Difference between revisions of "STEOP - Aktuelle Debatten - Staat Migration Globalisierung"

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* Texte und Bilder: Hermann Mückler;
 
* Texte und Bilder: Hermann Mückler;
 
* Aufbereitung, Gestaltung und Umsetzung der hypermedialen Lernunterlage: Philipp Budka.
 
* Aufbereitung, Gestaltung und Umsetzung der hypermedialen Lernunterlage: Philipp Budka.
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==Kapitel dieser Lernunterlage==
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[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie#1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie|1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie]]<br/>
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[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie#2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie|2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie]]<br/>
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[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat#3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat|3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat]]<br/>
  
  
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'''[[STEOP_-_Aktuelle_Debatten_-_Staat_Migration_Globalisierung#Sozialwissenschaften und gesellschaftlicher Wandel – aktuelle Debatten Staat, Migration, Globalisierung in der Kultur- und Sozialanthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''
 
'''[[STEOP_-_Aktuelle_Debatten_-_Staat_Migration_Globalisierung#Sozialwissenschaften und gesellschaftlicher Wandel – aktuelle Debatten Staat, Migration, Globalisierung in der Kultur- und Sozialanthropologie|&crarr; Zurück zur Übersicht]]'''
 
=1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie=
 
=1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie=
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-1_1.jpg|300x400px|right|Der suchende Mensch, H. Mückler]]
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<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-1_1.jpg|thumb|300x400px|right|Der suchende Mensch, H. Mückler]]
  
 
Der &quot;homo globatus&quot;, wie '''Eric Hobsbawm[http://de.wikipedia.org/wiki/Eric_Hobsbawm &#91;1&#93;]''' (1999) einmal den modernen in einer globalisierten Welt lebenden Menschen bezeichnete, hat mit gravierenden Veränderungen umzugehen, die in vielerlei '''hybriden Identitäten''' ihren sichtbarsten Ausdruck finden. '''Für die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie (die beiden Begrifflichkeiten sind synonym zu verstehen) bedeutet dies neue Aufgaben und neue Herangehensweisen.''' Diese Veränderungen betreffen auch und vor allem ein '''Aufbrechen der Nah-Fern-Dichotomie[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Zugaenge_der_KSA#1.1.1 Auflösung von Dichotomien, Entgrenzung|[2]]]''', welche das Fach lange in seiner grundsätzlichen Orientierung bestimmte, und erfordern so eine Neudefinition des Faches.
 
Der &quot;homo globatus&quot;, wie '''Eric Hobsbawm[http://de.wikipedia.org/wiki/Eric_Hobsbawm &#91;1&#93;]''' (1999) einmal den modernen in einer globalisierten Welt lebenden Menschen bezeichnete, hat mit gravierenden Veränderungen umzugehen, die in vielerlei '''hybriden Identitäten''' ihren sichtbarsten Ausdruck finden. '''Für die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie (die beiden Begrifflichkeiten sind synonym zu verstehen) bedeutet dies neue Aufgaben und neue Herangehensweisen.''' Diese Veränderungen betreffen auch und vor allem ein '''Aufbrechen der Nah-Fern-Dichotomie[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Zugaenge_der_KSA#1.1.1 Auflösung von Dichotomien, Entgrenzung|[2]]]''', welche das Fach lange in seiner grundsätzlichen Orientierung bestimmte, und erfordern so eine Neudefinition des Faches.
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[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie#2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie|2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie]]<br/>
 
[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie#2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie|2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie]]<br/>
 
[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat#3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat|3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat]]<br/>
 
[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat#3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat|3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat]]<br/>
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'''[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Zugaenge_der_KSA#1.1 Zugänge der Kultur- und Sozialanthropologie|Nächstes Kapitel: 1.1 Zugänge der Kultur- und Sozialanthropologie]]'''<br/>
 
'''[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Zugaenge_der_KSA#1.1 Zugänge der Kultur- und Sozialanthropologie|Nächstes Kapitel: 1.1 Zugänge der Kultur- und Sozialanthropologie]]'''<br/>
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'''[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie#1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie|Vorheriges Kapitel: 1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie]]'''
 
'''[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie#1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie|Vorheriges Kapitel: 1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie]]'''
 
 
=1.1 Zugänge der Kultur- und Sozialanthropologie=
 
=1.1 Zugänge der Kultur- und Sozialanthropologie=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
In der Gegenwart ist der grundsätzliche Zugang und Anspruch, den das Fach mit seinen Untersuchungen in der Ferne verband, ein anderer geworden. Hier kann '''Bruno Latour[http://de.wikipedia.org/wiki/Bruno_Latour &#91;1&#93;]''' (1995) zitiert werden, der meinte, dass, indem die Ethnologie den Exotismus opferte (indem sie sich der modernen Welt im hier und heute hinwandte, das verloren hat, was gerade die Originalität ihrer Forschungen ausmachte). In den &quot;Tropen&quot;, welche hier als Synonym für die außereuropäische Welt, das traditionelle Forschungsgebiet der Ethnologie steht, hatte '''die Anthropologin der Anthropologe sich nämlich nicht mit dem Studium der Randbereiche dieser anderen Kulturen begnügt, sondern war angetreten, deren Zentrum zu rekonstruieren'''. Die Ethnologie hat versucht, bei der Untersuchung anderer Kulturen deren Glaubenssystem, deren Techniken, ihre Ethnowissenschaften, ihr Machtmechanismen, ihre Ökonomien, usw. zusammen zu erforschen und zu einer interpretativen Gesamtschau zu kommen.
 
In der Gegenwart ist der grundsätzliche Zugang und Anspruch, den das Fach mit seinen Untersuchungen in der Ferne verband, ein anderer geworden. Hier kann '''Bruno Latour[http://de.wikipedia.org/wiki/Bruno_Latour &#91;1&#93;]''' (1995) zitiert werden, der meinte, dass, indem die Ethnologie den Exotismus opferte (indem sie sich der modernen Welt im hier und heute hinwandte, das verloren hat, was gerade die Originalität ihrer Forschungen ausmachte). In den &quot;Tropen&quot;, welche hier als Synonym für die außereuropäische Welt, das traditionelle Forschungsgebiet der Ethnologie steht, hatte '''die Anthropologin der Anthropologe sich nämlich nicht mit dem Studium der Randbereiche dieser anderen Kulturen begnügt, sondern war angetreten, deren Zentrum zu rekonstruieren'''. Die Ethnologie hat versucht, bei der Untersuchung anderer Kulturen deren Glaubenssystem, deren Techniken, ihre Ethnowissenschaften, ihr Machtmechanismen, ihre Ökonomien, usw. zusammen zu erforschen und zu einer interpretativen Gesamtschau zu kommen.
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== 1.1.5 Beschleunigung in der jüngsten Vergangenheit ==
 
== 1.1.5 Beschleunigung in der jüngsten Vergangenheit ==
[[File:debattenksa-7_1.jpg|494x448px|right|Der mobile Mensch, H. Mückler ]]
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[[File:debattenksa-7_1.jpg|thumb|494x448px|right|Der mobile Mensch, H. Mückler ]]
 
Ohne das &quot;ab wann?&quot; endgültig klären zu können, kann eine Richtungsänderung und ein nochmaliger Sprung in der Beschleunigung ab dem '''Zeitpunkt des Jahres 1989''' festgestellt werden, dem Jahr des Falls der '''Berliner Mauer[http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Mauer &#91;1&#93;]'''. Mit Sicherheit hat die Ausbreitung des westlichen marktwirtschaftlichen kapitalistischen Systems auf die Länder des ehemaligen Ostblocks eine zusätzliche Dynamisierung im Bereich wirtschaftlicher Durchdringung und eine Beschleunigung von Verflechtungen im Warenverkehr gebracht (natürlich haben auch die hohen Wachstumsraten in den Staaten Südost- und Ostasiens vor der Asienkrise einen ebenso großen Effekt für diese Dynamisierung und den Zugewinn an Geschwindigkeit in diesem Prozess der 1990er Jahre).
 
Ohne das &quot;ab wann?&quot; endgültig klären zu können, kann eine Richtungsänderung und ein nochmaliger Sprung in der Beschleunigung ab dem '''Zeitpunkt des Jahres 1989''' festgestellt werden, dem Jahr des Falls der '''Berliner Mauer[http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Mauer &#91;1&#93;]'''. Mit Sicherheit hat die Ausbreitung des westlichen marktwirtschaftlichen kapitalistischen Systems auf die Länder des ehemaligen Ostblocks eine zusätzliche Dynamisierung im Bereich wirtschaftlicher Durchdringung und eine Beschleunigung von Verflechtungen im Warenverkehr gebracht (natürlich haben auch die hohen Wachstumsraten in den Staaten Südost- und Ostasiens vor der Asienkrise einen ebenso großen Effekt für diese Dynamisierung und den Zugewinn an Geschwindigkeit in diesem Prozess der 1990er Jahre).
  
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=1.2 Prozessuale Entwicklungen der Globalisierung=
 
=1.2 Prozessuale Entwicklungen der Globalisierung=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
'''Globalisierung ist ein Prozess, der von Dynamik, Wechselwirkungen und Determiniertheit geprägt ist.''' Eine Entwicklung wird als dynamisch bezeichnet, wenn laufend Veränderungen stattfinden, die - durch einen Zeitmaßstab und der Zeitdauer der Beobachtung des Phänomens definiert - als solche wahrgenommen werden, indem in ihren diachronisch wahrgenommenen Erscheinungsformen objektiv Unterschiede erkannt werden können. Wechselwirkungen ergeben sich aus der Verknüpfung von Einzelfaktoren und Elementen, die wiederum einander bedingen können und damit eine Determiniertheit generieren. '''Tatsächlich ist der Prozeß der Globalisierung nur durch eine '''methoden- und theoriepluralistische Annäherung[[STEOP_-_Grundlagen_sozialwissenschaftlicher_Methodologie#Grundlagen sozialwissenschaftlicher Methodologie: Empirische Forschung in den Sozialwissenschaften| [1]]]''' möglich und führt zu komplexen und multikausalen Erklärungsansätzen.'''
 
'''Globalisierung ist ein Prozess, der von Dynamik, Wechselwirkungen und Determiniertheit geprägt ist.''' Eine Entwicklung wird als dynamisch bezeichnet, wenn laufend Veränderungen stattfinden, die - durch einen Zeitmaßstab und der Zeitdauer der Beobachtung des Phänomens definiert - als solche wahrgenommen werden, indem in ihren diachronisch wahrgenommenen Erscheinungsformen objektiv Unterschiede erkannt werden können. Wechselwirkungen ergeben sich aus der Verknüpfung von Einzelfaktoren und Elementen, die wiederum einander bedingen können und damit eine Determiniertheit generieren. '''Tatsächlich ist der Prozeß der Globalisierung nur durch eine '''methoden- und theoriepluralistische Annäherung[[STEOP_-_Grundlagen_sozialwissenschaftlicher_Methodologie#Grundlagen sozialwissenschaftlicher Methodologie: Empirische Forschung in den Sozialwissenschaften| [1]]]''' möglich und führt zu komplexen und multikausalen Erklärungsansätzen.'''
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== 1.2.2 Dynamik der zyklischen Expansion und Kontraktion ==
 
== 1.2.2 Dynamik der zyklischen Expansion und Kontraktion ==
[[File:debattenksa-13_1.jpg|400x434px|right|Der akkumulierende Mensch]]
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[[File:debattenksa-13_1.jpg|thumb|400x434px|right|Der akkumulierende Mensch]]
 
Beim Prozess der Globalisierung handelt es sich nicht notwendigerweise um einen unumkehrbaren gerichteten Prozess, der nur in eine Richtung stetig voranschreitet. Vielmehr gab es auch in der '''Vergangenheit[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Zugaenge_der_KSA#1.1.4 Historische Formen von Globalisierung|[1]]]''' immer wieder Phasen, in denen es zu einer Verlangsamung oder zu einem Stillstand gesellschaftlicher Entwicklungen kam, ja sogar zu Umkehrtrends, die in unserem Fall als Deglobalisierung bezeichnet werden müßten.
 
Beim Prozess der Globalisierung handelt es sich nicht notwendigerweise um einen unumkehrbaren gerichteten Prozess, der nur in eine Richtung stetig voranschreitet. Vielmehr gab es auch in der '''Vergangenheit[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Zugaenge_der_KSA#1.1.4 Historische Formen von Globalisierung|[1]]]''' immer wieder Phasen, in denen es zu einer Verlangsamung oder zu einem Stillstand gesellschaftlicher Entwicklungen kam, ja sogar zu Umkehrtrends, die in unserem Fall als Deglobalisierung bezeichnet werden müßten.
  
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'''[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Prozessuale_Entwicklungen#1.2 Prozessuale Entwicklungen der Globalisierung|Vorheriges Kapitel: 1.2 Prozessuale Entwicklungen der Globalisierung]]'''
 
'''[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Prozessuale_Entwicklungen#1.2 Prozessuale Entwicklungen der Globalisierung|Vorheriges Kapitel: 1.2 Prozessuale Entwicklungen der Globalisierung]]'''
 
=1.3 Kultur- und sozialanthropologische Forschungsfelder=
 
=1.3 Kultur- und sozialanthropologische Forschungsfelder=
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-17_1.jpg|600x400px|right|Der vordringende Mensch, H. Mückler]]
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<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-17_1.jpg|thumb|600x400px|right|Der vordringende Mensch, H. Mückler]]
  
 
'''Es geht um Globalisierung von Kulturen bzw. des Kulturellen.''' Unser Fach, welches sich grundsätzlich mit lebensweltlichen Prozessen befasst, die direkt oder indirekt auf die prägenden demographischen, politischen und technologischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts zurückgehen, hat hier zu analysieren und Antworten zu geben. Es beobachtet beispielsweise Veränderungen der Sozialstrukturen in bäuerlichen Gesellschaften im Gefolge der grünen Revolution in der Landwirtschaft sowie der '''Abwanderung in die Städte[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Rezentes#2.5 Rezente Zugänge|[1]]]''', beschäftigt sich mit den '''politischen, sozialen und kulturellen Langzeitwirkungen des Kolonialismus''' in Form von verschiedenen Spielarten von Post- und Neokolonialismus, mit '''regionalen und transnationalen Migrationsströmen[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Aufgabenfelder#2.4 Aufgabenfelder|[2]]]''' sowie mit der zunehmenden '''Dominanz urbaner Lebensformen''' und der dort anzutreffenden Auffächerung in neue soziokulturelle Aggregatszustände. Neue Formen der Ethnizität, der Religiosität, der familiären Solidarität, der sozialen Organisation des Zugangs zu Arbeit, zu Wohnraum usw. stehen in engem Zusammenhang mit diesen gesellschaftlichen Prozessen, in denen auch '''der Faktor Demographie eine entscheidende Rolle spielt'''.
 
'''Es geht um Globalisierung von Kulturen bzw. des Kulturellen.''' Unser Fach, welches sich grundsätzlich mit lebensweltlichen Prozessen befasst, die direkt oder indirekt auf die prägenden demographischen, politischen und technologischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts zurückgehen, hat hier zu analysieren und Antworten zu geben. Es beobachtet beispielsweise Veränderungen der Sozialstrukturen in bäuerlichen Gesellschaften im Gefolge der grünen Revolution in der Landwirtschaft sowie der '''Abwanderung in die Städte[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Rezentes#2.5 Rezente Zugänge|[1]]]''', beschäftigt sich mit den '''politischen, sozialen und kulturellen Langzeitwirkungen des Kolonialismus''' in Form von verschiedenen Spielarten von Post- und Neokolonialismus, mit '''regionalen und transnationalen Migrationsströmen[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Aufgabenfelder#2.4 Aufgabenfelder|[2]]]''' sowie mit der zunehmenden '''Dominanz urbaner Lebensformen''' und der dort anzutreffenden Auffächerung in neue soziokulturelle Aggregatszustände. Neue Formen der Ethnizität, der Religiosität, der familiären Solidarität, der sozialen Organisation des Zugangs zu Arbeit, zu Wohnraum usw. stehen in engem Zusammenhang mit diesen gesellschaftlichen Prozessen, in denen auch '''der Faktor Demographie eine entscheidende Rolle spielt'''.
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'''[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/KSA_Felder#1.3 Kultur- und sozialanthropologische Forschungsfelder|Vorheriges Kapitel: 1.3 Kultur- und sozialanthropologische Forschungsfelder]]'''
 
'''[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/KSA_Felder#1.3 Kultur- und sozialanthropologische Forschungsfelder|Vorheriges Kapitel: 1.3 Kultur- und sozialanthropologische Forschungsfelder]]'''
 
 
=1.4 Bibliographie=
 
=1.4 Bibliographie=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
Appadurai Arjun (Hg.) (1986): The social life of things. Commodities in cultural perspective. Cambridge, Cambridge University Press.
 
Appadurai Arjun (Hg.) (1986): The social life of things. Commodities in cultural perspective. Cambridge, Cambridge University Press.
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=2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie=
 
=2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
'''Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie befasst sich seit ihrem Bestehen als wissenschaftliche Disziplin nachhaltig mit den Konsequenzen jener gesellschaftlichen Prozesse, denen Menschen unterworfen sind, die aus den unterschiedlichsten Faktoren ein hohes Maß an Mobilität und Flexibilität entwickeln müssen.''' Arten der (Fort-)Bewegung, das Entstehen, Bestehen sowie Veränderungen kultureller und sozialer Identität, die Verortung des Einzelnen und der Gruppe (also das Einbeziehen räumlicher Kategorien und Wahrnehmungsmodelle), und schließlich allgemein Fragen nach Ethnizität, Abgrenzung und Inkorporation in Zusammenhang mit der Bewegung von Individuen und Gruppen im Raum und den damit verbundenen Veränderungen in Lebens- und Arbeitsräumen sind die primären Fragen, mit denen sich die Ethnologie heutzutage befasst.
 
'''Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie befasst sich seit ihrem Bestehen als wissenschaftliche Disziplin nachhaltig mit den Konsequenzen jener gesellschaftlichen Prozesse, denen Menschen unterworfen sind, die aus den unterschiedlichsten Faktoren ein hohes Maß an Mobilität und Flexibilität entwickeln müssen.''' Arten der (Fort-)Bewegung, das Entstehen, Bestehen sowie Veränderungen kultureller und sozialer Identität, die Verortung des Einzelnen und der Gruppe (also das Einbeziehen räumlicher Kategorien und Wahrnehmungsmodelle), und schließlich allgemein Fragen nach Ethnizität, Abgrenzung und Inkorporation in Zusammenhang mit der Bewegung von Individuen und Gruppen im Raum und den damit verbundenen Veränderungen in Lebens- und Arbeitsräumen sind die primären Fragen, mit denen sich die Ethnologie heutzutage befasst.
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[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie#1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie|1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie]]<br/>
 
[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie#1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie|1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie]]<br/>
 
[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat#3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat|3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat]]<br/>
 
[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat#3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat|3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat]]<br/>
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'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Abgrenzungen#2.1 Abgrenzungen|Nächstes Kapitel: 2.1 Abgrenzungen]]'''<br/>
 
'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Abgrenzungen#2.1 Abgrenzungen|Nächstes Kapitel: 2.1 Abgrenzungen]]'''<br/>
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=2.1 Abgrenzungen=
 
=2.1 Abgrenzungen=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
'''Es unterscheiden sich die Themen und Herangehensweisen der Ethnologie''' von jenen anderer Fachwissenschaftler, so beispielsweise der '''Politikwissenschaftler''', die migrationspolitische Entwicklungen vor dem Hintergrund des Vergleichs von Einwanderungs- und Asylpolitiken verschiedener Staaten sehen, oder die politische Teilhabe von Zugewanderten in den politischen Entscheidungsfindungsprozessen eines Landes beleuchten. '''Soziologen''' wiederum fokussieren auf gesellschaftliche Folgen von Migration und Formen sozialer Transformation mit einem gewissen Schwerpunkt auf quantitativen Untersuchungen, in den '''Wirtschaftswissenschaften''' werden ökonomische Ursachen und Konsequenzen von Migration auch und vor allem mit Blick auf arbeitsmarktbezogene Veränderungen behandelt, und in der '''Geographie''' werden nicht zuletzt demographische Veränderungen als Auslöser und Folge von Migrationsbewegungen gedeutet und deren Einfluss auf Wohn- und Siedlungsstrukturen im urbanen und ruralen Raum untersucht.
 
'''Es unterscheiden sich die Themen und Herangehensweisen der Ethnologie''' von jenen anderer Fachwissenschaftler, so beispielsweise der '''Politikwissenschaftler''', die migrationspolitische Entwicklungen vor dem Hintergrund des Vergleichs von Einwanderungs- und Asylpolitiken verschiedener Staaten sehen, oder die politische Teilhabe von Zugewanderten in den politischen Entscheidungsfindungsprozessen eines Landes beleuchten. '''Soziologen''' wiederum fokussieren auf gesellschaftliche Folgen von Migration und Formen sozialer Transformation mit einem gewissen Schwerpunkt auf quantitativen Untersuchungen, in den '''Wirtschaftswissenschaften''' werden ökonomische Ursachen und Konsequenzen von Migration auch und vor allem mit Blick auf arbeitsmarktbezogene Veränderungen behandelt, und in der '''Geographie''' werden nicht zuletzt demographische Veränderungen als Auslöser und Folge von Migrationsbewegungen gedeutet und deren Einfluss auf Wohn- und Siedlungsstrukturen im urbanen und ruralen Raum untersucht.
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'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Abgrenzungen#2.1 Abgrenzungen|Vorheriges Kapitel: 2.1 Abgrenzungen]]'''
 
'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Abgrenzungen#2.1 Abgrenzungen|Vorheriges Kapitel: 2.1 Abgrenzungen]]'''
 
=2.2 Qualitative Erforschung von Betroffenheitsszenarien=
 
=2.2 Qualitative Erforschung von Betroffenheitsszenarien=
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-26_1.jpg|298x400px|right|Verlassenheit, F. Drtikol (&quot;Die Seele&quot;, 1931)]]
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<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-26_1.jpg|thumb|298x400px|right|Verlassenheit, F. Drtikol (&quot;Die Seele&quot;, 1931)]]
  
 
Bei der '''Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie[[Einfuehrung_in_die_Methoden_der_Kultur-_und_Sozialanthropologie#Einführung in die empirischen Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie|[1]]]''' stehen häufig nach wie vor '''qualitative Forschungsmethoden[[Qualitative_Methoden_der_Kultur-_und_Sozialanthropologie#Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie|[2]]]''' im Vordergrund, auch wenn sich in der Realität überwiegend eine '''Triangulation '''qualitativer und quantitativer[[Grundlagen_sozialwissenschaftlicher_Methodologie_-_Glossar/Gütekriterien#2.6 Gütekriterien empririscher Forschung|[3]]]''' Herangehensweisen und Forschungsmethoden''' als sinnvoll erwiesen hat. Es ist der Einzelfall, das betroffene Individuum, dass aus der Anonymität komplexer prozessual ablaufender Entwicklungen herausgegriffen und beleuchtet wird. Somit werden '''MigrantInnen als selbstständig Agierende wahrgenommen''', die von den '''Bedingungen, unter denen Migration abläuft[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Aufgabenfelder#2.4.1 Rahmenbedingungen, Arten, Ursachen und Auswirkungen von Migration|[4]]]''' geprägt werden, diese aber selbst wieder prägen. Anders ausgedrückt wird damit der Erkenntnis Rechnung getragen, dass deren migrationsspezifischen Erfahrungen verhaltensbestimmende Elemente zugrunde liegen, die zu analysieren sind, will man zu brauchbaren Aussagen über Ursachen und Konsequenzen in den individuellen Betroffenheitsszenarien kommen, die mit der räumlichen Bewegung zur Veränderung des Lebensmittelpunktes über substantielle Entfernungen verbunden sind. Zahlreiche einführende Werke beschäftigen sich mit diesen Fragen.
 
Bei der '''Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie[[Einfuehrung_in_die_Methoden_der_Kultur-_und_Sozialanthropologie#Einführung in die empirischen Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie|[1]]]''' stehen häufig nach wie vor '''qualitative Forschungsmethoden[[Qualitative_Methoden_der_Kultur-_und_Sozialanthropologie#Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie|[2]]]''' im Vordergrund, auch wenn sich in der Realität überwiegend eine '''Triangulation '''qualitativer und quantitativer[[Grundlagen_sozialwissenschaftlicher_Methodologie_-_Glossar/Gütekriterien#2.6 Gütekriterien empririscher Forschung|[3]]]''' Herangehensweisen und Forschungsmethoden''' als sinnvoll erwiesen hat. Es ist der Einzelfall, das betroffene Individuum, dass aus der Anonymität komplexer prozessual ablaufender Entwicklungen herausgegriffen und beleuchtet wird. Somit werden '''MigrantInnen als selbstständig Agierende wahrgenommen''', die von den '''Bedingungen, unter denen Migration abläuft[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Aufgabenfelder#2.4.1 Rahmenbedingungen, Arten, Ursachen und Auswirkungen von Migration|[4]]]''' geprägt werden, diese aber selbst wieder prägen. Anders ausgedrückt wird damit der Erkenntnis Rechnung getragen, dass deren migrationsspezifischen Erfahrungen verhaltensbestimmende Elemente zugrunde liegen, die zu analysieren sind, will man zu brauchbaren Aussagen über Ursachen und Konsequenzen in den individuellen Betroffenheitsszenarien kommen, die mit der räumlichen Bewegung zur Veränderung des Lebensmittelpunktes über substantielle Entfernungen verbunden sind. Zahlreiche einführende Werke beschäftigen sich mit diesen Fragen.
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[[Einfuehrung_in_die_Methoden_der_Kultur-_und_Sozialanthropologie#Einführung in die empirischen Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie|[1] Siehe die Lernunterlage ''Einführung in die empirischen Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie'']]<br />
 
[[Einfuehrung_in_die_Methoden_der_Kultur-_und_Sozialanthropologie#Einführung in die empirischen Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie|[1] Siehe die Lernunterlage ''Einführung in die empirischen Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie'']]<br />
 
[[Qualitative_Methoden_der_Kultur-_und_Sozialanthropologie#Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie|[2] Siehe die Lernunterlage ''Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie'']]<br />
 
[[Qualitative_Methoden_der_Kultur-_und_Sozialanthropologie#Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie|[2] Siehe die Lernunterlage ''Qualitative Methoden der Kultur- und Sozialanthropologie'']]<br />
[[Grundlagen_sozialwissenschaftlicher_Methodologie_-_Glossar/Gütekriterien#2.6 Gütekriterien empririscher Forschung|[3] Siehe Kapitel 2.6 der Lernunterlage ''Grundlagen sozialwissenschaftlicher Methodologie: Empirische Forschung in den Sozialwissenschaften'']]<br/>r />
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[[Grundlagen_sozialwissenschaftlicher_Methodologie_-_Glossar/Gütekriterien#2.6 Gütekriterien empririscher Forschung|[3] Siehe Kapitel 2.6 der Lernunterlage ''Grundlagen sozialwissenschaftlicher Methodologie: Empirische Forschung in den Sozialwissenschaften'']]<br/>
 
[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Aufgabenfelder#2.4.1 Rahmenbedingungen, Arten, Ursachen und Auswirkungen von Migration|[4] Siehe Kapitel 2.4.1]]<br />
 
[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Aufgabenfelder#2.4.1 Rahmenbedingungen, Arten, Ursachen und Auswirkungen von Migration|[4] Siehe Kapitel 2.4.1]]<br />
  
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'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Betroffenheitsszenarien#2.2 Qualitative Erforschung von Betroffenheitsszenarien|Vorheriges Kapitel: 2.2 Qualitative Erforschung von Betroffenheitsszenarien]]'''
 
'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Betroffenheitsszenarien#2.2 Qualitative Erforschung von Betroffenheitsszenarien|Vorheriges Kapitel: 2.2 Qualitative Erforschung von Betroffenheitsszenarien]]'''
 
 
=2.3 Ethnohistorie und historische Migrationssforschung=
 
=2.3 Ethnohistorie und historische Migrationssforschung=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
Das '''Phänomen Migration''' wird als zentrales Element zur Erhellung menschlicher Entwicklungsgeschichte gesehen. Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie war und ist immer auch eine historische Wissenschaft. Der zentrale Teilbereich der Ethnohistorie hat nach wie vor und vielleicht gerade heute in einer '''Zeit der Globalisierung[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Zugaenge_der_KSA#1.1.4 Historische Formen von Globalisierung|[1]]]''', in der man deren Anfänge und Verläufe zu rekonstruieren versucht, Bedeutung. So haben beispielsweise in der Vergangenheit Fragen nach der Herkunft und Verbreitung kulturtragender Gruppen, besiedlungsgeschichtliche Rekonstruktionen, die Suche nach dem '''Ursprung und der Verbreitung von Ideen sowie technologischen Fertigkeiten und '''Elementen sozialer Organisation[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Entstehung#3.6 Die Entstehung staatlicher Strukturen|[2]]]'''''' die Aufmerksamkeit von Ethnologinnen und Ethnologen bei der Rekonstruktion der menschlichen Entwicklungsgeschichte geweckt.
 
Das '''Phänomen Migration''' wird als zentrales Element zur Erhellung menschlicher Entwicklungsgeschichte gesehen. Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie war und ist immer auch eine historische Wissenschaft. Der zentrale Teilbereich der Ethnohistorie hat nach wie vor und vielleicht gerade heute in einer '''Zeit der Globalisierung[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Zugaenge_der_KSA#1.1.4 Historische Formen von Globalisierung|[1]]]''', in der man deren Anfänge und Verläufe zu rekonstruieren versucht, Bedeutung. So haben beispielsweise in der Vergangenheit Fragen nach der Herkunft und Verbreitung kulturtragender Gruppen, besiedlungsgeschichtliche Rekonstruktionen, die Suche nach dem '''Ursprung und der Verbreitung von Ideen sowie technologischen Fertigkeiten und '''Elementen sozialer Organisation[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Entstehung#3.6 Die Entstehung staatlicher Strukturen|[2]]]'''''' die Aufmerksamkeit von Ethnologinnen und Ethnologen bei der Rekonstruktion der menschlichen Entwicklungsgeschichte geweckt.
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'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Ethnohistorie#2.3 Ethnohistorie und historische Migrationssforschung|Vorheriges Kapitel: 2.3 Ethnohistorie und historische Migrationssforschung]]'''
 
'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Ethnohistorie#2.3 Ethnohistorie und historische Migrationssforschung|Vorheriges Kapitel: 2.3 Ethnohistorie und historische Migrationssforschung]]'''
 
=2.4 Aufgabenfelder=
 
=2.4 Aufgabenfelder=
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-28_1.jpg|400x533px|right|Begrenztheit, H. Mückler]]
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<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-28_1.jpg|thumb|400x533px|right|Begrenztheit, H. Mückler]]
  
 
Grundsätzlich muss man betonen, dass man sich dem Thema '''Migration''' in all seinen Ausformungen nur sinnvoll nähern kann, wenn man sie als '''die Folge komplexer politischer, ideologischer, sozialer und ökonomischer Prozesse begreift''', deren Auslöser und Konsequenzen immer aus einer Vielzahl von Faktoren bestehen, was notwendigerweise in der Auseinandersetzung mit diesem Thema entsprechende Berücksichtigung finden muss und dem heute von der Ethnologie in Form inter- und transdisziplinär angelegter Forschungen Rechnung getragen wird. '''Die Aufmerksamkeit der Ethnologie wendet sich dabei zwei, respektive '''vier großen Aufgabenfeldern[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Rezentes#2.5 Rezente Zugänge|[1]]]''' im Bereich Migration zu.'''
 
Grundsätzlich muss man betonen, dass man sich dem Thema '''Migration''' in all seinen Ausformungen nur sinnvoll nähern kann, wenn man sie als '''die Folge komplexer politischer, ideologischer, sozialer und ökonomischer Prozesse begreift''', deren Auslöser und Konsequenzen immer aus einer Vielzahl von Faktoren bestehen, was notwendigerweise in der Auseinandersetzung mit diesem Thema entsprechende Berücksichtigung finden muss und dem heute von der Ethnologie in Form inter- und transdisziplinär angelegter Forschungen Rechnung getragen wird. '''Die Aufmerksamkeit der Ethnologie wendet sich dabei zwei, respektive '''vier großen Aufgabenfeldern[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Rezentes#2.5 Rezente Zugänge|[1]]]''' im Bereich Migration zu.'''
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'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Aufgabenfelder#2.4 Aufgabenfelder|Vorheriges Kapitel: 2.4 Aufgabenfelder]]'''
 
'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Aufgabenfelder#2.4 Aufgabenfelder|Vorheriges Kapitel: 2.4 Aufgabenfelder]]'''
 
 
=2.5 Rezente Zugänge=
 
=2.5 Rezente Zugänge=
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-33_1.jpg|300x254px|right|Erschöpftheit, K. Kollwitz (&quot;Heimarbeit&quot;, 1925)]]
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<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-33_1.jpg|thumb|300x254px|right|Erschöpftheit, K. Kollwitz (&quot;Heimarbeit&quot;, 1925)]]
  
 
''''''Historiker[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Ethnohistorie#2.3 Ethnohistorie und historische Migrationssforschung|[1]]]''' sprechen von einer Universalgeschichte''' von Völkerwanderungen und Kriegen, Flucht und Vertreibung und verweisen dabei, bezogen auf die europäische Geschichte, auf jene Ereignisse, die zu den zentralen identitätsstiftenden literarischen Werken der abendländischen Kultur gehören. '''Bereits in den antiken Werken wird dem Thema Wanderung bzw. Migration breiter Raum gewidmet''', so beispielsweise die Reise des Aeneas nach Sizilien als Spiegelbild des Bevölkerungsdrucks in Westgriechenland und die griechische Koloniebildung in Italien. Ebenso finden sich in der Bibel zahlreiche Geschichten von Flucht und Vertreibung. Das jüdische Volk bildet geradezu den Archetypus für Flucht und Vertreibung, angefangen vom babylonischen Zwangsexil, über die Zerstreuung im Römischen Reich, den Massenausweisungen in Spanien, bis hin zu Flucht und &quot;Endlösung&quot; im Dritten Reich.
 
''''''Historiker[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Ethnohistorie#2.3 Ethnohistorie und historische Migrationssforschung|[1]]]''' sprechen von einer Universalgeschichte''' von Völkerwanderungen und Kriegen, Flucht und Vertreibung und verweisen dabei, bezogen auf die europäische Geschichte, auf jene Ereignisse, die zu den zentralen identitätsstiftenden literarischen Werken der abendländischen Kultur gehören. '''Bereits in den antiken Werken wird dem Thema Wanderung bzw. Migration breiter Raum gewidmet''', so beispielsweise die Reise des Aeneas nach Sizilien als Spiegelbild des Bevölkerungsdrucks in Westgriechenland und die griechische Koloniebildung in Italien. Ebenso finden sich in der Bibel zahlreiche Geschichten von Flucht und Vertreibung. Das jüdische Volk bildet geradezu den Archetypus für Flucht und Vertreibung, angefangen vom babylonischen Zwangsexil, über die Zerstreuung im Römischen Reich, den Massenausweisungen in Spanien, bis hin zu Flucht und &quot;Endlösung&quot; im Dritten Reich.
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'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Rezentes#2.5 Rezente Zugänge|Vorheriges Kapitel: 2.5 Rezente Zugänge]]'''
 
'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Rezentes#2.5 Rezente Zugänge|Vorheriges Kapitel: 2.5 Rezente Zugänge]]'''
 
 
=2.6 Beispiele=
 
=2.6 Beispiele=
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-38_1.jpg|400x533px|right|Ausgeliefertheit, H. Mückler]]
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<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-38_1.jpg|thumb|400x533px|right|Ausgeliefertheit, H. Mückler]]
  
 
'''Zwei Beispiele für mögliche Themen aus dem Bereich der Migrationsforschung''', die für EthnologInnen bzw. Kultur- und SozialanthropologInnen interessant sein können sind
 
'''Zwei Beispiele für mögliche Themen aus dem Bereich der Migrationsforschung''', die für EthnologInnen bzw. Kultur- und SozialanthropologInnen interessant sein können sind
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'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Beispiele#2.6 Beispiele|Vorheriges Kapitel: 2.6 Beispiele]]'''
 
'''[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/Beispiele#2.6 Beispiele|Vorheriges Kapitel: 2.6 Beispiele]]'''
 
 
=2.7 Bibliographie=
 
=2.7 Bibliographie=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
Dvorak, Johann/ Mückler, Hermann (Hg.) (2011): Staat-Migration- Globalisierung. Wien: Facultas Verlag.
 
Dvorak, Johann/ Mückler, Hermann (Hg.) (2011): Staat-Migration- Globalisierung. Wien: Facultas Verlag.
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=3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat=
 
=3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
Wie bei allen Kultur- bzw. Sozialwissenschaften steht auch in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie der '''Mensch als handelndes Subjekt, als sozial agierendes Wesen im Mittelpunkt der Betrachtung'''. Jede(r) von uns steht grundsätzlich nicht allein, sozusagen im luftleeren Raum, sondern wir interagieren ununterbrochen mit anderen Menschen. Wir sind '''als soziale Wesen''' von der ersten Sekunde unseres Lebens an '''darauf angewiesen, mit anderen Menschen in Wechselbeziehungen zu treten'''.
 
Wie bei allen Kultur- bzw. Sozialwissenschaften steht auch in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie der '''Mensch als handelndes Subjekt, als sozial agierendes Wesen im Mittelpunkt der Betrachtung'''. Jede(r) von uns steht grundsätzlich nicht allein, sozusagen im luftleeren Raum, sondern wir interagieren ununterbrochen mit anderen Menschen. Wir sind '''als soziale Wesen''' von der ersten Sekunde unseres Lebens an '''darauf angewiesen, mit anderen Menschen in Wechselbeziehungen zu treten'''.
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[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie#1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie|1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie]]<br/>
 
[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie#1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie|1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie]]<br/>
 
[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie#2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie|2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie]]<br/>
 
[[Migrationsforschung_in_der_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie#2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie|2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie]]<br/>
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'''[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Interessensabgleich#3.1 Interessensabgleich|Nächstes Kapitel: 3.1 Interessensabgleich]]'''<br/>
 
'''[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Interessensabgleich#3.1 Interessensabgleich|Nächstes Kapitel: 3.1 Interessensabgleich]]'''<br/>
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=3.1 Interessensabgleich=
 
=3.1 Interessensabgleich=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
Wenn zwei Menschen beisammenstehen, um sich über einen Termin oder über die Betrachtung einer Sache zu einigen, dann bedarf dies des '''Interessensabgleichs'''. Dieser verläuft über verschiedene Wege der Kommunikation, deren wichtigste und sichtbarste vordergründige &quot;Werkzeuge&quot; die '''Sprache, Gestik und Mimik sind also Werkzeuge erster Ordnung'''. Andere Elemente, wie beispielsweise die '''Schrift, Piktogramme, Symbole, verschiedene Zeichen''', denen eine eigene Bedeutung aber noch viel mehr eine Wirkung zugrunde liegt (damit beschäftigt sich die explizit die Semantik als Bedeutungslehre im Kontext und als Teilbereich der Semiotik, der Zeichentheorie) würde ich als '''Werkzeuge zweiter Ordnung''' bezeichnen.
 
Wenn zwei Menschen beisammenstehen, um sich über einen Termin oder über die Betrachtung einer Sache zu einigen, dann bedarf dies des '''Interessensabgleichs'''. Dieser verläuft über verschiedene Wege der Kommunikation, deren wichtigste und sichtbarste vordergründige &quot;Werkzeuge&quot; die '''Sprache, Gestik und Mimik sind also Werkzeuge erster Ordnung'''. Andere Elemente, wie beispielsweise die '''Schrift, Piktogramme, Symbole, verschiedene Zeichen''', denen eine eigene Bedeutung aber noch viel mehr eine Wirkung zugrunde liegt (damit beschäftigt sich die explizit die Semantik als Bedeutungslehre im Kontext und als Teilbereich der Semiotik, der Zeichentheorie) würde ich als '''Werkzeuge zweiter Ordnung''' bezeichnen.
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=3.2 Konflikthaftigkeit=
 
=3.2 Konflikthaftigkeit=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
Dieser '''Interessensabgleich[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Interessensabgleich#3.1 Interessensabgleich|[1]]]''' bringt uns zum zweiten damit eng verknüpften Begriff: '''der Konflikthaftigkeit jeglichen Interagierens'''. Konflikthaftigkeit ist nichts Negatives, auch wenn man Konflikt meistens mit Konfrontation in seiner negativen Konotation in Beziehung zu setzen geneigt ist. Dort, wo zwei Individuen oder ein Individuum und eine Gruppe oder zwei Gruppen miteinander in Beziehung treten, geht es um den Abgleich von Bedürfnissen, die wir hier als Interessen bezeichnen. Dass die Bedürfnisse des einen nicht notwendigerweise deckungsgleich mit den Bedürfnissen eines anderen, oder anderer sind, kann vorausgesetzt werden. Aus diesem Grund ist jedes Interagieren immer auch ein Abtasten zwischen zwei oder mehreren Menschen, wie weit man selbst mit seinen Interessenslagen gehen kann, ohne die Bedürfnisse bzw. Interessen anderer zu stören bzw. zu behindern.
 
Dieser '''Interessensabgleich[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Interessensabgleich#3.1 Interessensabgleich|[1]]]''' bringt uns zum zweiten damit eng verknüpften Begriff: '''der Konflikthaftigkeit jeglichen Interagierens'''. Konflikthaftigkeit ist nichts Negatives, auch wenn man Konflikt meistens mit Konfrontation in seiner negativen Konotation in Beziehung zu setzen geneigt ist. Dort, wo zwei Individuen oder ein Individuum und eine Gruppe oder zwei Gruppen miteinander in Beziehung treten, geht es um den Abgleich von Bedürfnissen, die wir hier als Interessen bezeichnen. Dass die Bedürfnisse des einen nicht notwendigerweise deckungsgleich mit den Bedürfnissen eines anderen, oder anderer sind, kann vorausgesetzt werden. Aus diesem Grund ist jedes Interagieren immer auch ein Abtasten zwischen zwei oder mehreren Menschen, wie weit man selbst mit seinen Interessenslagen gehen kann, ohne die Bedürfnisse bzw. Interessen anderer zu stören bzw. zu behindern.
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=3.3 Bedürfnisbefriedigung=
 
=3.3 Bedürfnisbefriedigung=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
Um '''Kommunizieren''' zu können, um die Zeichen zu verstehen, muss Einigkeit darüber herrschen, was sie bedeuten, bzw. wie sie zu deuten sind. Es geht hier um ein Beziehungsverhältnis zwischen einem Sender und einem Empfänger bzw. Adressaten. Letztlich dient alles Kommunizieren der Bedürfnisbefriedigung. Dazu zählt nicht nur die Abdeckung grundlegender Bedürfnisse (&quot;food, shelter, health, care, education&quot;) sondern auch Werte mit Bedürfnischarakter, wie beispielsweise akzeptiert werden, sich Ansehen erwerben, geachtet sein, als Kompetenzträger gesehen werden, usw.
 
Um '''Kommunizieren''' zu können, um die Zeichen zu verstehen, muss Einigkeit darüber herrschen, was sie bedeuten, bzw. wie sie zu deuten sind. Es geht hier um ein Beziehungsverhältnis zwischen einem Sender und einem Empfänger bzw. Adressaten. Letztlich dient alles Kommunizieren der Bedürfnisbefriedigung. Dazu zählt nicht nur die Abdeckung grundlegender Bedürfnisse (&quot;food, shelter, health, care, education&quot;) sondern auch Werte mit Bedürfnischarakter, wie beispielsweise akzeptiert werden, sich Ansehen erwerben, geachtet sein, als Kompetenzträger gesehen werden, usw.
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'''[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Beduerfnisbefriedigung#3.3 Bedürfnisbefriedigung|Vorheriges Kapitel: 3.3 Bedürfnisbefriedigung]]'''
 
'''[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Beduerfnisbefriedigung#3.3 Bedürfnisbefriedigung|Vorheriges Kapitel: 3.3 Bedürfnisbefriedigung]]'''
 
=3.4 Der Staat als Organisationsstruktur=
 
=3.4 Der Staat als Organisationsstruktur=
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-44_1.jpg|350x233px|right|Der kontrollierende Staat, H. Mückler]]
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<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-44_1.jpg|thumb|350x233px|right|Der kontrollierende Staat, H. Mückler]]
  
 
Das Fach der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie beschäftigt sich mit den drei Teilbereichen '''Interessensabgleich[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Interessensabgleich#3.1 Interessensabgleich|[1]]]''', '''Konflikthaftigkeit[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Konflikthaftigkeit#3.2 Konflikthaftigkeit|[2]]]''' und '''Bedürfnisbefriedigung[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Beduerfnisbefriedigung#3.3 Bedürfnisbefriedigung|[3]]]''' in ihren jeweiligen '''Bedingungen, Wechselwirkungen und Konsequenzen zueinander''', und zwar '''global, vergleichend''' und alle Spielarten berücksichtigend, die sich aus unterschiedlicher Größe der Gruppen und Gemeinwesen ergeben.
 
Das Fach der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie beschäftigt sich mit den drei Teilbereichen '''Interessensabgleich[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Interessensabgleich#3.1 Interessensabgleich|[1]]]''', '''Konflikthaftigkeit[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Konflikthaftigkeit#3.2 Konflikthaftigkeit|[2]]]''' und '''Bedürfnisbefriedigung[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Beduerfnisbefriedigung#3.3 Bedürfnisbefriedigung|[3]]]''' in ihren jeweiligen '''Bedingungen, Wechselwirkungen und Konsequenzen zueinander''', und zwar '''global, vergleichend''' und alle Spielarten berücksichtigend, die sich aus unterschiedlicher Größe der Gruppen und Gemeinwesen ergeben.
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'''[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Organisationsstruktur#3.4 Der Staat als Organisationsstruktur|Vorheriges Kapitel: 3.4 Der Staat als Organisationsstruktur]]'''
 
'''[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Organisationsstruktur#3.4 Der Staat als Organisationsstruktur|Vorheriges Kapitel: 3.4 Der Staat als Organisationsstruktur]]'''
 
 
=3.5 Vor- und Nicht-staatliche Gesellschaften=
 
=3.5 Vor- und Nicht-staatliche Gesellschaften=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
Lange hat sich die '''Ethnologie''' so definiert, dass es sich mit außereuropäischen Gesellschaften beschäftigte, die überwiegend als '''vorstaatliche oder nicht-staatliche Gesellschaften''' (d.h. ohne Zentralinstanz) und damit nicht als Staat klassifiziert werden konnten. Aber auch bei staatlich organisierten Gesellschaften, hat man Parameter für diesen festzulegen versucht und genaue Unterscheidungen gemacht.
 
Lange hat sich die '''Ethnologie''' so definiert, dass es sich mit außereuropäischen Gesellschaften beschäftigte, die überwiegend als '''vorstaatliche oder nicht-staatliche Gesellschaften''' (d.h. ohne Zentralinstanz) und damit nicht als Staat klassifiziert werden konnten. Aber auch bei staatlich organisierten Gesellschaften, hat man Parameter für diesen festzulegen versucht und genaue Unterscheidungen gemacht.
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'''[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Vor_und_Nicht#3.5 Vor- und Nicht-staatliche Gesellschaften|Vorheriges Kapitel: 3.5 Vor- und Nicht-staatliche Gesellschaften]]'''
 
'''[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Vor_und_Nicht#3.5 Vor- und Nicht-staatliche Gesellschaften|Vorheriges Kapitel: 3.5 Vor- und Nicht-staatliche Gesellschaften]]'''
 
=3.6 Die Entstehung staatlicher Strukturen=
 
=3.6 Die Entstehung staatlicher Strukturen=
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-46_1.jpg|200x244px|right|Der unkontrollierte Staat, H. Mückler]]
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<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>[[File:debattenksa-46_1.jpg|thumb|200x244px|right|Der unkontrollierte Staat, H. Mückler]]
  
 
'''Die Entstehung staatlicher Strukturen bildet ein Kernthema innerhalb der Politik-Ethnologie bzw. Politischen Anthropologie''', eines Teilgebietes der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie. Dies folgt der Erkenntnis, dass verschiedene Faktoren wie demographisches Anwachsen, ökonomische Surplus (d.h. Mehrwert-) Produktion, günstige Lage, Ressourcenreichtum und zunehmende Arbeitsteiligkeit, um nur einige zu nennen, eine Vergrößerung und zunehmende Komplexität eines gesellschaftlichen Systems bedingen. Differenzierungen verursachen Hierarchisierungen und erfordern eine Verwaltung, welche wiederum den Aufbau einer Bürokratie und (zentral-)staatlicher Institutionen mit sich bringt. Welche Faktoren hier im Einzelnen wirksam werden und wie diese zueinander stehen, welche Entwicklungen zwangsläufig und welche optional sind - das sind die Inhalte, mit deren Beschäftigung eine Voraussetzung für die Definition, was Staat sein kann, geschaffen wird.
 
'''Die Entstehung staatlicher Strukturen bildet ein Kernthema innerhalb der Politik-Ethnologie bzw. Politischen Anthropologie''', eines Teilgebietes der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie. Dies folgt der Erkenntnis, dass verschiedene Faktoren wie demographisches Anwachsen, ökonomische Surplus (d.h. Mehrwert-) Produktion, günstige Lage, Ressourcenreichtum und zunehmende Arbeitsteiligkeit, um nur einige zu nennen, eine Vergrößerung und zunehmende Komplexität eines gesellschaftlichen Systems bedingen. Differenzierungen verursachen Hierarchisierungen und erfordern eine Verwaltung, welche wiederum den Aufbau einer Bürokratie und (zentral-)staatlicher Institutionen mit sich bringt. Welche Faktoren hier im Einzelnen wirksam werden und wie diese zueinander stehen, welche Entwicklungen zwangsläufig und welche optional sind - das sind die Inhalte, mit deren Beschäftigung eine Voraussetzung für die Definition, was Staat sein kann, geschaffen wird.
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== 3.6.5 Moderner Staat und andere Formen politischer Organisation ==
 
== 3.6.5 Moderner Staat und andere Formen politischer Organisation ==
[[File:debattenksa-59_1.jpg|400x533px|left|Der erschöpfte Staat, H. Mückler]]
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[[File:debattenksa-59_1.jpg|thumb|400x533px|left|Der erschöpfte Staat, H. Mückler]]
 
'''Interessante Forschungsthemen ergeben sich dort, wo es zu einer Berührung, Überlappung und meistens konfrontativen Situation zwischen Staaten und in diesen befindlichen kleineren Einheiten politischer Gemeinwesen kommt.''' Forschungen zu Rechtspluralismus lassen sich folgerichtig als Untersuchungsthema ableiten. Es geht um Wechselwirkungen zwischen dem modernen Staat und anderen, einfacheren Formen politischer Organisation. Der moderne Staat wird oft als organische Zusammenfassung einer einigermaßen homogenen Gesellschaft durch ein einziges Führungssystem, einer sogenannten Zentralinstanz, gesehen, welche innerhalb eines bestimmten Territoriums jederzeit das Monopol physischer Gewaltanwendung als letztes Mittel zur Herstellung von (erzwungener) Gemeinsamkeit beansprucht. Solche Staaten, die klare Grenzen haben, kennen Recht und Krieg als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ordnung nach innen und außen. Aus dieser Konstellation ergeben sich zwangsläufig zahlreiche Konfliktfelder.
 
'''Interessante Forschungsthemen ergeben sich dort, wo es zu einer Berührung, Überlappung und meistens konfrontativen Situation zwischen Staaten und in diesen befindlichen kleineren Einheiten politischer Gemeinwesen kommt.''' Forschungen zu Rechtspluralismus lassen sich folgerichtig als Untersuchungsthema ableiten. Es geht um Wechselwirkungen zwischen dem modernen Staat und anderen, einfacheren Formen politischer Organisation. Der moderne Staat wird oft als organische Zusammenfassung einer einigermaßen homogenen Gesellschaft durch ein einziges Führungssystem, einer sogenannten Zentralinstanz, gesehen, welche innerhalb eines bestimmten Territoriums jederzeit das Monopol physischer Gewaltanwendung als letztes Mittel zur Herstellung von (erzwungener) Gemeinsamkeit beansprucht. Solche Staaten, die klare Grenzen haben, kennen Recht und Krieg als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ordnung nach innen und außen. Aus dieser Konstellation ergeben sich zwangsläufig zahlreiche Konfliktfelder.
  
 
== 3.6.5.1 Koloniales Erbe ==
 
== 3.6.5.1 Koloniales Erbe ==
[[File:debattenksa-60_1.jpg|400x300px|right|Der herausgeforderte Staat, H. Mückler; Plakat von Rapa Nui-Demonstranten für mehr Autonomie und gegen die chilenische Regierung. ]]
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[[File:debattenksa-60_1.jpg|thumb|400x300px|right|Der herausgeforderte Staat, H. Mückler; Plakat von Rapa Nui-Demonstranten für mehr Autonomie und gegen die chilenische Regierung. ]]
 
'''In fast allen entkolonisierten ehemaligen Kolonialgebieten haben wir heute moderne nach westlichem Vorbild strukturierte (National-)Staaten mit teilweise unter äußerst fragwürdigen Bedingungen festgelegten Grenzziehungen''', und gleichzeitig eine unter Umständen extrem ethnisch heterogene Situation, die sich in der Existenz zahlreicher Subgruppen manifestiert, die eine nur rudimentäre Anbindung an die Zentralmacht wollen und haben. In den Themenbereichen und Schlagworten wie Tribalismus, Sezessionskriege, Abspaltung, Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen, Befreiungsbewegungen, Aufstände, Cargo-Kulte, Erweckungsbewegungen, usw. stecken die aus solchen Gemengelagen resultierenden '''Konflikt- und Problemfelder'''. Gerade die Erforschung der Kolonialzeit, der Dekolonisierung und der heutigen postkolonialen Entwicklungen, aber auch die Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe birgt ein riesiges Potential an Inhalten, bei denen das '''konflikthafte Miteinander-in- Wechselwirkung-treten[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Konflikthaftigkeit#3.2 Konflikthaftigkeit|[1]]]''' von modernen und einfacheren gesellschaftlichen und politischen Organisationsformen beobachtet werden kann. Die '''Kolonialismuskritik[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/KSA_Felder#1.3.3 Postkoloniale Studien|[2]]]''' steht damit in Verbindung.
 
'''In fast allen entkolonisierten ehemaligen Kolonialgebieten haben wir heute moderne nach westlichem Vorbild strukturierte (National-)Staaten mit teilweise unter äußerst fragwürdigen Bedingungen festgelegten Grenzziehungen''', und gleichzeitig eine unter Umständen extrem ethnisch heterogene Situation, die sich in der Existenz zahlreicher Subgruppen manifestiert, die eine nur rudimentäre Anbindung an die Zentralmacht wollen und haben. In den Themenbereichen und Schlagworten wie Tribalismus, Sezessionskriege, Abspaltung, Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen, Befreiungsbewegungen, Aufstände, Cargo-Kulte, Erweckungsbewegungen, usw. stecken die aus solchen Gemengelagen resultierenden '''Konflikt- und Problemfelder'''. Gerade die Erforschung der Kolonialzeit, der Dekolonisierung und der heutigen postkolonialen Entwicklungen, aber auch die Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe birgt ein riesiges Potential an Inhalten, bei denen das '''konflikthafte Miteinander-in- Wechselwirkung-treten[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Konflikthaftigkeit#3.2 Konflikthaftigkeit|[1]]]''' von modernen und einfacheren gesellschaftlichen und politischen Organisationsformen beobachtet werden kann. Die '''Kolonialismuskritik[[Globalisierung_als_Herausforderung_an_die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie/KSA_Felder#1.3.3 Postkoloniale Studien|[2]]]''' steht damit in Verbindung.
  
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'''[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Entstehung#3.6 Die Entstehung staatlicher Strukturen|Vorheriges Kapitel: 3.6 Die Entstehung staatlicher Strukturen]]'''
 
'''[[Die_Ethnologie_bzw_Kultur-_und_Sozialanthropologie_und_der_Staat/Entstehung#3.6 Die Entstehung staatlicher Strukturen|Vorheriges Kapitel: 3.6 Die Entstehung staatlicher Strukturen]]'''
 
 
=3.7 Beispiele=
 
=3.7 Beispiele=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
Im Buch ''Staat-Migration-Globalisierung'' (Hg: J. Dvorak u. H. Mückler; Wien 2011, Facultas Verlag) werden drei Beispiele angeführt, anhand derer exemplarisch detailliert unterschiedliche Formen früher Staatsbildung sowie die Wechselbeziehung zwischen modernen Staat und nichtsstaatlichen Strukturen erörtert werden. Es handelt sich dabei um die Industal-Kultur, den melanesischen &quot;Big-Man&quot; und die polynesische Ancestral Polynesian Society.
 
Im Buch ''Staat-Migration-Globalisierung'' (Hg: J. Dvorak u. H. Mückler; Wien 2011, Facultas Verlag) werden drei Beispiele angeführt, anhand derer exemplarisch detailliert unterschiedliche Formen früher Staatsbildung sowie die Wechselbeziehung zwischen modernen Staat und nichtsstaatlichen Strukturen erörtert werden. Es handelt sich dabei um die Industal-Kultur, den melanesischen &quot;Big-Man&quot; und die polynesische Ancestral Polynesian Society.
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=3.8 Bibliographie=
 
=3.8 Bibliographie=
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
<sup>verfasst von Hermann Mückler</sup>
 
  
 
Carneiro, Robert Leonard (1970): A Theory of the Origin of the State. In: Science, Vol. 169, 21. August 1970, S. 733–738.
 
Carneiro, Robert Leonard (1970): A Theory of the Origin of the State. In: Science, Vol. 169, 21. August 1970, S. 733–738.
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Latest revision as of 20:15, 28 September 2020

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Sozialwissenschaften und gesellschaftlicher Wandel – aktuelle Debatten: Staat, Migration, Globalisierung in der Kultur- und Sozialanthropologie

verfasst von Hermann Mückler

Die Erörterungen in dieser Lernunterlage zu den Themen, Staat, Migration und Globalisierung beleuchten diese aus dem Blickwinkel der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie. Die drei Themenblöcke können jeder für sich gelesen werden, sie sind aber miteinander verknüpft und bilden ein großes Ganzes. Neben der Zugänge der Ethnologie zu den Themen soll klar werden, dass diese eng miteinander verflochten sind, was eine gemeinsame Betrachtung sinnvoll macht.

Im zu dieser Thematik erschienenen Buch Staat-Migration-Globalisierung (Hg.: J. Dvorak u. H. Mückler; Wien 2011, Facultas Verlag) werden die in dieser Lernunterlage angesprochenen Themen umfassender hinterfragt und weitere Definitionen, Literaturhinweise, Beispiele und kontextuelle Einbettungen angeboten. Der Kauf des Buches wird zum unfassenden Verständnis von Staat, Migration und Globalisierung aus ethnologischer Perspektive empfohlen.

  • Texte und Bilder: Hermann Mückler;
  • Aufbereitung, Gestaltung und Umsetzung der hypermedialen Lernunterlage: Philipp Budka.


Kapitel dieser Lernunterlage

1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie
2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie
3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat


Kapitelübersicht

1 Globalisierung als Herausforderung an die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie

1.1 Zugänge der Kultur- und Sozialanthropologie
1.1.1 Auflösung von Dichotomien, Entgrenzung
1.1.2 Schlagworte der Globalisierung
1.1.3 Begriffsdefinition
1.1.4 Historische Formen von Globalisierung
1.1.5 Beschleunigung in der jüngsten Vergangenheit
1.1.6 Eine neue globale "awareness" entsteht
1.2 Prozessuale Entwicklungen der Globalisierung
1.2.1 Globalisierung und Fragmentierung
1.2.1.1 Reich-Arm-Dichotomie
1.2.1.2 Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft
1.2.2 Dynamik der zyklischen Expansion und Kontraktion
1.2.2.1 Re-Lokalisierung
1.2.2.2 Neue Themen für die Kultur- und Sozialanthropologie
1.2.3 Globalisierung und Grenzen
1.3 Kultur- und sozialanthropologische Forschungsfelder
1.3.1 Mega-Cities und rurale Entvölkerung
1.3.2 Subkulturforschung
1.3.3 Postkoloniale Studien
1.3.4 Eine "Neue Unübersichtlichkeit"
1.3.5 "Creolization Paradigm"
1.4 Bibliographie

2 Migrationsforschung in der Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie

2.1 Abgrenzungen
2.2 Qualitative Erforschung von Betroffenheitsszenarien
2.3 Ethnohistorie und historische Migrationssforschung
2.4 Aufgabenfelder
2.4.1 Rahmenbedingungen, Arten, Ursachen und Auswirkungen von Migration
2.4.2 Konkreten Einzelstudien
2.4.2.1 Migrationsstudien in Österreich und in Europa
2.4.2.2 Migrationsstudien außerhalb Europas
2.5 Rezente Zugänge
2.5.1 Arbeitsmigration
2.5.2 Multikulturalität
2.5.3 Interkulturalität
2.5.4 Aufgaben der Ethnologie
2.6 Beispiele
2.7 Bibliographie

3 Die Ethnologie bzw. Kultur- und Sozialanthropologie und der Staat

3.1 Interessensabgleich
3.2 Konflikthaftigkeit
3.3 Bedürfnisbefriedigung
3.4 Der Staat als Organisationsstruktur
3.5 Vor- und Nicht-staatliche Gesellschaften
3.6 Die Entstehung staatlicher Strukturen
3.6.1 Diffusität politischer Gemeinwesen
3.6.2 Segmentäre Gesellschaften
3.6.3 Vom Einfacheren zum Komplexeren
3.6.4 Historische Theoriebildung zur Staatsentstehung
3.6.4.1 "Early State"
3.6.4.2 Materialistische Theorie
3.6.4.3 Hydraulische Theorie
3.6.4.4 Theorie der natürlichen Grenzen
3.6.4.5 Eroberungs- und Unterwerfungstheorie
3.6.4.6 Patriarchal-, Patrimonial- und Vertragstheorie
3.6.4.7 Definition des frühen Staates
3.6.4.8 Typen des frühen Staates
3.6.5 Moderner Staat und andere Formen politischer Organisation
3.6.5.1 Koloniales Erbe
3.6.5.2 Transnationalismus und Staat
3.7 Beispiele
3.8 Bibliographie


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