich nichts anderes als enorme exorzistische Spektakel. Das einst im hellsten Licht erstrahlende Gemälde wird im Laufe der Zeit immer dunkler, bis nur noch ein schmaler Lichtstrahl die eine oder andere Einzelheit heraushebt.“ (Goodman 1994: 46)

(Hervorhebungen im Text durch die Autorin hinzugefügt)


3.1.2 Das Drama der Geburt in rituellen Körperhaltungen

Rebetrance-25 1.jpg

Foto: Der Gott Tangaroa, Eisenholzschnitzerei, Rurutu, Austral Islands, 17. Jh. n.u.Z.

(aus Cotterell 2004: 225)

Unter den rituellen Körperhaltungen gibt es solche, die das Geburtserlebnis in allen seinen rituellen Aspekten vermitteln. Sowohl weibliche als auch männliche Figuren in der Geburtshaltung wurden überall auf der Welt gefunden, von etwa 7000 Jahre alten im Negeb im Nahen Osten zu modernen in Zentral- und Westafrika, Neuseeland und überall in Polynesien.

Bei dem Erlebnis handelt es sich nicht darum, sich an die eigene Geburt zurückzuerinnern, sondern um das Erleben, das im weitesten Sinn mit dem Ereignis des Geborenwerdens zusammenhängt. Es kann der Zeugungsakt erlebt werden als Übergang von der Seelenebene zum Körperlichen; die Ankunft der Ahnengeister, die bei der Geburt anwesend sein und sie feiern wollen; der Traum des Ungeborenen von der Welt, in die es bald eintreten wird; die Geburt selbst, wobei das Wasser auftauchen kann und ein Gefühl der Erschöpfung, man sieht vielleicht einen Lichtkreis, eine V- förmige Öffnung oder ein Auge; man fühlt sich gestützt, denn es kommen Besucher, um das Neugeborene zu begrüßen; lila Kreise sind die Brüste, die die Nahrung ankündigen.

Die Statue zeigt den ursprünglichen Schöpfergott Ostpolynesiens, der andere Götter und Menschen zur Welt bringt, die überall auf seinem Körper als kleine Figürchen in verschiedenen rituellen Haltungen eingeschnitzt sind.


Nächstes Kapitel: 3.2 Die religiöse Trance


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 3.1 Das Drama der Geburt als Tiefenstruktur im religiösen Ritual

3.2 Die religiöse Trance

verfasst von Susanne Jarausch


Eine wichtige Begleiterscheinung des rituellen Geschehens ist die religiöse Trance und das damit verbundene ekstatische Erlebnis. In der westlichen Kultur ist im Laufe der historischen Entwicklung das unmittelbare sinnliche religiöse Erleben zu Gunsten des Glaubens, also des theoretischen „Für-wahr-Haltens“, in den Hintergrund gedrängt worden, meint F. Goodman im Vorwort zu ihrem Buch „Trance, der uralte Weg zum religiösen Erleben“.

„In der chrislich-protestantischen Tradition, in der ich erzogen worden bin, ist man der Auffassung, dass man mit den Wesenheiten, die die andere Wirklichkeit bewohnen, nur über das Gebet in Verbindung treten kann. Die Mehrzahl der anderen Traditionen ist jedoch der Ansicht, dass die Rede, als Kommunikationsmittel der gewöhnlichen Wirklichkeit, zu diesem Zweck recht ungeeignet sei. Sie ist wie ein kaum wahrnehmbares Klopfen an der dicken Mauer, die die Menschen vom Reich der Geister trennt. Die Menschen müssen sich mächtig anstrengen, um auf der anderen Seite bemerkt zu werden. Einfach nur andächtig zu sprechen, ein ‚transzendentes’, ‚numinöses’, ‚ozeanisches’ Gefühl heraufzubeschwören, oder wie immer Fachausdrücke es auch beschreiben mögen, ist einfach nicht genug. Wenn jemand aus solchen Traditionen wirklich das dringende Bedürfnis hat, sich durch einen Spalt in der Mauer zu zwängen, muss er eine grundlegende Änderung der Körperfunktionen herbeiführen. Diese Änderungen werden als religiöse Trance bezeichnet. Sie ist eine aus einer ganzen Reihe von veränderten Bewusstseinszuständen, zu denen alle Menschen fähig sind. Sie wird als religiös bezeichnet, weil sie bei religiösen Erlebnissen beobachtet wird, das heißt, in Situationen, in denen man mit der anderen, der heiligen Wirklichkeit in Verbindung tritt .“ (Goodman, 1989: 21) (Hervorhebungen in fett durch die Autorin)

Die Untersuchung, die Felicitas Goodman unter E. Bourguignon durchgeführt hat, zeigte, dass die religiöse Trance im Rahmen eines kulturellen Phänomens ein normales menschliches Verhalten ist.

Gemeinschaften, die Trance praktizieren, entwickeln Rituale, um die Trance herbeizuführen und die Teilnehmer lernen auf die auslösenden Reize zu reagieren. Rasseln, Trommeln, Klatschen, Drehen um die eigene Achse, das Schauen auf ein bewegtes Wasser oder in das Flackern einer Kerze, Weihrauchduft – es gibt kaum einen Sinnesreiz, der nicht zu diesem Zweck eingesetzt werden kann, so dass nicht der Reiz an sich, sondern die Erwartung in Verbindung mit dem rituellen Geschehen zu einer starken Konzentration führt – die Voraussetzung für das Erleben von Trance.

Rebetrance-26 1.jpg

Foto: Trommel und Rassel eines Tänzers der Musquakie, Nordamerika, 19. Jh. (aus Hultkrantz 2002: 72)

Die Trance selbst verläuft auf der physiologischen Ebene bei allen Menschen ziemlich ähnlich – wir haben alle das gleiche Nervensystem – doch treten große Unterschiede im Erleben der Ekstase auf. Das gemeinsame Eingangstor sind die physiologischen Veränderungen (link zu 1.4.3), doch der Weg dahinter führt zu einer jeweils unterschiedlichen anderen Wirklichkeit, die kulturell geformt und geprägt ist. Ein Pygmäe findet sich im Urwald wieder, in der übertragenen Wirklichkeit seine Urwaldheimat, wohingegen ein Sufi-Jünger etwa einen goldenen Vogel am Himmel sieht und die Dämonen in der Erde.

Die religiöse Trance endet auf ein bestimmtes Signal, die Menschen kehren reich beschenkt in ihren gewöhnlichen Bewusstseinszustand zurück mit einem noch weiter anhaltenden intensiven Wohlgefühl bis Euphorie. Wenigen Menschen wird das Glück zuteil, von einem extremen Gipfelerleben durchflutet zu werden, eine im Leben meist einmalige Erfahrung, wonach die Person von Grund auf verändert erscheint.

Inhalt

3.2.1 Die religiöse Trance in der menschlichen Evolution

Rebetrance-27 1.jpg

Foto: „Der Mann mit dem grünen Poncho“ der Jama Coaque-Kultur, 300 bis 800 n.u.Z. zählt zu den rituellen Körperhaltungen, die eine Verwandlung erleben lassen

Ändert sich die Beziehung zur Umwelt, dann ändert sich auch das Ziel der religiösen Trance. Jägerkulturen wenden die Trance zum Heilen und vor allem auch zur Seelenfahrt an. Bei den Gartenbauern, die in ihren Pflanzungen den Kreislauf der Natur beobachteten, entwickelte sich der zentrale Kulturgedanke des Wandels. In der religiösen Trance steht dann auch das Erleben der Verwandlung, der Metamorphose[1] im Vordergrund. Diese Form der Trance ist den Ackerbauern verloren gegangen, und stattdessen wurde das Phänomen der Besessenheit vorherrschend. Hirtennomaden wenden die Trance ihren entwicklungsgeschichtlichen Gegebenheiten entsprechend für Seelenfahrten, Weissagungen oder Besessenheit an.

Mit dem Aufkommen von Ackerbau, Viehzucht und Sesshaftigkeit treten die Aspekte der Verbundenheit mit der Natur und ihren allgegenwärtigen Geistern sukzessive zurück. Die sich ausbildende Ethik polarisiert in Gut und Böse, es entstehen Privateigentum und patriarchale Hierarchien. Das individuelle Ich gewinnt an Stärke, der heilende Wert der Gemeinschaft schwindet. So wie territoriale Grenzen gezogen werden, entsteht die Furcht vor dem Anderen, dem Fremden. Die Qualität des Ritualwesens verschiebt sich zu einer Schutzmauer gegen die Welt des Dämonischen, gespeist aus der Angst vor dem Unbekannten und der Gespaltenheit in Gut und Böse.

Das Erleben in der Trance wandelt sich immer mehr von der vormalig klar bewussten Wachtrance der Jäger- und Sammlerinnenzeit zur Besessenheitstrance, mit schwindender Bewusstheit über das eigentliche Tranceerleben, das bis zur vollkommenen Abwesenheit der Erinnerung gehen kann. Nicht mehr Verwandlung geschieht in der Trance, sondern ein Besitz Ergreifen des Körpers durch ein Wesen aus der anderen Wirklichkeit.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.4.4


Nächstes Kapitel: 3.3 Die andere Wirklichkeit


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 3.2 Die religiöse Trance

3.3 Die andere Wirklichkeit

verfasst von Susanne Jarausch


Rebetrance-28 1.jpg

Foto: Eine etwa 3500 Jahre alte Terracottafigur aus Tlatilco/Mexiko (Anton 1986: Fig.5)

Aus allen Zeiten, von allen Orten gibt es zuverlässige Berichte über menschliche Gemeinschaften, deren Verhalten wir entnehmen können, dass für sie die Existenz einer anderen Wirklichkeit und die Dualität der Wirklichkeit an sich etwas Selbstverständliches war.

Man kann die doppelte Natur der Wirklichkeit am besten verstehen, indem man sich klarzumachen versucht, dass in dieser Weltsicht, beide Aspekte der Wirklichkeit nebeneinander existieren, zur gleichen Zeit und am gleichen Ort vorhanden sind. Es kommt auf den Bewusstseinszustand des Betrachters an, ob die gewöhnliche oder die andere Wirklichkeit wahrgenommen wird. Beim gewöhnlichen Sehen sieht man z.B. einen Baumstumpf im Wald, für den Schauenden, das heißt, den in der religiösen Trance Befindlichen, steht an der Stelle ein Zwerg.

Dass es um das Schauen geht, zeigt uns die kleine, etwa 3500 Jahre alte Terracottafigur aus Tlatilco/Mexiko. Es war wohl “künstlerische Absicht, eine in sich ruhende Persönlichkeit zu zeigen, deren Harmonie darin begründet ist, dass sie in beiden Dimensionen der Wirklichkeit zu Hause ist: Wenn sie sich zur einen Seite dreht, blickt sie in die gewöhnliche Wirklichkeit, wenn sie sich der anderen Seite zuwendet, erscheint ihr die andere, zweite Wirklichkeit. Und das ist es, worum es im menschlichen Leben geht.“ …schreibt Felicitas Goodman in ihrem Buch „Die andere Wirklichkeit“ (1994: 57).

In der Literatur gibt es zahlreiche Beispiele für das ekstatische Schauen. Buddha schaut das frühere Leben, das Sterben und die Wiedergeburt aller Wesen am Weg zu seiner Erleuchtung, Propheten des Alten Testaments kennen dieses Schauen, Jesus erschaute den Teufel nach seinem Fasten in der Wüste, Schamanenlehrlinge lernen diese Schau, sie lernen die Geistwesen zu sehen.

Wie diese andere Wirklichkeit gestaltet ist, welche Geistwesen sie bevölkern, steht in Zusammenhang mit der jeweiligen menschlichen Gesellschaftsform und spiegelt deren zentrale Kulturgedanken wieder.

Inhalt

3.3.1 Die andere Wirklichkeit im Wandel der Kulturen und Zeiten

Die andere Wirklichkeit, in welche die Seele oder ein Teil derselben entweder während einer Vision oder beim Tod eintritt, ist je nach Kultur- und Gesellschaftsform sehr verschieden.

• Wie aus dem ethnographischen Material aus dem zweiten Teil des Buches „Die Andere Wirklichkeit“ von F. Goodman hervorgeht, treffen die Sammlerinnen und Jäger an jenem anderen Ort den Geist oder Geistaspekt der ihnen aus der gewöhnlichen Wirklichkeit bekannten Tiere an. Sie jagen und lieben nach dem Tod genauso wie im Leben.

• Die Gartenbauern sehen nach ihrem Tod die ihnen aus ihrem Erdenleben vertrauten Siedlungen.

• Für die nomadischen Hirten der Wüste ist das Reich der Toten üppig und grün.

Ackerbauern, die im Leben gut waren, knien im Jenseits anbetend vor ihren Herrschern, wohingegen die Bösen auf immer und ewig in ihre verschiedenen Höllen verdammt sind.

• Die Städter schließlich sind mit einigen Verwandten und Freunden in einem Reich des Lichts vereint.

(Goodman 1994: 60)


↵ Zurück zur Übersicht


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 3.3 Die andere Wirklichkeit

4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman

verfasst von Susanne Jarausch


Das Studium der Linguistik, welches F. Goodman im zweiten Bildungsweg mit 51 Jahren begonnen hatte, bezeichnete sie als sehr trockenes Studium. Eine innere Befriedigung fand sie erst in einer fachfremden Vorlesung aus dem Bereich der Anthropologie: „Religion der Eingeborenen“ unter Dr. Erika Bourguignon. Die Untersuchungen, die Felicitas Goodman unter Erika Bourguignon durchführte, bildeten die Grundlage für ihre spätere Arbeit.

• Die Wertung von religiösen Trancezuständen bei etwa 500 Kleingesellschaften.

• Die Untersuchung der Glossolalie mit der Feldforschung in Yucatán.

Aus ihrer Forschung über Glossolalie gewann F. Goodman die Erkenntnis einheitlicher biologischer Veränderungen, welche die Grundlage jedes religiösen Erlebens, der religiösen Trance bilden.

Nach ihrer Entdeckung der rituellen Körperhaltungen führte sie weitere Untersuchungen durch, die ein erstes Licht in diese biologischen Veränderungen brachten.

Endokrinologische und neurophysiologische Studien.

Zur Zeit sind weitere Pilotstudien und Untersuchungen über die körperlichen Veränderungen bei der Trance im Laufen.

In einer phänomenologischen Studie[1] (Schirmbrand 1991) wurde die Korrelation zwischen den rituellen Körperhaltungen und ihren Erlebnisinhalten untersucht.

Die Ergebnisse lassen sich zusammenfassen:

• Die ekstatische Trance, die weltweit ein sinngebender, fester Bestandteil religiöser Rituale ist, korreliert mit bei jedem Menschen gleichen Veränderungen der Körperfunktionen.

• In den Pilotstudien über ekstatische Trance mit rituellen Körperhaltungen wurden dramatische Veränderungen der Körperfunktionen festgestellt. Der Zustand einer paradoxen Erregung unterscheidet diese Form der Trance wesentlich von anderen Bewusstseinszuständen.

• Die Fähigkeit zur Trance ist in jedem Menschen erblich angelegt.

Forschungen bringen einen Einblick in die Begleiterscheinungen veränderter Bewusstseinszustände, die an sich nur im Erleben fassbar werden.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.3.1

Inhaltsverzeichnis

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

1 Felicitas Goodman
2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit
3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans
5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen
6 Publikationen
7 Bibliographie

Nächstes Kapitel: 4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman

4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon

verfasst von Susanne Jarausch


Als Forschungsassistentin von Erika Bourguignon an der staatlichen Universität von Ohio arbeitete Felicitas Goodman ab 1968 an einer großangelegten Untersuchung mit, die vom National Institute of Mental Health finanziell gestützt war. Unter Berücksichtigung der damals weltweit größten ethnographischen Datenbank wurden 488 nichtwestliche Kleingesellschaften dahingehed untersucht, ob die religiöse Trance - ein nach den Maßstäben der westlichen städtischen Industriegesellschaft als psychotisch bezeichnetes Verhalten – in einem anderen kulturellen Rahmen als abnormal galt oder nicht.

Ziel war es, „eine vielfältige Analyse von einem psychokulturellen Phänomen vorzunehmen, über das befremdenderweise kaum etwas Systematisches bekannt ist. Das Phänomen, das uns beschäftigte, ist die religiöse Wertung … eines psychologischen Zustandes, bekannt unter verschiedenen Bezeichnungen wie ´Dissoziation´, ´Trance´ oder neuerdings, und etwas allgemeiner, ´veränderte Bewusstseinszustände“. (Bourguignon 1973)

Rebetrance-31 1.jpg

Foto: Traditioneller Tewa Tablita oder Corn Dance im Santa Clara Pueblo (Dozier 1970)

Die Studie zeigte auf, dass in 92% der untersuchten Ethnien das Tranceerleben ein sinngebender fester Bestandteil religiöser Rituale war.

Im Gegensatz zur westlichen Anschauung wird in diesen Kleingesellschaften eine Wirklichkeit, die nicht von allen wahrgenommen wird, als normal betrachtet. Und diejenigen, die ihr Bewusstsein nicht ändern und keine parallele Wirklichkeit wahrnehmen können, werden als psychologisch gestört betrachtet.

„Will man sich nicht zu der Behauptung versteigen, die überwiegende Mehrheit der Menschheit sei zumindest zeitweilig und in regelmäßigen Abständen geistesgestört, so muss man einräumen, dass die religiöse Trance ein völlig normales menschliches Verhalten ist. Mit einer Einschränkung: Die religiöse Trance als kulturelles Phänomen “ (Goodman 1994: 48) Das heißt, wenn Trance ein gezieltes Verhalten darstellt, wenn sie ritualisiert ist und als Institution auftritt, wenn sie auf ein Signal hin beginnt und beendet wird, ist sie eine völlig normale Erscheinung.

In der ethnographischen Literatur, welche F. Goodman für dieser Studie durcharbeitete, fand sie immer wieder Andeutungen, dass die Menschen im religiösen Ritual auf besondere Weise sprachen. Das weckte ihr Interesse auch als Linguistikerin und war Anlass zu weiterer Forschung.


Nächstes Kapitel: 4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 4.1 Trancestudie unter Erika Bourguignon

4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance

verfasst von Susanne Jarausch


Wenn Menschen, während sie in Trance sind, zu reden oder singen beginnen, verändert sich ihr stimmliche Ausdruck in charakteristischer Weise. In der Linguistik wird dies als Glossolalie bezeichnet, im Christentum als Sprechen in Zungen .

Es entsteht eine rhythmische, wie ein Versmaß pulsierende Vokalisation, die gewöhnlich aus Silben besteht, die an sich keine Bedeutung haben, wie etwa ‚siösiösiösiö’‚ ?ulalaladalalla’, wobei jede Silbe mit einem Konsonanten, bzw. Kehlverschlusslaut beginnt.

Hinweise auf dieses eigenartige Sprechen, das in religiösen Ritualen beobachtet wurde, fand Felicitas Goodman in der ethnographischen Literatur, die sie für ihre Untersuchung unter E. Bourguignon durchforschte. Ihr Interesse, auch als Linguistikerin war geweckt. Sie begann Tonbandaufnahmen mit Glossolalie aus verschiedenen Kulturen mit unterschiedlichen Muttersprachen zu untersuchen, auch jene aus ihrer Feldforschung bei den Pfingstgemeinden in Yucatán.

Es zeigte sich bei allen Aufnahmen ein einheitlich zugrundeliegendes Sprechmuster. Die Intonation, die Satzbetonung, die für jeden Bewusstseinszustand eine andere Kurve ergibt, war gesetzmäßig gleich bei allen Sprechern in Zungen. Die Kurve stieg an bis zu einer Betonungsspitze am Ende des ersten Drittels der Silbenfolge, um dann bis zum Schluss gleichmäßig abzusinken. (Goodman 1972)

  • Rebetrance-32 1.jpg
  • Rebetrance-32 2.jpg

Rebetrance-32 3.jpg

Abb. 1a Abb. 1b Abb. 1c

Abbildung: Intonationskurven beim Sprechen in Zungen mit deutlichem Anfang, Höhepunkt und Ende:

Abb. 1a: Muttersprache Rungus-Dusun, Austronesisch, Nordborneo (3 Sprecheinheiten).

Abb. 1b: Muttersprache amerikanisches Englisch, Newark, Ohio, USA (1 Spercheinheit).

Abb. 1c: Muttersprache afrikanisches Englisch, Saint Kitts Island, Karibik (1 Sprecheinheit).

(Goodman 1996: 20,18,19)

Zum Vergleich zwei Intonationskurven in anderen Bewusstseinslagen:

Beim Sprechen in der gewöhnlichen Bewusstseinslage (Abb.1d) hebt und senkt sich die aufgezeichnete Linie ohne erkennbare Regelmäßigkeit. Auch wenn in Hypnose gesprochen wird (Abb.1e), zeigt die Intonationskurve keine besondere sich wiederholende, sondern eine eher monotone Sprechweise zwischen den langen Pausen. (Goodman 1996: 14,15)

  • Rebetrance-32 4.jpg
  • Rebetrance-32 5.jpg

Abb. 1d Abb. 1e

Felicitas Goodman kam zu dem Schluss, den sie auch in einer heute noch gültigen Studie festhielt, dass Glossolalie formal keine Sprache ist, sondern vielmehr eine Stimmgebung, die mit den physiologischen Veränderungen in der religiösen Trance einhergeht .

Daraus folgerte Felicitas Goodman, dass der Mensch im religiösen Ritual , vorausgesetzt es gibt eine körperliche Anregung, immer in den gleichen Bewusstseinszustand mit den gleichen Veränderungen der Körperfunktionen versetzt wird, ganz gleich, um welches religiöse Ritual es sich handelt und wo und bei welcher Gruppe es stattfindet.

Die Untersuchung ist eine Bestätigung dafür, dass alle Menschen die ererbte Fähigkeit besitzen, außer dem gewöhnlichen Bewusstseinszustand auch andere Bewusstseinszustände,

Inhalt

4.2.1 Feldforschung in Yucatán

Das, was allgemein als unverständliches, keineswegs beachtenswertes Kauderwelsch betrachtet wurde, erregte schon bei ihrer Forschung über Trance unter Erika Bourguignon das Interesse von Felicitas Goodman, zumal diese Sprechform während religiöser Rituale auftrat. Als Linguistikerin hatte sie begonnen diese Sprechform, Sprechen in Zungen oder Glossolalie genannt, bei englisch und spanisch sprechenden Pfingstgemeinden zu untersuchen.

Für ihre Feldforschungen besuchte Felicitas Goodman ab 1969 kleine charismatische Pfingstgemeinden in Yucatán / Mexiko, deren Muttersprache das Maya ist, welches nicht der indoeuropäischen Sprachfamilie angehört. Das Forschungsinteresse lag nun darin festzustellen, ob die Glossolalie hier andere Sprechmuster zeigen würde als jene aus einer englischen oder spanischen Sprache.

Rebetrance-33 1.jpg

Foto: Der Tempel der Pfingstgemeinde in Yucatan 1969 (Goodman 2001: 377)

Immer wieder beobachtete sie den Ablauf der religiösen Zeremonie und nahm das Zungensprechen auf Tonband auf. Zu Beginn des Gottesdienstes sang die Kirchengemeinde zu einer fröhlichen Musik. Dabei standen die Menschen keineswegs still, sondern bewegten sich in gleichbleibender Abfolge immer einige Schritte vor und zurück, im selben Rhythmus dazu klatschend. Am Ende dieser Phase, die etwa 20 Minuten dauerte, trat auf ein bestimmtes Signal (link zu 1.3.2) (ein besonderes, kurzes Kirchenlied, bei dem der Herr um sein Feuer gebeten wird), eine Wende ein, die Menschen fielen in Trance und begannen in Zungen zu sprechen. Die Musik verstummte und das Stimmengewirr füllte ekstatisch die Kirche. Dabei konnten sich bei den Menschen die Gesichter röten, die Muskeln anspannen und die Hände zu zittern beginnen. Manche fielen auf die Knie und brachen in Tränen aus, andere hoben in wellenartigen Bewegungen immer wieder die Arme über den Kopf. Genauso plötzlich wechselten sie nach etwa weiteren 10 Minuten auf ein Signal hin wieder in den Alltagszustand über, und der Gottesdienst wurde unter Gesängen zu Ende geführt. Nachher berichteten die Menschen, dass der Heilige Geist in sie eingefahren sei und dann diese wunderbaren Silben aus ihnen herausgeströmt wären. Nun erlebten sie die Welt wieder strahlend, rein und in Harmonie.

graphicFoto: Das Zungen-Sprechen während eines Gottesdienstes in der Pfingstgemeinde in Yucatan (Goodman 2001: 379)

Zungensprechen wurde als eine natürliche Fähigkeit erachtet und als krank wurden jene betrachtet, die das Zungensprechen nicht beherrschten.

Felicitas Goodman untersuchte die Tonbandaufnahmen im phonetischen Labor und verglich die Intonationskurve mit anderen Aufnahmen von Glossolalie aus anderen Kulturen mit anderen Muttersprachen. Bei allen Aufnahmen war die gleiche charakteristische Intonationskurve festzustellen. Sie unterschied sich deutlich von jenen in anderen Bewusstseinszuständen. Diese Feststellung lässt darauf schließen, dass bei allen Menschen in der Trance die gleichen körperlichen Veränderungen zu diesem Sprechmuster führen, unabhängig von ihrer Kultur und ihrer Muttersprache, dass somit die Fähigkeit zur Trance in allen Menschen angelegt ist.

Die Feldforschung in Yucatán nahm eine überraschende Wende. Auf die Vorhersage des Weltunterganges für den 1. September 1970, den ein Gemeindemitglied in einer Vision offenbart bekam, kam die Gemeinde im Folgejahr in eine Glaubenskrise, an der sie beinahe zerbrach. Bis 1986 verbrachte F. Goodman noch jedes Jahr einige Zeit mit den Frauen der Gemeinde. Diese 17 Jahre einer außergewöhnlichen Langzeit- Feldforschung bis zum Abebben des rituellen Geschehens und das Leben der Frauen in der Gemeinde hat sie in dem Buch „Maya Apocalypse: Seventeen Years with the Women of a Yucatán Village“ dokumentiert.


4.2.2 Rahmenbedingungen für das Eintreten in der Trance

Rebetrance-34 1.jpg

Foto: Im Tempel der Pfingstgemeinde in Yucatán (Goodman 2001: 378)

Während ihrer Feldforschung konnte Felicitas Goodman beim Gottesdienst der Pfingstgemeinden in Yucatán wichtige Rahmenbedingungen für die Trance beobachten, die sie später in den Tranceversuchen[1] mit ihren Studenten in Ohio anwendete.

• Die Zeremonie fand in einem vom Alltäglichen getrennten Raum (Kirche) statt.

• Die TeilnehmerInnen sahen ihr Vorhaben als normal an und als etwas, worauf sie sich freudig einlassen konnten.

• Die Konzentration und geistige Ausrichtung wurde vor der Trance gesteigert, indem die Menschen Kirchenlieder sangen unter der Aufforderung des Priesters, den Alltag hinter sich zu lassen.

• Eine gleichförmige rhythmische Anregung (Singen, Klatschen, Musik, Schritte) induzierte die Trance (mit dem Zungensprechen).

• Auf ein Signal (ein corrito, ein bestimmtes kurzes Kirchenlied) wechselten die Menschen in den anderen Bewusstseinszustand über und kehrten auf ein weiters Signal wieder in den gewöhnlichen Bewusstseinszustand zurück.

Es bestand ein den TeilnehmerInnen gemeinsamer kultureller Hintergrund.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 2.1


Nächstes Kapitel: 4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 4.2 Glossolalie — das Sprechen in der Trance

4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen

verfasst von Susanne Jarausch


Was im Menschen während des religiösen Erlebens vor sich geht, hat Felicitas Goodman seit Beginn ihres Studiums in Ohio interessiert. Bei ihren Untersuchungen der Glossolalie[1] 1972 hat sie bereits erkannt, dass in der religiösen Trance Veränderungen der Körperfunktionen auftreten, die bei allen Menschen gleich sind. Weitere Untersuchungen deckten ein unerwartetes und z.T. dramatisches Geschehen auf.

Laboruntersuchungen unter Prof. Kugler in München (1983) und weitere in Zusammenarbeit mit Prof. Guttmann in Wien (1987) brachten Aufschluss oder zumindest einen sehr eindrücklichen Einblick in das komplexe biologische Geschehen bei der Trance. Paradoxe Phänomene, die in anderen Bewusstseinszuständen nicht auftraten, charakterisierten die Trance als einen außergewöhnlichen Zustand hochwacher Entspanntheit.

„Wenn die Schamanin ins Labor geht“ lautet der Titel der Tonbandabschrift eines von Felicitas Goodman und Giselher Guttmann 1991 an der Universität Wien gehaltenen Vortrages, in welchem die Forschungsergebnisse über die biologischen Veränderungen während der Trance zur Sprache kamen. Der Titel drückt aus, wie konsequent Felicitas Goodman die beiden, in der westlichen Welt oft getrennt gehaltenen Bereiche von direktem Erleben und wissenschaftlicher Forschung zusammenbrachte.

In der sterilen, kühlen Laborathmosphäre, inmitten von Messgeräten, baute sie einen rituellen Raum auf, lud die Geistwesen mit der traditionellen Mehlgabe ein und rasselte 15 Minuten, während die teilnehmenden ProbandInnen mit den vorher am Kopf angebrachten Elektroden – sozusagen verkabelt – auf Trancereise gingen. Die Geistwesen ließen sich nicht abschrecken und die schillernde Vielfalt der anderen Wirklichkeit wurde im Ritual auch unter Laborbedingungen zugänglich. Die Ergebnisse der Messungen waren überraschend.

Verweise:
[1] Siehe Kapitel 4.2

Inhalt

4.3.1 Endokrinologische Untersuchungen München 1983

Erste Pilotstudien zu den biologischen Veränderungen in der Trance wurden 1983 unter Prof. Kugler an der psychiatrischen Klinik der Universität München durchgeführt und brachten unerwartete Ergebnisse.

Unter Anleitung von F. Goodman begaben sich die TeilnehmerInnen in einer liegenden Position auf die Reise in die Unterwelt. Während dieser Trancereise wurden ihnen in regelmäßigen Abständen Blutproben entnommen, deren endokrinologische Untersuchung folgendes Bild ergab:

• Bei Absinken des Blutdrucks wurde gleichzeitig ein Ansteigen der Pulsfrequenz festgestellt. Dieses außergewöhnliche gegenläufige Phänomen erregte Aufsehen, da es normalerweise nur bei einem lebensbedrohlichen Schockzustand oder beim Verbluten auftritt, in der Trance aber keineswegs als bedrohlich empfunden wird.

• Der Spiegel der Stress auslösenden Hormone (Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol) im Blutserum sank ab und gleichzeitig wurden

ß-Endorphine (körpereigene Opiate mit schmerzstillender und euphorisierender Wirkung) im Gehirn ausgeschüttet.

Die letzten beiden Werte erklären den entspannten, ruhigen und ausgeglichenen Zustand, von dem nach der Trance berichtet wird und das enorme, noch länger anhaltende Wohlgefühl - die Ekstase der Schamanen oder auch die Süße des Erlebens, von der die deutschen Mystiker immer wieder berichten.

Bei EEG-Messungen zeigten sich langsame Theta-Wellen, was sich in der späteren Untersuchung durch Prof. G. Guttmann in Wien bestätigte.

Von dieser damals vielversprechenden Untersuchung liegen leider kaum Dokumentationen vor. Die Ergebnisse sollten jedoch zu weiterer Forschung inspirieren.


4.3.2 Neurophysiologische Untersuchung Wien 1987

Durch die Begegnung mit Prof.Dr. Giselher Guttmann 1987, dem damaligen Leiter des Psychologischen Instituts Wien, ergab sich für Felicitas Goodman die Gelegenheit zu einer neurobiologischen Annäherung an das Phänomen der Trance.

Guttmann et al. untersuchten in einer Pilotstudie verschiedene Bewusstseinszustände, u.a. Schlaf, Hypnose und Trance nach Goodman in Bezug auf zwei unterschiedliche hirnphysiologische Kennwerte, das kortikale Gleichspannungspotential (DC-Potential) — die batterieähnliche Aufladung der Großhirnrinde — und das Hirnstrombild der Gehirnwellen.

Zum Verständnis der Vorgänge in der Trance sind hier alle drei Beispiele angeführt.

Rebetrance-37 1.jpg

Abbildung: Die drei Diagramme zeigen das Gleichspannungspotential während veränderter Bewusstseinszuständen (Guttmann, Goodman, Korunka 1988)


Schlaf:

Während das DC-Potential im Wachzustand nur im Bereich von durchschnittlich 20 Mikrovolt schwankte, war im Schlaf ein Abfallen der Aufladung um bis zu 4000 Mikrovolt festzustellen. Die „Batterie Großhirnrinde“ entleerte sich.



Trance:

In der Trance nach Goodman kam es zu einer Gleichspannungsverschiebung um etwa 2000 Mikrovolt – ähnlich wie im Schlaf – nur in anderer Richtung. Ein Zustand extremer Aktivierung – wacher als hellwach. Diese enorme Aufladung der Gehirnrinde konnte in keinem anderen Bewusstseinszustand festgestellt werden.


Hypnose:

In der Hypnose zeigte sich keine Potentialänderung . Aus der Sicht des DC- Potentials entsprach die Hypnose einem normalen Wachzustand.







Überraschend war, dass bei der Goodman-Trance gerade im Zustand allerhöchster Aktivierung, meist gegen Ende der Trance-Phase, langsame Theta-Wellen auftraten, wie sie für einen mitteltiefen Schlafzustand typisch sind.

Rebetrance-37 2.jpg

Abbildung: Hirnstrombild während der Trance nach F. Goodman (Guttmann, Goodman, Korunka 1988)

Die Trance mit rituellen Körperhaltungen nach Goodman ist nicht mit dem Zustand der Hypnose vergleichbar, für den ebenfalls der Begriff Trance verwendet wird, und der im DC-Potential dem Wachzustand mit normaler Aktiviertheit gleicht. Sie unterscheidet sich auch wesentlich vom Schlaf, der von einer kortikalen Desaktivierung begleitet wird.

Die Trance erwies sich als ein von allen anderen Bewusstseinslagen abweichender Zustand, der durch eine gleichzeitige Desaktivierung (langsame Theta-Wellen) und Aktivierung (Aufladung der Großhirnrinde) gekennzeichnet ist und für welchen Guttman den Begriff „paradoxical arousal“ geprägt hat – ein Zustand entspannter Hochspannung oder hochgespannter Entspanntheit.


Nächstes Kapitel: 4.4 Weiterführende Untersuchungen


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 4.3 Die Schamanin im Labor — Untersuchungen zur Trance mit rituellen Körperhaltungen

4.4 Weiterführende Untersuchungen

verfasst von Susanne Jarausch


Die bisherigen Untersuchungen haben erstaunliche und zum Teil dramatische Ergebnisse gebracht, die Anlass und Ausgangspunkt für weiterführende Forschungen sein sollten und zum Teil auch bereits sind.


Inhalt

4.4.1 Immunologische Untersuchung Wien 2005

Eine immunologische Untersuchung wird zur Zeit von Mag. Berthold Schrödl durchgeführt. Er ist klinischer Psychologe und schreibt derzeit am Institut für Psychologische Grundlagenforschung eine Dissertation zum Thema Trance und Immunsystem.

In seiner Arbeit soll im speziellen die menschliche Immunantwort in Abhängigkeit von der schamanischen Trance nach Felicitas Goodman untersucht werden.

Die zentrale, interessierende Variable (in der Sprache der Statistiker: die abhängige Variable) ist hier das sekretorische Immunglobulin A, durch dessen Konzentration man Rückschlüsse auf die Aktivität des Immunsystems ziehen möchte.

Eine der zentralen Fragen ist:

Lässt sich das Immunsystem durch ein 20 minütiges Tranceritual nach Felicitas Goodman stimulieren? Und wenn ja, wie intensiv sind die Auswirkungen einer solchen Stimulation.

Was ist dieses sekretorische Immunglobulin A und wozu dient es?

Das menschliche Immunsystem kann zwischen körpereigenen und körperfremden Substanzen unterscheiden. Es kann also körperfremde Erreger, so genannte Antigene erkennen. Um diese Antigene abwehren zu können, stellt der Körper spezifische Antikörper, so genannte Immunglobuline, her. Bei diesen Immunglobulinen handelt es sich um Eiweißstrukturen, die sich in ihrem Aufbau und ihrer Funktion voneinander unterscheiden. Aus diesem Grund werden sie in 5 verschiedene Klassen eingeteilt. Immunglobulin G, A, M, D und Immunglobulin E.

Bei dieser Untersuchung wird besonderes Augenmerk auf das so genannte sekretorische Immunglobulin A gelegt. Dieses Immunglobulin wird vom Körper relativ schnell gebildet und lässt sich in Körperflüssigkeiten wie dem Speichel relativ leicht nachweisen.

Zum Ablauf des Hauptversuches:

Alle 33 Versuchspersonen gaben vor und nach dem Tranceritual Speichelproben ab, in welchen in weiterer Folge die Konzentration des sIgAs gemessen wurde. Insgesamt wurde an allen Versuchspersonen zu sechs verschiedenen Zeitpunkten die sIgA Konzentration gemessen.

Das 20-minütige Tranceritual nach F. Goodman, bei welchem die Haltung mit dem Bärengeist eingenommen wurde, wurde von S. Jarausch angeleitet. Vor und nach dem Tranceritual wurde der IgA Wert von B. Schrödl bestimmt.

Außerdem wurden mittels verschiedener Fragebögen die Bewusstseinslage und andere psychologische Parameter der Versuchsteilnehmer vor und nach dem Tranceritual untersucht.

Einige Ergebnisse:

Es kam in 28 von 33 Fällen zu einer statistisch signifikanten Zunahme der sIgA Konzentration.

In einem Fall kam es sogar zu einem Anstieg um 385 % in einem anderen Fall von 300 %.

Die durchschnittliche Zunahme liegt bei ca. 100 %

Außerdem lässt sich eine ähnlich starke Veränderung des Bewusstseinszustandes herbeiführen wie etwa durch andere Bewusstseinsverändernde Techniken, oder auch durch Halluzinogene LSD etc., von denen nachgewiesen ist, dass sie – abhängig von ihrer Konzentration - stark bewusstseinsverändernd wirken können.

Vermutung:

Es hat sich also gezeigt, dass sich nach einer 20 minütigen Trance ein um durchschnittlich 100% höherer sIgA Wert nachweisen lässt.

Aus den bisher gewonnenen Daten ließe sich weiters vermuten, dass Personen, auch wenn sie keine, oder nur sehr geringe Vorerfahrung in der besagten Trancetechnik besitzen, einen vergleichbaren Anstieg des sekretorischen Immunglobulins A erfahren, wie Personen, die schon viele Jahre sehr regelmäßig diese Technik anwenden.


4.4.2 Weitere Pilotstudien und Überlegungen für weitere Fragestellungen für zukünftige Forschung

…….IN ARBEIT……..


↵ Zurück zur Übersicht


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 4.4 Weiterführende Untersuchungen

5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen

verfasst von Susanne Jarausch


Die Trance mit den rituellen Körperhaltungen führt uns wieder in eine ursprüngliche Verbundenheit mit uns und der Umwelt jenseits dualistischer Werte-Kategorien von gut und böse und mit einem Handeln, welches von den Prinzipien der Gegenseitigkeit und Angemessenheit bestimmt ist. In der Ekstase finden wir Zugang zu einem spontanen, nicht berechnenden, überpersönlichen Instinkt, der uns leitet und erleben die eigene Individualität in einem verbindenden Wir.

Wenn Religion die Funktion hat, sich zurückzubeziehen auf das, was nährt, so ist es angesagt, auch in unseren Breitengraden wieder das Experiment der unvoreingenommenen Wahrnehmung – das Nehmen und Annehmen von Wahrheit – zu wagen. Eine solche Wahrnehmung, die in einer Körper-Geist-Seelischen Gesamterfahrung liegt, überschreitet die Grenzen der Ich-Identität, ohne diese auszuschalten, und schließt die Umwelt mit ein: die sichtbare, wie die unsichtbare.

Dazu braucht der Organismus eine gezielte und größere Stimulation, als er meist bekommt. Und diese Stimulation ist wohl nicht die eines oberflächlichen Reiz-Angebots, wie es die Medien bieten, sondern eine Stimulation, die ihm mehr Energie zuführt, bzw. ihn dazu erzieht, mehr Energie auszuhalten.

Inhaltsverzeichnis

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

1 Felicitas Goodman
2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit
3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans
4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman
6 Publikationen
7 Bibliographie

Nächstes Kapitel: 5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen

5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität

verfasst von Susanne Jarausch


„Ekstase-Entzug“ nannte Felicitas Goodman in einem Vortrag an der Universität Wien 1986 das Grundleiden unserer Gesellschaft. Sie sprach die Überlegung aus, dass dieser Ekstase-Entzug für vieles Leid in unserer modernen Welt verantwortlich ist, von psychosomatischen Erkrankungen bis hin zur Sucht.

Den Ekstase-Entzug versteht sie einerseits in Bezug auf die körperliche Ebene. Unser Nervensystem ist auf die Vielfalt der Bewusstseinszustände angelegt und braucht möglicherweise auch jene dramatischen biologischen Veränderungen, die mit einer religiösen Trance einhergehen.

Zum Anderen bedeutet der aus dem konsequenten Verdrängen (religiösen) Fühlens, der Fühlungnahme mit der anderen Wirklichkeit entstehende Ekstase-Entzug auch Wirklichkeits-Entzug. Die Welt des modernen Städters ist flächig, hat keine Tiefe, meint Felicitas Goodman. Erst mit dem Eintritt in die andere Dimension, die andere Wirklichkeit, in die Ekstase, ergibt sich die Vollendung.

Es hat nie eine Stammesgesellschaft, eine Horde gegeben, die nicht eine Religion gehabt hätte. Und mit Religion ist eben dies gemeint: das Erleben der anderen Wirklichkeit. Die Trance mit den rituellen Körperhaltungen gibt den westlichen Menschen die Möglichkeit, wieder in dieses Erleben einzutreten und den Weg der Schönheit zu gehen – wie die Navahos es ausdrücken – in der Bedeutung einer Sinn spendenden Verbundenheit.

„Und schließlich stellt sich angesichts der gegenwärtigen Suche nach einer überzeugenden Religionskultur die Frage, ob nicht diese uralten religiösen Erlebnismöglichkeiten auf eine neue, ganzheitliche, tiefgründige und ursprüngliche Spiritualität verweisen.“ (Goodman 1996: 123)


Nächstes Kapitel: 5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 5.1 Ein Weg zu einer neuen, ganzheitlichen, tiefgründigen und ursprünglichen Spiritualität

5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität

verfasst von Susanne Jarausch


In der religiösen Trance wird die Welt, das Universum als sinnvolles Ganzes erlebt. Der Mensch erkennt sich als Teil dieser Ganzheit und kann gleichzeitig in Dialog treten mit den Wesen und Erscheinungsformen. Aus dieser Kommunikation, aus den Erfahrungen, die uns der Wind, die Steine, die Pflanzen, Tiere usw. uns vermitteln, wird man die Alltagswirklichkeit nicht mehr mit einer Einstellung betrachten, die auf bloße Nützlichkeit ausgerichtet ist. Wenn die versachlichte Welt wieder in ihrer Wesenhaftigkeit, in ihrem Geistaspekt erlebt und erkannt wird, ändert sich die Beziehung zu ihr.

F. Goodman betont, dass, wenn wir einmal erfahren haben, wie sich ein Baum von innen her anspürt, durch die Augen eines Jaguars geschaut haben, die heilende Weisheit des Bärengeistes erlebt haben oder uns gar in der zeitlosen Kraft des Universums ausgedehnt haben, tritt aus einer mitfühlenden Verbundenheit heraus respektvolles Staunen und eine selbstverantwortliche Haltung der Angemessenheit und Gegenseitigkeit an die Stelle von Ausbeutung und Profit.

Die vielen als Gegenbewegung zur mechanistischen Ausbeutung der Welt entstandenen Umweltschutzbewegungen, meint F. Goodman, würden um eine spirituelle Dimension bereichert werden. Das Motiv, z. B. bestimmte Arten zu erhalten, welches auch immer es jetzt ist, bekommt aus einer erlebten Seinsverbundenheit eine völlig andere Tiefe.

Rebetrance-43 1.jpg

Foto: Maskentanz in Cuyamungue 1995. Der in einer Vision geschauten Libelle wurde in der Maske Gestalt verliehen, im abschließenden Tanz wurde die Verwandlung erlebt (Foto Cuyamungue Institut © 1995)


Nächstes Kapitel: 5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 5.2 Ein Weg zu einer ökologischen Spiritualität

5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman

verfasst von Susanne Jarausch


……….IN ARBEIT…..


↵ Zurück zur Übersicht


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 5.3 Weiterführung der Trancearbeit nach Felicitas Goodman

6 Publikationen

verfasst von Susanne Jarausch


Rebetrance-45 1.jpg

Foto: Felicitas Goodman während eines Vortrages (Foto © Focus-Stadtzentrum)

Felicitas Goodman hat zahlreiche Publikationen über die verschiedenen Bereiche ihrer Trance-Forschung, über die Rituellen Trancehaltungen, das Religiöse in den Kulturen der Welt, das Phänomen der Besessenheit aus ihrer Sicht, ihre persönliche Vision des Sterbens … herausgegeben. Leider sind viele der deutschsprachigen Bücher nicht mehr im Handel erhältlich, man kann sie mit Glück noch gebraucht erwerben. Die englischsprachigen Publikationen sind, wenn nicht anders angegeben, im Handel oder auch unter
http://www.cuyamungueinstitute.com/[1] zu beziehen.

Eine Auflistung der Bücher, die unter 6.1[2] im Detail beschrieben sind:

• Wo die Geister auf den Winden reiten — Trancereisen und ekstatische Erlebnisse

• Trance — der uralte Weg zum religiösen Erleben

• Die andere Wirklichkeit — über das Religiöse in den Kulturen der Welt

Speaking in Tongues: A Cross-Cultural Study of Glossolalia

Maya Apocalypse: Seventeen Years with the Women of a Yucatan Village

• Ekstase Besessenheit Dämonen — Die geheimnisvolle Seite der Religion

• Anneliese Michel und ihre Dämonen

• Trancerituale für Jugendliche

Jewels on the Path: A Spirit Notebook, Vol. I, II

• Die Blaue Brücke

• Meine letzten 40 Tage — Eine indianische Vision über das Sterben und den Tod

• Artikel und Vorträge

Publikationen mit und über F. Goodman geben ein Bild von ihrem Leben und ihrer Tranceforschung. Sie werden unter 6.2 näher beschrieben.

Buffalo Seed Women

• Ekstatische Körperhaltungen — Ein natürlicher Wegweiser zur erweiterten Wirklichkeit

• Ekstatische Trance, Das Arbeitsbuch

• Film: Felicitas Goodman — Rituelle Körperhaltungen und ekstatische Trance

• Interviews im ORF und SWD-Rundfunk

Verweise:
[1] http://www.cuyamungueinstitute.com/
[2] Siehe Kapitel 6.1

Inhaltsverzeichnis

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

1 Felicitas Goodman
2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit
3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans
4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman
5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen
7 Bibliographie


Nächstes Kapitel: 6.1 Publikationen von Felicitas Goodman


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 6 Publikationen

6.1 Publikationen von Felicitas Goodman

verfasst von Susanne Jarausch


Rebetrance-46 1.jpg

Foto: Felicitas Goodman bei einem Vortrag im Focus-Stadtzentrum (Foto © Focus- Stadtzentrum)

Eine Auflistung der Bücher und einiger Artikel in derselben Reihenfolge, wie sie unten im Detail beschrieben sind:

Wo die Geister auf den Winden reiten — Trancereisen und ekstatische Erlebnisse

Trance — der uralte Weg zum religiösen Erleben

Die andere Wirklichkeit — über das Religiöse in den Kulturen der Welt

Speaking in Tongues: A Cross-Cultural Study of Glossolalia

Maya Apocalypse: Seventeen Years with the Women of a Yucatan Village

Anneliese Michel und ihre Dämonen

Ekstase Besessenheit Dämonen — Die geheimnisvolle Seite der Religion

Trancerituale für Jugendliche

Jewels on the Path: A Spirit Notebook, Vol. I, II

Die Blaue Brücke

Meine letzten 40 Tage — Eine indianische Vision über das Sterben und den Tod

Artikel und Vorträge

Leider sind viele der deutschsprachigen Bücher nicht mehr im Handel erhältlich, man kann sie mit Glück noch gebraucht erwerben. Die englischsprachigen Publikationen sind, wenn nicht anders angegeben, im Handel oder auch unter http://www.cuyamungueinstitute.com/[1] zu beziehen.

Wo die Geister auf den Winden reiten — Trancereisen und ekstatische Erlebnisse

Erstauflage 1989: Freiburg i. Br., Hermann Bauer;

2007: Haarlem, Holland. Binkey Kok Publications; ISBN 90-78302-19-4

Felicitas Goodman nimmt den Leser mit auf ihren Weg der Wiederentdeckung des religiösen Erlebens, das ihr in der Kindheit so vertraut war und das sie dann später schmerzlich vermisste. Sie beschreibt die wichtigsten Stationen ihrer Tranceforschung bis zur Entdeckung der rituellen Körperhaltungen, durch welche sich schließlich das Tor zur schillernden Welt der anderen Wirklichkeit öffnete. Zu den Themenbereichen der Seelenfahrt und Verwandlung, des Wahrsagens und Heilens, des Feierns, den Bereichen von Tod und Wiedergeburt und zu Haltungen, die in das Erleben von Mythen führen, bringt sie die wichtigsten Beispiele mit ausführlichen Erlebnisberichten, Angaben über den kulturellen Hintergrund und der Beschreibung, wie die Haltungen ihren Erlebnisinhalt nach und nach enthüllten. Es ist ihr erstes, sehr persönlich und spannend geschriebenes Buch über ihren Weg und die rituellen Körperhaltungen.

Trance — der uralte Weg zum religiösen Erleben

Erstauflage 1992

2003: Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus; ISBN 3-579-00969-9

Nicht mehr im Handel erhältlich.

Ein kompaktes Handbuch über ekstatische Trance und rituelle Körperhaltungen. Veränderte Bewusstseinszustände, das religiöse Ritual, Herkunft und Verbreitung der rituellen Körperhaltungen, psychologische Archäologie, mythologische Bezüge und die wichtigsten Haltungen mit praktischer Kurzbeschreibung für den ‚täglichen Gebrauch’ sind die Inhalte dieses Buches.

Ecstacy, Ritual, and Alternate Reality

1988: Bloomington & Indianapolis, Indiana University Press;

ISBN 0-253-31899-8

Die andere Wirklichkeit - über das Religiöse in den Kulturen der Welt

1994: München, Trickster; ISBN 3-923804-61-X

Die deutsche Ausgabe ist nicht mehr im Handel erhältlich.

Felicitas Goodman untersucht die Grundlagen des Religiösen und beschreibt das Ritualverhalten, die religiöse Trance, die andere Wirklichkeit, die Vorstellungen von Glück, die Ethik und Religion im Wandel der Gesellschaftsformenformen von den Jägern bis zu den Städtern mit zahlreichen ethnographischen Fallstudien. Das Buch spannt einen Bogen über das Religiöse in der menschlichen Evolution.

Verweise:
[1] http://www.cuyamungueinstitute.com/


Nächstes Kapitel: 6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 6.1 Publikationen von Felicitas Goodman

6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman

verfasst von Susanne Jarausch


Rebetrance-47 1.jpg

Foto: Felicitas Goodman (Foto © Hermine Brzobohaty-Theuer)

Es sind hier einige Publikationen mit und über F. Goodman herausgegriffen, die ein Bild von ihrem Leben und ihrer Arbeit geben. Sie werden unten näher beschrieben.

Buffalo Seed Women

• Ekstatische Körperhaltungen — Ein natürlicher Wegweiser zur erweiterten Wirklichkeit

• Film: Felicitas Goodman Rituelle Körperhaltungen und ekstatische Trance

Buffalo Seed Women

Susan Josephson

Erhältlich über: http://www.cuyamungueinstitute.com/[1]

The true story (in graphic novel form, with some of the names changed) about spirit encounters and Native American religion in the Southwest. Buffalo Seed Woman is based on the life of Felicitas D. Goodman, famous for her research on altered states of consciousness and her discoveries of ritual body postures. The book tells the story of Felicitas Goodman’s quest for contact with ancient Pueblo Indian spirits in New Mexico and how that nearly cost her life.

Susan Josephson is the daughter of Felicitas Goodman, she also has illustrated most of the books of her mother.

Ekstatische Körperhaltungen — Ein natürlicher Wegweiser zur erweiterten Wirklichkeit.

Belinda Gore, Vorw. Felicitas D. Goodman

1996: Synthesis, Essen, Synthesis; ISBN 3-922026-83-4

Im einführenden Teil gibt Belinda Gore ein detailliertes Bild über den Werdegang von Felicitas Goodman, ihre Forschung und die Entdeckung der rituellen Körperhaltungen. Eine praktische Anleitung zur Durchführung des Rituals und die ausführliche Beschreibung von 39 rituellen Haltungen betreffend ihren kulturellen und mythologischen Hintergrund, ihre praktische Anwendung und ihre Erlebnisinhalte, bilden den Hauptteil dieses Arbeitsbuches.

Belinda Gore, Studium der Psychologie an der Ohio State University, Psychologin in eigener Praxis, Schülerin von Felicitas Goodman seit 1985, zur Zeit Präsidentin des von Felicitas Goodman gegründeten Cuyamungue Institutes in New Mexiko.

Video-Film: Felicitas Goodman — Rituelle Körperhaltungen und ekstatische Trance

Ein Film (VHS-Kasette) von Johanna Peltner-Rambeck und Hans Rambeck

2001: München, Südwind-Film (auch in Wien unter http://www.focus.at/[2] zu beziehen).

Dieser Dokumentarfilm wurde in Cuyamungue / New Mexico, in Ohio und Wien gedreht, er verdeutlicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Lebenshaltung von Felicitas Goodman.

'Interviews im ORF und SWD-Rundfunk '

Verweise:
[1] http://www.cuyamungueinstitute.com/
[2] http://www.focus.at/


↵ Zurück zur Übersicht


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 6.2 Publikationen mit und über Felicitas Goodman

7 Bibliographie

verfasst von Susanne Jarausch


BILDER:

Hoppál, Mihály. 2002: Das Buch der Schamanen — Europa und Asien. München, Econ Ullstein List.

Lommel, Andreas. 1980: Schamanen und Medizinmänner. München, Callwey.

Anton, Ferdinand. 1986: Altindianische Kunst in Mexiko. Leipzig, List.

Curtis, Edward S. 1996: Hidden Faces. München, Knesebeck.

Badisches Landesmuseum. 2000: Im Labyrinth des Minos. Ausstellungskatalog. München, Biering & Brinkmann.

Hultkrantz, Ake. 2002: Das Buch der Schamanen — Nord- und Südamerika. Luzern, Motovun Book GmbH.

Edward P., Dozier. 1970: The Pueblo Indians of North America. USA, Holt, Rinehart and Winston.

Erlebnis Trance – Peter Huemer im Gespräch mit Felicitas Goodman. In: ORF Nachlese 7/1996.

Goodman, Felicitas D. 2001: Maya Apocalypse: Seventeen Years with the Women of a Yucatan Village. Bloomington & Indianapolis, Indiana University Press

Cotterell, Arthur (Hg.) 2004: Mythologie, Götter, Helden, Mythen. Bath, UK, Parragon.

Biedermann, Hans. 1987: Die großen Mütter. Graz – Wien, Böhlau.

Mair, L. 1969: Witchcraft. New York, McGraw-Hill.

'

TEXTE:

Bourguignon, Erika. Hrsg. 1973: Religion, Altered States of Consciousness, and Sozial Change. Columbus, Ohio State University Press

Bourguignon, Erika. 1968: A Cross-Cultural Study of Dissociational States: Final Report. Columbus, Ohio, Research Foundation.

Goodman, Felicitas D. 1996: Trance, der uralte Weg zum religiösen Erleben. Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus.

Goodman, Felicitas D. 1989: Wo die Geister auf den Winden reiten. Freiburg i. Br., Hermann Bauer.

Goodman, Felicitas D. 1994: Die andere Wirklichkeit – über das Religiöse in den Kulturen der Welt. München, Trickster.

Goodman, Felicitas D. 1972: Speaking in Tongues: A Cross-Cultural Study of Glossolalia. Chicago, University of Chicago Press.

Goodman, Felicitas D. 1999: Die Blaue Brücke – Märchen. Kirchgellersen, Edition Nana

Guttmann, Giselher. 1990: Zur Psychophysiologie der Bewusstseinssteuerung. Meditation-Trance-Hypnose: Wurzeln und biologische Korrelate. Wien, Gerold.

Guttmann, G., Goodman, F.D., Korunka, C. Bauer, H. & Leodolter, M. 1988: DC- Potential Recordings During Altered States of Consciousness. Institut für Psychologie, Universität Wien, Research Bulletin.

Guttmann, Giselher. 1991: „Mind Machines“. Dokumentation zur Informationstagung. Gottlieb Duttweiler Institut.

Harner, Michael J. 1973:The Jivaro: People of the Sacred Waterfalls. Garden City, NY, Anchor/Doubleday.

Schirmbrand, Michaela. 1991: Psychologische Untersuchung der Trance nach Felicitas Goodman. Wien, Diplomarbeit.

FILM:

Peltner-Rambeck, J., Rambeck, H. 2001: Felicitas Goodman – Rituelle Körperhaltungen und ekstatische Trance. München, Südwind-Film

ARTIKEL UND VORTRÄGE:

Verein FOCUS Stadtzentrum Wien, Verein zur Förderung ganzheitlicher Persönlichkeitsentwicklung und Bewusstseinskultur, www.focus.at

Inhaltsverzeichnis

Weitere Kapitel dieser Lernunterlage

1 Felicitas Goodman
2 Rituelle Körperhaltungen als Tore in die andere Wirklichkeit
3 Das religiöse Ritual aus der Sicht Felicitas Goodmans
4 Tranceforschung durch Felicitas Goodman
5 Bedeutung einer zeitgemäßen Trancekultur für den modernen Menschen
6 Publikationen

Nächstes Kapitel: 7.1 Bilder


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 7 Bibliographie

7.1 Bilder

verfasst von Susanne Jarausch


Hoppál, Mihály. 2002: Das Buch der Schamanen — Europa und Asien. München, Econ Ullstein List.

Lommel, Andreas. 1980: Schamanen und Medizinmänner. München, Callwey.

Anton, Ferdinand. 1986: Altindianische Kunst in Mexiko. Leipzig, List.

Curtis, Edward S. 1996: Hidden Faces. München, Knesebeck.

Badisches Landesmuseum. 2000: Im Labyrinth des Minos . Ausstellungskatalog. München, Biering & Brinkmann.

Hultkrantz, Ake. 2002: Das Buch der Schamanen — Nord- und Südamerika. Luzern, Motovun Book GmbH.

Edward P., Dozier. 1970: The Pueblo Indians of North America. USA, Holt, Rinehart and Winston.

Erlebnis Trance – Peter Huemer im Gespräch mit Felicitas Goodman. In: ORF Nachlese 7/1996.

Goodman, Felicitas D. 2001: Maya Apocalypse: Seventeen Years with the Women of a Yucatan Village. Bloomington & Indianapolis, Indiana University Press

Cotterell, Arthur (Hg.) 2004: Mythologie, Götter, Helden, Mythen. Bath, UK, Parragon.

Biedermann, Hans. 1987: Die großen Mütter. Graz – Wien, Böhlau.

Mair, L. 1969: Witchcraft. New York, McGraw-Hill.


Nächstes Kapitel: 7.2 Texte


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 7.1 Bilder

7.2 Texte

verfasst von Susanne Jarausch


Bourguignon, Erika. Hrsg. 1973: Religion, Altered States of Consciousness, and Sozial Change. Columbus, Ohio State University Press

Bourguignon, Erika. 1968: A Cross-Cultural Study of Dissociational States: Final Report. Columbus, Ohio, Research Foundation.

Goodman, Felicitas D. 1996: Trance, der uralte Weg zum religiösen Erleben. Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus.

Goodman, Felicitas D. 1989: Wo die Geister auf den Winden reiten. Freiburg i. Br., Hermann Bauer.

Goodman, Felicitas D. 1994: Die andere Wirklichkeit – über das Religiöse in den Kulturen der Welt. München, Trickster.

Goodman, Felicitas D. 1972: Speaking in Tongues: A Cross-Cultural Study of Glossolalia. Chicago, University of Chicago Press.

Goodman, Felicitas D. 1999: Die Blaue Brücke – Märchen. Kirchgellersen, Edition Nana

Guttmann, Giselher. 1990: Zur Psychophysiologie der Bewusstseinssteuerung. Meditation-Trance-Hypnose: Wurzeln und biologische Korrelate. Wien, Gerold.

Guttmann, G., Goodman, F.D., Korunka, C. Bauer, H. & Leodolter, M. 1988: DC- Potential Recordings During Altered States of Consciousness. Institut für Psychologie, Universität Wien, Research Bulletin.

Guttmann, Giselher. 1991: „Mind Machines “. Dokumentation zur Informationstagung. Gottlieb Duttweiler Institut.

Harner, Michael J. 1973:The Jivaro: People of the Sacred Waterfalls. Garden City, NY, Anchor/Doubleday.

Schirmbrand, Michaela. 1991: Psychologische Untersuchung der Trance nach Felicitas Goodman. Wien, Diplomarbeit.


Nächstes Kapitel: 7.3 Filme


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 7.2 Texte

7.3 Filme

verfasst von Susanne Jarausch


Peltner-Rambeck, J., Rambeck, H. 2001: Felicitas Goodman – Rituelle Körperhaltungen und ekstatische Trance. München, Südwind-Film


Nächstes Kapitel: 7.4 Artikel und Vorträge


↑ Nach oben


Vorheriges Kapitel: 7.3 Filme

7.4 Artikel und Vorträge

verfasst von Susanne Jarausch


Verein FOCUS Stadtzentrum Wien, Verein zur Förderung ganzheitlicher Persönlichkeitsentwicklung und Bewusstseinskultur, www.focus.at[1] http://www.focus.at/


↵ Zurück zur Übersicht


↑ Nach oben